Lebensdaten
1901 – 1944
Geburtsort
Magdeburg
Sterbeort
bei Ostrów bei Białystok
Beruf/Funktion
Generalstabsoffizier ; Widerstandskämpfer
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118623834 | OGND | VIAF: 3263724
Namensvarianten
  • Tresckow, Henning Hermann Robert Karl von
  • Tresckow, Henning von
  • Tresckow, Henning Hermann Robert Karl von
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Tresckow, Henning von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118623834.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit d. 14. Jh. erw. märk. Adelsfam.;
    V Hermann (1849–1933), auf Petersdorf u. Wartenberg, preuß. Gen. d. Kav., S d. Hermann (1816–89), auf Pobanz, später Schlabrendorf u. Petersdorf, preuß. Gen. d. Inf., Gen.adjutant v. Ks. Wilhelm I., Gutsbes. in Wartenberg (Neumark), u. d. Klara v. der Marwitz (1823–1900);
    M Marie-Agnes (1869–1926), T d. Robert Gf. v. Zedlitz u. Trützschler (1837–1914), auf Nieder-Großenborau, preuß. WGR, Oberpräs. 1886–90 v. Posen, 1898–1903 v. Hessen-Nassau, 1903–09 v. Schlesien, preuß. Kultusmin., Dr.-Ing., Dr. h. c. (s. DBJ I, S. 108–10 u. Tl.; Jeserich-Neuhaus, S. 28–33; Biogr. Lex. Posen), u. d. Agnes v. Rohr-Levetzow (1840–1928);
    Schloß Lindstedt b. Wildpark b. Berlin 1926 Erika (1904–74), T d. Erich v. Falkenhayn (1861–1922), preuß. Gen. d. Inf., 1913–15 Staats- u. Kriegsmin., 1914 Chef d. Gen.stabs (s. NDB V), u. d. Ida Selkmann (1866–1964);
    2 S Mark (1927–45 vermißt b. Bentschen, Posen), Kanonier, Rüdiger (1928–2012, Mechthild v. Arnim, * 1922), Bankkaufm., Inh. d. BHF-Bank, 1991–94 Erster Staatskommissar b. d. Börsen in Frankfurt/M. (s. FAZ v. 16. 6. 1998), 2 T Uta (* 1931, Karl Otmar Frhr. v. Aretin, 1923–2014, 1964–88 o. Prof. f. Zeitgesch. an d. TH Darmstadt, 1968–94 Dir. d. Inst. f. Europ. Gesch. in Mainz, 1987–98 Hauptschriftleiter d. NDB, korr. Mitgl. d. Österr. Ak. d. Wiss. (1976) u. d. British Ac. (1998), o. Mitgl. d. Hist. Komm. b. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1980), Ehrenmitgl. d. Ungar. Ak. d. Wiss. (1986) u. d. Royal Historical Soc. (1997), Großkomtur d. bayer. Hausrr.ordens v. Hl. Georg, Ehren- u. Devotionsrr. d. souveränen Malteser Rr.ordens, s. Kürschner, Gel.-Kal. 2013; L), Dr. med., Adelheid (* 1939, Wilhelm Nestle, * 1941, Pastor); Schwager Fritz v. Falkenhayn (1890–1973), Hptm., Gen.dir. d. NSU-Werke.

  • Biographie

    Der Tradition seiner Familie entsprechend trat T. nach dem Notabitur 1917 in das 1. Garderegiment zu Fuß in Potsdam ein, wo er 1918 zum jüngsten Leutnant des Heeres befördert wurde. Zunächst in die Reichswehr übernommen, verließ T. Ende 1920 die Armee und begann, in Berlin und Kiel Rechts- und Staatswissenschaften zu studieren sowie finanzwirtschaftliche Vorlesungen zu hören, ohne jedoch einen Studienabschluß zu erwerben. 1923 trat er in das Potsdamer Bankhaus Kann ein. Eine Weltreise brach er 1924 vorzeitig ab, um unter Einsatz seines als Börsenmakler erlangten Vermögens das in den allgemeinen Krisenstrudel geratene väterliche Gut Wartenberg in der Neumark zu retten. 1926 trat T. in das Infanterieregiment 9 (IR „Graf“ 9) ein.

    1928 zum Oberleutnant befördert, näherte sich T., der mit Verachtung auf den Parteienstreit in der von ihm nur als Übergangslösung betrachteten Weimarer Republik herabsah, dem Denken des erstarkenden Nationalsozialismus an. Dieser schien ihm mit der „Volksgemeinschaft“ und sozialen Reformvorhaben ein zeitgemäßes Programm zu haben. 1930 warb er in seinem Regiment für Hitler, dessen „Machtergreifung“ 1933 er als Erlösung, den „Tag von Potsdam“ als Geburtsstunde eines neuen nationalen Deutschlands sah. Doch die Morde im Zusammenhang mit dem angeblichen „Röhm-Putsch“ 1934 und Hitlers Anmaßung, sich zum „Obersten Gerichtsherrn“ des dt. Volks aufzuwerfen, empörten ihn.

    Im Sept. 1936 schloß T. die Generalstabsausbildung an der Kriegsakademie (1934 Hptm.) als Jahrgangsbester ab, noch im selben Jahr folgte die Versetzung in den Generalstab des Kriegsministeriums. Arbeiten an der Aufmarschplanung („Fall Grün“) gegen die Tschechoslowakei ließen T. frühzeitig Hitlers gezielte Aggressionspolitik erkennen. Anläßlich der Blomberg-Fritsch-Krise im Frühjahr 1938 erwog er seinen Abschied, dem damaligen Befehlshaber im Wehrkreis III, Erwin v. Witzleben (1881–1944), gelang es jedoch, ihn zu halten und ihn zugleich auf Widerstandskreise aufmerksam zu machen. Hitlers Kriegspolitik, für die der „Griff nach Prag“ am 15. 3. 1939 ein sichtbares Signal bot, führte zu dem entscheidenden Dilemma für den dt.Widerstand: Jeder Sieg stärkte Hitlers politische Macht, während eine Niederlage die Existenz des Dt. Reichs grundsätzlich in Frage zu stellen drohte. Vor diesem Hintergrund setzte T. als Offizier trotz seiner Überzeugung, daß Hitler beseitigt werden müsse, sein militärisches Können ein. Den Krieg gegen Polen erlebte er als Major und Erster Generalstabsoffizier (Ia) einer Infanteriedivision. Die hinter der Front verübten Verbrechen an der Zivilbevölkerung bestärkten ihn in seiner Widerstandshaltung. Ende 1940 wurde er als Oberstleutnant zur Heeresgruppe B versetzt, die 1941 mit dem Überfall auf die Sowjetunion in Heeresgruppe Mitte umbenannt wurde. T. zog im Stab Offiziere zusammen, die er v. a. als Gegner des Nationalsozialismus kannte. Der Charakter des rassenideologischen Vernichtungskriegs, der Kriegsgerichtsbarkeitserlaß (13. 5. 1941), der „Kommissarbefehl“ (6. 6. 1941) und die Verbrechen der Einsatzgruppen des SD, der SS und der Polizei an Juden und Zivilbevölkerung verstärkten T.s Überzeugung, daß ein Anschlag auf Hitler als Notwehr rechtens und sittlich geboten sei, jedoch hatte er aufgrund seines militärischen Rangs nur wenig Handlungsspielräume. Nach dem vergeblichen Versuch, den Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, Generalfeldmarschall v. Bock, zum Protest gegen die Befehle vom Frühsommer 1941 zu veranlassen, nahm T. über seinen Vetter Fabian v. Schlabrendorff seit Sept. 1941 Kontakt zu zivilen und militärischen Oppositionskreisen in Berlin auf (Ludwig Beck, Carl Goerdeler, Friedrich Olbricht, Hans Oster). Diese waren bereit, sich an einem Umsturz zu beteiligen, sahen aber keine Möglichkeit, ihn auszulösen. Alle Versuche, Oberbefehlshaber einer Heeresgruppe im Osten für die Pläne zu gewinnen, waren vergeblich. Verbindungen zum Allgemeinen Heeresamt bzw. zum Ersatzheer führten jedoch zur Planung des Putsches, der unter dem Codewort „Walküre“ bekannt wurde. Parallel dazu unternahm die Gruppe|um T. diverse Attentatsversuche auf Hitler, die aber alle an widrigen Umständen scheiterten.

    Ende Juli 1943 wurde T. in die Führerreserve versetzt; hier nutzte er die Zeit, gemeinsam mit dem im September hinzutretenden Claus Schenk Gf. v. Stauffenberg (1907–44), die eigentlich von der Wehrmacht zur Bekämpfung innerer Unruhen aufgestellten „Walküre“-Pläne für den geplanten Staatsstreich umzuarbeiten. Diese Aufgabe war weitgehend erledigt, als T. im Okt. 1943 Regimentskommandeur, wenig später Chef des Stabes der 2. Armee wurde. Während T. sich intensiv bemühte, von der Ostfront in Hitlers Nähe versetzt zu werden, scheiterten Anfang 1944 zwei weitere Attentatsversuche. Eine Woche nach T.s Beförderung zum Generalmajor landeten die Alliierten am 6. 6. 1944 in der Normandie, womit es keine Hoffnung mehr auf einen Verhandlungsfrieden nach Hitlers Tod gab. Mit Stauffenberg als Chef des Stabes des Ersatzheeres war aber ein Mitglied des Widerstands in eine Position gelangt, die Zugang zu Hitler bot. Von T. bestärkt, übernahm Stauffenberg am 20. 7. 1944 die Ausführung des Anschlags, der angesichts der Kriegslage nur noch den Sinn hatte, zu zeigen, „daß die dt. Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden Wurf gewagt hat.“ (T. an Stauffenberg Sommer 1944).

    Aus dem Scheitern des Attentats zog T. unmittelbar die Konsequenz des als Partisanenkampf getarnten Selbstmords, um die Mitwisser zu decken. Erst die Prozesse vor dem Volksgerichtshof förderten T.s zentrale Rolle in der Verschwörung ans Licht. T.s Ehefrau und seine Töchter wurden von Aug. bis Okt. 1944 in „Sippenhaft“ genommen. In jüngerer Zeit wurde die militärisch-professionelle und ethisch-moralische Motivation des militärischen Widerstands vor dem Hintergrund der dt. Kriegführung im Osten 1941 und der Verbrechen an der Zivilbevölkerung Gegenstand einer Forschungskontroverse.

  • Auszeichnungen

    A E. K. II. Kl. (1914), I. Kl. (1939);
    Dt. Kreuz in Gold (1943);
    – H. v. T.-Kasernen Geltow b. Potsdam u. Oldenburg.

  • Literatur

    L F. v. Schlabrendorff, Offiziere gegen Hitler, 1946, ⁹1984, Neuausg. 1994;
    ders., Begegnungen in fünf J.zehnten, 1979, bes. S. 186–238;
    B. Scheurig, H. v. T., Ein Preuße gegen Hitler, 1973, Neuausg. 2004 (P);
    K. O. v. Aretin, in: R. Lill u. H. Oberreuter (Hg.), 20. Juli, Portraits d. Widerstands, 1984, S. 307–20 (P);
    ders., H. v. T. u. d. mil. Widerstand, in: S. Grabner u. H. Röder (Hg.), H. v. T., Ich bin d. ich war, Texte u. Dok., ³2005, S. 119–34;
    S. Grabner u. H. Röder (Hg.), H. v. T., Ich bin d. ich war, Texte u. Dok., ³2005 (P);
    J. Hürter, Auf dem Weg z. Militäropposition, T., Gersdorff, d. Vernichtungskrieg u. d. Judenmord, Neue Dok. über d. Verhältnis d. Heeresgruppe Mitte z. Einsatzgruppe B im J. 1941, in: VfZ 52, 2004, S. 527–62;
    G. Ringshausen, Der Aussagewert v. Paraphen u. d. Handlungsspielraum d. mil. Widerstandes, Zu Johannes Hürter: Auf d. Weg z. Mil.opposition, ebd. 53, 2005, S. 141–47;
    F. Römer, Das Heeresgruppenkommando Mitte u. d. Vernichtungskrieg im Sommer 1941, ebd., S. 451–61;
    H. Graml, Massenmord u. Mil.opposition, Zur jüngsten Diskussion über d. Widerstand im Stab d. Heeresgruppe Mitte, ebd. 54, 2006, S. 1–24;
    J. Hürter u. F. Römer, Alte u. neue Gesch.bilder v. Widerstand u. Ostkrieg, Zu Hermann Gramls Btr. „Massenmord u. Mil.opposition“, ebd., S. 301–22;
    Peter Hoffmann, Oberst i. G. H. v. T. u. d. Staatsstreichpläne im J. 1943, ebd. 55, 2007, S. 331–64;
    J. Hürter, Hitlers Heerführer, Die dt. Oberbefehlshaber im Krieg gegen d. Sowjetunion 1941/42, 2006; M. Becker, H. Löttel u. Ch. Studt (Hg.), Der mil. Widerstand gegen Hitler im Lichte neuer Kontroversen, 2010 (L)

  • Autor/in

    Christoph Studt
  • Zitierweise

    Studt, Christoph, "Tresckow, Henning von" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 403-405 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118623834.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA