Ziegler, Karl

Dates of Life
1898 – 1973
Place of birth
Helsa bei Kassel
Place of death
Mülheim/Ruhr
Occupation
Chemiker ; Kunstsammler ; Erfinder ; Wissenschaftsorganisator ; Hochschullehrer
Religious Denomination
keine Angabe
Authority Data
GND: 119179105 | OGND | VIAF: 38206295
Alternate Names

  • Ziegler, Karl Waldemar
  • Ziegler, Karl
  • Ziegler, Karl Waldemar
  • Ziegler, K.
  • Ziegler, Carl
  • Ziegler, Carl Waldemar

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Citation

Ziegler, Karl, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119179105.html [19.12.2025].

CC0

  • Ziegler, Karl Waldemar

    | Chemiker, Erfinder, Wissenschaftsorganisator, * 26.11.1898 Helsa bei Kassel, † 11.8.1973 Mülheim/Ruhr, ⚰ Mülheim/Ruhr, Hauptfriedhof. (evangelisch)

  • Genealogy

    V Karl August (1858–1933), aus Dankerode, um 1891 ev. Pfarrer in Helsa b. Kassel, 1910 in Marburg, S d. Heinrich (1835 – n. 1891), u. d. Wilhelmine Mathilde Schaub (1836–1891);
    M Helene Luise (1862–1934), aus Kassel, T d. Carl Ernst Rall (1835 – v. 1902), Kanzleirat in K., u. d. Auguste Sophie Antoinette Keydel (* 1840);
    1 B Carl Otto (1894–1927), ev. Pfarrer in Walburg (Hessen), 2 Schw Wilhelmine Charlotte Hedwig (1890–1951), Luise Klara Auguste (1892–1947);
    Marburg 1922 Maria (1899–1980), Lehrerin, T d. Karl Heinrich Kurtz (1872–1943, ref.), Lehrer in Marburg, u. d. Emma Ehlich (1877–1946, luth.);
    1 S Erhard (* 1927), Physiker, Stifter, 1 T Marianne (1923–2012, August Witte, 1923–2008, Dr. med., Kinderarzt, Chefarzt am Marienhospital Gelsenkirchen, s. Mschr. Kinderheilkde. 156, 2008, S. 1023–30), Dr. med., Ärztin, Stifterin, Ehrenbürgerin v. Halle/Saale.

  • Biography

    Z. besuchte das Gymnasium in Kassel und seit 1910 in Marburg, wo er 1915 das Abitur ablegte und ein Chemiestudium aufnahm, bevor er 1918 Kriegsdienst leistete. 1920 beendete er an der Univ. Marburg sein Studium bei Karl v. Auwers (1863–1939) mit der Promotion zum Dr. phil. und habilitierte sich hier 1923 für Chemie. Obwohl seine Arbeiten innovativ waren, – er wandte bei seinen organisch-chemischen Arbeiten erfolgreich Methoden der physikalischen Chemie an, bestimmte Kinetiken und ermittelte Dissoziations- und Aktivierungsenergien – blieb Z. bis 1937 ohne unbefristete Festanstellung. 1925 erhielt er einen einjährigen Lehrauftrag an der Univ. Frankfurt/M. und wechselte anschließend als Assistent an die Univ. Heidelberg zu Karl Freudenberg (1886–1983). Die Machtübernahme der NSDAP verlangsamte Z.s Karriere. Weil er weder Mitglied der NSDAP noch des NS-Dozentenbunds war, paßt eine in seiner Hallenser Personalakte nachträglich vermerkte Mitgliedschaft „FMSS“ (Förderndes Mitgl. d. SS) nicht zu seiner politischen Einstellung; Anlaß und Zeitpunkt des Eintrags wurden bisher nicht ermittelt.

    Nach einer Gastprofessur 1936 in Chicago erhielt Z. im selben Jahr eine kommissarische Professur am eher unbedeutenden Chemischen Institut der Univ. Halle/Saale (seit Febr. 1938 o. Prof.), weil NS-Funktionäre seine Abwanderung ins Ausland als Verlust ansahen. Auf Wunsch von Albert Vögler (1877–1945), Präsident der KWG und Aufsichtsrats|vorsitzender der „Vereinigte Stahlwerke AG“, wurde Z. 1943 als Nachfolger von Franz Fischer (1877–1947) an das KWI für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr berufen, obwohl er weder über Synthesen mit Kohlenmonoxid (Fischer-Tropsch-Synthese) gearbeitet hatte noch seine wissenschaftlichen Themen als besonders anwendungsbezogen galten; das Wissenschaftsministerium wünschte aber, seinen systemkritischen Einfluß auf Studenten zu reduzieren. Da Z. lieber seine Universitätslaufbahn weiterverfolgen und eine eigene Schule aufbauen wollte, – er war ein Kandidat für einen der renommierten Lehrstühle in Berlin, München oder Göttingen – wurde 1943 sein Hallenser Institut zur Außenstelle und er nur zum kommissarischen Direktor des Mülheimer Instituts ernannt. Z. vereinbarte das gesamte Gebiet der Kohlenstoffchemie als sein zukünftiges Arbeitsgebiet.

    In Mülheim beschäftigte sich Z. erneut mit der seit 1936 nicht weiter verfolgten Frage der Destillierbarkeit von Lithiumalkylen. Außerdem wurden Arbeiten über die Herstellung phosphorfreier Brandmunition in die besser ausgestatteten Mülheimer Werkstätten verlegt, erreichten jedoch bis Kriegsende keine militärische Bedeutung. Z. forschte auch im Auftrag des Heereswaffenamts, des Reichsamts für Wirtschaftsausbau und der Forschungsführung des Reichsluftfahrtministeriums, u. a. um daran beteiligte Mitarbeiter vom Kriegsdienst freistellen zu lassen. Z. hielt sich in Halle/Saale auf, als US-Truppen 1945 die Stadt besetzten. Als diese im Sommer die Stadt räumten und Wissenschaftler in der „Aktion Abderhalden“ evakuierten, war er schon im Westen. Eine beabsichtigte Rückkehr an sein Hallenser Institut gelang dem an Lehre Interessierten ebenso wenig wie ein Wechsel an eine westdt. Universität (1948 Hon.prof. d. RWTH Aachen).

    Z.s besonderes Interesse galt den alkaliorganischen Verbindungen und den (Kohlenstoff-) Radikalen, jenen allgemein hochreaktiven Gruppen, die wie Elementatome als Ganzes reagieren können. In den 1930er Jahren begann er mit Untersuchungen „über vielgliedrige Ringsysteme“ (Ruggli-Z.sches Verdünnungsprinzip). Seine Forschungen führten ihn in einer Kausalkette von den freien Radikalen zu alkalimetallorganischen Verbindungen, zu aluminiumorganischen Verbindungen und schließlich zu metallorganischen Mischkatalysatoren. Ausgangspunkt für die Entwicklung der sog. Z.-Chemie waren Studien über Reaktionen metallorganischer Verbindungen mit Ethylen. Die Arbeiten im Mülheimer Institut erschütterten das Dogma, daß sehr hoher Druck zur Polymerisation von Ethylen unerläßlich sei. 1949 fanden Z. und Hans-Georg Gellert (1913 – n. 1980) die „Aufbaureaktion“, die sich vielfach wiederholende Insertion von Ethyl an Aluminiumalkylen, eine Basis zur Gewinnung biologisch abbaubarer Waschmittel. Erste Optionen bzw. Lizenzen auf das Verfahren erfolgten 1952 und ermöglichten eine eigenständige Finanzierung des Instituts. Aus von Z. initiierten Untersuchungen von Erhard Holzkamp, Heinz Breil (1928–2020) und Heinz Martin (1923–2017) entwickelten die Forscher 1953 mit Hilfe metallorganischer Mischkatalysatoren aus Aluminiumalkylen und Übergangsmetall-(z. B. Titan-)Verbindungen das Mülheimer Normaldruckverfahren zur Gewinnung von Polyethylen (DBP 973626), die Grundlagen für die Massenfertigung von Kunststoffen. Die Anwendung dieser Katalysatoren zur Polymerisation von Propylen zu kristallinem Polypropylen gelang 1954 als ersten Martin und dem Berater des Montecatini-Unternehmens, Giulio Natta, der von Z.s Versuchen erfahren hatte. Z. und Natta, dem die Strukturaufklärung der Polymere zu verdanken ist, erhielten für ihre Forschungen 1963 den Nobelpreis für Chemie. Von Z.s 150 Promovenden ist Günther O. Schenck (1913–2003) der wichtigste.

    Die Lizenzierung der neuen Verfahren war ein außerordentlicher Erfolg für Z., seine Miterfinder und das MPI für Kohlenforschung, das als selbständige Stiftung über eine eigene Patentverwertungsgesellschaft verfügte, die bis zum Auslaufen der letzten Schutzrechte 1994 Patentschutzprozesse führte. Unter Z.s Direktorat entwickelte sich das Institut für Kohlenforschung zu einem der personell größten innerhalb der MPG (1969: 350 Mitarb. zzgl. 200 b. d. selbst. Abt. Strahlenchemie) und zum einzigen, das sich über mehrere Jahrzehnte vollständig aus eigenen Patent- und Lizenzeinnahmen finanzierte. Um 1956 förderte Z. durch eine einmalige Spende die Strahlenchemie, für die es in den USA und der UdSSR bereits mehrere Spezialinstitute gab; zum 1.4.1958 wurde am Kohlenforschungsinstitut eine selbständige Abteilung Strahlenchemie eingerichtet (seit 1981 MPI f. Strahlenchemie, heute MPI f. Chem. Energiekonversion), deren erster Direktor Schenck wurde, ein Pionier der modernen organischen Photochemie und Photobiologie. Z. erreichte dank seiner Forschungen, seines Gemeinsinns und seines Verhandlungsgeschicks 1968 die Errichtung des mit 40 Mio. DM dotierten Z.-Fonds zur langfristigen Finanzierung des Kohlenforschungsinstituts und 1970 der Z.|Stiftung zur Förderung spezieller Aufgaben des Instituts, z. B. Gastvorträge, Apparaturen etc., aus ihm zustehenden Patenteinnahmen.

    Z. machte das MPI für Kohlenforschung und Mülheim weltweit bekannt; seit 2008 ist es eine der „Historischen Stätten der Chemie“.

    Neben seinem Interesse an Musik und Bergsteigen sammelte er Kunst des 20. Jh.; er und seine Frau schenkten dem Städtischen Museum Mülheim einen Teil ihrer Sammlung der Malerei aus dem 20. Jh.

    Nach dem Krieg bemühte sich Z. um die Reorganisation einer wissenschaftlichen Gesellschaft für Chemiker: Das Nebeneinander der Dt. Chemischen Gesellschaft und des Vereins dt. Chemiker, beide NS-verstrickt, schien überholt, so daß im Sept. 1946 die offizielle Gründung nur einer „Gesellschaft Deutscher Chemiker in der britischen Zone ” erfolgte, zu deren Vorsitzenden der politisch unbelastete Z. gewählt wurde. Nach der Gründung der Bundesrepublik war die Vereinigung der diversen Länderorganisationen zur Gesellschaft Dt. Chemiker möglich, der Z. bis 1951 vorstand. In den folgenden Jahren nahm er den Vorsitz bei der Dt. Gesellschaft für Mineralölwissenschaft und Kohlechemie (1954–57) sowie der Chemisch-Physikalisch-Technischen Sektion der MPG (1955–57) wahr und war Gründungspräsident der Rhein.-Westfäl. Akademie der Wissenschaften (1970/71) in Düsseldorf.

  • Awards

    |Liebig-Denkmünze d. Ver. Dt. Chemiker (1935);
    Mitgl. d. Leopoldina (1938);
    Kriegsverdienstkreuz 2. Kl. (1940);
    korr. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1944) u. d. Ak. d. Wiss. z. Göttingen (1951);
    Dr. rer. nat. E. h. (TH Hannover 1951, TH Darmstadt 1968);
    Carl-Duisberg-Plakette d. Ges. Dt. Chemiker (1953);
    Lavoisier-Medaille d. Soc. Chimique de France (1955);
    Carl-Engler-Medaille d. dt. Ges. f. Mineralölwirtsch. u. Kohlechemie (1958);
    Dr. rer. nat. h. c. (Heidelberg, Gießen 1958);
    Siemens-Ring d. Werner v. Siemens-Stiftung (1961);
    Swinburne Medal of the Plastic Inst., London (1964);
    BVK mit Stern u. Schulterband (1964);
    Orden Pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1969);
    Carl-Dietrich-Harries-Plakette d. Dt. Kautschukges. (1971);
    Wilhelm-Exner-Medaille d. Österr. Gewerbevereins (1971);
    – K.-Z.-Preis u. K.-Z.-Förderpreis (beide seit 1998) d. K.-Z.-Stiftung b. d. Ges. Dt. Chemiker (seit 1993).

  • Works

    Weitere W ca. 200 Patente u. 200 Publl.;
    Unterss. über Semibenzole u. verwandte Verbindungen, 1922 (Diss.);
    Zur Kenntnis d. dreiwertigen Kohlenstoffs, in: Liebigs Ann. d. Chemie 434, 1923, S. 34–78 (Habil.schr.);
    Das Mülheimer Normaldruck-Polyäthylen-Verfahren, in: Angew. Chemie 67, 1955, S. 541–47 (mit E. Holzkamp, H. Breil u. H. Martin).

  • Literature

    |G. Wilke, in: Liebigs Ann. d. Chemie 1975, S. 804–833 (W-Verz.);
    G. O. Schenck, in: Jb. d. Royal Soc. of Edinburgh, 1975;
    H. Martin, Polymere u. Patente, K. Z., d. Team, 1953–1998, z. wirtsch. Verwertung akad. Forsch., 2002;
    M. Rasch, K. Z., Chemie-Nobelpreisträger, Inst.dir. u. Wiss., in: H. A. Wessel (Hg.), Mülheimer Untern. u. Pioniere im 19. u. 20. Jh., 2012, S. 328–37;
    ders., K. Z. u. d. Niederdruck-Polyethylen, Rahmenbedingungen e. ungewöhnl. Erfolgsgesch., in: Ferrum, Nachrr. aus d. Eisenbibl. 89, 2017, S. 66–79;
    ders., K. Z., e. Chemiker im „Dritten Reich“, in: L. Budrass, S. Große-Wilde u. T. Meyer (Hg.), Hist. Produktionslogiken techn. Wissens. Helmut Maier z. 65. Geb.tag, 2023, S. 241–68;
    M. W. Haenel, K. Z., Mülheim an d. Ruhr, 8. Mai 2008, 2009;
    ders., K. Z. als Dir. d. Inst. 1943–1969, in: MPI f. Kohlenforsch. (Hg.), Katalyse auf d. Kahlenberg, 100 J. MPI f. Kohlenforsch., 2015, S. 49–103;
    M. Kuhlemann, Exkurs in d. Welt d. Kunst, Stiftung Slg. Z. im Kunstmus. Mülheim an d. Ruhr, ebd., S. 104–13;
    Complete DSB;
    Pogg. VI u. VII a;
    Forscher u. Erfinder;
    Drüll, Heidelberger Gel.lex. I;
    Qu Archive d. MPI f. Kohlenforsch., Mülheim/Ruhr u. d. Univ. Halle-Wittenberg.

  • Portraits

    |Ölgem. v. P. M. Padua, 1970 u. Büste v. H. Kühn, 1964 (beides MPI f. Kohlenforsch., Mülheim/Ruhr);
    Büste im Profil v. W. Spermann, 1974, Medaille d. K.-Z.-Preis.

  • Author

    Manfred Rasch
  • Citation

    Rasch, Manfred, "Ziegler, Karl Waldemar" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 677-679 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119179105.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA