Lebensdaten
1784 – 1864
Geburtsort
Pisa
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Erzherzog von Österreich ; Feldzeugmeister ; Generaldirektor der Artillerie ; Chef der Staatskonferenz Kaiser Ferdinands ; General ; Politiker ; Soldat
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 130256811 | OGND | VIAF: 15872349
Namensvarianten
  • Ludwig Joseph Anton
  • Ludwig
  • Ludwig Joseph Anton
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Zitierweise

Ludwig, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd130256811.html [07.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Kaiser Leopold II. ( 1792, s. NDB 14);
    M Maria Luisa Prn. v. Spanien (1745–92);
    B Kaiser Franz II. ( 1835, s. NDB V), Erzhzg. Johann ( 1859), Reichsverweser (s. NDB X); - ledig.

  • Biographie

    Nach dem frühen Tod der Eltern übernahm Kaiser Franz II. die – militärisch ausgerichtete – Erziehung seines jüngeren Bruders. 1801 wurde L. Oberstinhaber des Infanterie-Rgt. Nr. 8, zwei Jahre später Präses einer Grenzorganisations-Kommission, 1804 schließlich Generalgrenzinspektor. Auf mehreren Reisen machte er sich mit den Problemen der k. k. Militärgrenze vertraut und förderte deren Reorganisation. 1805 beteiligte er sich an der Seite seines Bruders Carl am Feldzug in Italien, 1809 hatte er kurze Zeit das Kommando über das 5. Armeekorps inne. Nach dem Frieden von Schönbrunn 1809 wurde das Grenzinspektorat abgeschafft. L. unternahm in den folgenden Jahren ausgedehnte Reisen, so 1816/17 mit seinem Bruder Johann nach England, wo sich beide für die Fortschritte der Technik begeistern ließen. L.s politische Anschauungen unterschieden sich allerdings grundlegend von denen Johanns. Er widersetzte sich auch sehr lange der Heirat Johanns mit der Bürgerlichen Anna Plochl, söhnte sich aber mit ihm aus und wurde Taufpate von dessen einzigem Sohn Franz. 1818 wurde L. zum Feldzeugmeister befördert und mit der Leitung des Generalartillerie-Inspektorats betraut; dieses Amt legte er erst 1849 nieder. Auf Grund seiner konservativen, ja reaktionären Haltung genoß er das uneingeschränkte Vertrauen des Kaisers. Nach dessen Tod 1835 wurde er Vorsitzender der Staatskonferenz, die für den regierungsunfähigen Kaiser Ferdinand I. die Geschäfte führte. Unbeweglich und unentschlossen, war L. nur auf die Bewahrung des von Metternich geprägten politischen Systems bedacht – einer sozialkonservativen Politik im Innern und einer staatskonservativen Legitimitätspolitik nach außen. Angesichts der feudalen Lebensformen in Österreich traten die sozialen Mißstände der frühindustriellen Zeit allmählich stärker als in anderen deutschen Staaten hervor. Das vom politischen Entscheidungsprozeß ausgeschlossene Bürgertum empfand den Druck der Polizei und Zensur zunehmend als unerträglich. Auf dem Höhepunkt einer antifranz. Stimmung im Deutschen Bund schlossen Preußen und Österreich 1840 in Wien ein militärisches Abkommen, konnten jedoch nicht verhindern, daß eine einheitliche politische Bewegung entstand, in der sich liberale und nationalstaatliche Elemente verbanden. In Österreich trat das erwachende Nationalbewußtsein der nichtdeutschen Völker hinzu. Metternich, mit dessen politischem Schicksal L. das seinige verknüpft hatte, entglitten zusehends die Zügel seines einst so festgefügten Systems. Auch in der Außenpolitik geriet Österreich durch seine einseitige Unterstützung reaktionärer Mächte in die Defensive. Konnte es den Londoner Vertrag 1840 zur Befriedung der Levante noch als Erfolg buchen, wurde die Niederwerfung der revolutionären Bewegung in|Krakau und dessen Einverleibung in die österr. Monarchie 1846 bereits als Fanal einer nahenden Revolution empfunden. Eine ähnliche Signalwirkung ging vom schweizer. Sonderbundskrieg 1847 aus, in welchem Österreich Partei für den konservativen, schließlich unterlegenen Sonderbund ergriffen hatte. Als im März 1848 in Wien die Revolution – vor allem getragen von der Akademischen Legion und vom Demokratischen Verein – ausbrach, wich die Regierung kampflos zurück. L. riet Metternich zur Flucht aus Wien und entpflichtete ihn namens des Kaisers seines Amtes. Er selbst zog sich aus allen öffentlichen Ämtern zurück, blieb aber ein bevorzugter Korrespondenzpartner der Erzhzgn. Sophie, Mutter Kaiser Franz Josephs, die in ihm eine verwandte politische Seele fand. Ferdinand wich im Mai nach Innsbruck aus. Erzhzg. Johann ergriff in dieser revolutionären Situation das Staatsruder und berief für den Juli einen konstituierenden Reichstag ein. Die Revolution wurde jedoch nicht durch diesen Schritt beendet; Windischgrätz schlug sie mit Waffengewalt nieder. Als Franz Joseph im Dezember zum Kaiser erhoben wurde, regten sich bereits wieder die restaurativen Kräfte. Für L., der an hervorragender Stelle das Metternichsche System repräsentiert hatte, gab es jedoch keine Rückkehr mehr zur Macht.

  • Literatur

    ADB 19;
    A. Fournier, Gf. Kolowrat u. d. österr. Staatskonferenz v. 1836, in: Hist. Stud. u. Skizzen III, 1912;
    J. Redlich, Das österr. Staats- u. Reichsproblem, 2 Bde., 1920-26;
    F. Walter, Die Gesch. d. österr. Zentralverwaltung 1780-1848, in: Die österr. Zentralverwaltung, Abt. 2, Bd. 1/2, 1956;
    H. v. Srbik, Metternich, 3 Bde., 1925-54;
    C. Conte Corti, Vom Kind zum Kaiser, 1950;
    Wurzbach VI;
    ÖBL.

  • Porträts

    Wien, Bildarchiv d. Nat.bibl.

  • Autor/in

    Marianne Rauchensteiner
  • Zitierweise

    Rauchensteiner, Marianne, "Ludwig" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 405-406 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd130256811.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Ludwig Joseph Anton, Erzherzog von Oesterreich, geb. am 13. December 1784 in Florenz, des Großherzogs Leopold (nachmals römischen Kaisers) 15. Kind, der Söhne 11.), zu Wien am 21. December 1864, erhielt seine vorzugsweis militärische Jugendbildung unter den Augen des älteren Bruders|Kaiser Franz II. (I.). Als Corpscommandant in der Schlacht bei Abensberg „malgré ses talents et sa rare valeur“ von Napoleon geschlagen, wendete sich L. nun mit Eifer der Administration zu und machte im Winter 1816 auf 17 mit seinem Bruder Erzherzog Johann eine Art Studienreise nach Frankreich und Großbritannien, auf welcher seine scharfe, namentlich dem technischen Gebiete gewidmete Beobachtung den Beifall der praktischen Briten erregte und ihm das Ehrenbürgerrecht von Edinburg eintrug. Zurückgekehrt und zum Generalartilleriedirector ernannt, wurde er von Kaiser Franz in die Regierung eingeführt und erwies sich bald als „eigentlicher Geschäftsmann von strenger Rechtlichkeit und großer Arbeitsfähigkeit“, daher ihm der Kaiser sein volles Vertrauen zuwendete, sich oft von ihm vertreten ließ und noch sterbend ihn dem Sohne und Nachfolger als verlässigsten Rathgeber empfahl. Des viel behaupteten, von Erzherzog L. aber bestimmt in Abrede gestellten Versprechens: keine Aenderung des Systems vornehmen zu wollen, hätte es in der That nicht bedurft, da er nicht blos Franzens Gewissenhaftigkeit, Fleiß und Neigung, Alles, selbst das kleinste, selbst entscheiden zu wollen, sondern auch dessen unüberwindliche Abneigung gegen jede Neuerung vollständig theilte. Von Kaiser Ferdinand an die Spitze der (statt des Staatsconferenzrathes der Conferenzminister) neu errichteten, nur aus ihm und den zwei dirigirenden Ministern Metternich und Kolowrat als stimmenden, sowie dem Erzherzog Franz Karl als berathendem Mitglied bestehenden Staatsconferenz gestellt, wurde er der eigentliche Stellvertreter und faktische Mitregent des kränklichen Kaisers. Im Besitze „einer großen Kenntniß des Geschäftsganges und einer genaueren Wissenschaft der Verwaltungsgrundsätze und Regierungstendenzen gelang es ihm zwar meistens, zwischen den genannten sich oft befehdenden Ministern eine nothdürftige Einigkeit zu bewirken, und das System noch geraume Zeit im Gang zu erhalten“, dagegen zauderte er fortwährend, den unvermeidlichen Uebergang nach dem Bedürfniß der Zeit wenigstens durch die lang geplante Berufung vereinigter ständischer Ausschüsse vorzubereiten; es brach darüber das J. 1848 mit seinen Stürmen herein, die das System völlig stürzten und den Erzherzog in das Privatleben zurückdrängten. Nun gab er sich ganz seiner Lieblingsbeschäftigung mit den Naturwissenschaften hin, die er stets und zwar auch auf dem ihm sonst nicht angenehmen Wege des Vereinslebens gefördert hatte und verewigte sein Andenken in der Bevölkerung durch viele Werke der Nächstenliebe. Im Kreise der kaiserlichen Familie war der unverehelicht gebliebene Prinz ebenso heiter, witzig und anregend gesprächig als sonst ernst und zurückhaltend.

    • Literatur

      v. Wurzbach, Biogr. Lex., Bd. VI, S. 447. — A. V. Arnault etc., Biographie nouvelle des contemporains t. 12, p. 132 (Paris 1823). — Ad. Schmidt, Zeitgenössische Geschichten, S. 493—523 u. 686 (Berlin 1859). —
      Anton Springer, Geschichte Oesterreichs seit 1809, Bd. I, S. 447 (Leipzig 1863). —
      Oesterr. Ehrenhalle, II. 1864. — Von Böhmen nach Italien, S. 98 ff. (Prag 1862).

  • Autor/in

    v. Hoffinger.
  • Zitierweise

    Hoffinger, von, "Ludwig" in: Allgemeine Deutsche Biographie 19 (1884), S. 568-569 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd130256811.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA