Lebensdaten
1869 – 1949
Geburtsort
Almrich/Saale bei Naumburg
Sterbeort
Jena
Beruf/Funktion
Architekt ; Publizist ; Maler
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118891987 | OGND | VIAF: 3269092
Namensvarianten
  • Schultze, Paul Eduard (eigentlich)
  • Schultze-Naumburg, Paul
  • Schultze, Paul Eduard (eigentlich)
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Orte

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Zitierweise

Schultze-Naumburg, Paul, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118891987.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Gustav Schultze ( 1898), Porträtmaler, später Photograph in N., fertigte u. a. Porträtphotographien v. Friedrich Nietzsche an;
    M Emma Lienemann; 5 ältere Geschw u. a. Richard Schultze (1855–1923), Architekt, Wirkl. Geh. Oberbaurat, Vortr. Rat im preuß. Min. d. öff. Arbb., Mitgl. d. Ak. d. Bauwesens (s. DBJ V. Tl.; ThB; Vollmer);
    – ⚭ 1) 1893 Ernestine Mack (* 1869), aus Hanau, Malerin, beteiligte sich an Ausstellungen d. Sezession in München (s. Das geistige Dtld. am Ende d. 19. Jh., 1898),
    2) 1901 Marie, T d. Philipp Wahnschaffe, Rittergutsbes., u. d. Hedwig Freiin v. Wangenheim,
    3) Margarete Doerr (1896–1960, 2] 1934 Wilhelm Frick, 1877–1946, NS-Pol., Reichsminister d. Innern, s. NDB V), Bibl.,
    4) Charlotte Ulrich;
    2 S u. a. N. N. (⚔), Graphologe, N. N., Mitarb. d. Reichssippenamts, Bildberichterstatter, Photograph, 3 T u. a. Irene ( Walther Hertzsch, 1901–75, aus Zwickau, Dr. agr., Zool., Abt.leiter am MPI f. Züchtungsforsch, in Köln-Vogelsang, s. Kürschner. Gel.-Kal. 1970); Schwager Arnold Wahnschaffe (1865–1941), Unterstaatssekr. in d. Reichskanzlei, 1907 Vortr. Rat in d. Reichskanzlei (s. Wi. 1911; Rhdb.; Wenzel; NDB 17, Fam.art. Moellendorff).

  • Biographie

    Als Kind eines Schadow-Schülers, der Verbindung u. a. zu Franz Kugler, Emanuel Geibel, Paul Heyse und Friedrich Nietzsche unterhielt, kam S. früh mit der Kunst in Berührung. Nach dem Abitur an der Oberrealschule in Naumburg begann er 1886 an der Kunstgewerbeakademie Karlsruhe zu studieren, 1887 wechselte er zum Malereistudium an die Kunstakademie. Wenngleich zwei Semester Gasthörer an der TH, blieb S. als Architekt Autodidakt, dabei beeinflußt durch den Bruder Richard. Nach zwei Jahren (1891–93) als Meisterschüler des Historien- und Landschaftsmalers Ferdinand Keller (1842–1922) zog S. nach München, wo er eine Malschule gründete; 1897 ging er nach Berlin und war dort als freischaffender Künstler und Sezessionist tätig. Seine während dieser Zeit entstandenen Gemälde zeigen bereits das Lebensthema der harmonischen Idealverbindung von Natur-, Kulturlandschaft und Baukunst, das den ganzheitlich-soziokulturellen Anspruch der Reformbewegung reflektiert.

    1901 zog S. nach Saaleck bei Kösen und errichtete sich ein großzügiges Einfamilienhaus mit Garten. Das manifestartige Gesamtkunstwerk wurde bis zum Umzug nach Weimar 1934 ständig erweitert. Analog zu den Vereinigten Werkstätten in München gründete S. 1901 die Saalecker Werkstätten mit kunsthandwerklicher und architektonischer Produktion, und eröffnete Niederlassungen in Berlin, Köln, Essen, die bis zu 70 Mitarbeiter beschäftigten. Im selben Jahr legte er das erste Buch der neunbändigen „Kulturarbeiten“ (abgeschlossen 1917) vor, Grundlage der sog. Heimatschutz-Bewegung und der Überwindung des akademischen Historismus. Antrieb, gewachsene Kulturlandschaften in Musterbüchern mit enzyklopädischem Anspruch zu dokumentieren, war die „Verheerung unseres Landes auf allen Gebieten sichtbarer Kultur“ (Vorwort) als Folge der Industrialisierung. Neueste Druckverfahren ermöglichten S., die zumeist eigenen Fotografien eng mit der textlichen Argumentation zu verbinden. Damit beeinflußte er inhaltlich und konzeptuell weitere Schriften, darunter Paul Mebes' „Um 1800“ (1908).

    Eine ganzheitliche Ästhetik, die schöpferisches Weiterdenken aus kulturlandschaftlichem Erbe anstrebte, bildete auch die Grundlage der planerischen Arbeit. Seit 1901 errichtete S. großangelegte Schlösser, Landhäuser und Gärten in stilistischem Amalgam aus Barock und Klassizismus. Zu den bekanntesten Anlagen zählt Schloß Cecilienhof bei Potsdam, 1913-17 für den preuß. Thronfolger Wilhelm errichtet. 1902, unter der Direktion Henry van de Veldes, wurde S. Dozent an der Weimarer Kunsthochschule, 1904 erhielt er den Professorentitel. Im selben Jahr war er Mitbegründer des „Bundes Deutscher Heimatschutz“, den er bis 1913 leitete. 1907 gehörte er zu den Initiatoren des „Deutschen Werkbundes“. S. verließ die Vereinigung 1927 aus Protest gegen Mitglieder wie Mies van der Rohe, Walter Gropius oder Otto Bartning und deren Engagement für das „Neue Bauen“ in der Avantgardevereinigung „Der Ring“. 1928 formierte sich die nationalkonservative Gegengruppe „Block“ mit S. als Vorsitzendem. 1930 gab S. die Saalecker Werkstätten aus wirtschaftlichen Gründen auf und übernahm Bartnings Stelle als Direktor der Staatl. Kunsthochschule Weimar.

    Das Festhalten an Vorstellungen der Vorkriegszeit, vermischt mit völkisch-rassischen Ideologemen, machte S. zur zentralen Figur der Antimoderne. In „Kunst und Rasse“ (1927) zeigte er, analog zu den didaktischen Negativbeispielen in den „Kulturarbeiten“, Fotografien Behinderter neben expressionistischen Kunstwerken, um auf „Entartungen“ hinzuweisen – in enger Anlehnung an die „Rassetheoretiker“ Hans F. K. Günther (1891-1968) und Walther Darré (1895–1953), der „Neuadel aus Blut und Boden“ 1930 auf Saaleck verfaßte. Als NSDAP-Mitglied seit 1930, Leiter des „Kampfbundes deutscher Architekten und Ingenieure“ seit 1931 und Reichstagsabgeordneter seit 1932 diente sich S. dem Nationalsozialismus an. An der Schließung des Bauhauses Dessau 1932 hatte er maßgeblichen Anteil. Dennoch fanden seine eigenen Konzepte in der NS-Kulturpolitik keine besondere Berücksichtigung. Nach seinem Umbau der Nürnberger Oper kam es 1935 zum Zerwürfnis mit Hitler, der seit 1924 in Saaleck verkehrt war. Nach Auseinandersetzungen mit dem thür. Gauleiter Fritz Sauckel (1894–1946) wurde S. 1940 in Ruhestand versetzt, erhielt jedoch eine Ehrenpension und zahlreiche Auszeichnungen. Nach Kriegsende 1945 enteignet, wurde der in Jena verstorbene S. auf dem Friedhof in Weimar anonym beigesetzt, in dem von ihm gestalteten Grab Ernst v. Wildenbruchs ( 1909). Die ideologischen Verstrickungen, die seine späten, von menschenverachtendem Haß getragenen Schriften dokumentieren, überschatten bis heute S.s Bedeutung für Denkmalpflege, Reformkultur und künstlerische Erneuerung nach 1900.

  • Auszeichnungen

    Dr. h. c. (Tübingen 1923);
    Dr.-Ing. E. h. (TH Stuttgart 1929);
    Goethepreis d. Stadt Frankfurt/M. (1939);
    Silberner Gauadler d. Staates Thüringen (1940);
    Adlerschild d. Großdt. Reiches (1944);
    Ehrenbürger d. Städte Weimar u. Jena (1944);
    Mitgl. d. Dürerbunds, d. Ak. d. Bauwesens, d. Preuß. Ak. d. Künste (1930), d. Dt. Künstlerbunds (Ausschluß 1931 wegen antimodernistischer Aktivitäten) u. d. Sachverständigenrats f. Bevölkerungs- u. Rassepolitik im Reichsinnenministerium.

  • Werke

    Weitere W u. a. Gem.: Wandbilder in d. Villa Poppe, Dresden, undat.;
    Burg Plaue, 1899 (Mus. Leipzig);
    Saalelandschaft, 1899 (Mus. Schloß Moyland);
    Schrr.:
    Der Studiengang d. modernen Malers, 1896;
    Häusl. Kunstpflege. 1899;
    Die Kultur d. weibl. Körpers, 1901;
    Kulturarbeiten, 9 Bde., 1901-17, zahlr. spätere Auflagen;
    Der Bau d. Wohnhauses, 2 Bde., 1917-24;
    Vom Verstehen u. Genießen d. Landschaft, 1924;
    Das bürgerl. Wohnhaus 1926, ²1927;
    ABC d. Bauens, 1926;
    Saaleck, Bilder v. meinem Hause u. Garten, 1927;
    Flaches oder geneigtes Dach?. 1927;
    Kunst u. Rasse, 1927, ²1934, ³1938, ⁴1942;
    Das Gesicht d. dt. Hauses, 1930;
    Die Kunst d. Deutschen, 1934;
    Kunst aus Blut u. Boden, 1934;
    Bauten:
    Schloß Freudenberg b. Wiesbaden, 1905;
    Schloß Altendorf b. Eckernförde, 1905-07;
    Wasserschloß Hackhausen b. Ohlings/Solingen, 1907;
    Gutshaus Jalkowicz, Kroatien 1908;
    Landhaus Fichteneck in Rindbach/Gmundener See, Österr., 1909;
    Gartenstadt am Rechenberge in Bad Kösen, 1910;
    Gutsanlage Marienthal b. Eckartsberga, Thüringen, 1913-16;
    Gut u. Schloß Seeburg b. Halle/Saale, 1923;
    Jagdgut Hospelt b. Münster/Eifel, 1924-26;
    Kreishaus Merseburg, 1928;
    Städt. Sparkasse u. Kreishaus Parchim, 1934-35;
    Nietzsche|Gedächtnishalle Weimar, 1936-39;
    Teilnachlaß:
    DLA Marbach: Akten: BA Berlin.

  • Literatur

    L. Bartning, P. S., Ein Pionier dt. Kulturarbeit, 1929;
    Bauten S.s, mit e. Einf. v. R. Pfister, 1940 (W-Verz.);
    N. Borrmann, P. S., 1869-1949, Maler, Publizist, Architekt, 1989;
    J. Campbell, Der Dt. Werkbund 1907-1934, 1989;
    R.-P. Pinkwart, S., Ein konservativer Architekt d. frühen 20. Jh., Diss. Halle 1991;
    ders., Der Kunstreformer, Architekt u. Gestalter P. S.-N. u. d. Weimarer Hochschule unter seinem Rektorat in d. dreißiger Jahren, in: Denkmale u. Gedenkstätten, hg. v. A. Hubel u. H. Wirth, Wiss. Zs. d. Hochschule f. Architektur u. Bauwesen 41, 1995. H. 4/5, S. 69-82 (P);
    M. G. Davidson, Kunst in Dtld. 1933-1945, Bd. 3, Architektur, 1995, S. 548-54;
    D. Kerbs. „Vestigia terrent“. P. S.-N., Vom Lebensreformer zum Rassetheoretiker, in: Jb. d. Archivs d. Dt. Jugendbewegung. 98, 1999, S. 219-32;
    Die Lebensreform, Entwürfe z. Neugestaltung v. Leben u. Kunst um 1900, Ausst.kat. Darmstadt 2001;
    Die Burg Hospelt in der Eifel, in: Burgen u. Schlösser 2004, Nr. 3, S. 171-76;
    Rhdb. (P);
    Wi. 1935;
    ThB: Vollmer;
    Lex. d. Kunst;
    I. Eberl u. H. Marcon. 150 J. Promotion an d. Wirtsch.wiss. Fak. d. Univ. Tübingen, 1984 (P);
    Dict. of Art;
    Munzinger;
    Hdb. z. „Völkischen Bewegung“ 1871-1918, 1996;
    Personenlex. Drittes Reich;
    Lilla, MdR.

  • Autor/in

    Christian Welzbacher
  • Zitierweise

    Welzbacher, Christian, "Schultze-Naumburg, Paul" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 709-711 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118891987.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA