Lebensdaten
1865 – 1918
Geburtsort
Ratibor (Oberschlesien)
Sterbeort
Straßburg
Beruf/Funktion
Chemiker ; Professor in München und Straßburg
Konfession
-
Normdaten
GND: 117335886 | OGND | VIAF: 37691149
Namensvarianten
  • Thiele, Friedrich Karl Johannes
  • Thiele, Johann
  • Thiele, Hans
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Zitierweise

Thiele, Johannes, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117335886.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus Fam. in Teutschenthal b. Halle/Saale;
    V Friedrich August (* 1821), Inh. e. Verlags- u. Sortimentsbuchhandlung in R.;
    M Marie Elfriede Koppe ( 1871), aus Kaufmannsfam. in Brieg, evtl. T d. Carl Koppe ( v. 1873), Kaufm. in Brieg; seit 1873 Stief-M Elise Agnes Koppe (* 1840), evtl. Schw d. Marie Elfriede (s. o.);
    5 Geschw Martha (⚭ N. N. Gaebel, Oberlycealdir. in Greifswald), Marie; Cousine Johanna (⚭ August Schultze, 1906, Gründer e. Ölhandelsuntern. in Halle).

  • Biographie

    T. besuchte 1874–83 das Gymnasium in Ratibor und studierte anschließend Mathematik in Breslau und seit 1884 in Halle/Saale, wo er zur Chemie als Hauptfach wechselte. 1890 wurde er nach zwischenzeitlichem Militärdienst bei Jakob Volhard (1834–1910) mit der Arbeit „Analytische Beiträge zur Kenntnis von Antimon und Arsen“ zum Dr. phil. promoviert. 1892 habilitierte sich T. in Halle für das Fach Organische Chemie und übernahm 1893 das Extraordinariat für Organische Chemie an der Univ. München, 1902 wurde er o. Professor an der Univ. Straßburg (Rektor 1910). Rufe nach Greifswald (1900), Würzburg (1903) und Göttingen (1915) lehnte er ab.

    T.s Arbeiten betrafen zunächst die Stickstoffverbindungen. In Halle fand er einfachere Synthesen für Hydrazin und Stickstoffwasserstoffsäure. In München waren die Schwerpunkte seiner Forschungen erst die stickstoffhaltigen Kohlensäurederivate (Nitroguanidin, Semicarbazid, Aminotetrazol) und die Erschließung der ersten aliphatischen Azoverbindungen. Für hyposalpetrige Säure und Nitramid fand T. eine identische Zusammensetzung und wies so erstmals Isomerie im Bereich der anorganischen Chemie nach. Im Mittelpunkt der Münchner Arbeiten standen jedoch Untersuchungen über Additionsreaktionen (Wasserstoff, Brom) an ungesättigten Verbindungen. Diese Forschungen führten T. 1900 zur Entwicklung der Theorie der Partialvalenzen. Danach verfügen ungesättigte Atome über nach außen wirkende Bindungskräfte, die am Zusammenhalt der Atome nicht beteiligt sind, aber zwanglos die große Additionsneigung von Alkenen und mehrfach ungesättigten Systemen erklären. Besonders einleuchtend ließ sich die – von T. allerdings in ihrer Allgemeinheit überschätzte –1,4-Addition an Diene zu bis-terminal substituierten Produkten mit innerer Doppelbindung durch Ausgleich der mittleren Partialvalenzen verstehen. Die Stabilität von Benzol und die Äquivalenz von ortho-disubstituierten Derivaten wurde durch vollkommene interne Absättigung der Partialvalenzen im Ring gedeutet und damit die Barriere im Verständnis aliphatischer und aromatischer Verbindungen überwunden. Die Theorie ließ sich auch auf ungesättigte Carbonylverbindungen ausdehnen und erklärte bestimmte Tautomerieerscheinungen und die CH-Acidität. So führten präparative Untersuchungen zur Entdeckung einer Untergruppe der Kohlenwasserstoffe, der Fulvene, durch Reaktion von Cyclopentadien mit Aldehyden oder Ketonen. T. gelang mit dem Kalium-cyclopentadienid die Synthese der ersten Verbindung mit einer Kohlenstoff-Alkalimetall-Bindung. Die Theorie der Partialvalenzen war ein empirisch-intuitiv begründeter Vorläufer der heutigen Auffassung der Wechselwirkung vonπ-Elektronen.

    In der insgesamt weniger produktiven Straßburger Zeit setzte T. die Untersuchungen an ungesättigten Systemen fort und fand mit dem Tetraphenyl-p-xylylen den ersten stabilen chinoiden Kohlenwasserstoff. Im wesentlichen kehrte er aber zur Untersuchung organischer Stickstoffverbindungen zurück. So ließ sich o-Phenylendiamin fruchtbar für Ringsynthesen einsetzen. Hervorzuheben ist die Synthese von Azomethan, der einfachsten Azoverbindung. Auch setzte sich T. für die korrekte offenkettige Formulierung der Diazo-Verbindungen und der Azide ein. Während des 1. Weltkriegs entwickelte er einen Gasmaskenfilter zur Absorption von Kohlenmonoxid. Zu T.s Schülern zählte der spätere Nobelpreisträger für Chemie, Hermann Staudinger, der in T.s Labor 1905 die Stoffklasse der Ketene entdeckte.

  • Auszeichnungen

    A Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (ao. 1901, korr. 1902).

  • Werke

    W Nitro- u. Amino-Guanidin, 1892 (Habil.schr.);
    Zur Kenntnis d. ungesättigten Verbindungen, in: Justus Liebigs Ann. d. Chemie 306, 1899, S. 87–266;
    Über d. räuml. Deutung d. Partialvalenzen, ebd. 311, 1900, S. 241–55;
    Über d. Constitution d. ungesättigten u. aromat. Verbindungen, ebd. 319, 1901, S. 129–43;
    Über Ketonreaktionen b. d. Cyclopentadien, in: Berr. d. Dt. Chem. Ges. 33, 1900, S. 666–73; Mithg. u. Schr.leiter: Justus Liebigs Ann. d. Chemie, 1910–18.

  • Literatur

    L H. Wieland, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss., 1918, S. 65–69;
    F. Straus, in: Berr. d. Dt. Chem. Ges. 60A, 1927, S. 75–132 (W, P);
    DBJ I, Tl.;
    Pogg. III-VI;
    DSB 13; NDBA (P)

  • Autor/in

    Ernst Schaumann
  • Zitierweise

    Schaumann, Ernst, "Thiele, Johannes" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 114-115 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117335886.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA