Lebensdaten
1877 – 1962
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Murnau (Oberbayern)
Beruf/Funktion
Malerin
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118585525 | OGND | VIAF: 51864611
Namensvarianten
  • Münter, Gabriele
  • Münter, Gabriele
  • Kandinsky, Gabriele Münter-
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Zitierweise

Münter, Gabriele, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118585525.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Carl Friedrich (1826–86), aus westfäl. Kaufm.-u. Pfarrerfam., wanderte 1848 in d. USA aus, bis 1864 Zahnarzt in Jackson (Tennessee), S d. Friedrich (* 1786) u. d. Juliane Margarete Ehrlich;
    M Wilhelmine (1835–97), aus schwäb.-fränk. Schreinerfam., kam als Kind nach USA, T d. Johann Gottlieb Scheubler od. Scheuber u. d. Christine Magdalene Meister; Lebensgefährten 1902-14 Wassily Kandinsky (1866–1944), Maler (s. NDB XI); seit 1929 Johannes Eichner (1886–1958) aus B., Dr. phil., Kunsthistoriker u. Philologe.

  • Biographie

    M., deren Eltern wegen der amerikan. Sezessionskriege 1864 nach Deutschland zurückgekehrt waren, wuchs in Herford und Koblenz auf. 1897 begann sie ein Zeichenstudium in Düsseldorf, das sie jedoch nach Krankheit und Tod der Mutter bald wieder abbrach. 1898-1900 hielt sie sich in Amerika auf. Im Frühjahr 1901 ging sie nach München, um ihr Studium an der Schule des „Künstlerinnen-Vereins“ fortzusetzen. Im Winter dieses Jahres belegte sie Kurse an der neugegründeten „Phalanx“-Kunstschule und lernte dort Wassily Kandinsky kennen, der Lehrer der Malklasse war. 1903 kam es während eines Sommeraufenthaltes der „Phalanx“-Klasse in Kallmünz zur Verlobung von Kandinsky und M. In der folgenden Zeit unternahm das Paar zahlreiche Reisen, u. a. nach Holland, Tunis, Rapallo, und wohnte 1906/07 in Paris. 1908 gaben M. und Kandinsky ihr unstetes Wanderleben auf und ließen sich in München nieder. Während dieser frühen Jahre malte M. überwiegend kleinformatige Freilichtstudien im Stil des Spätimpressionismus, mit naturalistisch gedämpfter Palette in Grün-, Grau- und Brauntönen. In der Pariser Zeit entstand mehr als ein Viertel ihres graphischen Werkes, wobei besonders die Farbholz- und Linolschnitte zu erwähnen sind.

    Im Sommer 1908 entdeckten M. und Kandinsky am Staffelsee den malerisch gelegenen Marktflecken Murnau. Zusammen mit ihren Malerfreunden Alexej Jawlensky und Marianne v. Werefkin arbeiteten sie bis zum Herbst 1908 in Murnau und Umgebung; für M. bedeutete dieser Aufenthalt den Durchbruch zu einer neuen Sehweise, den sie rückblickend in der berühmt gewordenen Formulierung zusammenfaßte: „Ich habe da nach einer kurzen Zeit der Qual einen großen Sprung gemacht – vom Naturabmalen – mehr oder weniger impressionistisch – zum Fühlen eines Inhalts – zum Abstrahieren – zum Geben eines Extrakts.“ In kurzer Zeit stellte sich M. von dem kleinteiligen, gespachtelten Farbauftrag der frühen Ölstudien um auf einen breiten, flüssigen und spontanen Pinselstrich, der mit leuchtenden, unvermischt nebeneinandergesetzten Farben Ansichten des Ortes und der Umgebung festhält. Weitere Kennzeichen dieser neuartigen, expressiven Bilder sind der zunehmende Verzicht auf gegenständliche Details, die Aufgabe der Tiefenperspektive zugunsten einer Entfaltung der Bildelemente in der Fläche sowie eine zunehmende Emanzipation der Darstellung vom Naturvorbild.

    Im Zuge des produktiven Austauschs zwischen den Freunden schloß sich Anfang 1909 die „Neue Künstlervereinigung München“ zusammen, deren Mitglied auch M. wurde.|Im selben Jahr kaufte M. ein Sommerhaus in Murnau, wo sie mit Kandinsky bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges viele Wochen verbrachte. Neue künstlerische Anregungen fand sie in diesen Jahren in der bayer. und böhm. Hinterglasmalerei sowie in der überwiegend religiösen regionalen Volkskunst. Nach der Spaltung der „Neuen Künstlervereinigung“ im Winter 1911 bildete M. zusammen mit Kandinsky, Franz Marc und Alfred Kubin die Kerngruppe des „Blauen Reiters“. Auf dessen erster Ausstellung sowie im gleichnamigen „Almanach“ war sie u. a. mit ihren großen Stilleben von 1911 vertreten, auf denen die Gegenstände – meist religiöses Kunsthandwerk und Glasbilder – ein geheimnisvolles Leben zu gewinnen scheinen. Auch mit diesen mystifizierenden, dunklen Bildern setzte M., neben den farbstarken Murnauer Landschaften und den lapidar vereinfachten Porträts der Malerkollegen, in der Malerei des „Blauen Reiters“ ihren eigenen unverwechselbaren Akzent.

    Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges emigrierten M. und Kandinsky zunächst in die Schweiz. Nach der Rückkehr Kandinskys in seine russ. Heimat fuhr M. im Sommer 1915 nach Stockholm, um im neutralen Ausland auf ihn zu warten. Im Winter 1915/16 sahen sich beide hier zum letzten Mal. Während Kandinsky 1917 zum zweiten Mal heiratete und erst 1921/22 als Lehrer am Bauhaus nach Deutschland zurückkehrte, blieb M. bis 1920 in Skandinavien, zuletzt in Kopenhagen. Hier entstanden überwiegend weibliche Porträts, aber auch figürliche Interieurs und Straßenszenen, an deren gedämpften Farben und dekorativen Linien sich ein deutlicher Stilwandel unter dem Einfluß der schwed. Matisse-Schüler ablesen läßt. Die frühen 20er Jahre bedeuteten für M. eine Zeit der persönlichen und künstlerischen Depression. Nach Jahren in Murnau und München ging sie 1925 nach Berlin und entwickelte hier ihre Bleistiftporträts nach meist weiblichen Modellen mit knappen Umrißlinien zur Meisterschaft. Ein Paris-Aufenthalt 1929/30 sowie eine zusammen mit ihrem zweiten Lebensgefährten Johannes Eichner unternommene Reise nach Südfrankreich gaben M.s künstlerischem Schaffen neue Impulse. Sie kehrte zu einer vitalen Malerei mit kräftiger Palette zurück und knüpfte dabei stilistisch an ihre Errungenschaften aus der Zeit des „Blauen Reiters“ an. 1931 ließ sich M. endgültig in Murnau nieder; erneut entstanden zahlreiche Gemälde, überwiegend Landschaften und Stilleben. Die Kriegsjahre brachten eine Zeit des Rückzugs mit deutlich verminderter künstlerischer Produktivität; in ihren späten Arbeiten bevorzugte sie eine charakteristische, sparsame Ölmalerei auf Papier, insbesondere für Blumenstilleben und abstrakte Studien. – Zu ihrem 80. Geburtstag 1957 übergab M. die noch in ihrem Besitz befindlichen Werke Kandinskys sowie weiterer Mitglieder des „Blauen Reiters“ und eigene Bilder der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München.

  • Werke

    u. a. Allee im Park v. St. Cloud, 1906;
    Blick aufs Murnauer Moos, 1908;
    Jawlensky u. Werefkin, 1909;
    Zuhören (Bildnis Jawlensky), 1909;
    Stilleben mit Hl. Georg, 1911;
    Kandinsky u. Erma Bossi am Tisch, 1912;
    Sinnende, 1917;
    Das Russen-Haus, 1931;
    Blick aufs Gebirge, 1934 (alle Städt. Gal. im Lenbachhaus, München).

  • Literatur

    J. Eichner, Kandinsky u. G. M., Von Ursprüngen moderner Kunst, 1957;
    H. K. Röthel (Hrsg.), Kandinsky u. G. M., Werke aus fünf J.zehnten, Ausst.kat. München 1957;
    G. M. 1877-1962, Ausst.kat. München 1962;
    P. Lahnstein, M., 1971;
    A. Mochon (Hrsg.), G. M., Ausst.kat. Cambridge, Mass./Princeton, N. J., 1980/81;
    K.-E. Vester (Hrsg.), G. M., Ausst.kat. Hamburg 1988;
    G. Kleine, G. M. u. Wassily Kandinsky, Biogr. e. Paares, 1990;
    A. Hoberg (Hrsg.), G. M. 1877-1962, Ausst.kat. München 1992 (P);
    R. Gollek, Das Münter-Haus in Murnau, ⁵1992 (P);
    ThB;
    Vollmer.

  • Porträts

    2 Ölgem. v. W. Kandinsky, G. M. b. Malen in Kallmünz, 1903, Bildnis G. M., 1905 (beide Städt. Gal. Lenbachhaus, München);
    zahlr. Phot. im Archiv d. G. M.- u. Johannes Eichner-Stiftung (ebd.).

  • Autor/in

    Annegret Hoberg
  • Zitierweise

    Hoberg, Annegret, "Münter, Gabriele" in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 546-547 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118585525.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA