Lebensdaten
1888 – 1976
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Minusio bei Locarno (Kanton Tessin)
Beruf/Funktion
Filmemacher ; Dadaist
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118600435 | OGND | VIAF: 1146998283018941483
Namensvarianten
  • Richter, Johannes Siegfried
  • Richter, Hans
  • Richter, Johannes Siegfried
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Zitierweise

Richter, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118600435.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Moritz, aus Klein-Kölzig b. B., Landwirt, Händler, 1916 Legationsrat in Konstantinopel, später in B.;
    M Ida Gabriele Rothschild;
    B Richard, wanderte 1923 nach Palästina aus;
    Schw Dora ( Udo Rukser, 1892–1971, Dr. iur., RA in B., bis 1933 Hg. d. „Zs. f. Ostrecht“, Publizist, Kunstsammler, Ehrenmitgl. d. Ac. Goetheana in São Paulo, Chile, s. BHdE I; Göppinger), Mitarbeiterin in d. Red. d. Zs.Dt. Bll.“, emigrierte 1937 nach Italien, 1939 nach Chile, Vera ( KZ);
    1) 1916 Elisabeth (Liesl) Steiner ( 1923), Krankenschwester, 2) 1921 ( 1922 ?) Maria van Vanselow, Tänzerin, Mitgl. d. Rudolf v. Laban Tanzgruppe in Zürich, 3) 1927 ( 1929) Erna Niemeyer (Ps. Renate Green, Ré Soupault, René Mensch) (1901–96), Photographin, Künstlerin in B. u. Paris, wanderte 1931 nach Frankreich aus, 4) 1951 Frida Ruppel (1910–78), zuletzt in Muralto;
    1 Stief-S, 1 Stief-T.

  • Biographie

    Nach dem Abitur 1906 und anschließender Zimmermannslehre studierte R. seit 1908 an der Akademischen Hochschule für Bildende Künste in Berlin, seit 1909 an der Kunstschule in Weimar. ÜberHerwarth Walden und seine Galerie „Der Sturm“ in Berlin fand R. Kontakt zur internationalen modernen Kunst. Seine frühen Werke zeigen expressionistische, kubistische und futuristische Einflüsse. 1920 wurde er Mitglied der „Novembergruppe“, 1915-18 veröffentlichte er Beiträge in Franz Pfemferts „Aktion“ (Sonderh. 13 zu R., 1916). 1916 als Invalide aus dem Militärdienst entlassen, reiste R. im selben Jahr nach Zürich, wo er sich an den Aktivitäten der Dadaisten beteiligte. 1918 traf er Feruccio Busoni und beschäftigte sich mit den Prinzipien musikalischer Komposition, insbesondere dem Kontrapunkt; gleichzeitig begann die bis 1921 dauernde intensive Zusammenarbeit mit dem schwed. Künstler Viking Eggeling (1880–1925). Gemeinsam entwickelten sie 1920 eine graphische „Universelle Sprache“. Auf R.s elterlichem Gut in Kleinkölzig beschäftigten sie sich mit Studien, aus denen geometrisch komponierte Rollenbilder (z. B. „Fuge“) mit abstrakten Konfigurationen hervorgingen. An diese Phase der stärkeren Hinwendung R.s zum Konstruktivismus schlossen sich erste Experimente mit dem Film (später benannt nach den Entstehungsjahren: „Rhythmus 21“ „R. 23“…, an. Etwa seit 1920 hielt R. Kontakt zu Theo van Doesburg, dem Begründer der niederländ. Künstlergruppe „De Stijl“. R.s vielfältige Bemühungen um eine umfassende Erneuerung der angewandten und freien Kunst fanden ihren Niederschlag u. a. in der Zeitschrift „G“, die er 1923-26 herausgab. Ein frühes Filmexperiment wurde 1923 auf der „Soirée du cœur à barbe“ in Paris und 1925 auf der Filmmatinée „Der absolute Film“ in Berlin gezeigt. Im Unterschied zu seinen frühen abstrakten Animationen verwendete R. in seiner „Filmstudie“ (1926) erstmals Realaufnahmen. Diese Erweiterung der Ausdrucksform hin zu einer „Filmpoesie“ vertiefte er in „Vormittagsspuk“ (1927, mit Werner Graeff, Musik v. Paul Hindemith) und in mehreren kurzen Arbeiten (u. a. „Rennsymphonie“, „Zweigroschenzauber“, beide 1928), die z. T. kommerzielle Aufträge waren. 1929 wurde R. die Leitung der Werkbund-Ausstellung „Film und Foto“ übertragen, in deren Zusammenhang er das Buch „Filmgegner von heute – Filmfreunde von morgen“ (unter Mitarb. v. Werner Graeff) publizierte. Der 1931 in Moskau begonnene Film „Metall“ über einen Metallarbeiterstreik blieb unvollendet; 1932 besuchte er Kasimir Malewitsch in Leningrad.

    In den folgenden Jahren wurde R.s Arbeits- und Lebenssituation infolge des sich in Europa etablierenden Faschismus zusehends schwieriger. Über die Niederlande (1933) und Frankreich (1936) emigrierte R. 1937 in die Schweiz, 1941 in die USA. Von 1942 bis 1956 war er am Institute of Film Technique des City College of New York tätig, zunächst als Lehrer, seit 1948 als Leiter. Zusammen mit Fernand Léger, Max Ernst, Man Ray, Marcel Duchamp und Alexander Calder verwirklichte er 1947 den Film „Dreams That Money Can Buy“. 1961 beendete R. seinen letzten Film „Dadascope“.

    R. hat als einer der wenigen Kunstschaffenden (wie u. a. auch Eggeling u. Walter Ruttmann, 1887–1941) die Möglichkeiten des gegenstandslosen Films auszuloten gesucht. Ob er tatsächlich den ersten abstrakten Film schuf, ist umstritten – für eine Vorführung von „Rhythmus 21“ vor Ruttmanns „Lichtspiel opus 1“ am 27.4.1921 fehlt der Nachweis. R. wandte sich jedoch – im Gegensatz zu Ruttmann – nie ganz von der (statischen) Malerei ab. In den 60er und 70er Jahren trat er auch publizistisch als Chronist der modernen Kunst, v. a. der Dadabewegung, hervor, hielt zahlreiche Vorträge und organisierte Ausstellungen. R.s großes Verdienst bleibt es, unermüdlich für eine eigenständige Filmkunst und für ein unabhängiges, nicht-kommerzielles Kino, das sich dennoch nicht ins Elitäre versteigt, eingetreten zu sein.|

  • Auszeichnungen

    Sonderpreis „Für den besten Originalbeitrag zum Fortschritt des Films“ für „Dreams That Money Can Buy“ auf d. Internat. Filmfestival in Venedig (1947);
    Kunstpreis d. Stadt Berlin (1967);
    Gr. BVK (1969);
    Goldenes Filmband d. internat. Filmfestivals Berlin f. langjähriges u. hervorragendes Wirken im dt. Film (1971).

  • Werke

    Weitere W u. a. Filme: Inflation, 1928;
    Alles dreht sich, alles bewegt sich, 1929;
    8 x 8, 1957;
    Chesscetera, 1957;
    mehrere Dokumentar- u. Werbefilme, 1929-45;
    Schrr.:
    Kampf um den Film, 1976 (Ms. 1934–39) (Verz. d. Filme, L, P);
    Dadaprofile, 1961;
    Dada, Kunst u. Antikunst, 1964;
    Köpfe u. Hinterköpfe, 1967;
    H. R. by H. R., hg. v. C. Gray, 1971;
    Begegnungen von Dada bis heute, 1973;
    künstler. Nachlaß:
    Fam.bes., Locarno (Schweiz);
    lit. Nachlaß
    (nach 1941): New York, Mus. of Modern Art.

  • Literatur

    B. Hein, W. Herzogenrath (Hg.), Film als Film, 1978;
    H. R., Dadaist, Filmpionier, Maler, Theoretiker, Ausst.kat. Berlin 1982;
    G. Hoßmann, H. R., Das bildner. Werk, Diss. Köln 1985;
    H. R., Malerei u. Film, Ausst.kat. Frankfurt 1989 (P);
    Dada – e. internat. Bewegung 1916-1925, Ausst.kat. München 1993;
    Ph. Sers, „L'ordre de l'image: sur Eggeling, Richter et le cinéma dadaïste“, Part de L'œil, Bd. 9, 1993, S. 167-93;
    BHdE II;
    Kosch, Lit.-Lex.³, Erg.bd. VI;
    CineGraph;
    Kürschner, Lit.-Kal., Nekr. 1972–98, 1999.

  • Porträts

    Selbstporträt, Tuschzeichnung, Abb. in: Die Aktion, 1916, Nr. 20/21, Sp. 285;
    H. R., Malerei u. Film (s. L), Frontispiz, S. 34, 36, 107;
    K. Steinorth, Photographen d. 20er J., 1987, S. 134. – Videofilm v. G. Hoßmann, H. R., Maler u. Filmpionier, 1984.

  • Autor/in

    Holger Wilmesmeier
  • Zitierweise

    Wilmesmeier, Holger, "Richter, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 529-530 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118600435.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA