Lebensdaten
1894 – 1934
Geburtsort
Ludwigshafen
Sterbeort
bei Oranienburg
Beruf/Funktion
Politiker ; politischer Schriftsteller ; Rechtsanwalt
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118714112 | OGND | VIAF: 76419876
Namensvarianten
  • Jung, Edgar Jul.
  • Jung, Edgar J.
  • Jung, Edgar Julius
  • mehr

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Zitierweise

Jung, Edgar Julius, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118714112.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm Jakob (1861–1942), Volksschullehrer, dann Stud.prof. am Mädchenlyzeum in L., Pianist, Kammermusiker, Vf. v.Musikgesch. d. Stadt Ludwigshafen“ (1968, P), Lehrers-S aus Katzenbach b. Landstuhl;
    M Frieda Friedrich, aus Handwerkerfam. d. Mittelpfalz;
    Ludwigshafen 1922 Wilhelmine, T d. Brauereidir. Küffner in L.;
    2 K unter anderem Christa (1928-2003, ⚭ Berthold Spangenberg, 1916-1986, Verleger), Verlegerin.

  • Biographie

    J. studierte Rechtswissenschaft in Lausanne (1913/14), Heidelberg (1918/19) und Würzburg (1919/20), war Kriegsteilnehmer und Angehöriger des Freikorps Epp 1919 (Studienabschluß 1920, Promotion zum Dr. jur. 1920). 1922 wurde er Anwalt in Zweibrücken (Kanzlei des Reichstagsabgeordneten Dr. Albert Zapf – DVP), 1924/25 Rechtsanwalt am Landgericht und Oberlandesgericht München.

    Bestimmt von der Jugendbewegung und dem Kriegserlebnis wandte sich J. 1918/19 der DVP zu und baute ihre Jugendgruppen in der Pfalz auf. Staatstheoretische und historische Vorträge verbanden in jener Zeit die Verarbeitung des Kriegserlebnisses, die Neubesinnung auf staatsphilosophische Grundlagen der Politik und die nationale Opposition zur Weimarer Republik. J.s Position war bestimmt von der franz. Besetzung der Pfalz und der Abwehr der Separatistenbewegung 1922/24.

    Während des passiven Widerstandes 1923/24 gründete J. einen halblegalen Kampfbund zur Abwehr der Separatisten. Die antiseparatistische Tätigkeit in der Pfalz brachte ihm die Ausweisung ein, aber auch den Gegensatz zur offiziellen bayer. und deutschen Politik. In Verbindung mit seinem Kampfbund, Helfern aus dem Bund Oberland und der Organisation Consul des Kapitäns Ehrhardt organisierte J. am 8.1.1924 die Ermordung des pfälz. Separatistenführers Heinz-Orbis und seiner Gefolgschaft in Speyer. J. verstand diese Aktion als persönliche Wahrnehmung eines national begründeten Widerstandsrechts angesichts politischer Ohnmacht des Reiches: Damit war die Gefahr der Loslösung der Pfalz beseitigt. Persönlich glaubte er auch die Wandlung der franz. und brit. Besatzungspolitik gegenüber Deutschland beeinflußt zu haben.

    Wegen der bis 1930 andauernden Ausweisung ließ sich J. beruflich als Anwalt in München nieder, wo er sich auch bald im Rahmen der rechtsstehenden nationalen und konservativen Organisationen einen Namen schuf. Ein Versuch, 1924 ein Reichstagsmandat bei der DVP zu erhalten, scheiterte an den traditionellen Vorstellungen der Honoratiorenpartei. J. ging auf Distanz zur DVP und zugleich zu jeglicher Parteipolitik, weil er den sterilen Nationalismus der Rechten und das bloße Aktivistentum der NSDAP und der Verbände verschiedener Art immer schärfer ablehnte. Neben Vortragstätigkeit|konzentrierte er sich auf journalistische und schriftstellerische Arbeiten, mit denen er eine Reform der Ideenwelt der politischen Rechten in der Weimarer Republik erstrebte. Seine politischen Vorstellungen waren noch 1920 von einer gewissen Zuneigung zum Frühkonstitutionalismus und Altliberalismus in der Verbindung von Nation und Demokratie getragen, untermauert von der neukantianischen Philosophie und der Parteienkritik von Robert Michels. Seine Entwicklung zu einem der Hauptvertreter des „Jungkonservatismus“ oder der „konservativen Revolution“ markiert in erster Linie das Buch „Die Herrschaft der Minderwertigen. Ihr Zerfall und ihre Ablösung durch ein neues Reich“ (1927, ³1930). J. versuchte dabei – in Konkurrenz, aber auch in Distanz zu Spengler, Moeller van den Bruck u. a. – eine theoretische Grundlage für einen in revolutionärer Weise veränderten und verändernden Konservativismus zu schaffen, der besonders der Jugend einen Weg weisen sollte.

    J. sah seine Zeit als epochale Krise des individualistischen und liberalen Zeitalters und griff neben der neukantianischen Wertlehre stärker auf Dilthey und Bergson zurück. Für ihn war Politik metaphysisch orientiert und arational jenseits der Vernunft verankert; von da aus war die gesellschaftspolitische Konzeption bestimmt, die er vermischt mit scharfer, polemischer Zeit- und Kulturkritik vortrug. Er forderte eine transzendentale, überindividuelle Einstellung als Fundament aller Kultur, vor allem zukünftiger Kultur, eine (neue) konservative Position, durch die der Mensch wieder in die Entwicklung der Geschichte geraten sollte. Er konstituierte nämlich ein historisches, nicht – wie andere – biologisches Organismusdenken, das ihn vom Rassismus abhielt und für dessen reale Konzepte er auf die Ideen von Ferdinand Tönnies, Robert Michels, Vilfredo Pareto und vor allem Othmar Spann zurückgriff. J.s Universalismus war politisch antipluralistisch und letztlich demokratieüberwindend konzipiert. Stärker als in seinen früheren Jahren unterlegte er seiner politischen Philosophie die Idee einer Wiederverchristlichung (Nicolai Berdjajew). Von den Nationalisten grenzte sich J. ab, indem er den Begriff der Nation aufgab und als „westlich“ ablehnte. Er wandte sich einer Vorstellung von einer übernationalen, föderalen Ordnung in Mitteleuropa zu, als deren Kern er ein mehrstufig organisiertes, Minderheiten schützendes „Reich“ sah. Dies war für ihn die politische Form einer zukünftigen revolutionär im Entstehen begriffenen nachliberalen Geschichtsepoche, deren politische Verfassung er an Othmar Spanns Ständestaat orientierte. Dieser christlich-konservative, föderale und für seine Glieder autonome Ständestaat mit funktionalistischer Organisation war in der modernen Industrie- und Sozialwelt kaum vorstellbar, da J. sein konservatives Modell nur durch Nichtachtung der wirtschaftlichen Elemente moderner Gesellschaften konzipieren konnte. Sein Jungkonservativismus hebt sich trotzdem ab von dem übersteigerten Nationalismus der NSDAP und anderer rechter Gruppen und blieb dennoch letztlich wirkungslos, weil der Realbezug zum Teil bewußt unterdrückt worden war.

    In der politischen und wirtschaftlichen Krise von 1930 versuchte J. die in gleicher Richtung zielenden jungkonservativen Politiker und Schriftsteller zu sammeln, aber ohne Erfolg. Wie er selbst, so blieben viele von ihnen lieber Einzelgänger. In zahllosen, teils kritischen, teils unterstützenden Artikeln in der „Rhein.-Westfäl. Zeitung“ und in den „Münchner Neuesten Nachrichten“, vor allem aber in der „Deutschen Rundschau“ begleitete J. die Krise der Weimarer Republik. 1929/30 unterstützte er zunächst den gemäßigten Flügel der DNVP, die Volkskonservativen unter Treviranus. Nach dem Mißerfolg bei der Wahl 1930 zog sich J. wieder zurück und trat für eine „konservativ-revolutionäre“ Veränderung ein, unterstützt von seinen Freunden im Deutschen Schutzbund, von der „Deutschen Rundschau“ Rudolf Pechels, zusammen mit dem Volksdeutschen Club in Berlin und dem Jungkonservativen Club in München.

    J. unterstützte dann 1932 die Regierung Papen publizistisch und wurde im Herbst 1932 erstmals als Verfasser von Reden für Papen herangezogen. Diese Tätigkeit wurde durch den Sturz Papens unterbrochen. Auf Bitten der Mitarbeiter des Vizekanzlers nach Hitlers Machtergreifung nahm er seine Tätigkeit als Berater und Redenschreiber wieder auf. Fast alle Reden Papens im Frühjahr und Sommer 1933 hat J. verfaßt. Er selbst äußerte sich in einem kleinen Buch „Sinndeutung der deutschen Revolution“ (1933) zum Nationalsozialismus, in dem er einen neuen, christlichen, übernationalen und europäischen sowie ständischen, moralisch hochwertigen Konservativismus kritisch neben den Massencharakter und die Monopoltendenz sowie den Nationalismus und Rassismus der Hitlerbewegung stellte. Seine zunehmend|kritische Haltung zum nationalsozialistischen Regime konkretisierte J. in der Sammlung persönlicher politischer Freunde überall in Deutschland zu einem konservativen Widerstandskreis, in Plänen für eine Wiederbelebung der Monarchie als Gegengewicht gegen die totale Machtübernahme Hitlers – J. dachte vor allem an die Habsburger, nicht an die Hohenzollern – und in der Vorbereitung einer politischen Aktion gegen Hitler, die von den jungkonservativen Beratern Papens ausging (v. Tschirschky, v. Bose, v. Savigny und Gf. Kageneck). Angesichts des hohen Alters Hindenburgs legte J. in der Rede, die Papen vor dem Marburger Universitätsbund am 17.6.1934 hielt, die konservative Kritik am Nationalsozialismus dar, die die Nachfolgediskussion in Bewegung bringen sollte. Der ungeheuere Widerhall der Rede führte zu J.s Verhaftung am 23. 6. Indiskretionen der Beteiligten, das Zögern Papens, sich an Hindenburg zu wenden, und die rasche Einbeziehung der Mitarbeiter Papens in die Verhaftungs- und Tötungsaktion der SS anläßlich des vorgeblichen Röhm-Putsches am 30.6.1934 verhinderte die Ausführung der Pläne der Papenberater. J. wurde als das intellektuelle Haupt der Gruppe erschossen.

  • Werke

    Weitere W u. a. Die dt. Staatskrise als Ausdruck d. abendländ. Kulturkrise, in: Dtld.s Weg in d. Zeitenwende, hrsg. v. K. Haushofer u. K. Trampler, 1931;
    Förderalismus aus Weltanschauung, 1932. -
    Hrsg.: Deutsche üb. Dtld., Eine Aussprache, 1931. -
    Mitarbeiter: F. v. Papen, Appell an d. dt. Gewissen, Reden z. nat. Rev., 1933, NF 1933.

  • Literatur

    F. v. Papen, Der Wahrheit e. Gasse, 1953;
    L. Ziegler, E. J. J., 1954;
    F. Graß, in: Pfälzer Lb. I, 1964 (W, L, P);
    K.-M. Graß, E. J., Papen-Kreis u. Röhmkrise 1933/34, Diss. Heidelberg 1967;
    B. Jenschke, Zur Kritik d. konservativ-rev. Ideol. in d. Weimarer Republik, Weltanschauung u. Pol. b. E. J. J., 1971;
    F.-G. v. Tschirschky, Erinnerungen e. Hochverräters, 1972.

  • Autor/in

    Karl-Martin Graß
  • Zitierweise

    Graß, Karl-Martin, "Jung, Edgar Julius" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 669-671 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118714112.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA