Ketteler, Wilhelm Freiherr von

Lebensdaten
1906 – 1938
Geburtsort
Burg Eringerfeld bei Lippstadt (Westfalen)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Widerstandskämpfer ; Jurist ; Diplomat ; Widerstandskämpfer
Konfession
römisch-katholisch
Normdaten
GND: 1202533272 | OGND | VIAF: 4076157884810260620000
Namensvarianten

  • Ketteler, Wilhelm
  • Ketteler, Wilhelm Emanuel Wilderich Maria Hubertus Vitus Aloysius Freiherr von
  • Ketteler, Wilhelm Freiherr von
  • Ketteler, Wilhelm
  • Ketteler, Wilhelm Emanuel Wilderich Maria Hubertus Vitus Aloysius Freiherr von
  • Ketteler, Wilhelm Emanuel von, Freiherr
  • Ketteler, Wilhelm von, Freiherr
  • Ketteler, Wilhelm-Emanuel Wilderich Maria Hubertus Vitus Aloysius von, Freiherr
  • Ketteler, Wilhelm-Emanuel von, Freiherr
  • Cetteler, Wilhelm Freiherr von
  • Cetteler, Wilhelm
  • Cetteler, Wilhelm Emanuel Wilderich Maria Hubertus Vitus Aloysius Freiherr von
  • Cetteler, Wilhelm Emanuel von, Freiherr
  • Cetteler, Wilhelm von, Freiherr
  • Cetteler, Wilhelm-Emanuel Wilderich Maria Hubertus Vitus Aloysius von, Freiherr
  • Cetteler, Wilhelm-Emanuel von, Freiherr

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Zitierweise

Ketteler, Wilhelm Freiherr von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd1202533272.html [01.07.2025].

CC0

  • Ketteler, Wilhelm Emanuel Wilderich Maria Hubertus Vitus Aloysius Freiherr von

    1906 – 1938

    Widerstandskämpfer, Jurist, Diplomat

    Wilhelm Freiherr von Ketteler war ein enger Mitarbeiter Franz von Papens (1879–1969) und gehörte seit dem Frühjahr 1933 einer Widerstandsgruppe gegen den NS-Staat an. Deren Pläne, die Diktatur durch einen Staatsstreich zu stürzen, wurden am 30. Juni 1934 durch die SS zunichte gemacht. Ketteler setzte seinen Widerstand danach von seiner neuen Dienststelle als Honorarattaché bei der deutschen Gesandtschaft in Wien fort, ehe er im Rahmen der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich im März 1938 von Agenten des Sicherheitsdienstes der SS ermordet wurde.

    Lebensdaten

    Geboren am 15. Juni 1906 in Burg Eringerfeld bei Lippstadt (Westfalen)
    Gestorben am ca. 14. März 1938 (ermordet) in Wien
    Grabstätte Familienfriedhof der Familie von Ketteler in Störmede (Westfalen)
    Konfession römisch-katholisch
    Wilhelm Freiherr von Ketteler (InC)
    Wilhelm Freiherr von Ketteler (InC)
  • 15. Juni 1906 - Burg Eringerfeld bei Lippstadt (Westfalen)

    1907 - Störmede (Westfalen)

    Übersiedlung der Familie

    1917 - Ostern 1922 - Geseke bei Paderborn

    Schulbesuch

    Progymnasium

    Ostern 1922 - Ostern 1926 - Warburg

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Gymnasium Marianum

    1926 - 1932 - München; seit 1927 Bonn

    Studium der Rechtswissenschaften (Abschluss: 1. Juristische Staatsprüfung/Referendarexamen)

    Universität

    14.2.1933 - März 1938 - Berlin

    Mai 1933 - Juli 1934 - Berlin

    Referent; Mitarbeiter an Plänen zum Sturz des NS-Regimes durch einen Staatsstreich

    Büro des Stellvertreters des Reichskanzlers

    Juli 1934 - März 1938 - Wien

    Honorarattaché

    Deutsche Gesandtschaft

    März 1938 - Wien

    Vorbereitung eines Attentats auf Adolf Hitler (1889–1945); Ermordung

    ca. 14. März 1938 (ermordet) - Wien

    Ketteler, der eine katholische und konservative Erziehung erhielt, studierte nach dem Abitur auf dem Gymnasium Marianum in Warburg von 1926 bis 1932 Rechtswissenschaften an den Universitäten München und Bonn und schloss sich in dieser Zeit den Studentenverbindungen Rheno Bavaria und Frisia an. Politisch-ideologisch geprägt von Carl von Jordans (1884–1950), der seit ca. 1926 sein Mentor war, standen intensive Religiosität, ein stark entwickelter Patriotismus und ein sittliches Ethos, das um die Begriffe „Pflicht“ und „Verantwortung“ kreiste, im Zentrum von Kettelers Denken.

    Ende Mai 1932 wurde Ketteler von dem designierten Reichskanzler Franz von Papen (1879–1969), mit dem seine Familie in langjähriger freundschaftlicher Verbindung stand, als Mitarbeiter angeworben und trat dessen Stab zum 14. Februar 1933 bei, als Papen in der Regierung Adolf Hitlers (1889–1945) das Amt des Vizekanzlers bekleidete. Nach Gründung der Dienststelle „Büro des Stellvertreters des Reichskanzlers“ im Mai 1933 erhielt Ketteler den Rang eines Referenten und betätigte sich v. a. in der von Herbert von Bose (1893–1934) geleiteten Presseabteilung als dessen wichtigster Mitarbeiter.

    In Zusammenarbeit u. a. mit Bose, Hans Reinhard Graf von Kageneck (1902–1996), Fritz Günther von Tschirschky (1900–1980) und dem Schriftsteller Edgar Julius Jung (1894–1934) baute Ketteler – weitgehend ohne Papens Kenntnis – das Büro 1933 zu einem Zentrum des Widerstands gegen das NS-Regime um. Der Einfluss der Dienststelle als einer obersten Reichsbehörde wurde genutzt, um politisch Verfolge aus Polizei- und KZ-Haft zu befreien. Zudem wurden Beschwerden über das NS-Regime gesammelt und von Verhaftung bedrohten Personen die Ausreise in das Ausland ermöglicht. Bose und Ketteler leiteten Vertretern der Auslandspresse Informationen über NS-Gräueltaten und politische Pläne der Regierung (u. a. zur Aufrüstung des deutschen Militärs entgegen den Bestimmungen des Versailler Vertrags) zu, die in ausländischen Zeitungen veröffentlicht wurden.

    Seit Herbst 1933 arbeitete Ketteler an federführend von Bose, Jung und Tschirschky entworfenen Plänen zum Sturz des NS-Regimes durch einen Staatsstreich mit. Zu dessen Vorbereitung baute die Gruppe ein umfassendes Netzwerk aus Verbündeten auf, die an wichtigen Stellen in Militär, Verwaltung, Wirtschaft, Presse und im Klerus saßen. Zu diesem Netzwerk zählten u. a. Theodor Duesterberg (1875–1950), Edmund Forschbach (1903–1988), Ulrich von Hassel (1881–1944), Julius Leber (1891–1945), Franz Mariaux (1898–1986), Rudolf Pechel (1882–1961), Gottfried Treviranus (1891–1971), Josef Wirmer (1901–1944) und Erwin von Witzleben (1881–1944). Die Gruppe sammelte belastendes Material über wichtige nationalsozialistische Führer und erstellte ein Dossier, das Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847–1934) vorgelegt werden sollte, um ihn davon zu überzeugen, den Ausnahmezustand zu verhängen, die Regierung abzusetzen und die wichtigsten Funktionäre der NSDAP, SA und SS in Haft nehmen zu lassen.

    Für die Übergabe des Dossiers war Papen vorgesehen, der jedoch im Juni 1934 zögerte, zu Hindenburg zu reisen. Am 30. Juni 1934 folgte die Reaktion des NS-Regimes durch den im Rahmen des „Röhm-Putschs“ durchgeführten Doppelschlag gegen die SA-Führung und die in der Vizekanzlei konzentrierte konservative Opposition. Während Bose erschossen und andere Mitarbeiter in Haft genommen wurden, gelang Ketteler die Flucht nach Ostpreußen, wo er am Abend des 1. Juli 1934 einen Adjutanten des Reichspräsidenten über die Geschehnisse in Berlin unterrichtete. Dieser informierte Hindenburg, der daraufhin einen Befehl zur Beendigung der Gewaltmaßnahmen erließ, dem sich Hitler fügte. Durch seinen Einsatz bewahrte Ketteler zahlreiche Menschen vor der Exekution.

    Als Papen Ende Juli 1934 von Hitler als deutscher Gesandter nach Wien geschickt wurde, nahm er Ketteler als Vertrauensmann mit. Bis März 1938 als Honorarattaché bei der Gesandtschaft in Wien beschäftigt, wirkte Ketteler offiziell an der Pflege der bilateralen Beziehungen mit, arbeitete aber weiterhin gegen die NS-Regierung und versuchte, deren Pläne zur Annexion Österreichs zu sabotieren, indem er österreichischen Stellen Informationen über beabsichtigte Maßnahmen des Reichs zuspielte, die ihm durch seine Stellung als engster Mitarbeiter Papens bekannt geworden waren. Als sich Anfang 1938 abzeichnete, dass der „Anschluss“ Österreichs bevorstand, begann Ketteler, ein Attentat auf Hitler vorzubereiten, wurde jedoch unmittelbar nach der deutschen Besetzung Wiens am 13. März 1938 auf Befehl Reinhard Heydrichs (1904–1942) von dem SD-Agenten Horst Böhme (1909–1945) entführt und wahrscheinlich in der Nacht zum 14. März 1938 ermordet. Kettelers in die Donau geworfene Leiche wurde am 25. April 1938 nahe Hainburg (Niederösterreich) geborgen.

    1949 Gedenkleuchte vor dem Gymnasium Marianum auf dem Brüderkirchhof in Warburg
    1999 Aufnahme in das Martyrologium der Katholischen Kirche für das 20. Jahrhundert

    Nachlass:

    verschollen.

    Weitere Archivmaterialien:

    Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, R 53. (Büro des Stellvertreters des Reichskanzlers)

    Sonderarchiv Moskau, Fonds 703, Nr. 47. (Nachlass Franz von Papen, zeitgenössische Akte über das Verschwinden Kettelers und die Suche nach ihm)

    Staatsarchiv Wolfenbüttel, 62 Nds. Fb. 2, Nr. 1726–1770. (Akten zum Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Braunschweig zum Mord an Ketteler aus den 1970er Jahren)

    Gedruckte Quellen:

    Douglas Reed, Disgrace Abounding, 1939, S. 71–78.

    Wilhelm Schmidt, Gegenwart und Zukunft des Abendlandes, 1949, S. 128 f.

    Fritz Günther von Tschirschky, Erinnerungen eines Hochverräters, 1972.

    Monografien:

    Heinz Höhne, Mordsache Röhm. Hitlers Durchbruch zur totalen Macht, 1984, S. 277.

    Lutz Hachmeister, Der Gegnerforscher. Die Karriere des SS-Führers Franz Alfred Six, 1998, S. 10–19.

    Rainer Orth, „Der Amtssitz der Opposition“? Politik und Staatsumbaupläne im Büro des Stellvertreters des Reichskanzlers in den Jahren 1933–1934, 2016.

    Aufsätze und Artikel:

    Wolfgang Freiherr von Fürstenberg, Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler zum Gedächtnis, in: Deutsches Adelsblatt 12 (1973), H. 8, S. 172–175 u. H. 9, S. 195–199.

    Gerhard Schilling, „Wilhelm von Ketteler“, in: ders., Sie folgten der Stimme ihres Gewissens. Denkschrift über Mitglieder der zum Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine (KV) gehörenden Verbindung Rheno-Bavaria in München, die Blutzeugen gegen den nationalsozialistischen Unrechtsstaat wurden, 1989, S. 17–35.

    Michael F. Feldkamp, Art. „Ketteler, Friedrich[sic!]-Emanuel Frhr. v.“, in: Siegfried Kop/Wolfang Löhr (Hg.), Biographisches Lexikon des KV, Bd. 3, 1994, S. 64 f.

    Peter Möhring, Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler, in: Helmut Moll (Hg.), Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts, 72019, S. 593–596. (P) (Onlineressource)

  • Autor/in

    Rainer Orth (Frankfurt am Main)

  • Zitierweise

    Orth, Rainer, „Ketteler, Wilhelm Freiherr von“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2025, URL: https://www.deutsche-biographie.de/1202533272.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA