Lebensdaten
1844 – 1900
Geburtsort
Köln
Sterbeort
Würzburg
Beruf/Funktion
Maler
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118571222 | OGND | VIAF: 17371382
Namensvarianten
  • Leibl, Wilhelm
  • Leibl, W.
  • Leibl, Wilhelm Maria Hubert
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Orte

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Zitierweise

Leibl, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118571222.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Karl (1784–1870), Musiklehrer in München, seit 1826 Domkapellmeister in K., Komp. (s. L), S d. Johs. Karl Ferdinand Laiblin, dann L. (1744-1815), Lic. iur., Justizamtmann d. Gf. v. Hallberg in Fußgönheim (Rheinpfalz), zuletzt Weinhändler in München, u. d. Maria Regina Wagner;
    M Maria Gertrud (1806–80), T d. Jakob Lemper, Gymnasiallehrer in K., u. d. Anna Cath. Franziska Blank;
    Ur-Gvv Joh. Georg Laiblin, aus Durlach, kaiserl. Proviantmeister, Joh. Jakob Blank (1763–1851), Hoffischmeister d. Kf. Clemens August v. Köln in Brühl; - ledig.

  • Biographie

    Als L. 1854 in das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium kam, zeigte sich bald, daß er für einen intellektuellen Beruf wenig geeignet war, wogegen die künstlerische Begabung schon vor der Schulzeit in ihm erwacht war; Eltern, Geschwister, Lehrer und Mitschüler waren seine ersten Modelle. Sein verständnisvoller Zeichenlehrer, Everhard Bourel, förderte das künstlerische Interesse des Knaben. L. verließ 1860 mit dem Einjährigen das Gymnasium. Um sich auf den Beruf eines Maschinenbauingenieurs vorzubereiten, wurde er zunächst Feinmechanikerlehrling, trennte sich jedoch bereits nach sechs Wochen wieder vom Handwerk, obgleich er letzteres sehr schätzte. Er erreichte die Zustimmung der Eltern zu seinem Entschluß, Maler zu werden. Sein erster Lehrer war seit 1861 der Kölner Historienmaler und Kunstschriftsteller Hermann Becker. 1864 bezog L. die Münchner Akademie, deren vorherrschende Bestrebungen seiner eigenen Neigung zum später im Leibl-Kreis so genannten „Reinmalerischen“ am meisten entgegenzukommen schienen. Hier nahm ihn zunächst der Historienmaler Ph. v. Foltz unter seine Obhut. In der Antikenklasse zeichnete er unter A. Straehuber nach Gipsabgüssen, konnte jedoch bereits im Herbst dieses Jahres in die Malklasse von H. Anschütz eintreten, in der er einigen begabten jungen Malern begegnete, die später den sog. Leibl-Kreis bilden sollten, wie Th. Alt, R. Hirth du Frênes, J. Sperl, F. Schider, und in ihm alsbald ihren geistigen Führer sahen. Vom Frühjahr 1866 bis Herbst 1868 setzte L. sein Studium in der Meisterklasse A. v. Rambergs fort, dessen erlesene Malkultur von großem Einfluß auf seine Entwicklung wurde. 1869 vollendete L. seine künstlerische Ausbildung bei K. v. Piloty. Noch mehr jedoch profitierte er wohl von den alten Meistern, die er in der Alten Pinakothek – bisweilen erstaunlich frei – kopierte: das beste Beispiel hierfür ist die überlegene Nachgestaltung von Rubens' „Schäferszene“ (1870, München, Neue Pinakothek). Von den Modernen fühlte er sich besonders zu V. Müller hingezogen, der in Paris Schüler von Couture gewesen, mit Courbet befreundet und dessen entscheidender Propagandist in Deutschland war. Vor allem durch ihn wurden die jungen deutschen Maler, am nachhaltigsten L., mit der fortschrittlichen Pariser Malerei bekannt gemacht.

    Eines der wichtigsten Jahre für die neuere deutsche Kunst und ihre internationale Orientierung war das Jahr der großen Internationalen Kunstausstellung im Glaspalast zu München (1869). An ihr nahmen die zukunftsträchtigsten franz. Maler, Courbet und Manet, teil, zugleich mit jungen Deutschen wie V. Müller, O. Scholderer, H. Thoma und L. Letzterer zeigte u. a. das im Winter 1868/69 ausgeführte Bildnis der schwangeren Frau des Münchner Architekten L. Gedon, eines der Hauptwerke der deutschen Kunst des|19. Jh., das der persönlich anwesende Courbet als das schönste Bild der Ausstellung bezeichnete. Courbet vermittelte L. eine Reise nach Paris, die vom 13.11.1869 bis zum Kriegsausbruch 1870 dauerte. Dieser nötigte ihn zur Rückkehr nach Deutschland, unterbrach die so überaus fruchtbaren deutsch-franz. Kulturbeziehungen jedoch nur vorübergehend. Namentlich L. unterließ es nicht, sich seit dem Erfolg seiner „Frau Gedon“ im Pariser Salon von 1870 mit seinen besten Leistungen dem Pariser Publikum und der Pariser Kritik zu stellen, da er nur diese wirklich ernst nahm – so ernst, daß er eine seiner Hauptanstrengungen, das „Wildschützen“-Bild, übertrieben selbstkritisch und entmutigt zerschnitt, als es 1886 in Frankreich nicht den gewohnten Erfolg hatte.

    Zwischen 1871 und 1873 bestand jene Künstlerverbindung, die als „Leibl-Kreis“ in die Kunstgeschichte eingegangen ist. W. Trübner, K. Schuch und A. Lang arbeiteten 1871 gemeinsam in Bernried am Starnberger See, wohin Schuch dann auch L. einlud. L. bewährte sich in dieser oft sehr eng zusammenarbeitenden Gemeinschaft als die große moralisch-künstlerische Instanz, deren Intensität und Ernsthaftigkeit allen zum Maßstab diente, während er selbst darauf verzichtete, trotz überlegenen Könnens den Mentor zu spielen, wie die Mitglieder des Kreises ihrerseits darauf bedacht waren, nicht L.s Stil zu imitieren. Der äußere Zusammenhalt begann sich bereits zwei Jahre später zunehmend zu lockern; die große Konzentration der Arbeit wirkte jedoch noch eine Zeitlang nach, besonders bei Trübner, Schuch und den Frankfurtern H. Thoma und O. Scholderer, wenn auch diese schließlich alle getrennte Wege gingen. – L. selbst wurde der Münchner Kunstbetrieb mehr und mehr zuwider; er behielt zwar sein Münchner Atelier noch bis 1886, benützte es aber immer seltener und zog sich meist in Begleitung seines Freundes, des Landschaftsmalers J. Sperl, malend, jagend und Sport treibend, auf oberbayer. Dörfer zurück und wurde in der Metropole mehr und mehr vergessen. Erst 1890 erwarb die Neue Pinakothek ein Werk dieses bedeutendsten Münchner Malers der zweiten Hälfte des 19. Jh., das kleine Bild „In der Bauernstube“, das man damals wohl ein wenig mit Defregger verwechselte.

    Die Lebensstationen dieses äußerlich zurücktretenden, in den Ansprüchen an sich selbst jedoch keinen Augenblick erlahmenden Malerlebens waren: 1873-74 Graßlfing im Dachauer Moos, 1875-77 Unterschondorf am Ammersee, Frühjahr 1878 bis Frühjahr 1881 Berbling, südwestlich von Aibling, Frühjahr 1881 bis Herbst 1892 Aibling, Herbst 1892 bis Herbst 1900 Kutterling, südlich von Aibling.

    L. hat eine eher widerspruchsvolle als geradlinige künstlerische Entwicklung gehabt. Diese kann in drei Hauptperioden gegliedert werden:

    Nach Anfangswerken aus den frühen sechziger Jahren, die weder durch besondere Originalität noch Frühreife herausragen, entstehen auf der Münchner Akademie (seit 1864) neben weiterhin etwas unbeholfenen, höchstens durch ihre innere Aufrichtigkeit und den spürbaren Ernst des Suchens ausgezeichneten Schülerarbeiten erst vereinzelt, dann in immer dichterer Folge Zeugnisse einer frühen Meisterschaft, deren Höhepunkt das „Bildnis der Frau Gedon“ (1868/69) ist. L. steht hier auf dem Boden der Münchner Tonmalerei, wie sie am konzentriertesten W. v. Diez und die Künstler seines großen Kreises aus den Werken der Alten Meister (z. B. D. Velazquez und F. Hals), aber auch zeitgenössischer Franzosen und Belgier (z. B. Th. Couture und L. Gallait) entwickelt haben: Sonore Farben, in breiter, offener Pinselschrift flächenhaft aufgetragen. Bei L. kommt noch eine besonders delikate farbliche Lebhaftigkeit hinzu, die ihn in unmittelbare Nähe zu den modernen Franzosen, besonders zu E. Manet, bringt. Die französische Orientierung von L.s Kunst wird durch den Aufenthalt in Paris 1869/70 nachhaltig gefestigt.

    In der Graßlfinger, Unterschondorfer und Berblinger Periode vollzieht sich ein Bruch in L.s Entwicklung, zunächst auf thematischem Gebiet: Die bäuerliche Umgebung trägt Motive, welche die bürgerlichen, z. T. sogar mondänen der Zeit um den Paris-Aufenthalt zunehmend zurückdrängen. Die Malweise bleibt jedoch auch bei bäuerlichen Darstellungen noch eine Zeitlang betont malerisch im Sinne der modernen Franzosen, so bei den „Dachauerinnen im Wirtshaus“, bei der „Dachauerin mit Kind“ und dem Bild „Die Dorfpolitiker“. Bei dem letztgenannten Werk ist die Malkultur so verfeinert, daß die Pariser Kritik sich an Holbein erinnert fühlte. L., für den das französische Urteil stets das ausschlaggebende Gewicht hatte, scheint das Stichwort „Holbein“ veranlaßt zu haben, die Prinzipien des Reinmalerischen zu überdenken und z. T. radikal aufzugeben zugunsten der mehr zeichnerisch orientierten, detailreichen Form, in der darüber hinaus archaisierende Tendenzen sichtbar werden, die offenbar „altdeutsch“ gemeint sind. Die Hauptwerke des „holbeinischen“ L. sind der „Jäger“ (Anton v. Perfall, Schondorf 1876) und die „Drei Frauen in der Kirche“ (Berbling 1878/82). In einigen Fällen führen die neuen Stiltendenzen zur Katastrophe: das Langbehn-Porträt (1877), das „Mädchen mit der Nelke“ (1880) und das besonders angestrengt konzipierte Wildschützenbild (1882/86) werden von L. zerschnitten, weil ihm bei der Konzentration auf das Detail die Gesamtschau verlorengegangen war. Beispielhaft für diese kritische Entwicklungsphase ist das Bildnis der Gräfin Treuberg (1877/78), in dem neben „holbeinischen“ reinmalerische und sogar schon modern impressionistische Elemente stehen, die auf L.s letzte Schaffensperiode vorausweisen, in der sich die Spannungen lösen und die Gegensätze ausgleichen.

    Wie ein Prolog zum letzten Schaffensabschnitt L.s (Aibling, Kutterling), der im Zeichen einer Harmonisierung aller künstlerischen Zielsetzungen und Elemente steht, wirkt der „Zeitungsleser“ (Tierarzt Reindl, um 1890): ein ausgesprochen impressionistisches kleines Werk. Es blieb zwar ein Einzelfall in L.s Oeuvre – der Künstler hat sich nie endgültig für den Impressionismus entschieden – die freie, gelöste malerische Handschrift aber ist fast allen Spätwerken L.s zu eigen, und mit seinem letzten Gemälde, dem ebenso ausdrucksvollen wie farbschönen Bildnis der Frau Rosner-Heine (1900), hat L. zur absoluten malerischen Ausgeglichenheit der „Frau Gedon“ (1868/69) zurückgefunden.

    Die Kunsttheorie des Leibl-Kreises haben ausdrücklicher als L. selbst seine Freunde Trübner und Schuch in Tagebüchern, Briefen, Aufsätzen und Vorträgen zusammengefaßt. Sie wird darin gemeinhin auf den Begriff „reinmalerisch“ gebracht. Das bedeutet: Vorrangig ist die Kultur der malerischen Mittel – malerisch sowohl als Gegensatz zu graphisch oder plastisch als auch als Verzicht auf literarische Bildinhaltlichkeit, auf Stimmungs- und Ausdruckswerte verstanden. Namentlich beim späten Schuch verliert zunehmend auch die naturalistische Gegenständlichkeit an Bedeutung, wie dieser Künstler überhaupt dasjenige Mitglied des Leibl-Kreises ist, das die Theorie nicht nur am häufigsten und eindringlichsten diskutiert, sondern sie auch am konsequentesten im Kunstwerk realisiert hat. L. selbst, der über das „Seelenvolle“ in der Malerei zu spotten pflegte, hat in seiner Kunst die Ausdruckswerte freilich nie vernachlässigt, sondern wohl die ausdrucksvollsten Menschendarstellungen geschaffen, die das deutsche 19. Jh. kennt.

  • Werke

    Leibls Vater, 1866 (Köln, Wallraf-Richartz-Mus.);
    Die Kokotte, 1870 (ebd.);
    Die Tischgesellschaft, 1870/73 (ebd.);
    In d. Küche, 1898 (ebd.);
    Bildnis d. Frau Gedon, 1868/69 (München, Neue Pinakothek);
    Maler Sattler mit Dogge, 1870 (ebd.);
    Bildnis d. Lina Kirchdorffer, 1871 (ebd.);
    Zwei Dachauerinnen im Wirtshaus, 1874/75 (Kriegsverlust);
    Der Jäger, 1876 (Kriegsverlust);
    Die Dorfpolitiker, 1876/77 (Winterthur, Stiftung Oskar Reinhart);
    Gfn. Treuberg, 1877/78 (Hamburg, Kunsthalle);
    Drei Frauen in d. Kirche, 1878/82 (ebd.);
    Die Spinnerin, 1892 (Leipzig, Mus. d. bildenden Künste);
    Bildnis Frau Rosner-Heine, 1900 (Kriegsverlust).

  • Literatur

    J. Mayer, W. L., 1906 (P);
    E. Waldmann, W. L., Eine Darst. s. Kunst, Gesamtverz. s. Gem., 1914, ²1930 (P);
    ders., L. als Zeichner, 1943 (P);
    A. Langer, W. L., 1961 (Bibliogr., P);
    E. Ruhmer, Die Kunsttheorie d. Leibl-Kreises, in: W. L. u. s. Kreis, Kat., 1974, S. 29-44 (P);
    ders., W. L. et ses amis - pour et contre l'impressionisme, in: Gazette des Beaux-Arts, 1980, S. 187-97 (P);
    H. Keller, W. L., Ein Kölner Maler in Bayern, 1980;
    Kindlers Malerei-Lex. IV;
    ThB. - Zu V Karl:
    H. Hack, Die Kölner Dommusikkapelle, in: Jb. d. Kölner Gesch.ver., 1922;
    Riemann.

  • Porträts

    Gem. v. R. Hirth du Frênes (Karlsruhe, Staatl. Kunsthalle), Abb. In: W. L. u. s. Kreis, Kat., 1974.

  • Autor/in

    Eberhard Ruhmer
  • Zitierweise

    Ruhmer, Eberhard, "Leibl, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 119-121 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118571222.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA