Lebensdaten
1887 – 1964
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Santa Monica (Kalifornien, USA)
Beruf/Funktion
Komponist ; Pianist ; Musikschriftsteller
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 11891796X | OGND | VIAF: 12493062
Namensvarianten
  • Toch, Ernst
  • 托赫, 恩斯特

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Toch, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11891796X.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Moritz (1852–1904), aus Nikolsburg (Südmähren), seit 1868 in Ladendorf (Niederösterr.), Lederwarenhändler in W., S d. Elkan u. d. Rosalia N. N.;
    M Gisela Graf (1861–1937), aus Nikolsburg (Mähren);
    1 Schw Elsa (1884–1973, Oscar Roman, emigrierte 1939 n. L. A.);
    Wien (?) 1916 Lilly (Alice) Zwack (1892–1972), aus jüd. Fam., T e. Bankiers in W.;
    1 T Franziska Weschler (1928–88), studierte Psychol. an d. Univ. of California, L. A.;
    E Lawrence Weschler (* 1952), Schriftst. (s. W, L), Toni Weschler (* 1955), med. Publ.

  • Biographie

    T. wuchs in der Wiener Leopoldstadt auf und erhielt ab dem neunten Lebensjahr privaten Klavierunterricht. Belegt sind auch Kontrapunkt- und Harmonielehrestunden 1902/03 an der Vorbildungsschule des Konservatoriums der Musikfreunde in Wien, auch wenn sich T. später als Autodidakt sah. Wichtigste Inspiration war das Selbststudium von Werken klassischer Komponisten, besonders Mozarts Streichquartetten, und früh begann T. mit der Komposition eigener Quartette. Sein 6. Streichquartett op. 12 wurde 1907 durch das Rosé-Quartett im Wiener Musikverein uraufgeführt. Nach der Matura 1906 immatrikulierte sich T. in Wien für Medizin, wechselte dann zur Philosophie, bis ihm der Gewinn des Mozart-Preises der Stadt Frankfurt/M. 1909 ein Musikstudium am Hoch’schen Konservatorium ermöglichte. Hier war er Schüler bei Iwan Knorr (1853–1916, Komposition) und Willy Rehberg (1863–1937, Klavier). 1910 gewann T. den ebenfalls mit einem Stipendium verbundenen Mendelssohn-Preis der Stadt Berlin, außerdem 1911–13 dreimal den Österr. Staatspreis für Musik. 1913 erhielt er durch Vermittlung Rehbergs eine Anstellung als Kompositionslehrer am Konservatorium in Mannheim, wohin er nach dem in der österr. Armee 1914–18 geleisteten Kriegsdienst zurückkehrte.

    1921 wurde T. in Heidelberg bei Theodor Kroyer (1873–1945) mit seiner Arbeit „Beiträge zur Stilkunde der Melodie“ promoviert. Mit der Uraufführung seines Streichquartetts op. 28 errang T. auf dem Tonkünstlerfest des Allgemeinen Dt. Musikvereins 1923 in Kassel einen durchschlagenden Erfolg. Im selben Jahr ermöglichte ihm ein Fünf-Jahres-Vertrag des Musikverlags Schott, der 1928 verlängert wurde, seine Lehrtätigkeit am Konservatorium Mannheim zu beenden und sich ganz der Komposition zu widmen. Die folgenden Jahre bis 1933 bilden die fruchtbarste und erfolgreichste Schaffensphase in T.s Leben. Seit Mitte der 1920er Jahre war T. mit seinen Werken auf allen wichtigen Festivals der neuen Musik vertreten, wie z. B. den Musiktagen Donaueschingen, dem Festival neuer Musik Baden-Baden und den Konzerten der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik. Neben Klavier- und Kammermusik entstanden vermehrt auch Orchesterkompositionen, darunter das Konzert für Cello und Kammerorchester op. 35 (1925) und das Klavierkonzert op. 38 (1926), das durch Walter Gieseking, Elly Ney und Edwin Fischer erfolgreich u. a. in Berlin, London, Paris, Amsterdam und New York aufgeführt wurde.

    1929 übersiedelte T. nach Berlin, wo er u. a. das Opern-Capriccio „Der Fächer“ (1930), Schauspiel- und Hörspielmusiken schrieb. Auf Einladung der „pro musica society“ unternahm er 1932 eine Amerika-Tournee als Solist seines Klavierkonzerts, u. a. nach New York, San Francisco und Boston.

    Frühzeitig erkannte T. die Bedrohung durch den erstarkenden Nationalsozialismus und kehrte im April 1933 von einem Aufenthalt|in Florenz, wo er Ehrengast des Maggio Musicale war, nicht nach Deutschland zurück, sondern emigrierte über Paris nach London. 1934 erhielt er eine Gastprofessur für Musiktheorie an der New School for Social Resarch in New York und konnte mit seiner Familie in die USA einwandern (1940 amerik. Staatsbürger).

    Schon in London hatte T. Musik zu drei Filmen komponiert. Durch George Gershwin kam er in Kontakt zu den Paramount-Filmstudios in Hollywood, in deren Auftrag 1935 die für den Academy Award („Oscar“) nominierte Filmmusik zu „Peter Ibbetson“ entstand. 1936 übersiedelte T. nach Pacific Palisades und schrieb bis 1945 für Paramount, 20th Century Fox und Columbia Pictures Musik zu zahlreichen Filmen. Die anfängliche Begeisterung für das neue Medium wich bald Resignation: Die Arbeit für die Filmindustrie blockierte T.s anderweitiges kompositorisches Schaffen und diente vorrangig der Unterhaltssicherung für die Familie und der Unterstützung zahlreicher Verwandter, denen T. auf ihrer Flucht aus Österreich und Deutschland zu helfen versuchte.

    Seit 1940 hatte T. einen Lehrauftrag für Komposition an der Univ. of Southern California (USC) in Los Angeles inne, 1943/44 hielt er eine Vortragsserie an der Harvard Univ., aus der sein Buch „The Shaping Forces in Music“ (1948) hervorging. Von seinen Schülern, zu denen Peter Jona Korn (1922–98) und Leon Kirchner (1919–2009) gehörten, wurde er als einfühlsamer Lehrer geschätzt.

    1948 erlitt T. einen Herzinfarkt. Wieder genesen, gab er seine Lehrtätigkeit an der USC auf und fand noch einmal zu alter Schaffenskraft zurück: Bis 1964 schrieb er u. a. sieben Symphonien, zwei Streichquartette und eine Oper. Reisen und längere Arbeitsaufenthalte führten ihn nach Europa, u. a. nach Wien, Zürich und mehrere Orte Deutschlands. In Amerika war er zwischen 1953 und 1959 mehrmals Gast in den Künstlerkolonien der MacDowell Kolonie in Peterborough und der Huntington Hartford Foundation in Pacific Palisades.

    T. erhielt zahlreiche Ehrungen, darunter den Pulitzer Preis für die 3. Symphonie (1956) und das Bundesverdienstkreuz (1957); gleichwohl konnte er nicht mehr an seine Erfolge der Zeit vor 1933 anknüpfen, in der er neben Paul Hindemith (1895–1963) und Ernst Krenek (1900–91) einer der maßgeblichen und meistaufgeführten Komponisten der sog. Neuen Sachlichkeit war. Die von klassischem Formbewußtsein bestimmte, ausdrucksstarke Tonsprache seines Spätwerks wurde in Europa als zu konservativ angesehen. Seit den 1990er Jahren wurden die Symphonien und Streichquartette auf CD eingespielt, dennoch konnten sich die Werke T.s nicht mehr dauerhaft im Konzertleben etablieren.

  • Werke

    Weitere A Nominierung f. Academy Award, 1941 (Ladies in Retirement), 1944 (Address Unknown); Mitgl. d. American Ac. of Arts and Letters (1957); Grammy Award (1960); Dr. E. h. (Hebrew Union College of Cincinnati, Ohio, 1962); österr. Ehrenkreuz 1. Kl. f. Kunst u. Wiss. (1963).

    Weitere W 13 Streichquartette, um 1902–53/54;
    Klavierstücke, u. a. Burlesken f. Klavier, op. 31, 1923;
    Bunte Suite f. Orch., op. 48, 1928, Fuge aus d. Geogr., 1930, f. Sprechchor;
    Big Ben, Variationen über d. Westminster-Geläut, op. 62, 1934;
    Cantata of the Bitter Herbs, op. 65, 1938 (Text: Rabbi Jakob Sonderling);
    Klavierquintett, op. 64, 1938;
    Opern: Die Prinzessin auf d. Erbse, op. 43, 1927;
    Egon u. Emilie, op. 46, 1928;
    Der Fächer, op. 51, 1930;
    The Last Tale, op. 88, 1962, UA 1995;
    W-Verz. in: D. Peacock Jezic, The Musical Migration and E. T. (s. L), u. in: E. T., Die gestaltenden Kräfte d. Musik, 2005;
    Schrr.: Btrr. z. Stilkde. d. Melodie, Diss. Heidelberg 1921, veröff. u. d. T. Melodielehre, 1923;
    The Shaping Forces in Music, 1948, ³1977, with a New Introduction by Lawrence Weschler (W-Verz.), dt. u. d. T. Die gestaltenden Kräfte d. Musik, Eine Einf. in d. Wirkungsmechanismen v. Harmonik, Melodik, Kontrapunkt u. Form, Mit e. biogr. Essay v. Lawrence Weschler, 2005 (W-Verz., Diskogr., P);
    – Nachlaß: Ernst Toch Archive in: Univ. of California Los Angeles (UCLA Librarys, Music Library Schoenberg Hall, Special Collections): Briefe, Briefkopien, gedr. Noten u. Partituren, d. Großteil d. musikal. Autographe, Tonaufnahmen, Bücher u. Noten aus T.s musikal. Bibl., Progr.hh., Ztg.ausschnitte, Schrr., Vorlesungen u. Reden;
    Interview-Aufnahmen im Rahmen d. Oral History Projects u. a. (Coll. no. 1-M).

  • Literatur

    L B. Barclay u. M. Cole, The Toch and Zeisl archives at UCLA, Samples of southern California activity to preserve the heritage of its emigré composers, in: Notes: Quarterly Journ. of the Music Library Association, 35, H. 3, 1979, S. 556–77 (P);
    B. Laugwitz, Zum 100. Geb.tag v. E. T. mit e. Gespräch zw. B. Laugwitz u. P. J. Korn, in: Mannheimer Hh. 1987, H. 2, S. 116–22 (P);
    G. Schubert, ‚Kein Einfall ist, wo keine Erfindung ist!‘ Briefe v. E. T. an seinen Verleger, in: Neue Zs. f. Musik 148, H.12, 1987, S. 4–13;
    C. E. Erwin, E. T. in Amerika, in: Verdrängte Musik, Berliner Komp. im Exil, hg. v. H. Traber u. E. Weingarten, 1987, S. 109–22;
    W. Konold, E. T., ein vergessener Komp.?, in: Musica 41, H. 5, 1987, S. 427–32;
    D. P. Jezic, The musical migration and E. T., 1989 (W-Verz., P);
    Lawrence Weschler, My Grandfather’s Last Tale, in: The Atlantic Monthly 130, H. 6, 1996, S. 86–106;
    A. Oechsler, Zwischen Schein u. Sein, E. T. in Hollywood, in: Emigrierte Komp. in d. Medienlandschaft d. Exils 1933–1945, hg. v. N. Grosch u. a., 1998, S. 91–101;
    H. Schneider, Wahrhaftigkeit u. Fortschritt, E. T. in Dtld. 1919–1933, 2007 (zugleich Diss. Leipzig 2006);
    H. Jung (Hg.), Spurensicherung, Der Komp. E. T. (1887–1964), Mannheimer Emigrantenschicksale, 2007 (P);
    E. T., das Leben als geogr. Fuge, hg. v. W. Hanak-Lettner u. M. Haas, Ausst.kat. Jüd. Mus. Wien 2010 (mit Audio-CD);
    BHdE II;
    Baker’s Dict. of Music, hg. v. N. Slonimsky, 1997, S. 1045 f.;
    M. Brenk, Die Musik d. 20er J., Studien z. ästhet. u. hist. Diskurs, unter bes. Berücksichtigung v. Komp. E. T.s, 1999;
    Enc. Jud.²2007;
    Riemann mit Erg.bd.;
    MGG²;
    New Grove²;
    Grove Opera;
    ÖML;
    Kosch Theater-Lex.;
    Baden-Württ. Biogrr. 1, 1994;
    J. H. Schoeps (Hg.), Neues Lex. d. Judentums, 1998;
    Munzinger; C. Stratz, in: Lex. verfolgter Musiker u. Musikerinnen d. NS-Zeit, hg. v. C. Maurer Zenck u. P. Petersen unter Mitarb. v. S. Fetthauer, seit 2005 (Internet).

  • Porträts

    P Büste v. E. Kuhn, um 1930 (Schenkung v. T. u. Erich Kuhn 1930 an d. Kunsthalle Mannheim, seit den 1980er J. in d. Musikschule Mannheim, vor d. Ernst-Toch-Saal); Gem. v. A. Kaufmann, 1938 (Kunstmus. Mülheim/Ruhr, Bilderslg.), Abb. in: H. Jung, 2007 (s. L), S. 84; Triptychon „Die geistige Emigration“, v. dems., 1939–64 (im linken Drittel) (ebd.), Abb. u. a. in: T. Blubacher, Paradies in schwerer Zeit, Künstler u. Denker im Exil in Pacific Palisades u. Umgebung, 2011, S. 8 (weitere P, Photogrr.)

  • Autor/in

    Marion Brück
  • Zitierweise

    Brück, Marion, "Toch, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 314-316 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11891796X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA