Wieland

Lebensdaten
unbekannt
Beruf/Funktion
Unternehmer
Konfession
evangelisch
Namensvarianten

  • Wieland

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Wieland, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz142403.html [22.12.2025].

CC0

  • Wieland

    |Unternehmerfamilie. (evangelisch)

  • Biographie

    Das erste in Ulm ansässige Mitglied der Unternehmerfamilie war Leonhard (I.) (1726–88). Er stammte aus einer bäuerlichen Familie in Jungingen, sein Vater Johannes (1683–1747) war aus Kesselbronn zugezogen. 1753 wurde Leonhard (I.) Ulmer Bürger und erwarb 1756 von der Stadt die „Untere Mang“, wo er als Mangmeister in der Tuchherstellung tätig war. Mit seiner zweiten Frau Anna Barbara Riedt (1731–1801), die er 1754 heiratete, hatte er mehrere Kinder, darunter Leonhard (II.) (1764–1838), der seinem Vater als Mangmeister nachfolgte und in den Bürgerausschuß, 1821 in den Stadtrat Ulms gewählt|wurde. Der ältere Sohn Jakob (1760–1826) heiratete 1792 die wohlhabende Bierbrauerswitwe Anna Magdalena Holl, geborene Fähnlin (Faehnlen) (1768–1819), und wurde Inhaber der Brauerei „Zum Goldenen Ochsen“. Er gehörte bald zu den höchstbesteuerten Bürgern Ulms und wurde ebenfalls in den Bürgerausschuß der Stadt gewählt.

    Der Sohn Jakobs und Annas, Philipp Jakob (1793–1873), erlernte seit 1807 bei seinem Onkel Thomas Frauenlob, der seit 1782 mit Anna (1758–1835), einer Schwester seines Vaters Jakob, verheiratet war, das Glockenund Kunstgießerhandwerk. Nach der Rückkehr von der Wanderschaft wurde Philipp Jakob 1820 in die Ulmer Schmiedezunft aufgenommen und übernahm die Glockengießerei seines Onkels „auf eigene Rechnung“, u. a. für die Herstellung von „Messing- und Metall-Fabrikaten“, Feuerspritzen sowie „jede Gußarbeit von Metall und Messing“. Er entwickelte u. a. eine Handfeuerspritze (1822) und eine Saugpumpe (1835). 1828 errichtete er ein Messingblechwalzwerk und einen Messingdrahtzug und wurde zu einem der ersten dt. Messingfabrikanten; er gründete Niederlassungen in Herrlingen (1841/46), in Ulm in der Spitalmühle (1859) und in Vöhringen (1864). Für die Qualität seiner Produkte erhielt das Unternehmen zahlreiche Preise bei Industrie-Ausstellungen.

    Philipp Jakob heiratete 1830 Franziska (Fanny) (1806–60), die Tochter des württ. Generalleutnants Ludwig Friedrich v. Stockmayer (1779–1837). Ihr Sohn Louis (1831–55) starb ohne Nachkommen. Nach dem Tod Fannys heiratete Philipp Jakob 1862 seine Nichte Mathilde (1838–1920), mit der er die Söhne Philipp Jakob (1863–1949) und Max Robert (1867–1935) sowie die Töchter Charlotte (1866–1949) und Mathilde (1864–1906) hatte. In seinem Unternehmen, das 1873 mit 276 Mitarbeitern zu den größten Industriebetrieben im Ulmer Raum gehörte, richtete er 1834 als einer der ersten dt. Unternehmer eine freiwillige Betriebssparkasse und eine Fabrikkrankenkasse ein, die seit 1884 als gesetzliche Krankenkasse geführt wurde und heute als „Wieland BKK“ existiert.

    Philipp Jakob, der als einer der reichsten Bürger Ulms zeitweise 8 % des Steuerkapitals hielt, wurde 1830, 1859 und 1863 in den Bürgerausschuß gewählt, dessen Obmann er zeitweise war. Er setzte sich u. a. für die Eisenbahnlinie von Stuttgart nach Ulm ein, gehörte 1847 zu den Mitgründern des Ulmer Gewerbevereins, 1862 des Handelsvereins und 1855 der Handels- und Gewerbekammer Ulm, deren stellv. Vorsitzender er war. Auch an der Gründung der Gewerbebank in Ulm 1863 war er beteiligt und gehörte ihrem Ausschuß an.

    Nach dem Tod Philipp Jakobs führte seine Frau Mathilde das Unternehmen für ihre minderjährigen Söhne weiter. Sie vereinigte die „Wieland & Cie., Messing- und Metallwarenfabrik“ und die „Phil. Jakob Wieland, Feuerspritzen- und Glockenfabrikation“ zur Firma „Wieland & Cie.“ und baute das damals größte dt. Messingunternehmen weiter aus. 1873 richtete sie einen Pensions- und Unterstützungsfonds für Werksarbeiter ein. Ihr ältester Sohn Philipp trat 1887 als Teilhaber in die Firma ein, die er ab 1892 leitete, sein jüngerer Bruder Max war Teilhaber und kaufmännischer Leiter. Das führende dt. Unternehmen bei der Herstellung von Halbzeugfabrikaten aus Nicht-Eisenmetallen expandierte rasch, die Mitarbeiterzahl stieg von 454 (1892) auf rund 1700 (1912). Die Brüder wandelten 1919 die OHG „Wieland & Cie.“ in die „Wieland-Werke AG“ um, Philipp wurde Aufsichtsratsvorsitzender, Max Vorstandsvorsitzender. Beide Brüder waren sozial und mäzenatisch tätig, bauten in Vöhringen Arbeiterwohnhäuser für Werksangehörige, förderten Kindergärten und Krippen und wandelten den 1873 gegründeten Pensions- und Unterstützungsfonds 1922 in die „Wieland-Stiftung“ um, die heute noch ihrem Auftrag gerecht wird. Durch die konsequente Einführung neuer Verfahren baute das Unternehmen seine Marktposition aus, v. a. das Werk in Vöhringen wurde ständig erweitert und modernisiert. 1931 erwarben die Wieland-Werke trotz der Wirtschaftskrise die „Messingwerke Schwarzwald AG“ in Villingen, die bis heute Teil des Unternehmens sind.

    Mit dem Beginn der NS-Herrschaft wurde die Produktion auf Leichtmetall, v. a. Aluminium-Halbzeuge, umgestellt. 1935 hatte das Unternehmen 2700 Mitarbeiter.

    Philipp war seit 1890 Mitglied des Ulmer Bürgerausschusses, 1893–1919 des Gemeinderats. 1909–18 war er Abgeordneter des Württ. Landtags, 1913 wurde er Vorsitzender der nationalliberalen Fraktion sowie Mitglied in der Justizgebungs- und Finanzkommission.

    Seit 1911 gehörte er u. a. dem Volkswirtschaftlichen Ausschuß des Landtags an (Vorsitz 1913). Seit 1910 Erster Vorsitzender der nationalliberalen „Deutschen Partei“ in Ulm, trat er 1918 der DDP bei und war langjähriges Mitglied ihres Württ. Landesvorstands. 1919 wurde er sowohl in die Württ. Verfassunggebende Landesversammlung als auch in die Dt. Nationalversammlung gewählt, 1920–30 war er Mitglied des Reichstags, wo er im|Volkswirtschaftlichen Ausschuß, im Haushaltsausschuß und im Ausschuß für Verkehrsangelegenheiten mitwirkte. Das Angebot, Schatzminister in der Reichsregierung zu werden, lehnte Philipp Anfang 1920 ab. Er war Repräsentant des wirtschaftsnahen Flügels der DDP, leitete im Hauptvorstand der Partei den Reichsausschuß für Handel, Industrie und Gewerbe und engagierte sich besonders als Energiepolitiker und Förderer der Elektroindustrie. Er war u. a. Teilhaber der „Deutschen Delta-Metallgesellschaft“ in Düsseldorf und gehörte zahlreichen Aufsichtsräten an, u. a. der „Vereinigten Industrie-Unternehmungen AG“, der „Gesellschaft für Kraftübertragung“, der „Deutschen Werke AG“ (Berlin), der „Vereinigten Aluminiumwerke AG“, der „Deutsch-Atlantischen Telegraphengesellschaft“, der „Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH“, der „Berg-Heckmann-Selve AG“ (Altena), der „Elektrowerke AG“ und der „Württembergischen Vereinsbank“. Er war Mitglied des Württ. Landesausschusses der „Deutschen Bank AG“ und Präsidiums- und Vorstandsmitglied im „Reichsverband der Deutschen Industrie“.

    Beide Brüder heirateten Frauen aus der schweizer. Unternehmerfamilie Sulzer; Philipp vermählte sich 1887 mit Lydia Sulzer-Steiner (1866–1938), Max 1894 mit Louise Elisabetha (Betty) Sulzer-Großmann (1873–1938). Philipp zog sich seit 1930 zunehmend aus dem öffentlichen Leben zurück; gegenüber dem NS-Regime bewahrte er Distanz und trat nicht in die NSDAP ein. Nach dem Tod von Max ging die Unternehmensleitung 1935 auf Karl Eychmüller (1892–1981) als Vorstandsvorsitzender mit Alleinzeichnungsberechtigung über. Eychmüller gehörte der NSDAP an und war ein führender Repräsentant der NS-Kriegswirtschaft. Die Wieland-Werke wurden zu einem NS-Musterbetrieb und einem kriegswichtigen Rüstungsunternehmen, das in großem Umfang Zwangsarbeiter beschäftigte. 1944/45 wurden große Teile der Werke durch Bombenangriffe zerstört, nach Kriegsende Teile der Produktionsanlagen von den Besatzungsmächten demontiert.

    Anstelle von Eychmüller, der sich einem Spruchkammerverfahren unterziehen mußte (1948 als „Mitläufer“ eingestuft), übernahm der politisch unbelastete Philipp im Sept. 1945 interimistisch den Vorstandsvorsitz, bis dieser wieder von Eychmüller wahrgenommen werden konnte. Danach zog Philipp nach Thun in der Schweiz, wo er 1949 starb.

    Von den sechs Kindern Philipps übersiedelte der älteste Sohn Philipp Johann Heinrich (1892–1973) 1934 nach Brasilien, die älteste Tochter Else (1888–1971) heiratete 1910 Walther v. Selve (1876–1948), Teilhaber von „Basse & Selve“. Der jüngste Sohn Ulrich (1902–34) starb beim Versuch der Erstbesteigung des Nanga Parbat. Der zweitälteste Sohn Hans (1893–1991) wurde 1936 Mitglied des Vorstands und technischer Direktor der Wieland-Werke. Seit 1938 NSDAP-Mitglied, wurde er 1946 im Spruchkammerverfahren als „Mitläufer“ eingestuft. Danach war er bis 1972, als Wolfgang Eychmüller (1929–2013), Sohn Karl Eychmüllers, Vorstandsvorsitzender wurde, Vorstandsmitglied, anschließend bis 1978 Mitglied des Aufsichtsrats. Die beiden Söhne Max’ waren ebenfalls in leitender Stellung in den Wieland-Werken tätig, Max Robert (II.) (1897–1955) als stellv. Vorsitzender des Aufsichtsrats und Albert (1900–65) als Prokurist, dann als Aufsichtsrat. Nach dem Ausscheiden von Hans waren keine Angehörigen der Familie mehr in der Unternehmensleitung tätig.

    Die Wieland-Werke, die in den 1950er Jahren erneut expandierten (1958 über 4000 Beschäftigte), modernisierten, die Produktpalette erweiterten und das Vertriebsnetz ausbauten, wurden zu einem international agierenden Unternehmen (1959/60: 175 Mio. DM Umsatz, 1979/80: 1,1 Mrd. DM, die Tochtergesellschaften nicht eingerechnet). Sie sind heute ein weltweit führender Hersteller von Halbfabrikaten aus Kupfer und Kupferlegierungen mit Produktionsstandorten in Europa, Asien und in den USA (ca. 7000 Mitarb.). Seit 2006 hält die Schwenk-Gruppe die Mehrheit der Aktien der Wieland-Werke AG.

  • Auszeichnungen

    A zu Philipp Jacob ( 1873): Rr.kreuz I. Kl. d. württ. Friedrichsordens (1862);
    KR (1872);
    zu Philipp ( 1949): KR (1905);
    GKR (1917);
    E. K. am weißschwarzen Band (1917);
    Dr.-Ing. E. h. (TH Stuttgart 1918);
    Ehrenmitgl. d. Württ. Bezirksver. dt. Ingenieure (1920);
    zu Max Robert ( 1935): Landwehr-Dienstauszeichnung II. Kl. (1900);
    ghzgl.-oldenburg. Friedrich August-Kreuz II. Kl. (1915);
    KR (1915);
    Charlottenkreuz (1916);
    kgl. preuß. Verdienstkreuz f. Kriegshilfe (1917);
    Ehrenvors. d. Zentralverbands d. Dt. Walzwerks- u. Hüttenind. (1935).

  • Werke

    W zu Philipp Jakob ( 1873): Ich sehnte mich, d. Welt zu sehen, Wanderungen e. Glockengiessergesellen 1817–1820, hg. v. K. Eickhoff, 1995;
    zu Philipp ( 1949): Die Vfg. d. Kgr. Württ., auf d. Grundlage e. im Ulmer Pol. Ausbildungskurs d. Nat.ver. f. d. lib. Dtld. v. P. W. gehaltenen Vortr. üb. d. württ. LT, hg. v. Nat.ver., 1912;
    Das Budget d. Vereinigten Staaten v. Nordamerika, Seine Aufstellung, parl. Behandlung u. Ausführung, 1929;
    zu Philipp ( 1973): Über Kaltwalzen u. Ausglühen v. Kupfer|Zink-Legierungen, in: Mitt. aus d. KWI, Inst. f. Eisenforsch. 3, 1921, S. 57–87.

  • Literatur

    |A. Weyermann, Neue hist.-biogr.-artist. Nachrr. v. Gel. u. Künstlern, [ … ] 1829;
    Biogr.-Genealog. Bll. aus u. über Schwaben v. E. v. Georgii-Georgenau, 1879;
    H. Kalkoff (Hg.), Nat.lib Parl. 1867–1917 d. RT u. d. Einzellandtage, Btrr. z. Parteigesch., 1917;
    KR Max R. W. 24.10.1867–9.6.1935 Ulm a. D., Worte d. Erinnerung, Gesprochen anläßl. d. Trauerfeier am 12. Juni 1935, 1935;
    Die W.-Werke Ulm, Von ihrer Gründung bis z. J. 1937, 1937;
    W.-D. Hepach, Ulm im Kgr. Württ. 1810–1848, 1979;
    P. Schaller, Zur Wirtsch.gesch. Ulms, in: H. E. Specker (Hg.), Ulm im 19. Jh., 1990, S. 105–68;
    ders., Die Industrialisierung d. Stadt Ulm zw. 1828/34 u. 1875, 1998;
    R. Waibel, Gde.wahlen in Ulm (1817–1900), in: Ulm u. Oberschwaben 47/48, 1991, S. 254–373;
    H. Baumhauer, W., Gesch. e. Arb.heimat, 1991;
    G. Rotermund, Zw. Gleichschaltung u. Selbstbehauptung, Das Realgymnasium Ulm 1933–1945, 1997;
    W. A. Boelcke, Millionäre in Württ., 1997;
    U. Schmidt, 125 J. Sektion Ulm, 100 J. Ulmer Hütte, 100 J. Skiabt., hg. v. Dt. Alpenver. Sektion Ulm, 2003;
    Wenzel;
    Schumacher, M. d. R.;
    Biogr. Hdb. Württ. LT;
    Biogr. Lex. Ulm;
    Württ. Biogrr. III;
    Qu StadtA Ulm;
    Untern.archiv d. W.-Werke AG, Ulm;
    Archiv d. Liberalismus, Gummersbach;
    HStA Stuttgart;
    StA Ludwigsburg;
    Stiftung Bundespräs.-Theodor-Heuss-Haus, Stuttgart;
    BA Koblenz.

  • Porträts

    P zu Philipp Jakob ( 1873): Gem., um 1840, mit Fanny u. Louis (Privatbes.);
    Photogrr., um 1850 u. um 1860er J. (Untern.archiv d. W.-Werke AG, Ulm, StadtA Ulm);
    zu Mathilde: Photogrr., um 1900 u. um 1915 (Untern.archiv d. W.-Werke AG, Ulm);
    zu Max Robert ( 1935): Photogrr., um 1900 u. um 1930 (ebd.);
    zu Philipp ( 1949): Photogr., um 1900 u. um 1930, Zeichnung, um 1930 (Untern.archiv d. W.-Werke AG, Ulm;
    LT-Archiv Stuttgart, Abb. in: Biogr. Hdb. Württ. LT, S. 1016);
    Lith. v. E. Stumpp, frühe 1930er J. (Emil-Stumpp-Archiv, Michael Stumpp, Gelnhausen);
    zu Ulrich: Photogr., um 1930, Abb. in: Ulmer Bilder-Chron., 4. Bd., 1937, S. 452;
    Photogrr., um 1930 (Untern.archiv d. W.-Werke AG, Ulm).

  • Autor/in

    Michael Wettengel
  • Zitierweise

    Wettengel, Michael, "Wieland" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 69-72 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz142403.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA