Lebensdaten
1098 – 1179
Geburtsort
Bermersheim bei Alzey (Rheinhessen)
Sterbeort
auf dem Rupertsberg bei Bingen
Beruf/Funktion
Mystikerin ; Gründerin und Äbtissin des Klosters Rupertsberg ; Verfasserin mystischer Werke
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118550993 | OGND | VIAF: 87772061
Namensvarianten
  • Hildegard
  • Sanct Hildegard
  • Hildegard von Bingen
  • mehr

Orte

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Zitierweise

Hildegard von Bingen, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118550993.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hildebert, Edelfreier auf Gut Bermersheim;
    M Mechtild;
    B Hugo, Domkantor in Mainz, Roricus, Kanoniker in Tholey (Saar);
    Schw Clementia, Nonne im Kloster Rupertsberg.

  • Biographie

    Als 10. Kind Gott geweiht, wird H. der geistlichen Erziehung der Reklusin Jutta von Spanheim anvertraut. Auf dem Disibodenberg bei Bingen erhält die „inclusa“ Elementarunterricht in der „Regula Benedicti“, der Liturgik und einem Teil der „Artes liberales“. Um 1114 nimmt sie aus der Hand des Bischofs Otto von Bamberg den Schleier. Nach Juttas Tod wird H. 1136 zur „magistra“ des Frauenkonvents gewählt. Zwischen 1147 und 1152 gründet sie ein >Kloster auf dem Rupertsberg, das durch seine großzügige bauliche und hygienische Konzeption berühmt wurde (1632 durch die Schweden zerstört). 1158 läßt sich H. durch EB Arnold von Mainz die Rechtsgrundlagen ihres Klosters sichern. Am 16.4.1163 stellt ihr Friedrich Barbarossa auf dem Hoftag zu Mainz einen Schutzbrief aus, in dem der Name „abbatissa“ erstmals urkundlich erwähnt ist. Auf dem gegenüberliegenden Rheinufer oberhalb Rüdesheim gründet H. 1165 in einer leerstehenden Augustinerabtei ein Filialkloster, das 1802 säkularisiert wurde und heute Sitz der Sankt Hildegardis-Abtei zu Eibingen ist.

    Im Jahre 1141 beginnt H., unter dem Eindruck visionärer Erlebnisse und mit Hilfe des Mönches Volmar und der Nonne Richardis von Stade ihre Schau von der Schöpfung und Erlösung der Welt (Sci vias) niederzuschreiben. 1147/48 läßt Papst Eugen III. durch eine Kommission auf dem Disibodenberg die Schrift prüfen, um auf der Trierer Synode ihren visionären Charakter zu bestätigen. Um die Jahrhundertmitte haben diese Visionen wie auch eine weitreichende Korrespondenz und zahlreiche Liedschöpfungen H.s Ruf einer „prophetissa teutonica“ begründet. Bereits in diesen frühen Schriften begegnet uns nicht nur das geschlossene Welt- und Menschenbild, sondern auch ein erstrangiges politisches Dokument, in welchem die Seherin ihre energische Zeitkritik vorträgt. Unmittelbar damit verknüpft sind die vier großen Predigtreisen, die in das Jahrzehnt zwischen 1160 und 1170 fallen und auf denen H. im Stil der evangelischen Volkspredigt ihr weibisches Zeitalter (tempus muliebre) attackiert. Die Predigten richten sich ebenso gegen eine zwiespältige Diplomatie wie gegen den verrotteten Klerus, vor allem aber gegen die aufkommende Häresie der Katharer. Die 1. Missionsreise führt H. um 1160 nach Mainz, Würzburg, Kitzingen, Ebrach und Bamberg, eine zweite nach Trier, Metz und Lothringen. Zwischen 1161 und 1163 fällt eine Rheinfahrt über Boppard und Andernach nach Köln und Werden an der Ruhr. Auf ihrer letzten Predigtfahrt bereist H. um 1170 Maulbronn, Hirsau, Kirchheim unter Teck und Zwiefalten. Inhalt und Echo dieser Missionsreisen, die zu Pferd, per Schiff oder zu Fuß durchgeführt wurden, spiegeln sich in eigenen Sendschreiben sowie im Briefwechsel; sie zeugen vom Ansehen der Prophetin wie auch vom Mut ihres öffentlichen Auftretens. Noch im hohen Alter kämpft H. gegen das 1179 von den Mainzer Prälaten erlassene Interdikt und verschafft ihrem Kloster eine Ehrenrettung. Kurz nach Aufhebung des Interdiktes verstarb H. auf dem Rupertsberg. Seit Beginn des 15. Jahrhunderts wird sie als Heilige in kirchlichen Kalendarien und Martyrologien aufgenommen, obwohl das Kanonisationsverfahren, eingeleitet unter den Päpsten Gregor IX. und Innozenz IV., zu keinem Abschluß kam.

    Das ungewöhnlich breit angelegte Werk H.s blieb für Jahrhunderte ohne Wirkung. Zwar weist das „Verfasserlexikon“ der deutschen Literatur des Mittelalters auf die „zahlreichen Sparten kulturgeschichtlicher Gebiete“ hin, die durch H. erschlossen wurden und die uns einen vielseitigen Einblick in das religiöse, politische, wissenschaftliche, ärztliche und gesellschaftliche Denken und Leben der Zeit geben könnten. Der Universalismus ihres Denkens und Handelns aber ist bereits im 13. Jahrhundert nicht mehr zur Geltung gekommen. Die umfassende symbolistische Weltschau H.s wurde durch den neuplatonisch-arabistischen Aristotelismus überflutet; ihre theologisch wie naturphilosophisch unterbaute Anthropologie konnte sich nicht gegen den „neuen Aristoteles“ behaupten,|wie er an den Schulen von Salerno, Chartres und Toledo assimiliert wurde, um in der thomistischen Scholastik kanonisiert zu werden. Das Gesamtwerk war bald schon auf das vom Prior Gebeno von Eberbach 1220 kompilierte pseudo-prophetische „Speculum futurorum temporum“ geschrumpft und durch die einseitige Beurteilung in den „Opera historica“ (1601) des Abtes Trithemius in Mißkredit geraten. Immerhin finden wir unter den Frühdrucken sowohl H.s „Scivias“ (1513) als auch die „Physica“ (1533), die auch der Ausgabe Migne, PL 197 (1855) zugrundeliegen. In den letzten 50 Jahren erst zeigt sich eine stärkere Hinwendung auf die Quellen und damit erstmalig auf die weitgespannte und reichgegliederte Thematik des Gesamtschrifttums.

    Im Mittelpunkt der Werke H.s steht zweifellos die visionäre Trilogie. 1141-51 schrieb sie am „Liber Scivias“, einer Glaubenslehre, die Kosmologie und Anthropologie aufs engste mit der Theologie verknüpft. Zwischen 1158 und 1163 entstand der „Liber vitae meritorum“, Wechselgespräche der Tugenden und Laster nach Art der traditionellen Psychomachien, vorgestellt unter universalem Aspekt und mit originellem psychologischen Tiefblick. In das Jahrzehnt 1163-73 fallen die grandiosen Kosmosvisionen des „Liber divinorum operum“, der in der Genter Handschrift des 12. Jahrhunderts den Titel „De operatione Dei“ trägt. Das „Buch der Gotteswerke“ wird mit Recht als H.s zentrale schöpferische Leistung angesehen. In zehn Visionen entfaltet sich eine kosmologisch unterbaute Heilsgeschichte von der Genesis bis zur Apokalypse, wobei die Deutung des Johannes-Prologs die verbindliche Sicht auf den Menschen als die leibhaftige Mitte des Kosmos zeigt. In konzentrischen Kreisen ordnen sich die Weltsphären auf die Gestalt des Menschen zu, der seinerseits in das Weltenrad gespannt ist und die Kräfte des Universums in Bewegung hält. Auf geheimnisvolle Weise greift damit der äußere Aufbau der Natur in den Ablauf der Geschichte und das sittliche Schicksal des Menschen ein. Die Einheit dieser Schöpfungsordnung umfaßt die Welt der Engel ebenso wie Pflanzen und Tiere; sie verknüpft das Sinnenleben mit dem Gnadenwirken und stellt den Menschen mit Leib und Seele, Welt und Kirche, Natur und Gnade in die verbindliche Verantwortung seiner „operatio“.

    Die gleiche Perspektive des Visionssystems bieten die Briefe und Lieder, die den Ruf der „rheinischen Sibylle“ begründet haben und die sie zum „Orakel“ für Kaiser und Päpste, für den Klerus wie das Volk werden ließen. In einem Briefwechsel, dessen Echtheit durch jüngste Quellenanalysen gesichert ist, begegnen uns die Päpste Eugen III., Anastasius IV., Hadrian IV. und Alexander III., ferner die Erzbischöfe von Mainz, Trier, Köln und Salzburg, an bevorzugter Stelle auch Bernhard von Clairvaux. In einem Schreiben an Kaiser Friedrich I. Barbarossa wird die Begegnung auf der Pfalz bei Ingelheim erwähnt; in weiteren Briefen wendet sich H. energisch gegen die Papstpolitik Barbarossas. Briefpartner sind König Konrad III., König Heinrich II. von England, Bertha, Gräfin von Sulzbach und Kaiserin von Byzanz, sowie zahlreiche Bischöfe, Herzöge, Äbte, Äbtissinnen, Priester und Laien. Den visionären Duktus in poetischer Verdichtung tragen etwa 75 „Carmina“, die als „Symphonia harmoniae coelestium revelationum“ bezeichnet worden, sowie ein geistliches Singspiel, der „Ordo Virtutum“. Handschriftlich im Neumenstil überliefert sind auch die Kompositionen dieser Hymnen, Sequenzen und Responsorien, in ihren Motiven stark variiert, mit typisch weiten Intervallen und reicher Melismatik. Zum visionären Schrifttum rechnen weiterhin kleinere Lehrstücke wie die „Regulae S. Benedicti Explanatio“, eine „Explanatio Symboli S. Athanasii“, der „Liber expositionis quorundam Evangeliorum“, ferner zwei hagiographische Studien auf lokaler Tradition fußend, die „Vita S. Ruperti“ und die „Vita S. Disibodi“, sowie Fragmente einer Autobiographie, die in die „Lebensbeschreibung“ der Mönche Gottfried und Theoderich aufgegangen sind. Zu erwähnen ist schließlich eine nicht interpretierte „Lingua ignota“.

    In das Jahrzehnt zwischen 1150-60 fallen die natur- und heilkundlichen Lehrschriften, die als „Physica“ und „Causae et curae“ ediert wurden, während sie in der handschriftlichen Fassung den Titel „Liber simplicis et compositae medicinae“ tragen. Vermutlich gehen beide Naturschriften auf eine Handschrift zurück, den „Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum“. Während die „Naturkunde“ im traditionellen Stil von „De natura rerum“ aufgebaut ist und eine Elementenlehre, eine Tier- und eine Pflanzenkunde bringt, läßt die „Heilkunde“ diesen systematischen Aufbau vermissen, was der einzig erhaltenen Kopenhagener Handschrift des 13. Jahrhunderts anzulasten ist, die mit zahlreichen Zwischentiteln, Umstellungen und Zusätzen versehen wurde. In beiden Naturschriften, vor allem aber in der Physiologie, der Pathologie und in einer naturalistisch artikulierten Sexuallehre, sind Mensch und Natur nach einem durchgehenden anthropologischen Korrelationsgesetz aufeinander zugeordnet, da „alles, was in der Satzung Gottes steht, einander Antwort gibt“.

    H.s Weltbild behauptet bei aller Berührung mit frühscholastischen Traditionen und bei aller Bezogenheit zur reichhaltigen Kosmologie des 12. Jahrhunderts durchaus seine Sonderstellung. Abhängigkeiten zur Schule von Salerno oder zum Arabismus lassen sich nicht überzeugend nachweisen. Ebenso sind vermutete Relationen zur Schule von Chartres ohne Quellenbelege geblieben. Insbesondere zeigt H.s Bild der „viriditas“ als einer tragenden naturhaften Lebenskraft kaum Analogien mit dem Naturbegriff des Thierry von Chartres oder des Wilhelm von Conches und keinerlei Ähnlichkeit mit dem antikisierenden Naturgemälde des Bernardus Silvestris. Allenfalls finden sich Anklänge an den symbolistischen Weltbau des Rupert von Deutz, weniger hingegen an die allegorisierende Schematik eines Honorius Augustodunensis. Kurz vor dem Umbruch ins scholastische System steht diese Bildwelt noch ganz in der archaisch-sakramentalen Lebensordnung des frühen Abendlandes. Von hier aus will das Werk gedeutet werden. Eine kritische Edition liegt jedoch nicht vor. Die Interpretation des Gesamtwerkes steht noch aus.

  • Werke

    Lat. Ausgg.: Physica S. Hildegardis, 1533;
    J. P. Migne, Patrologiae cursus completus 197;
    J. P. Pitra, Nova S. Hildegardia opera, = Analecta sacra VIII, 1882;
    P. Kaiser, Hildegardis Causae et curae, 1903. -
    Dt. Ausgg.: Wisse d. Wege (Scivias), hrsg. v. M. Böckeler, ⁵1963;
    Heilkde., hrsg. v. H. Schipperges, ²1957;
    Naturkde., hrsg. v. P. Riethe, 1959;
    Welt u. Mensch, hrsg. v. H. Schipperges, 1965;
    Briefwechsel, hrsg. v. A. Führkötter, 1965;
    Lieder, hrsg. v. P. Barth u. a., 1969.

  • Literatur

    ADB XII;
    L. Clarus, Leben u. Schrr. d. hl. H., 2 Bde., 1854;
    J. P. Schmelzeis, Leben u. Wirken d. hl. H., 1879;
    H. Fischer, Die hl. H. v. B., d. 1. dt. Naturforscherin u. Ärztin, in: Btrr. z. Gesch. d. Lit., Naturwiss. u. Med. 7/8, 1927;
    J. May, Die hl. H. v. B., ²1929;
    H. Liebeschütz, Das allegor. Weltbild d. hl. H. v. B., 1930;
    I. Herwegen, Die hl. H. im Lichte ihrer geschichtl. Sendung, in: Kath. Gedanke 3, 1930;
    A. Rozumek, Die sittl. Weltanschauung d. hl. H. v. B., phil. Diss. Eichstätt 1934;
    M. Ungrund, Die metaphys. Anthropol. d. hl. H. v. B., 1938;
    M. Schrader, Heimat u. Sippe d. dt. Seherin St. H., 1941;
    dies., in: Nassau. Lb. III, 1948;
    dies. u. A. Führkötter, Die Echtheit d. Schrifttums d. hl. H. v. B., 1956;
    H. Schipperges, Krankheitsursache, Krankheitswesen u. Heilung in d. Klostermed., dargest. am Weltbild H.s v. B., med. Diss. Bonn 1951;
    ders., Das Bild d. Menschen bei H. v. B., Btr. z. Phil. Anthropol. d. 12. Jh., phil. Diss. Bonn 1952;
    ders., Ein unveröff. H.-Fragment (Cod. Berolin. Lat. Qu. 674), in: Sudhoffs Archiv f. Gesch. d. Med. u. Naturwiss. 40, 1956;
    ders., Das Schöne in d. Welt H.s v. B., in: Jb. f. Ästhetik 4, 1958/59;
    ders., Die Welt d. Engel bei H. v. B., 1959;
    ders., Das Menschenbild H.s v. B., in: Erfurter Theol. Schrr. 5, 1961;
    ders., Anthropolog. Aspekte im Weltbild H.s. v. B., in: Trierer Theol. Zs. 74, 1965;
    ders., Welt u. Mensch b. H. v. B., in: Jb. f. Psychol., Psychotherapie u. Med. Anthropol. 14, 1966;
    B. Widmer, Heilsordnung u. Zeitgeschehen in d. Mystik H.s v. B., 1955;
    A. Führkötter, in: Die Gr. Deutschen V, 1957;
    (Gottfried v. Disibodenberg u. Theoderich v. Echternach), Das Leben d. hl. H. v. Bingen, hrsg., eingel. u. übers. v. A. Führkötter, 1968;
    J. Koch, Der heutige Stand der H.-Forschung, in: HZ 186, 1958;
    Vf.-Lex. d. MA II, V;
    Eppelsheimer I-VIII. W. Lauter, H.-Bibliogr., 1971.

  • Autor/in

    Heinrich Schipperges
  • Zitierweise

    Schipperges, Heinrich, "Hildegard von Bingen" in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 131-133 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118550993.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Hildegard: Sanct H., ist im Sommer des Jahres 1098 zu Böckelheim in der Grafschaft Sponheim geboren und starb als Vorsteherin des von ihr 1147 gegründeten adlichen Klosters Rupertsberg bei Bingen (die Stelle heißt jetzt Bingerbrück), den 17. September 1179. Ihre Eltern hießen Hildebert und Mechtildis. Diese schickten ihr achtjähriges Kind in das benediktiner Doppelkloster Disibodenberg (Gegend von Kreuznach), wo H. 1136 der Meisterin Jutta nachfolgte. Vom Jahre 1141 an trat sie, die bereits als fünfjähriges Kind die Farbe eines Kalbes im Leibe der Mutter geschaut, auch schriftstellerisch als Seherin, als „die Sibylle vom Rhein" auf. Ihre zum größten Theil, mit Hülfe von geistlichen Redaktoren, in der Form von „Visionen“ abgefaßten Werke, in denen die „Umarmungen“ des himmlischen Bräutigams und der|irdischen Correspondenten gar zu häufig vorkommen, sind folgende: 1) „Liber scivias" (1141—50); 2) „Liber vitae meritorum" (1158—62); 3) „Liber divinorum operum“ (1163—70); 4) „Expositiones evangeliorum“ (vor 1157); 5) „Ignota lingua et ignotae litterae"; 6) „Symphonia Harmoniae coelestium revelationum“ (die offenbarte Sprache, Schrift und Musik sind vor 1153 entstanden); 7) „Vita S. Disibodi“ (1170—72); 8) „Vita S. Ruperti“ (1172, beide Vitae sind rein mythisch); 9) „Liber simplicis medicinae“ (1150—57); 10) „Liber compositae medicinae"; 11) „Liber espistolarum et orationum“ (1146—79). Bruchstücke aus diesem ausgedehnten Briefwechsel mit Kaisern, Päpsten und anderen weltlichen und kirchlichen Würdenträgern werden häufig als selbständige Schriften aufgeführt. Das „Speculum futurorum temporum“ ist eine freie Bearbeitung von Hildegardistexten (Pentachronon, 1220) durch den Abt Gebeno von Eberbach. Die „Revelatio Hildegardis de fratribus quatuor mendicantium“ (1255?), und die übrigen Prophezeihungen der H. wider Bettelorden, Flagellanten und Jesuiten, sind Fälschungen. Die bei Denis, Codices mss. theol., Vindobonae 1800 Fol. II. 2. S. 1723—1732 eingehend beschriebene Pergamenthandschrift von Werken des heiligen Hildegard war schon vor 1830 aus der k. k. Hofbibliothek zu Wien verschwunden. Die Benediktiner zu Solesmes (namentlich die Patres Pothier) in Frankreich bereiten eine neue Ausgabe ihrer Werke vor. Eine vollständige Bibliotheca Hildegardiana habe ich zusammengestellt in meinem Buch: Die Handschriften der königlichen Landesbibliothek in Wiesbaden (Wiesbaden 1877), S. 1—96, wo jetzt noch folgendes hinzukommt: Phrophetia sanctae Hildegardis abbatissae. Rescriptio Sancti Odalrici Episcopi. in qua Nicolao Papae de continentia clericorum, non juste sed impie, non canonice, sed indiscrete, tractanti respondit. Epistola M. Johannis Hauerlant — ad M. Ortwinum Gratium Daventrianum. Schluß: Lovanii ex Cubiculo nostro in Porcone Leporina manu. Kalen. Martii Civis Utopiensis excudebat anno reformationis novae sub intersignio chimerae“ (8 Octavblätter, o. I.). — „Fragmenta Prophetiae Stae Hildegardis eorumque Interpretatio“ (Papierhandschrift vom Geistl. Rath J. Zaun in Kiederich). — Rosweyde's Generale Legenden der Heyligen enthalten einen holländischen Auszug der „Vita S. Hildegardis“ (1181—91).

    • Literatur

      Luise von Plönnies, Die Legende vom heiligen Rupert. (Gedicht in K. Simrock's Rheinsagen, Bonn 1841. S. 217 ff.; vgl. sein malerisches und romantisches Rheinland, Leipz. 1845. S. 344; K. Stieler. Rheinfahrt, Stuttg. Fol. o. J. S. 205.) Fr. Böhringer, Die Kirche Christi und ihre Zeugen II. 1. (Zürich 1849), S. 543—50. (Vgl. Jung Stilling's Sämmtliche Werke. VIII. Stuttg. 1841, S. 116; Zeitschrift für wissenschaftl. Theologie. II. Jena 1859, S. 351; P. Leop. Janauschek, Originum Cisterciensium tom. I. Wien 1877. S. 83; Fr. v. Raumer. Hohenstausen. III. Ausg. 1824. S. 614; Val. Al. Franz Falk. Heiliges Mainz. Mainz 1877, S. 113. 203, 281.) J. Ph. Schmelzeis. Das Leben und Wirken der H. Hildegardis (Freiburg i. Br. 1879). Eine wissenschaftliche Hildegardisbiographie fehlt aber noch.

  • Autor/in

    v. d. Linde.
  • Zitierweise

    Linde, Antonius van der, "Hildegard von Bingen" in: Allgemeine Deutsche Biographie 12 (1880), S. 407-408 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118550993.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA