Wieland, Heinrich

Lebensdaten
1877 – 1957
Geburtsort
Pforzheim (Baden)
Sterbeort
Starnberg (Oberbayern)
Beruf/Funktion
Chemiker ; Professor in München ; Nobelpreisträger für Chemie (1927, verliehen 1928) ; Biochemiker ; Pharmakologe
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 119469308 | OGND | VIAF: 72204733
Namensvarianten

  • Wieland, Heinrich Otto
  • Wieland, Heinrich
  • Wieland, Heinrich Otto

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Zitierweise

Wieland, Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119469308.html [25.12.2025].

CC0

  • Wieland. Heinrich Otto

    | Chemiker, * 4.6.1877 Pforzheim (Baden), † 5.8.1957 Starnberg (Oberbayern), ⚰Starnberg (Oberbayern). (evangelisch)

  • Genealogie

    Aus Unternehmerfam. in P.;
    V Theodor (1846–1928), aus Schlat b. Göppingen (Württ.), Dr. phil., Apotheker, Chemiker, übernahm 1876 d. Gold- u. Silber-Scheideanstalt Steinmann in P., Gründer u. Bes. d. „Scheide- u. Legieranstalt“ (s. L), S d. Heinrich (1805–55), aus Liebenzell (Schwarzwald), Pfarrer 1833 in Unterheinriet, 1846 in Schlat, zuletzt in Göppingen, u. d. Katharina Biermann (* 1810), aus Künzelsau;
    M Elise (1849–1937), T d. Gottlieb Eberhard Blum (1807–1857), Pfarrer in Herrenalb (Württ.), u. d. Rosine Übele (1822–1914);
    Urur-Gvv Gottlieb Heinrich (1729–1798), aus Gebersheim, Pfarrer 1756 in Gerstetten, 1761 in Friolzheim, 1764 in Gerstetten, 1791 Hohenmemmingen;
    Ur-Gvv Johann Heinrich (1768–1818), aus Gerstetten, Pfarrer 1804 in Liebenzell, 1807 in Pfalzgrafenweiler, 1817 in Täferrot;
    B Eberhard (1879–1973), studierte Forstwirtsch., Teil- u. später Alleininh. d. väterl. Gold- u. Silber-Scheideanstalt, Hermann (s. 2), Schw Eva (1890–1916, Hermann Hess, 1882–1915, Chemiker, Schüler v. W.);
    München 1908 Josefine Bartmann (1881–1966), T e. Tiefbauuntern.;
    3 S Wolfgang (1911–73), Dr., Chemiker, Pharmazeut, Theodor (1913–1995), Prof. f. Organ. Chemie an d. Univ. Frankfurt/M. 1951–68, Dir. d. Abt. Naturstoffchemie am MPI f. med. Forsch. in Heidelberg 1968–81 (s. Pogg. VIIa, Lex. Naturwiss., Lex. bed. Chemiker), Otto (1920–98/99), Chefarzt, Leiter d. Inst. f. Diabetesforsch. u. apl. Prof. f. Med. an d. Univ. München (s. Kürschner, Gel.-Kal. 1996), 1 T Eva (1915–2002, Feodor Lynen, 1911–79, Prof. f. Biochemie an Univ. München 1957–72, Nobelpreis f. Physiol. oder Med. 1964, s. NDB 15);
    N Ulrich (1911–2004), Dr., Chemiker, Schüler v. W.;
    Cousine 2. Grades Helene Renz (1867–1946, Albert Boehringer, 1861–1939, Chemiker, Pharmazeut, Gründer u. Inh. d. Fa. „C. H. Boehringer &
    Sohn“ in Ingelheim/Rhein, s. Lex. Weltmarkführer);
    E Sibylle (1943–2016, s. L).

  • Biographie

    Nach dem Abitur 1896 am Humanistischen Gymnasium in Pforzheim studierte W. bis 1899 Chemie an den Universitäten München und Berlin sowie an der TH Stuttgart, ursprünglich wohl mit dem Gedanken, den väterlichen Betrieb zu übernehmen. Mit einer Arbeit über phenylierte Allene wurde er 1901 bei Johannes Thiele (1865–1918), einem der Begründer der theoretischen Organischen Chemie, an der Univ. München promoviert. 1904 dort mit der Arbeit „Über Additionen mit den höheren Oxyden des Stickstoffs an die Kohlenstoff-Doppelbindung“ habilitiert, wurde er 1905 Privatdozent, 1909 ao. Professor und 1913 Extraordinarius für spezielle Organische Chemie und Leiter der Organischen Abteilung des Münchner Staatslaboratoriums. 1917 zum Ordinarius für Organische Chemie an der TH München ernannt, war er aber während der letzten beiden Kriegsjahre an Fritz Habers KWI für Physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem Leiter der Abteilung für Darstellung neuer Kampfstoffe. Unter seiner Ägide wurden Chemiewaffen wie der im 1. Weltkrieg erstmals eingesetzte Gelbkreuzkampfstoff Senfgas (Lost) sowie die rachenreizenden, als „Maskenbrecher“ eingesetzten Chlorarsinkampfstoffe (Clark) entwickelt. Nachdem er 1920 einen Ruf an die Univ. Berlin und damit das ehrenvolle Angebot, Nachfolger Emil Fischers (1852–1919) zu werden, ausgeschlagen hatte, nahm er 1921 einen Ruf an die Univ. Freiburg (Br.) an. 1925 wechselte er als Nachfolger Richard Willstätters (1872–1942) an die Univ. München (em. 1950). Während der NS-Zeit war W. einer der wenigen Hochschullehrer,|die rassisch diskriminierten Personen das Weiterstudium ermöglichten.

    Seit 1908/09 beschäftigte sich W. mit der Chemie organischer Stickstoffverbindungen, besonders der Hydrazine, und entdeckte dabei die ersten freien Stickstoffradikale. Schon früh interessierte sich W. für biochemische Fragen und befaßte sich seit 1912 mit der biologischen Oxidation, die er bis 1943 verfolgte. Er zeigte, daß viele biologische Oxidationen Dehydrierungen sind. Seine ebenfalls 1912 begonnenen Forschungen über die Konstitution der Gallensäuren gehören zu seinen bekanntesten Arbeiten. Da sich diese und die gleichzeitig stattfindenden Untersuchungen seines Göttinger Kollegen Adolf Windaus (1876–1959) über das Cholesterin ergänzten – die Gallensäuren und das Cholesterin besaßen, wie man seit 1919 wußte, das gleiche tetracyclische Ringsystem der Steroide–, wurden beide Wissenschaftler 1928 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet: W. rückwirkend für 1927 und Windaus für 1928. Die bei seinem Nobelvortrag verwendete Formel des Steroidskeletts korrigierte W. 1932 auf der Basis von Daten, die die damals neue Methode der Röntgenstrukturanalyse geliefert hatte. Seine Arbeiten über die Konstitution des Steroidgerüsts lieferten die Grundlage für die weitere Erforschung dieser Substanzklasse, zu der viele Naturstoffe wie das Vitamin D, Sexualhormone, Nebennierenrindenhormone sowie viele wichtige Medikamente gehören.

    Dank seiner seit 1907 bestehenden, lebenslangen engen Beziehungen zu „C. H. Boehringer Sohn“ in Ingelheim/Rhein beschäftigten sich W. und seine Mitarbeiter intensiv mit der Isolierung und Konstitutionsaufklärung zahlreicher pharmazeutisch genutzter Naturstoffe, etwa mit Morphin-, Lobelia-und Strychnos-Alkaloiden, Krötengiften und Kalebassen-Curare. Als reine Grundlagenforschung begann W. seine Arbeiten über die Pterine, die Flügelpigmente gewisser Schmetterlinge, die seit 1941, nach der Entdeckung der Folsäure, für die damals hochaktuelle Vitaminforschung wichtig waren.

    W. war einer der großen Organischen Chemiker seiner Zeit, der früh die Bedeutung der jungen Biochemie erkannte und die Implementierung der neuen Disziplin an der Univ. München förderte. Zu W.s Schülern zählen Elisabeth Dane (1903–1984), Gottwalt Fischer (1902–1960), Hildegard Hamm-Brücher (1921–2016), Gerhard Hesse (1908–1997), Leopold Horner (1911–2005), Rolf Huisgen (1920–2020), Michael Erlenbach (1902–1962), Feodor Lynen, Clemens Schöpf (1899–1970), Werner Schwarze (1913–2007), Theodor Wieland (1913–1995) und Bernhard Witkop (1917–2010).

  • Auszeichnungen

    |u. a. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1925, ao. 1916, korr. 1921) u. d. Leopoldina (1925);
    ausw. Mitgl. d. Ak. d. Wiss. d. UdSSR (1929);
    Präs. d. Dt. Chem. Ges. (1928–30);
    korr. Mitgl. d. preuß. Ak. d. Wiss. (1937);
    Goethe-Medaille f. Kunst u. Wiss. (1942);
    Orden pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1952);
    BVK (1952);
    Otto-Hahn-Preis f. Chemie u. Physik (1955);
    – H.-W.-Preis (1964);
    H.-W.-Str., München.

  • Werke

    |über 350 Publl.;
    Die Knallsäure, in: Slg. chem. u. chem.-techn. Vortrr. 14, 1909, S. 385–461;
    Die Hydrazine, 1913;
    Die Chemie d. Gallensäuren, in: Zs. angew. Chem. 42, 1929, S. 421–24;
    Recent Researches on Biological Oxidation, in: Journ. of the Chemical Soc., 1931, S. 1055–64;
    On the Mechanism of Oxidation, 1932;
    Über d. Verlauf d. Oxydationsvorgänge, 1933;
    Die Konstitution d. Gallensäuren, in: Berr. d. dt. chem. Ges. 67, 1934, S. 27–39;
    Hg. u. Überarbeitung v. L. Gattermanns, Die Praxis d. organ. Chemikers, ¹⁹1925 – ³⁸1958;
    Mithg. d. Ann. d. Chemie, 1922–56;
    Nachlaß: Archive d. Dt. Mus. München u. d. Univ. München.

  • Literatur

    |G. Lunde, The 1927 and 1928 Nobel Chemistry Prize Winners, W. and Windaus, in: Journ. of Chemical Education 7, 1930, S. 1763–71;
    H. W. z. seinem 65. Geb.tag am 4.6.1942 v. Schülern u. Freunden, in: Die Naturwiss. 30, 1942, S. 333–73;
    B. Witkop, Remembering H. W. (1877–1957), Portrait of an Organic Chemist and Founder of Modern Biochemistry, in: Medicinal Research Reviews 12, 1992, S. 195–274;
    ders., Erinnerungen an H. W., in: Liebigs Ann. d. Chemie 1992, S. I–XXXII;
    U. Deichmann u. H.-U. Wagner (Hg.), Hans Leipelt u. Marie-Luise Jahn, student. Widerstand in d. Zeit d. NS am chem. Staatslaboratorium d. Univ. München, 2003 (P);
    Bez.ausschuss 3 Maxvorstadt (Hg.), Wiss. u. Zivilcourage, Betrachtungen z. H. W., 2004 (P);
    R. Huisgen, Ein wiss. Universalist, in: Nachrr. aus d. Chemie 55, 2007, S. 1083–87;
    E. Vaupel, Vernetzungen u. Freiräume, H. W. (1877–1957) u. seine Zeit, in: Angew. Chemie 119, 2007, S. 9314–38;
    Sibylle Wieland, A.-B. Hertkorn u. F. Dunkel (Hg.), H. W., Naturforscher, Nobelpreisträger u. Willstätters Uhr, 2008 (P);
    A. Vollmer (Hg.), „Der Chemie in München ist der Garaus gemacht“, Aus d. Dienstzimmer-Korr. d. Nobelpreisträgers H. W. 1945–1951, 2008;
    Pogg. V–VI;
    Munzinger;
    Lex. bed. Chemiker;
    Complete DSB;
    zu Theodor: A. Wankmüller, Die Fa. Dr. T. W., Pforzheim, in: Btrr. z. württ. Apothekengesch. 10, 1973, S. 42–46 (P);
    Dt. Apotheker-Biogr., Erg.bd. I.

  • Porträts

    |Büste v. A. Feiber, 1999 (Ruhmeshalle, München), Abb. in: Ruhmeshalle u. Bavaria, Amtl. Führer, bearb. v. M. F. Fischer u. S. Heym, ³2009, S. 138, Nr. 90.

  • Autor/in

    Elisabeth Vaupel
  • Zitierweise

    Vaupel, Elisabeth, "Wieland. Heinrich Otto" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 72-73 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119469308.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA