Wirtinger, Wilhelm

Lebensdaten
1865 – 1945
Geburtsort
Ybbs/Donau
Sterbeort
Ybbs an der Donau
Beruf/Funktion
Mathematiker ; Hochschullehrer
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 117582573 | OGND | VIAF: 72175106
Namensvarianten

  • Wirtinger, Wilhelm

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Zitierweise

Wirtinger, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117582573.html [28.12.2025].

CC0

  • Wirtinger, Wilhelm

    | Mathematiker, * 19.7.1865 Ybbs/Donau, † 16.1.1945 Ybbs/Donau. (katholisch)

  • Genealogie

    V Johann Evangelista (1826–1909), aus Wullersdorf (Niederösterr.), Dr. med., 1864 Hausarzt in Y., später Primararzt am Versorgungshaus (später Psychiatr. Krankenhaus) d. Stadt Wien|, entdeckte d. Typhuskurve, Med.rat, S d. Georg (1789–1855), Riemenmachermeister;
    M Beata (Beate) (1841–95), T d. Augustin Powolny (1815–1892), 1. Verw. d. Gefangenenhauses im Wiener Landger., u. d. Rosalia Schlechta (1817–1879);
    1890 Amalia (Amalie) ( 1942), T d. Karl Feyertag u. d. Aloisia Stummer;
    3 S (2 früh †) Wilhelm (1893–1945), Dr. med., Anatom, 1918–40 Assistenzarzt an d. Univ. Wien, 1940 Doz., 1944 Marineassistenzarzt im Marinelazarett in Kiel (s. M. Stober, Personalbibliogrr. d. Professoren u. Dozenten d. Anatomie an d. Med. Fak. d. Univ. Wien im ungefähren Zeitraum v. 1845 bis 1969, S. 140 f.; K. Körrer, Die zw. 1938 u. 1945 verstorbenen Mitgll. d. Lehrkörpers an d. Univ. Wien, Diss. Wien 1981, S. XXXIII), T u. a. Maria (1894–1977), Agraring., 1927–31 an d. Dt. Ak. f. soz. u. päd. Frauenarb., Lehrerin an d. Landwirtsch.schule in Hubertendorf (Niederösterr.).

  • Biographie

    W. verbrachte seine Gymnasialzeit in Seitenstetten, Melk und St. Pölten, wo er 1884 die Matura ablegte. 1884–87 studierte er Mathematik an der Univ. Wien, v. a. bei Gustav Rr. v. Escherich (1849–1935) und Emil Weyr (1848–1894), die ihn 1887 mit einer unveröffentlichten Dissertation „Über eine kubische Involution in der Ebene“ zum Dr. phil. promovierten, deren Thema aus der synthetischen Geometrie stammte, einem der Arbeitsgebiete Weyrs. Das Wintersemester 1888/89 verbrachte W. an der Univ. Berlin bei Lazarus Fuchs (1833–1902), Leopold Kronecker (1823–1891) und Karl Weierstraß (1815–1897) und das Sommersemester 1889 an der Univ. Göttingen, wo Felix Klein (1849–1925) die Ausrichtung seiner Forschungen prägte. Nach Wien|zurückgekehrt, habilitierte sich W. 1890 an der Universität für Mathematik, legte 1891 die Lehramtsprüfung für Gymnasien mit den Fächern Mathematik und Physik ab und erhielt 1892 eine Assistentenstelle bei Emanuel Czuber (1851–1925) an der TH Wien. 1895 wurde W. u. a. aufgrund der Auszeichnung der Gustav Beneke-Stiftung in Göttingen für die im selben Jahr verfaßten „Untersuchungen über Thetafunktionen“ zum ao. Professor an der Univ. Innsbruck ernannt und 1896 als Nachfolger Leopold Gegenbauers (1849–1903) o. Professor für Mathematik (Dekan d. phil. Fak. 1902/03). Wiederum als Gegenbauers Nachfolger wurde W. 1903 zum o. Professor für Mathematik an die Univ. Wien berufen (em. 1935, Dekan d. phil. Fak. 1915/16). W. beeinflußte durch seine anregende und anspruchsvolle Lehrtätigkeit praktisch alle in Wien Mathematik Studierenden, die später eine Universitätslaufbahn einschlugen, insbesondere Wilhelm Blaschke (1885–1962), Hilda Geiringer (1893–1973), Johann Radon (1887–1956) und Leopold Vietoris (1891–2002).

    In seinen ersten Veröffentlichungen und in seiner Dissertation widmete sich W. der synthetischen Geometrie. Sein Hauptarbeitsgebiet war jedoch die Theorie der algebraischen Funktionen und ihrer Integrale, wodurch er in Analysis und algebraische Geometrie wirkte. Er praktizierte die Weierstraßsche Exaktheit in der Analysis, während seine mathematischen Ideen von Bernhard Riemann (1826–1866) beeinflußt waren. Dabei verfaßte er nicht nur Forschungsarbeiten in dem genannten Gebiet, sondern gab mit Max Noether (1844–1921) auch die „Nachträge“ (1902) zu „Bernhard Riemanns gesammelten mathematischen Werken“ heraus. Weiterhin veröffentlichte er mehrere Übersichtsartikel zur Theorie der algebraischen Funktionen und ihrer Integrale in der „Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften mit Einschluß ihrer Anwendungen“.

    Darüber hinaus lieferte W. Beiträge zur Theorie der konformen Abbildung, der Determinanten sowie zur Lie-Theorie und Knotentheorie. Auf die „W.sche Ungleichung“ erhob er jedoch keinen Anspruch; diese gibt Bedingungen dafür an, daß das Integral über das Quadrat einer reellen Funktion kleiner oder gleich dem Integral über das Quadrat von deren Ableitung ist. Von großer Bedeutung ist der sogenannte W.-Kalkül, der auf den Aufsatz „Zur formalen Theorie der Funktionen von mehreren komplexen Veränderlichen“ (Mathemat. Ann. 97, 1927, S. 357–75) zurückgeht. Er beruht darauf, Funktionen reeller Argumente auf komplexe sowie komplexkonjugierte Argumente umzuschreiben, bildet die Basis der Dolbeault-Kohomologie und hat praktische Anwendungen bis hin zum maschinellen Lernen.

  • Auszeichnungen

    |korr. Mitgl. d. Ak. d. Wiss. Wien (1895, o. Mitgl. seit 1905), d. Kgl. Ges. d. Wiss. z. Göttingen (1906), d. Preuß. Ak. d. Wiss. (1925), d. Acc. Pontificia dei Nuovi Lincei in Rom (1927) u. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1931);
    Sylvester-Medaille d. Royal Soc. (1907);
    Dr. phil. h. c. (Oslo 1902);
    Dr. rer. nat. h. c. (Hamburg 1925, Innsbruck 1935);
    HR (1920);
    Komturkreuz d. Österr. Verdienstordens (1935);
    Ehrenbürger d. Stadt Ybbs/Donau;
    Plenarvortr. „Riemanns Vorll. über d. hypergeometr. R. u. ihre Bedeutung“ auf d. 3. Internat. Math.-Kongreß in Heidelberg (1904);
    Prof.-W.-Gasse u. Prof.-W.-Park in Ybbs/Donau.

  • Werke

    Weitere W Algebra. Funktionen u. ihre Integrale, Enz. d. Math. Wiss., Bd. II, T. 2, B, 2, 1901;
    Abelsche Funktionen u. allg. Thetafunktionen, Enz. d. Math. Wiss., Bd. II, T. 2, B, 7, 1920 (mit A. Krazer);
    Allg. Infinitesimalgeometrie u. Erfahrung, 1926;
    Zur Theorie d. konformen Abb. mehrfach zus.hängender ebener Flächen, 1942;
    Hg.: Mhh. f. Math. u. Physik (1903–45);
    W-Verz.: H. Hornich (s. L), S. 9–12;
    Nachlaß: Fachbereichsbibl. Math. d. Univ. Wien;
    Wienbibl. im Rathaus d. Stadt Wien, Hss.slg.

  • Literatur

    |C. Carathéodory, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss., 1944–48, S. 256–58;
    J. Radon, in: Alm. d. Österr. Ak. d. Wiss. 1945, 95, 1947, S. 336–46;
    ders., W. W., d. größte Math. Österr., in: Österr. Naturforscher, Ärzte u. Techniker, hg. v. F. Knoll, 1957, S. 24–26 (P);
    H. Hornich, in: Mhh. f. Math. 52, 1948, S. 1–12 (P);
    E. Hlawka, Ausführl. Begleittext z. Porträt VI/63, in: Die Wiener Univ. im Bild 1365–1965, 1965 (P);
    A. Dick, In Ybbs geb., in Ybbs gestorben, in: Tagungsbd. d. I. Österr. Symposions z. Gesch. d. Math., hg. v. Ch. Binder, 1986, S. 119–23;
    M. Epple, Die Entstehung d. Knotentheorie, 1999, S. 236–65;
    ÖBL;
    Qu Archiv d. Dt. Mus., München, Nachlaß Arnold Sommerfeld;
    Niedersächs. Staats- u. Univ.bibl. Göttingen, Nachlässe Carl Friedrich Gauß, Helmut Hasse, Gustav Herglotz, David Hilbert, Felix Klein, Adolf Kneser u. Hellmuth Kneser;
    Verlagsarchiv Teubner;
    Univ.bibl. Heidelberg, Nachlaß Moritz Cantor.

  • Porträts

    |Photogr., 1910 (Wienbibl. im Rathaus d. Stadt Wien, Hss.slg.);
    Photogr. v. Th. Bauer (Archiv d. Univ. Wien);
    zahlr. Photogrr. (Porträtslg. d. Dt. Mus., München).

  • Autor/in

    Peter Ullrich
  • Zitierweise

    Ullrich, Peter, "Wirtinger, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 290-291 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117582573.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA