Lebensdaten
um 1035 – 1102
Sterbeort
Paphos (Zypern)
Beruf/Funktion
Herzog von Bayern/bis 1101
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 129754129 | OGND | VIAF: 33085650
Namensvarianten
  • Welf IV. von Bayern
  • Welf I.
  • Welf IV.
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Welf IV., Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd129754129.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Väterlicherseits aus d. Adelsfam. d. Otbertiner, mütterlicherseits aus d. Adelsfam. d. Welfen (s. NDB 27);
    V Albert(o) Azzo II. (997–1097), Mgf. v. Este (s. NDB VIII* u. X*; DBI), S d. Albert(o) Azzo I. (um 970–v. 1018?), Mgf. v. Este (s. DBI);
    M Kuniza (Kunigunde) ( v. 1055), T d. Welf II., Gf. v. Altdorf (Weingarten) (s. NDB 27, Fam.art.), u. d. Imiza;
    Om Welf III., 1047–55 Hzg. v. Kärnten;
    Halb-B Fulco I., Mgf. v. Este ( n. 1110), Hugo, Gf. v. Maine ( 1097, Eria, T d. Robert Guiscard, Hzg. v. Apulien, 1085);
    1) v. 1070 Ethilinde ( 2] Hermann I., Gf. v. Kalvelage-Ravensberg, 1082), v. W. 1070 (?) verstoßen, T d. Otto I., Gf. v. Northeim, Hzg. v. Bayern (um 1020–83, s. NDB 19), 2) 1071 Judith (1027/28?–1094, s. NDB X), T d. Balduin IV., Gf. v. Flandern ( 1035, s. NDB VIII*), u. d. Adelheid v. Frankr. ( 1079, 1] Tostig, Earl v. Northumbrien, 1066);
    2 S aus 2) Welf V. (als Hzg. v. Bayern Welf II.) (1072–1120, s. LexMA, 1] 1089–95 Mathilde, Mgfn. v. Tuszien, um 1046–1115, s. NDB 16; DBI), Heinrich IX. (d. Schwarze), Hzg. v. Bayern (1074–|1126, s. NDB VIII, 1] Wulfhild v. Sachsen, 1126).

  • Biographie

    Der söhnelose Tod Hzg. Welfs III. und dessen testamentarische Übertragung seines gesamten Besitzes an das Kloster Altdorf/ Weingarten stellten 1055 / 56 eine schwere Hypothek für den Fortbestand von Herrschaft und Dynastie der süddt. Welfen dar. Gegen die Rechtsgültigkeit des Testamentes ihres Sohnes W. klagte Imiza erfolgreich vor Ks. Heinrich III. (reg. 1039–56), der ihren aus Italien herbeigerufenen Enkel W. in die welf. Güter in Schwaben und Bayern einwies und ihn damit als Erben und (künftigen) Garanten der dynastischen Kontinuität der Welfen legitimierte.

    Drei Faktoren bestimmten W.s raschen Aufstieg zum bayer. Herzog und in den Kreis der Reichsfürsten: sein politischer Ehrgeiz, seine Königsnähe und seine engen Beziehungen zum schwäb. Hzg. Rudolf von Rheinfelden (um 1025–1080). Aus dem Sturz seines Schwiegervaters und bayer. Hzg. Otto von Northeim (reg. 1061–70) durch kgl. Intrige schlug W. für sich erhebliches Kapital. Er versagte ihm nicht nur jegliche Unterstützung, sondern verstieß auch Ottos Tochter, seine Gattin Ethilinde. Kg. Heinrich IV. (1056–1106) belohnte W.s Loyalität mit der Erhebung zum bayer. Herzog Ende 1070 – auf Fürsprache Rudolfs von Rheinfelden. Das sal. Königtum blieb bis 1075 – trotz mancher Divergenzen (1072 u. 1074) – der wichtigste Garant von W.s hzgl. Stellung in Bayern wie im Reich und schützte ihn vor Restitutionsansprüchen Ottos von Northeim. W. stellte sich als Intervenient in herrscherlichen Urkunden, enger Berater sowie Heerführer und Vermittler im Sachsenkrieg (1073–75) in den Dienst der kgl. Politik.

    Auf Reichsebene agierte W. seit 1071 / 72 immer häufiger gemeinsam mit Rudolf von Rheinfelden. Er vermittelte offenbar auch erste Kontakte zu Papst Gregor VII. (reg. 1073–85), der W. und andere Fürsten im Jan. 1075 brieflich ermahnte, gegen Simonie und Priesterehe im Reich vorzugehen. Seit Juli/ Aug. 1075 zerstritten sich W. und Rudolf mit Heinrich IV. über zentrale Fragen (wie die Beilegung des Konflikts mit den Sachsen, die vom König zunehmend verwehrte Teilhabe der Fürsten an der Herrschaft im Reich und die Erfüllung der päpstl. Monita) und brachen Ende März 1076 endgültig mit dem inzwischen exkommunizierten und seines kgl. Amtes enthobenen Salier.

    Als nunmehr eines der Häupter der antisal. Fürstenopposition im Reich wirkte W. maßgeblich an den Entscheidungen (u. a. Ultimatum zur Lösung Heinrichs vom Bann binnen Jahr u. Tag) auf dem ersten königslosen Hoftag in Tribur (Okt. 1076) und an der Wahl Rudolfs von Rheinfelden zum neuen König (März 1077) in Forchheim mit. Heinrich IV. ließ W. und andere Fürsten dafür in Ulm (Juni 1077) als Hochverräter zum Tod nach schwäb. Recht verurteilen und entzog ihnen alle Ämter und Güter. Bayern unterstellte er als kgl. Provinz bis 1096 seiner direkten Kontrolle.

    Dagegen und zur Beilegung des jahrelangen Thronstreits setzte W. seit 1077 / 78 alle verfügbaren politischen, militärischen und diplomatischen Mittel ein. Der Schwerpunkt seiner Aktivitäten lag v. a. im schwäb.-fränk. Raum und in Italien, während ihm der Zugang nach Bayern bis 1086 / 88 versperrt blieb. Die zeitweilig massiv verfolgten oppositionellen Reformkreise in Schwaben unterstützte W. militärisch (Jan. 1093: Einnahme Augsburgs u. Einsetzung eines gregorian. Bischofs), politisch (Nov. 1093: Erlaß eines beschworenen Landfriedens für Schwaben zusammen mit Adel und Klerus) und durch die Förderung der Kirchenreform (April 1086 u. 1094: Reformsynoden in Konstanz; Schutz der Klöster Reichenau, Ottobeuren u. Zwiefalten).

    W. besaß entscheidenden Anteil an der Besetzung wichtiger weltlicher und geistlicher Ämter mit erklärten Gegnern Heinrichs IV., so bei der Erhebung Bertholds von Rheinfelden (März 1079) und Bertholds II. von Zähringen (Mai 1092) zum Herzog von Schwaben sowie der Wahl Gebhards von Zähringen zum Bischof von Konstanz (Dez. 1084).

    Seit der Erhebung Papst Urbans II. (März 1088), der ihm und anderen „fideles s. Petri“ seine Wahl anzeigte, rückte Italien wieder stärker in W.s Fokus. Mit der 1089 geschlossenen Ehe zwischen seinem Sohn, Welf V., und der Mgfn. Mathilde von Tuszien stellten Urban II. und W. erstmals eine Verbindung zwischen den süddt. und oberital. Gegnern Heinrichs IV. her; bis 1095 / 96 führte W. den Kampf gegen den Salier auf oberital. Boden.

    Bei seinen jahrelangen Bemühungen um eine Beendigung der Zwietracht im Reich verfolgte W. zwei Strategien. Wiederholt (1081: Fürsprache W.s zur Wahl seines Verwandten Hermann v. Salm zum König; 1091: letzter Versuch W.s zur Erhebung eines neuen Königs), aber letztlich erfolglos suchte W. den Thronstreit durch Etablierung eines neuen, antisal. Königtums zu lösen. Daneben setzte er schon seit 1086 / 87 auf ein Verfahren des Ausgleichs und der friedlichen Einigung mit Heinrich IV. Nach zwei gescheiterten Anläu-| fen (1087, 1091) zur Durchführung eines allgemeinen friedensstiftenden „colloquiums“ zwang die politisch und militärisch prekäre Lage in Oberitalien und im Reich Heinrich schließlich zum Ausgleich mit W. Während er W. 1096 als Herzog von Bayern restituierte, sicherte er ihm 1098 die Nachfolge eines seiner Söhne – und damit die dauerhafte Verankerung der bayer. Herzogswürde in der Familie der Welfen – zu.

    Neben seinem ausgeprägt politischen Verantwortungsgefühl für den Bestand des Reichs zeichneten W. schon früh eine tiefe Frömmigkeit und reformreligiöse Grundhaltung aus. 1073 / 74 gründeten er und seine Gattin Judith unweit der welf. Stammburg Peiting das von ihnen reich ausgestattete und vom Papsttum großzügig privilegierte Regularkanonikerstift Rottenbuch, das während des Konflikts zwischen „sacerdotium“ und „regnum“ vielen Reformanhängern und päpstl. Legaten als Zufluchtsstätte diente. Erfüllt von den Ideen der Kreuzzugsbewegung, nahm W. gegen Ende seines Lebens das Kreuz und zog im Frühjahr 1101 ins Hl. Land. Auf der Rückreise von Jerusalem starb er in Paphos auf Zypern; von dort wurden seine sterblichen Überreste in das welf. Hauskloster Weingarten überführt.

  • Quellen

    |U. Parlow, Die Zähringer, Komm. Qu.dok. zu e. südwestdt. Hzg.geschl. d. hohen MA, 1999 (Reg.); Qu. z. Gesch. d. Welfen u. d. Chron. Burchards v. Ursberg, hg. u. übers. v. M. Becher, 2007.

  • Literatur

    |ADB 41;
    W. Störmer, Die süddt. Welfen unter bes. Berücksichtigung ihrer Herrschaftspol. im bayer.-schwäb. Grenzraum, in: Die Welfen, Landesgeschichtl. Aspekte ihrer Herrschaft, hg. v. K.-L. Ay, L. Maier u. J. Jahn, 1998, S. 57–96, bes. S. 76–84;
    Th. Zotz, Ottonen-, Salier- u. frühe Stauferzeit (911–1167), in: Hdb. d. baden-württ. Gesch., Bd. 1,1, hg. v. M. Schaab u. H. Schwarzmaier, 2001, S. 380–528, bes. S. 425–28 u. 430–33;
    Welf IV., Schlüsselfigur e. Wendezeit, Regionale u. europ. Perspektiven, hg. v. D. R. Bauer u. M. Becher, 2004;
    M. Becher, Erbe v. Kaisers Gnaden, Welf IV. u. d. süddt. Erbe der Welfen, in: ZWLG 66, 2007, S. 17–35;
    W. Hechberger, Hzg. u. Hzgt., Die Welfen in Bayern, in: Die Geb. Österr., 850 J. Privilegium minus, hg. v. P. Schmid u. H. Wanderwitz, 2007, S. 77–101, bes. S. 83–86;
    B. Schneidmüller, Die Welfen, Herrschaft u. Erinnerung (819–1252), ²2014, bes. S. 127–49;
    H. Vollrath, Das Reich d. Salier, Lebenswelten u. gestaltende Kräfte 1024–1125 (in Vorbereitung);
    LexMA.

  • Porträts

    |Medaillon im Stammbaum d. Welfen, Buchmalerei, 1185 / 91, Abb. in: J. Luckhardt u. F. Niehoff (Hg.), Heinrich d. Löwe u. seine Zeit, Herrschaft u. Repräsentation d. Welfen 1125–1235, Bd. 1, 1995, B 3, S. 64 u. 68;
    Stifterbild im Chartular d. Klosters Weingarten, Buchmalerei, 2. H. d. 13. Jh., Abb. in: D. R. Bauer u. M. Becher (s. L), Buchcover;
    W. u. Judith auf d. Propsteitafel d. Stifts Rottenbuch, 1585 angelegt, Abb. in: N. Kruppa, Illuminierte Herrscher, Bildl. Erinnerungen an d. frühen Welfen in ihren süddt. Klöstern, in: Niedersächs. Jb. f. Landesgesch. 80, 2008, S. 241–82 u. 269–71, Abb. 10;
    Darst. W.s im Stifterbüchlein 3, um 1500, u. Stifterbüchlein 1, um 1600, d. Klosters Weingarten, Abb. ebd., S. 259, Abb. 3 u. S. 260, Abb. 4: beide nach e. verlorenen Vorlage um 1400, beide Bilder dienten C. D. Asam vor 1739 als Vorlage f. sein Fresko v. W. u. Judith in d. Klosterkirche v. Weingarten, Abb. ebd., S. 257 f., Abb. 2;
    1. Bild in d. 4. Bildreihe d. sog. Welfengeneal., in d. spätgot. Vorhalle d. ehem. Stifts- u. heutigen Pfarrkirche St. Johannes d. Täufer, Steingaden, v. 1580–1606, Abb. ebd., S. 252, Abb. 1 u. 254 f.

  • Autor/in

    Hubertus Seibert
  • Zitierweise

    Seibert, Hubertus, "Welf IV." in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 727-729 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd129754129.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Welf I. (in der Familienreihe IV.), Herzog von Baiern 1070—1077 um Mai und wieder etwa seit Frühjahr 1096 bis zu seinem Tode, 8. Nov. 1101, von mütterlicher Seite ein Welse, von väterlicher aus dem italienischen Hause Este, das nach einer nicht sehr wahrscheinlichen Hypothese ebenfalls aus welfischem Stamm erwachsen sein soll. Das uralte schwäbische Haus der Welsen hatte seine Stammgüter in dem Lande nördlich vom Bodensee, in und um Altdorf, Ravensburg, Weingarten, daneben aber seit alter Zeit ausgedehnten Besitz im bairischen Augstgau (am rechten Lechufer), wo auch das Grafenamt in ihren Händen lag, im oberen Ammerthal, im Innthal, Norithal, Vinstgau. Ein Graf oder Herzog Welf, von dessen Töchtern Judith 819 Kaiser Ludwig dem Frommen, Hemma 827 Kaiser Ludwig dem Deutschen die Hand reichte, wird geradezu als Baier bezeichnet. An den Namen der Familie knüpft die auch anderwärts wiederkehrende Sage von elf Knäblein, welche die Mutter ertränken lassen will, die damit beauftragte Alte dem Vater als junge Wölflein ausgibt. Andere Sagen zeugen von dem trotzigen Selbstgefühl und der sicher in die graueste Vorzeit hinaufreichenden Macht und Bedeutung des Hauses. So soll Eticho mit zwölf Gefährten sich in die Wildniß des Scharnitzer Waldes zurückgezogen haben aus Kummer darüber, daß sein Sohn Heinrich sich vom Kaiser|mit 4000 Hufen Land belehnen ließ. Ziemlich sicher ist, daß erst Wels IV. mit der Tradition seiner Familie brach, als er sich (in Deutschland) zur Uebernahme kirchlicher, d. h. bischöflicher Lehen entschloß. Der erwähnte Heinrich führt wegen einer bekannten Sage den Beinamen: mit dem goldenen Wagen. Er stiftete Kloster Altdorf, sein Sohn Konrad ward Bischof von Konstanz ( 976) und heilig gesprochen. Kaiser Konrad II. entzog Welf II. 1027 die Grafschaft im Innthale, Heinrich III. aber übertrug demselben auf Bitten seiner Muhme Richlinde, der Wittwe des Grafen Adalbero von Ebersberg, nach dem Aussterben dieses Grafenhauses einen Theil von dessen Reichslehen. Wels III. erlangte 1047 das Herzogthum Kärnten, in dem er sich jedoch nicht behaupten konnte. Er starb kinderlos 1055 und nun berief seine Mutter Irmengard ihren Enkel Welf IV. (den vierten der historisch gesicherten gleichnamigen Glieder des deutschen Zweiges), einen Sohn ihrer Tochter Kunigunde und des Markgrafen Azzo II. von Este, als Erben der schwäbischen und bairischen Hausgüter nach Deutschland, wiewol das Kloster Weingarten nach einem angeblichen Vermächtnisse Welf's III. die Erbschaft beanspruchte.

    Welf IV., der so zum zweiten Stifter des welfischen Hauses in Deutschland ward, war in zweiter Ehe (seine erste Gemahlin ist nicht bekannt) mit Ethelinde, Tochter des Baiernherzogs Otto von Nordheim, vermählt. Nach dem Sturze seines Schwiegervaters brach er allmählich mit diesem, wahrscheinlich weil in ihm der ehrgeizige Plan erwachte selbst Herzog von Baiern zu werden. In diesem Streben fand er wirksame Unterstützung bei Herzog Rudolf von Schwaben und um sein Ziel zu erreichen, scheute er keinen Aufwand, ja er scheute sich nicht seine Gemahlin ihrem Vater zurückzusenden und sich gegen König Heinrich IV. eidlich zu verpflichten, daß er sie nie wieder zu sich nehmen werde. Er heirathete dann Judith, die Tochter des Grafen Balduin V. von Flandern, Wittwe des Earls Tostig von Northumberland, und ward zu Weihnachten 1070 zu Goslar von Heinrich IV. mit dem bairischen Herzogthume belehnt. Daß der König die bairischen Großen darüber nicht zu Rathe gezogen hatte — er hatte sich gerüstet etwaigen Widerstand im Keime zu ersticken —, blieb nicht ohne Wirkung auf die Machtstellung des neuen Herzogs, der in Baiern keine festen Wurzeln schlagen konnte. Daran hatten freilich auch die stürmischen Bewegungen dieser Zeit ihren Antheil. Als ganz Sachsen im Verein mit den Herzogen Rudolf von Schwaben und Berthold von Kärnten dem Könige feindlich gegenübertrat, gesellte sich auch Welf den Unzufriedenen bei und bewies gegen den König nun denselben Undank, den vordem sein Schwiegervater erfahren hatte. Daß Heinrich das Osterfest 1073 in Regensburg feierte, deutet auf Wiederherstellung seines guten Verhältnisses zum Herzoge, nachdem aber die Sachsen und die Herzoge Rudolf und Berthold dem Könige offen den Gehorsam gekündigt hatten, stand W., wenn auch, wie es scheint, mit vorsichtigerer Zurückhaltung auf ihrer Seite, verweigerte jedenfalls dem Könige seine Unterstützung gegen die Aufständischen. Der mit den Sachsen zu Gerstungen (2. Febr. 1074) abgeschlossene Frieden legte dem Könige die Wiedereinsetzung Otto's von Nordheim in Baiern auf, doch die Durchführung scheiterte an dem Widerstand der drei oberdeutschen Herzoge. Und da nun sein Herzogthum auf dem Spiele stand, führte W. seine Baiern dem Heere zu, das der König zu Breitenbach an der Fulda gegen die Sachsen sammelte. In der Schlacht bei Homburg (1075) brachte er durch rechtzeitiges Eingreifen mit seinen Baiern die durch den Anprall der Sachsen erschütterte schwäbische Schlachtreihe wieder zum Stehen und hatte großen Antheil an dem theuer erkauften Siege.

    In dem großen Streit des Königs mit Papst Gregor VII. fand die päpstliche Sache in W. einen ihrer eifrigsten Vorkämpfer. Politische und egoistische|Interessen, die enge Verbindung seines Vaters mit Gregor und seine eigene Bundesgenossenschaft mit Rudolf von Schwaben wiesen ihn auf diese Seite. Schon vor der Kaiserin Agnes hatte er sich einst Gregor VII. zur Treue verpflichtet, wofür ihm nach dem Tode seines Vaters die Nachfolge in dessen päpstliche Lehen zugesagt worden war. Als der gebannte Bischof Rupert von Bamberg nach Rom ziehen wollte, um des Papstes Verzeihung zu erlangen, hielt ihn W., dem diese Aussöhnung unwillkommen war, in den Alpen auf, behielt ihn trotz aller Bitten und Geschenke seiner Freunde bis gegen Ende August 1077 in Haft, nahm ihm, während er die kirchlichen Schätze seines Gepäcks seinem Domcapitel zustellen ließ, alles Reisegeld ab, ja versuchte ihm die Abtretung von 1000 Mansen, wol des ganzen bischöflichen Landbesitzes, zu erpressen.

    Nach dem Tage von Canossa nahm W. (Febr. 1077) in Ulm an der Berathung der oberdeutschen Herzoge und mehrerer Bischöfe theil. Die am 15. März 1077 zu Forchheim vollzogene Wahl Rudolf's von Schwaben zum Könige war wahrscheinlich die Frucht dieser Berathung. Als Rudolf dann nach Sachsen zog. übernahmen W. und Berthold den Schutz seines Herzogthums gegen den König. Um den 1. Mai aber erschien dieser, von den Baiern jubelnd begrüßt, in Regensburg, das ihm auch in den Kämpfen der nächsten Jahre den festesten Stützpunkt bot. Es zeigte sich, daß der bairische Adel mit wenigen Ausnahmen nichts von W. wissen wollte, zumal nachdem dieser Ende Mai auf dem Reichstage zu Ulm gleich den beiden andern oberdeutschen Herzogen als Majestätsverbrecher geächtet, entsetzt und seine Reichslehen unter des Königs Anhänger vertheilt worden waren. Das Herzogthum Baiern behielt der König in seiner eigenen Hand, den Grafen Eckbert von Formbach, unter den weltlichen Großen des Landes fast den einzigen Anhänger des Papstes, des Gegenkönigs und Welf's, zwang er durch einen Winterfeldzug zur Flucht nach Ungarn. Im November 1078 mußte W. die Verwüstung seiner schwäbischen Güter durch den von Baiern her einbrechenden König dulden, er selbst unternahm in diesem Winter eine glückliche Kriegsfahrt nach Churrätien. In Ulm ließ er dem jungen Berthold von Zähringen als Nachfolger Rudolf's im Herzogthum Schwaben huldigen. Wenig Schrecken jagte ihm wol der über ihn ausgesprochene Kirchenbann der Brixener Synode (Juni 1080) ein. Als Heinrich IV. Ende März 1084 gegen Rom aufbrach, setzte der Papst seine Hoffnung besonders auf W., dieser aber fand seinen Vortheil mehr darin, die Abwesenheit des Königs zur Verstärkung seines Anhangs in Baiern auszunutzen. Im Sommer 1081 ward besonders auf Welf's Betreiben Graf Hermann von Luxemburg als neuer Gegenkönig aufgestellt. Im Verein mit diesem und mit einem schwäbischen Heere schlug er (11. Aug. 1081) bei Höchstädt a. d. Donau die bairischen Anhänger König Heinrich's, besonders Kuno, den Sohn des gleichnamigen bairischen Pfalzgrafen, und den Herzog Friedrich von Schwaben. In den folgenden Jahren tobte der wilde Bürgerkrieg in Oberdeutschland fort, W. hatte es besonders auf Augsburg abgesehen, das er auch Anfang 1084 in seine Gewalt bekam und mit gründlicher Plünderung heimsuchte. Im August 1084 aber räumte er die Stadt vor dem Kaiser, der ihm mit seinem Heere vierzehn Tage am Lech gegenübergestanden war. 1086 zeigt sich Welf's bairischer Anhang namhaft verstärkt, mit diesem und dem Gegenkönig Hermann brachte er am 11. August dem Kaiser bei Pleichfeld eine empfindliche Niederlage bei. W. selbst und seine Ritter waren in dieser Schlacht von den Pferden gestiegen und hatten zu Fuß aufs tapferste gefochten. Im December überfielen W. und Berthold den Kaiser und zwangen ihn von der Belagerung einer (nicht genannten) bairischen Burg abzustehen. Augsburg, das W. schon 1087 nahe|daran war zu gewinnen, brachte er in der Nacht des 12. April 1088 durch Sturm neuerdings in seine Gewalt, worauf er die Befestigungen der Stadt schleifte und den Bischof Siegfried als Gefangenen mit sich führte.

    Welf's hartnäckiger und mehr und mehr erfolgreicher Widerstand brachte Heinrich IV. endlich auf den Gedanken durch Rückgabe des bairischen Herzogthums an ihn seine Lage zu befestigen. Doch führten die vielleicht schon um Weihnachten 1089 zu Regensburg begonnenen, dann im Februar 1090 zu Speier gepflogenen Unterhandlungen lange zu keinem Erfolg, zumal da die Ehe zwischen Welf's gleichnamigem Sohne und der Gräfin Mathilde von Tuscien die Welfen durch ein neues Band an die päpstliche Partei fesselte. Als der junge Welf dann in seinen lombardischen Kämpfen den kürzeren zog und in Schwaben mehrere Herren der päpstlichen Partei den Rücken wandten, nahm W. die Verhandlungen mit dem Kaiser wieder auf und begab sich im August 1091 an dessen Hoflager nach Verona. Da er jedoch den Gegenpapst Wibert nicht anerkennen, Heinrich diesen nicht fallen lassen wollte, zog er wieder unausgesöhnt von dannen. Als Herr der Alpenpässe war er im Stande, eine Zusammenkunft Heinrich's mit dem Ungarnkönige Koloman zu vereiteln. Ja er betrieb sogar die Wahl eines neuen Gegenkönigs. 1093 brachte er Augsburg, wohin Bischof Siegfried zurückgekehrt war, durch Ueberfall zum dritten Male in seine Gewalt. Er ging wieder über die Alpen, um Heinrich's IV. rebellischem Sohne Konrad, dem neuen italienischen Könige, seine Dienste anzubieten. In die Hand des päpstlichen Legaten, Gebhard's von Konstanz, leistete er den Treueid und vor Ostern 1094 wohnte er der Synode zu Konstanz bei, welche dieser abhielt. Vorher hatte er in Ulm einen Landfrieden beschwören lassen, der besonders den gregorianischen Clerus schirmen sollte, und demselben auch in Baiern Geltung verschafft. Endlich aber trieb das Zerwürfniß des jungen Welf mit seiner Gemahlin — der Vater W. hatte vergebens angestrebt, daß diese seinen Sohn schon jetzt in den Besitz ihrer Güter einsetze — Vater und Sohn zur Annäherung an den Kaiser. Im Sommer 1095 über die Alpen zurückgekehrt, knüpften sie neue Unterhandlungen an, die endlich im folgenden Jahre, nachdem auch der alte Azzo, ein angeblich mehr als hundertjähriger Greis, den kaiserlichen Hof aufgesucht hatte, zur Aussöhnung führten. Die über W. ausgesprochene Acht ward nun aufgehoben und das Herzogthum Baiern ihm zurückgestellt. In seinen letzten Lebensjahren verstärkte W. noch seine Hausmacht durch das Erbe des Grafen Otto von Buchhorn und einen großen Theil der Besitzungen des Grafen Liutold von Achalm. Wegen der italienischen Stammgüter gerieth er in Streit mit seinen Stiefbrüdern Hugo und Fulko. Unterstützt von den Eppensteinern, nahm er diesen anfangs die meisten Güter, die sie occupirt hatten, mit Gewalt wieder ab, später verglich er sich mit Fulko friedlich über eine Theilung. 1101 stellte sich W. trotz seiner hohen Lebensjahre an die Spitze des ersten deutschen Kreuzzuges. Am 1. April erfolgte der Ausbruch. Bekanntlich ist fast das ganze Heer, meist Baiern und Franzosen, den Waffen des Feindes oder Krankheiten erlegen. W. war schon krank auf den Tod, als er nach Jerusalem gelangte, und starb auf der Heimfahrt am 8. November 1101 zu Paphos auf Cypern. Seine Gebeine wurden später nach dem welfischen Familienkloster Altdorf gebracht. Kriegerische Tüchtigkeit, Schlauheit, rücksichtslose Selbstsucht, Habgier und Treulosigkeit sind die Züge, die in seinem mehr lombardischen als deutschen Wesen am deutlichsten hervortreten.

    • Literatur

      Giesebrecht, Gesch. d. deutschen Kaiserzeit III. — Meyer von Knonau, Jahrbücher K. Heinrich's IV., bes. II, 24 flg. und derselbe über die Unzuverlässigkeit in den genealogischen Angaben der Historia Welforum (Forschgn.|z. deutschen Geschichte XIII, 79 flg.). — Chr. Fr. Stälin, Wirtembergische Geschichte I, 556 flg. — Riezler, Geschichte Baierns I, 507 flg.

  • Autor/in

    Riezler.
  • Zitierweise

    Riezler, Sigmund Ritter von, "Welf IV." in: Allgemeine Deutsche Biographie 41 (1896), S. 666-670 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd129754129.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA