Lebensdaten
1878 – 1950
Geburtsort
Altmannsdorf bei Wien
Sterbeort
Neustift/Lafnitz (Burgenland)
Beruf/Funktion
Soziologe ; Nationalökonom ; Statistiker ; Philosoph
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118615904 | OGND | VIAF: 71468143
Namensvarianten
  • Rheinsch, Othmar (Pseudonym)
  • Spann, Othmar
  • Rheinsch, Othmar (Pseudonym)
  • mehr

Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Spann, Othmar, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118615904.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Johann (1845–1917/18, aus Gaudenzdorf b. W., Fabr. marmorierter Papiere, Erfinder;
    M Wilhelmine Trendl (1853–90), aus Zwentendorf b. Tulln, Te. Feldwebels; seit 1896 Stief-M Theresia Hiehs (* 1847), aus Altwaidhofen/Thaya;
    Dover 1906 Erika (1880–1967, ev., später kath., 1] Hanns Dorn, 1878–1934, aus Kempten, Publ., Prof. f. Wirtsch.wiss. an d. TH München, Präs. d. Reichsfinanzhofs ebd., s. Wi. 1928; Rhdb., 2] Charlotte, * 1877, T d. Rudolf v. Caemmerer, 1845–1911, preuß. Gen.lt., Mil.schriftst., s. BJ 16, Tl.; Priesdorff X, S. 78–80, Nr. 3090), aus Trennfeld (Unterfranken), Lyrikerin, Erzählerin (s. Dtlds., Österr.-Ungarns u. d. Schweiz Gelehrte, Künstler u. Schriftst. in Wort u. Bild, hg. v. G. A. Müller, 1908; Wi. 1935 u. 1958; Kürschner, Lit.-Kal., Nekr. 1936–1970), T d. Friedrich Rheinsch (1849–1933), Reg.rat b. d. bayer. Staatseisenbahnen, u. d. Elisabeth Berg (1857–1937), OB-T;
    2 S u. a. Rafael (Raphael) (1909–83, Ingeborg [bis 1919 v.] Cramer, akad. Malerin, Restauratorin), Mitarb. v. S., zunächst mit seiner M, nach deren Tod alleiniger Verw. v. S.s Erbe, Mithg. d. Gesamtausg. (s. W).

  • Biographie

    S. wuchs als zweites von vier Kindern zunächst in Wien und nach dem frühen Tod der Mutter vorübergehend bei den Großeltern mütterlicherseits in Meidling auf. Er absolvierte die Handelsschule, studierte zunächst zwei Semester Philosophie an der Univ. Wien und anschließend Staatswissenschaften in Zürich, Bern und Tübingen. Nach seiner Promotion 1903 bei Friedrich Julius v. Neumann und Albert Schäffle war S. wiss. Angestellter der „Centrale für private Fürsorge“ unter der Leitung von Christian Jasper Klumker (1868–1942) in Frankfurt/M., wo er v. a. empirische Forschungen über die „uneheliche Bevölkerung“ durchführte. 1907 habilitierte sich S. an der dt. TH Brünn mit der Schrift „Wirtschaft und Gesellschaft, Eine dogmenkritische Untersuchung“ (gedr. u. d. T.Unterss. über d. Ges.begriff z. Einl. in d. Ges.lehre“, 1907). Hauptberuflich war S. seit Sept. 1908 als Vizesekretär der Statistischen Zentralkommission in Wien tätig, 1909/10 war er mit der wissenschaftlichen Organisation der österr. Volkszählung von 1910 beauftragt. In Brünn erhielt er 1909 ein Extraordinariat und 1911 eine o. Professur für Volkswirtschaftslehre und Statistik. 1914–18 leistete er Kriegsdienst, zunächst an der Ostfront, 1915/16 als Kompaniekommandant in Reiferdorf bei Mauthausen, 1916–18 im „Wissenschaftlichen Komitee für Kriegswirtschaft“ des Kriegsministeriums in Wien. Nach Kriegsende wurde S. 1919 als o. Professor für Volkswirtschafts- und Gesellschaftslehre an die Univ. Wien berufen (Nachfolge v. Eugen v. Philippovich). In den 1920er Jahren war er politisch aktiv, u. a. als Vortragender und Publizist für die „Dt. Studentenschaft“, als Gründungsmitglied der „Akademischen Legion“ und als Vorstandsmitglied im „Kampfbund für dt. Kultur“. Seit 1928 engagierte sich S. vorrangig innerhalb der österr. Heimwehrverbände. Ende der 1920er Jahre trat er in die NSDAP ein und erhielt eine geheime, nicht numerierte Mitgliedskarte; er unterstützte v. a. die politischen Aktivitäten des „Nationalsozialistischen Dt. Studentenbundes“. Einflüsse seiner Lehre lassen sich auch im „Stahlhelm“, im „Sudetendt. Kameradschaftsbund“ und im „Verein Kath. Akademiker“ nachweisen. Auf der Grundlage seines Sozial- und Wirtschaftsprogramms wurde 1933 das von Fritz Thyssen (1873–1951) in Düsseldorf gegründete „Institut für Ständewesen“ errichtet, das der „Schulung der Wirtschafts- und Arbeiterführer sowie der praktischen Organisation des ständischen Aufbaus“ gewidmet war und dessen erster Direktor der S.-Anhänger Joseph Klein wurde. S.s Verhältnis zum ital. Faschismus, zum autoritären Ständestaat und zum Nationalsozialismus war ambivalent. Einerseits brachte S. diesen politischen Bewegungen große Sympathie entgegen – Gemeinsamkeiten zeigten sich v. a. in der Ablehnung der „individualistischatomistischen Demokratie“ und in der feindlichen Haltung gegenüber Liberalismus und Marxismus –, andererseits kritisierte er diese Bewegungen, da sie die von ihm formulierte Lehre des Universalismus nur unzureichend|umsetzten. Am 13.3.1938 wurde S., der von den Nationalsozialisten dem klerikalen, anschlußfeindlichen Lager des österr. Bürgertums zugerechnet wurde, von der Gestapo verhaftet und bis Anfang Aug. 1938 inhaftiert. Nach seiner Freilassung lebte er zurückgezogen auf Werkschloß in Neustift/Lafnitz (Burgenland). 1938 wurde ihm die Lehre an der Univ. Wien untersagt, 1949 ging er mit vollen Bezügen in Pension.

    S. vertrat eine universalistische Gesellschaftslehre, die auf „Ganzheit“ ausgerichtet war. Schon vor dem 1. Weltkrieg, den er als „Kulturkampf“ mit kathartischen Kräften ersehnte (Zur Soziol. u. Philos. d. Krieges, Vortrag gehalten am 30.11.1912), konzipierte er eine vom Geistigen ausgehende Theorie der Gesellschaft. Anknüpfend an Ideen der Romantik und gegen individualistische, materialistische und empiristische Vorstellungen von Gesellschaft gerichtet, verstand S. Gesellschaft als „Ganzes von Teilen gleich der Maschine“. Das Individuum, das sich in Gegenseitigkeit mit anderen in geistiger „Gezweiung“ ausbilde, könne sich nur als Glied von Gemeinschaften und Gruppen entfalten, welche als überindividuelle Ganzheiten wiederum Teile des durch Unter- und Überordnung geprägten gesellschaftlichen Ganzen seien. Obwohl dieses Ganze in Gemeinschaften „zerklüftet“ sei, werde durch Wertschichtung und Abstufung Anarchie vermieden. Die herrschenden Wertgrundsätze solle der „wahre Staat“ sichern, der der organischen Struktur der Gesellschaft entsprechend auf Ständen aufgebaut sei.

    In der Zwischenkriegszeit gehörte S. zu den bekanntesten und umstrittensten dt.sprachigen soziol. Publizisten (K. Dunkmann, Der Kampf um O. S., 1928). Seine Theorie – dargelegt v. a. in „Gesellschaftslehre“ (1914, ⁴1969) und „Der wahre Staat, Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft“ (1921, ⁵1972) – war 1926 Gegenstand der Verhandlungen des 5. Dt. Soziologentages. Einflüsse von S.s Geschichtsphilosophie auf den romantisch-konservativen Flügel innerhalb der kath. Soziallehre sind festzustellen, jedoch zeigen sich auch Differenzen wie z. B. im Hinblick auf S.s Ständekonzeption. Nach dem 2. Weltkrieg wurde auf S.s Werk in wesentlich geringerem Umfang Bezug genommen, rezipiert wurde es vorrangig innerhalb bestimmter Strömungen in den Wirtschaftswissenschaften sowie im Rahmen der von Schülern und Anhängern 1956 gegründeten „Gesellschaft für Ganzheitsforschung“.

  • Werke

    Haupttheorien d. Volkswirtsch.lehre, 1911, 271967, schwed. 1927, 1932, engl. 1926, amerik. Ausg. 1930, Nachdr. 1972, span. 1934, japan. 1938, chines. 1965);
    Kategorienlehre, 1924, ³1969;
    Ges.philos., 1928, ²1968, span. 1933, japan. 1943;
    Gesch.philos., 1932, ²1970, japan. 1943;
    – Gesamtausg., hg. v. W. Heinrich, H. Riehl, H. Schöndorfer u. Raphael Spann, 21 Bde., 1963–79;
    Hg.:
    Die Herdflamme, Slg. d. ges.wiss. Grundwerke aller Zeiten u. Völker, 20 Bde., 1922–34, 7 Erg.bde. in 8 Ausgg., 1924–39.

  • Literatur

    M. Rassem, in: K. Graf Ballestrem u. H. Ottmann (Hg.), Pol. Philosophie d. 20. Jh., 1990, S. 89–103;
    K.-J. Siegfried, Universalismus u. Faschismus, Das Ges.bild O. S.s, 1974;
    W. Suppanz, O. S., Soziol., Zeitdiagnose, Pol., in: A. Balog u. G. Mozetič (Hg.), Soziol. in u. aus Wien, 2004, S. 105–29;
    Kosch, Lit.Lex.³ (W, L);
    BBKL 14 (W, L);
    Lex. Konservatismus;
    ÖBL;
    Personenlex. Drittes Reich;
    Personenlex. Österr. (P).

  • Autor/in

    Sabine A. Haring
  • Zitierweise

    Haring, Sabine A., "Spann, Othmar" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 629-630 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118615904.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA