Lebensdaten
1896 – 1984
Geburtsort
Hornstein (Burgenland)
Sterbeort
Salzburg
Beruf/Funktion
Kunsthistoriker
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118612557 | OGND | VIAF: 77108751
Namensvarianten
  • Schwarz, Hans (Pseudonym)
  • Sedlmayr, Hans
  • Schwarz, Hans (Pseudonym)
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Zitierweise

Sedlmayr, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118612557.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ernst C(onrad) (1868–1939), aus Siegendorf (Czinfalva, Burgenland), Agrarökonom, verwaltete seit 1900 in Dolnji Miholjác (Kroatien) d. gfl. Mailathsche Domäne, seit 1907 o. öff. Prof. f. landwirtsch. Betriebslehre an d. Hochschule f. Bodenkultur in W., Dr. h. c. (s. ÖBL; Biogr. Hdb. Pflanzenbau), S d. Ernst, aus Bayern, Dir. d. Zuckerfabr. in Denkendorf (Württ.), u. d. Johanna Mayer;
    M Tine, T d. Stegno, Zuckerfabr.;
    B Kurt (1900/01–65, Agrarökonom, Pflanzenzüchter in Ungarn (s. Magyar életrajzi lex.; Prominent Hungarians, hg. v. H. Fekete, 1966);
    1) 1935 Helene Agnes Pauline Fritz (1906–40), Kunstgewerblerin, 2) 1943 Maria v. Schmedes (1917–2003), aus W., Sängerin;
    1 S aus 2) (früh †), 1 Taus 2) Susanna Guéritaud-S., Restauratorin in Rom (?), schrieb d. Nachwort zu S.s Autobiogr. „Das goldene Za.“, 1986 (s. W); N Janós (1932–2004), Architekt, in d. Denkmalpflege in Ungarn tätig (s. Művészeti lex., hg. v. A. Zádor u. I. Genthon, 1965–68).

  • Biographie

    S. wuchs zunächst in Hornstein (Burgenland) auf, seit 1900 in Dolnji Miholjác (Kroatien) und seit 1907 in Wien, nachdem sein Vater dorthin berufen worden war. 1915 eingezogen, nahm er am 1. Weltkrieg zuerst in Galizien und Wolhynien, seit 1917 als Leutnant der österr.-ungar. Orientarmee in Konstantinopel teil, danach an der Palästinafront und in Damaskus. Im Herbst 1918 begann S. an der TH Wien ein Architekturstudium, inskribierte aber auch an der Univ. Mathematik und Physik sowie Jura, bis er schließlich 1920 endgültig zur Kunstgeschichte wechselte, wo er noch Max Dvořák (1874–1921) hörte. 1923 wurde er bei Julius v. Schlosser (1866–1938) mit einer Arbeit über Johann Bernhard Fischer v. Erlach promoviert. 1933 habilitierte sich S. an der TH Wien für Allgemeine Kunstgeschichte (unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte des Städtebaus und der Gartenkunst) mit Studien zu Fischer v. Erlach. 1934 folgte die Habilitation für mittlere und neuere Kunstgeschichte an der Univ. Wien mit einer Arbeit über „Das erste mittelalterliche Architektursystem“.

    1930–32 war S. Mitglied der österr. NSDAP. 1933 wirkte er beim Allgemeinen Dt. Katholikentag in Wien mit, im austrofaschistischen Ständestaat stand er den großdt. gesinnten oppositionellen „Kath.-Nationalen“ nahe. Seit 1935 Assistent am Wiener Kunsthistorischen Institut, wurde er im Okt. 1936 als Schlossers Nachfolger o. Professor. Nach dem „Anschluß“ Österreichs wurde S. in die NSDAP wieder aufgenommen, mit dem für ehemalige illegale österr. Nationalsozialisten vorbehaltenen, auf den 1.1.1938 rückdatierten Eintrittstag. 1942–43 leistete er als Reserveoffizier Kriegsdienst an der Ostfront. 1945 wurde S. wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft zwangsemeritiert und publizierte während des folgenden dreijährigen Berufsverbotes unter dem Pseudonym Hans Schwarz. 1949 als „minderbelastet“ eingestuft, wurde er 1951 Professor in München. 1960 erhielt er einen Ruf als Nachfolger von Karl Maria Swoboda (1889–1977) wieder als Ordinarius nach Wien. Nach Protesten von Kunsthistorikern lehnte S. schließlich – trotz politischer Rückendeckung – im Herbst 1961 ab. In München 1964 emeritiert, übernahm S. 1964–69 die Leitung des Kunsthistorischen Instituts an der neu gegründeten Univ. Salzburg; hier setzte er sich auch für den Erhalt der Salzburger Altstadt und ihres landschaftlichen Umraums ein.

    S. war neben Otto Pächt (1902–88) der Hauptvertreter der „Neuen Wiener Schule“, die um 1930 an den Formalismus von Alois Riegl (1858–1905) anschloß, in der Konzentration auf die Strukturgesetze des Einzelkunstwerks jedoch eine neue methodische Sachlichkeit („Strenge Kunstwissenschaft“) anstrebte. Für S. entscheidend wurde die ihm durch seinen Studienkollegen Emanuel Georg Saiko (1892–1962) und den Wiener Professor für Psychologie Karl Bühler (1879–1963) vermittelte Gestalttheorie, deren Kenntnis er durch einen Studienaufenthalt bei Wolfgang Köhler (1887–1967) in Berlin vertiefte. Seit den frühen Arbeiten über die österr. Barockbaukunst und über Borromini galt S.s Interesse v. a. der Architektur. „Die ,Macchia` Bruegels“ (1934), sein erster Text zur Malerei, markiert eine methodische Wende, die eine radikalkonservative Kritik der Moderne voraussetzt und rationale Analyse auf gefühlsmäßige Intuition zurückführt. In den 1930er Jahren konzipiert, größtenteils während des 2. Weltkriegs verfaßt, jedoch nach 1945 mit kath.-restaurativem Vorzeichen versehen, entfalten S.s zwei Hauptwerke, „Verlust der Mitte“ (1948) und „Entstehung der Kathedrale“ (1950), ein antithetisches Weltbild. Kulturpessimistisch werden „kritische Formen“ der als gestaltlos-entfremdet beschriebenen Moderne als pathologische Symptome einer von Gott abgefallenen Menschheit verstanden. Dem wird die rückwärtsgewandte Utopie des hochmittelalterlichen Sakralbaus gegenübergestellt, den S. – entsprechend seinem Konzept einer in konkreter Anschauung fundierten Architekturikonologie – als Abbild des Himmlischen Jerusalem interpretiert. In der Münchner Zeit systematisierte S. seine Methode der im „anschaulichen Charakter“ des Kunstwerks gründenden Strukturanalyse, indem er sie auf Philipp Lerschs (1898–1972) charakterologisches Stufenmodell bezog und nach dem bibelexegetischen Schema des mehrfachen Schriftsinns theologisch auflud.

    S. war einer der profiliertesten, wegen seines problematischen Verhältnisses zum Nationalsozialismus aber auch umstrittensten dt.sprachigen Kunsthistoriker seiner Zeit. Sein „Verlust der Mitte“ fand als Bestseller enorme Popularität auch außerhalb der Fachkreise, zeitigte jedoch wegen der Nähe zur NS-Verhetzung der „entarteten Kunst“ sofort auch heftige Kritik. Daß seine „Revolution der modernen Kunst“ 1955 als Band 1 von „Rowohlts Deutscher Enzyklopädie“ erschien, belegt S.s wichtige Rolle im kulturellen Diskurs der Adenauer-Zeit. Vor der allgemeinen Durchsetzung der Ikonologie galt S.s Strukturanalyse als ein maßgebliches – wenngleich nicht unwidersprochenes (Kurt Badt, Max Imdahl) – kunsthistorisches Interpretationsmodell, dessen Rezeption jedoch, trotz Übersetzungen ins Italien. und Japan., hauptsächlich auf den dt. Sprachraum beschränkt blieb.

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Ak. gemeinnütziger Wiss. in Erfurt (1938), d. Ak. d. Wiss. in Wien (korr. 1939, wirkl. 1941) u. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (korr. 1942, o. 1955, korr. 1965);
    Ehrenring d. Stadt Salzburg (1972);
    Bayer. Verdienstorden (1975);
    Österr. Naturschutzpreis (1976);
    Wiss.preis d. Stadt Salzburg (1979);
    bayer. Maximilians-Orden (1980);
    Österr. Denkmalschutzmedaille (1982).

  • Werke

    Fischer v. Erlach d. Ä., 1925;
    Gestaltetes Sehen, in: Belvedere 8, 1925, S. 65–73;
    Österr. Barockarchitektur, 1930;
    Die Architektur Borrominis, 1930, ²1939, ital. 1996;
    Michelangelo, Versuch über d. Ursprünge seiner Kunst, 1940;
    Verlust der Mitte, Die bildende Kunst d. 19. u. 20. Jh. als Symptom u. Symbol d. Zeit, 1948 u. ö., engl. 1958, ital. 1974, span. 1959, japan. 1968, kroat. 2001, rumän. 2001;
    Die Entstehung d. Kathedrale, 1950 u. ö.;
    Die Rev. d. modernen Kunst, 1955, Nachdr. 1985, ital. 1958, port. 1959, ungar. 1960, japan. 1962, finn. 1968;
    Johann Bernhard Fischer v. Erlach, 1956, ²1976, Nachdr. 1997, ital. 1996;
    Kunst u. Wahrheit, Zur Theorie u. Methode d. Kunstgesch., 1958, ²1978, ital. 1984, russ. 2000, kroat. 2007;
    Epochen u. Werke, Ges. Schrr. z. Kunstgesch., 3 Bde., 1959–82, Bd. 1 u. 2 span. 1965;
    Tod d. Lichtes, Übergangene Perspektiven z. modernen Kunst, 1964, ital. 1970, japan. 1976;
    Die demolierte Schönheit, Ein Aufruf z. Rettung d. Altstadt Salzburgs, 1965, tschech. 1992;
    Gefahr u. Hoffnung d. techn. Za., 1970;
    Stadt ohne Landschaft, Salzburgs Schicksal morgen?, 1970;
    Autobiogr.:
    Das Goldene Za., Eine Kindheit, 1986 (P);
    W-Verz.:
    F. Piel (Hg.), H. S. 1896–1984, Verz. seiner Schrr., 1996;
    Nachlaß:
    Salzburger Landesarchiv.

  • Literatur

    K. Badt, ,Modell u. Maler` v. Jan Vermeer, Probleme d. Interpretation, Eine Streitschr. gegen H. S.,|1961, ²1997;
    Festschr. f. H. S. z. 65. Geb.tag, hg. v. K. Oettinger u. M. Rassem, 1962;
    L. Dittmann, Stil, Symbol, Struktur, Studien zu Kategorien d. Kunstgesch., 1967, S. 140–216;
    Th. Zaunschirm, Systeme d. Kunstgesch., 1975, S. 163–236;
    Norbert Schneider, in: H. Dilly (Hg.), Altmeister moderner Kunstgesch., 1990, S. 267–88 (P);
    E. Frodl-Kraft, in: Wiener Jb. f. Kunstgesch. 44, 1991, S. 7–46 (P);
    D. Bohde, Pieter Bruegels Macchia u. H. S.s physiognom. Sehen, Psychol. Interpretationsmodelle v. H. S., ebd. 57 (im Druck);
    W. Hofmann, Im Banne des Abgrunds, Der „Verlust der Mitte“ u. d. Exorzismus d. Moderne, Über d. Kunsthist. H. S., in: G. Breuer (Hg.), Die Zähmung d. Avantgarde, Zur Rezeption d. Moderne in d. 50er J., 1997, S. 43–54;
    W. Sauerländer, H. S.s ,Verlust der Mitte`, in: ders., Gesch. d. Kunst – Gegenwart d. Kritik, 1999, S. 229–38;
    A. Prater, Rev. u. Wahrheit, Anmm. z. Gesch.verständnis H. S.s, in: Zs. f. Ästhetik u. allg. Kunstwiss. 45, 2000, S. 97–109;
    A. Ottenbacher, Kunstgesch. in ihrer Zeit, Zu H. S.s „abendländ. Sendung“, in: Krit. Berr. 29, 2001, S. 71–86;
    H. H. Aurenhammer, H. S. u. d. Kunstgesch. an d. Univ. Wien 1938–1945, in: Kunstgesch. an d. Universitäten im NS, hg. v. J. Held u. M. Papenbrock, 2003, S. 139–72;
    ders., Zäsur oder Kontinuität, Das Wiener Inst. f. Kunstgesch. im Ständestaat u. im NS, in: Wiener Schule, Erinnerungen u. Perspektiven, Wiener Jb. f. Kunstgesch. 53, 2004, S. 11–54 (P);
    ders., Das Wiener Kunsthist. Inst. nach 1945, in: Zukunft mit Altlasten, Die Univ. Wien 1945 bis 1955, hg. v. M. Grandner, G. Heiss u. O. Rathkolb, 2005, S. 174–88;
    ders., in: Klassiker d. Kunstgesch. I, hg. v. U. Pfisterer (im Druck);
    Hans Körner, ,Gefahren d. modernen Kunst`?, H. S. als Kritiker der Moderne, in: 200 J. Kunstgesch. in München, hg. v. Ch. Drude u. H. Kohle, 2003, S. 209–22;
    W. Sauerländer, Der Münchner Protest gegen d. Berufung H. S.s im Frühj. 1951, ebd., S. 182–98;
    J. Held, H. S. in München, in: Kunstgesch. an d. Universitäten in d. Nachkriegszeit, hg. v. M. Papenbrock, 2006, S. 121–69;
    eigene Archivstudien:
    Österr. StA, Wien, Archiv d. Rep. u. Allg. Verw.archiv;
    Archive d. Univ. Wien, d. Inst. f. Kunstgesch. d. Univ. Wien, d. TU Wien, d. Bundesdenkmalamts, Wien, u. d. Inst. f. Kunstgesch. d. Univ. Salzburg.

  • Porträts

    Porträtfotogr., um 1936 (Wien, Österr. Nat.bibl., Bildarchiv).

  • Autor/in

    Hans H. Aurenhammer
  • Zitierweise

    Aurenhammer, Hans H., "Sedlmayr, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 126-128 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118612557.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA