Lebensdaten
1889 – 1952
Geburtsort
Prag
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Rechtshistoriker
Konfession
katholisch?
Normdaten
GND: 118956329 | OGND | VIAF: 56675872
Namensvarianten
  • Mitteis, Heinrich
  • Mitteis, H.

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Mitteis, Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118956329.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ludwig (s. 1);
    M Hermine Luber (1858–1912);
    1919 Mathilde (Liddy) (1888–1971), T d. Gen.-Lt. Hans Abt (1854–1930) u. d. Marie Pfeiler; kinderlos.

  • Biographie

    M. wuchs in Leipzig auf, wo sein Vater Professor war. Seine Jugend war von einer tiefen Neigung zur Musik geprägt. Dem Thomaskantor Karl Straube blieb er lebenslang eng verbunden. Seit 1908 widmete sich M. in Leipzig dem Studium der Rechte, das er im Wintersemester 1909/10 in Berlin und anschließend wieder in Leipzig fortsetzte und 1913 mit der Promotion summa cum laude abschloß. Hier waren neben dem Vater besonders Karl Binding, Otto Mayer, Rudolf Sohm und Adolph Wach seine Lehrer, in Berlin Heinrich Brunner, Otto Gierke und Karl Hellwig. Die Referendartätigkeit wurde 1913/14 zugunsten einer rechtshistorischen Weiterbildung in Bonn bei Ulrich Stutz und Hans Schreuer unterbrochen. Während des 1. Weltkriegs stand M. 1915-18 als Soldat an der Front. Bereits im April 1919 habilitierte er sich – auf Anregung von Hans Fehr, der|inzwischen nach Heidelberg übersiedelt war – in Halle für Deutsche Rechtsgeschichte und Privatrecht. 1920 erhielt er einen Lehrauftrag für Deutsche Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht an der neugegründeten Univ. Köln, wurde nach Ablehnung eines Rufes nach Frankfurt/Main 1921 o. Professor in Köln und 1924 (als Nachfolger Fehrs) in Heidelberg. Hier entfaltete M. eine umfassende Lehrtätigkeit und begründete zusammen mit Leopold Wenger 1927 den Deutschen Rechtshistorikertag.

    Aus patriotischem Empfinden stand M. dem Weimarer Staat reserviert gegenüber, akzeptierte aber die Republik und ihre Verfassung. Nach Hitlers Machtergreifung wurde er Ende 1933 in Heidelberg als Dekan abgesetzt, weil er sich gegen die Beschimpfung von jüdischen Kollegen in der Presse gewandt hatte. Auch in München, wo er seit 1934 wirkte, blieben ihm politische Schwierigkeiten nicht erspart. Der NS-Studentenbund forderte seine Entfernung aus dem Lehramt. Daher ging er 1936 als Nachfolger Hans v. Voltelinis nach Wien. Nach dem „Anschluß“ Österreichs 1938 wurde M. sofort vom Lehramt suspendiert, mit „Schutzhaft“ bedroht und 1940 ins kleine Rostock versetzt. Nach 1945 das allseitig anerkannte Haupt der Rechtsgeschichte, übernahm er 1947 die Herausgabe der Savigny-Zeitschrift für Rechtsgeschichte (ZSRG). 1946 folgte M. einem Ruf nach Berlin, 1948 einem solchen nach München, das er nochmals zur „ersten Pflegestätte deutscher Rechtsgermanistik“ (Feine) erhob. Seit Frühjahr 1952 Professor in Zürich, kehrte M. im Sommersemester vorübergehend nach München zurück, um seinen vakanten Lehrstuhl zu betreuen; kurz danach erlag er einem Herzversagen.

    M. war eine „wahrhaft geniale Forscherpersönlichkeit, von ungewöhnlichem Ideenreichtum und geschichtlichem Einfühlungsvermögen, ein begeisterter und Begeisterung weckender akademischer Lehrer, ein Jurist, dem die Idee des Rechtes und der Gerechtigkeit als Leitstern über allem geschichtlichen Forschen“ stand. Ihm war es noch einmal gelungen, „die deutsche Rechtsgermanistik wie um die Jahrhundertwende … auf eine international anerkannte Höhe zu heben“ (Feine). In M.s frühen Arbeiten überwogen Themen der Geschichte des Privatrechts, so in seiner Dissertation über „Rechtsfolgen des Leistungsverzuges beim Kaufvertrag nach niederländ. Quellen des Mittelalters“ (1913). Prozeßgeschichtlichen Problemen galten die Abhandlungen über „Beaumanoir und die geistliche Gerichtsbarkeit“ (ZSRGK 4, 1914, S. 263 ff.) sowie die „Studien zur Geschichte des Versäumnisurteils, bes. im franz. Recht“ (ZSRGG 42, 1921, S. 137-239). Da seine Lehrverpflichtung auch Zivilrecht umfaßte, schrieb M. sein „Familienrecht“ (1923, ⁴1949) sowie das „Sachen- und Wertpapierrecht“ (in: C. Cosack, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II/1, ⁷1924, ⁸1927). In Wien verfaßte er den „Grundriß des österr. Urheberrechts“ (1936).

    Seit etwa 1925 wandte M. sein Interesse der deutschen, franz. und europ. Verfassungshistorie, vor allem dem Lehnrecht wie der vergleichenden Verfassungsgeschichte des Mittelalters zu. Nach intensiven, auch in Frankreich unternommenen Quellenstudien erschien 1933 das große Werk „Lehnrecht und Staatsgewalt, Untersuchungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte“ (1933, Nachdr. 1958). Darin werden Entstehung, Ausbildung und System dieses Instituts auf gesamteurop. Basis behandelt. Mit diesem Werk war der grundlegende Gesichtspunkt für eine vergleichende Darstellung der Staatenwelt des hohen Mittelalters gewonnen, die sich vom Zentrum des Abendlandes, Deutschland und Frankreich, über Italien, Spanien und England bis nach Skandinavien und bis in die Normannen- und Kreuzfahrerstaaten des Mittelalters erstrecken konnte, eine Darstellung, die M. in seinem monumentalen zweiten Hauptwerk „Der Staat des hohen Mittelalters, Grundlinien einer vergleichenden Verfassungsgeschichte des Lehnszeitalters“ (1940, 101980) bietet. An die Stelle der älteren statischen Betrachtungsweise der Staatseinrichtungen setzt M. hier die dynamisch-funktionelle und führt damit die Rechtsgeschichte aus der Isolierung heraus, in die sie durch die Beschränkung auf das „dogmatisch Faßbare“ (im Sinne Heinrich Brunners) geraten war. Beide Werke haben internationales Ansehen erlangt. Schon 1938 war das Buch „Die deutsche Königswahl, Ihre Rechtsgrundlagen bis zur Goldenen Bulle“ (²1944) erschienen. In einem großen Aufsatz (ZSRGG 63, 1943, S. 136-213) wies M. auf „Die german. Grundlagen des franz. Rechts“ hin. In schwerer Nachkriegszeit folgten das Büchlein „Vom Lebenswert der Rechtsgeschichte“ (1947) sowie die Abhandlung „Die Rechtsgeschichte und das Problem der historischen Kontinuität“ (1947). In leichtfaßlicher Diktion finden sich M.s Anschauungen in seinen beiden Studienbüchern „Deutsche Rechtsgeschichte“ (1949, 191992) und „Deutsches Privatrecht“ (1950, 101988), die beide von H. Lieberich sorgfältig ergänzt, stark erweitert und auf den neuesten Stand gebracht|wurden. Die wichtigeren Abhandlungen und Vorträge wurden im stattlichen Sammelband „Die Rechtsidee in der Geschichte“ (1957, ausführl. W-Verz.) neu herausgegeben.|

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Ak. d. Wiss. in Heidelberg (1925), d. Österr. Ak. d. Wiss. in Wien (1945), d. Dt. Ak. d. Wiss. in Berlin (1946) u. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1949, Präs. 1950–52).

  • Werke

    Weitere W u. a. Pol. Prozesse d. früheren MA in Dtld. u. Frankreich, 1927;
    Zum Schuld- u. Handelsrecht d. Kreuzfahrerstaaten, in: Festgabe f. E. Heymann, 1931, S. 229-88;
    Zur Gesch. d. Lehnsvormundschaft, in: FS Alfred Schultze, 1934, S. 129-74;
    Rechtsgesch. u. Machtgesch., in: FS Alfons Dopsch, 1938, S. 557-80;
    Über d. über consuetudinum imperii Romaniae, in: Studi di storia e diritto in onoranza di Enrico Besta, 1938, S. 1-33;
    Land u. Herrschaft, Bemerkungen z. gleichnamigen Buch Otto Brunners, in: HZ 163, 1941, S. 255-81 u. 471-89;
    Über d. Naturrecht, 1948;
    Pol. Verträge im MA, in: ZSRGG;
    67, 1950, S. 64-128;
    Zur Lage der rechtsgeschichtl. Forschung in Italien, ebd. 69, 1952, S. 203-38;
    Die Krise d. dt. Königswahlrechts, 1951;
    Formen d. Adelsherrschaft im MA, in: FS Fritz Schulz, 1951, S. 226-58. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Univ.bibl. München.

  • Literatur

    O. v. Zwiedineck-Südenhorst, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 1952, S. 150-62 (P);
    H. Fehr, in: Jb. d. Dt. Ak. d. Wiss. zu Berlin 1952/53, S. 216 (W);
    W. Kienast, in: HZ 174, 1952, S. 735-37;
    H. Thieme, in: Studia et Documenta Historiae et Iuris 28, Rom 1952, S. 377-80;
    S. Reicke, in: Ruperto-Carola ⅞, Dez. 1952, S. 37 f. (P);
    P. S. Leicht, in: Rivista di storia del diritto italiano 25, 1952, S. 253-56;
    K. S. Bader, in: ZSRGG 70, 1953, S. VIII-XXIX (P);
    J. Keil, in: Alm. d. Österr. Ak. d. Wiss. 103, 1954, S. 200;
    O. Brunner, ebd. 104, 1955, S. 343-46;
    H. E. Feine, in: Geist u. Gestalt, Biogr. Btrr. z. Gesch. d Bayer. Ak. d. Wiss. I, 1959, S. 243-48 (Wiederabdr. in: ders., Reich u. Kirche, Ausgew. Abhh., 1966, S. 245-50);
    G. Tabacco, L'ordinamento feudale del potere nel pensiero di H. M., in: Annali per la storia amministrativa I, 1964, S. 83-113;
    Drüll, Heidelberger Gel.lex., S. 180 f.;
    G. Köbler, Wege dt. Rechtsgesch., in: FS K. Kroeschell, 1988, S. 205 f.;
    G. Landwehr, in: Juristen im Porträt, FS d. Verlages C. H. Beck, 1988, S. 572-83 (P);
    G. Brun, Leben u. Werk d. Rechtshistorikers H. M. unter bes. Berücksichtigung seines Verhältnisses z. Nationalsozialismus, 1991;
    P. Landau u. a., H. M. nach hundert J. (1889–1989), 1991;
    HRG.

  • Porträts

    Phot. in: Geist u. Gestalt (s. L) III, 1959, S. 245.

  • Autor/in

    Nikolaus Grass
  • Zitierweise

    Grass, Nikolaus, "Mitteis, Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 577-579 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118956329.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA