Lebensdaten
1872 – 1924
Geburtsort
Neustadt/Haardt
Sterbeort
bei Bellinzona (Eisenbahnunglück)
Beruf/Funktion
Nationalökonom ; Bankier ; Staatssekretär ; liberaler und deutschnationaler Politiker ; Reichsvizekanzler
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118773828 | OGND | VIAF: 27163099
Namensvarianten
  • Helfferich, Karl Theodor
  • Helfferich, Karl
  • Helfferich, Karl Theodor
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Zitierweise

Helfferich, Karl, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118773828.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Friedrich (* 1845), KR, Inh. d. Wirkwaren- u. Trikotagenfabrik C. Helfferich, S d. Carl aus Dülken/Nd.rhein, Gründer d. Firma;
    M Auguste, T d. Joh. Phil. Jac. Knöckel (1811–70), Papierfabr. in N. u. d. Emilie Zipelius;
    Om Theodor Knöckel (1837–1902), KR, Papierfabr. (Schmidt u. Knöckel);
    B Philipp (* 1874), KR, Fabrikdir., Stadtrat, Vorsitzender d. Dt.-nat. Volkspartei in d. Pfalz (s. Rhdb.; Wenzel), August (* 1876), KR, Fabrikdir. (s. Wenzel), Emil (* 1878), Großkaufm. in Hamburg (s. Wi. 1935), Wilhelm (* 1882), Dir. d. Joseph-Vögele-AG; Cousine Elsa Knöckel ( Gustav v. Römheld, 1861–1933, hess. WGR u. Kab.chef);
    - Wendisch-Ahlsdorf 1920 Annette (1886–1965), Wwe d. Hans Frhr. v. Müffling ( 1914), Legationsrat, T d. Georg v. Siemens ( 1901), Dir. d. Dt. Bank, u. d. Elise Görz (Schw d. Herm. G., 1930, Elektro-Ing. u. Betriebsleiter, s. NDB VI);
    1 S.

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Gymnasiums in Neustadt studierte H. 1890-94 in Berlin, München und Straßburg Rechts- und Staatswissenschaften bei Gustav Schmoller, Lujo Brentano, Georg Friedrich Knapp (Promotion Straßburg 1894 bei Knapp; Dissertation: „Die Folgen des deutsch-österreichischen Münzvereins von 1857“). Anschließend arbeitete er in Berlin wissenschaftlich und publizistisch auf dem Gebiet der Geldgeschichte, Geldtheorie und Währungspolitik. Mit der Arbeit „Die Reform des deutschen Geldwesens nach der Begründung des Deutschen Reiches“ (2 Bände, 1898) habilitierte er sich 1899 an der Universität Berlin. Die Habilitation erfolgte gegen den Widerstand Adolf Wagners und Hans Delbrücks auf Grund der befürwortenden Voten von Schmoller, Max Sering und Theodor Mommsen. Bis 1906 hielt H. nationalökonomische Vorlesungen (1902 Professor-Titel). Zwei ihm angebotene Lehrstühle (1902 TH Karlsruhe, 1904 Universität Bonn) lehnte er ab. Die Hauptfrucht seiner wissenschaftlichen Arbeit war sein Buch „Das Geld“ (1903, ⁶1923). Dessen Bedeutung liegt nicht darin, daß es theoretisch originell ist, sondern in der Klarheit der Darstellung und in der Verbindung von Geldgeschichte, Geldtheorie und in Schlußfolgerungen für die Praxis. Im Gegensatz zu seinem Lehrer Knapp, der eine nominalistische, juristisch orientierte Geldtheorie vertrat, ist H. in allen Auflagen seines Werkes „Metallist“ geblieben. Ein Geld, das bloßes Zeichen sei (Papiergeld) und dessen Wert und Volumen vom Staat nach den Kriterien der Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Vernunft festgesetzt werde, hielt H. nur für theoretisch möglich, aber nicht für praktikabel; denn es gebe kein zuverlässiges Kriterium für die Veränderungen des Geldwertes, und es gebe auch keine Sicherheit dafür, daß bei reiner Papierwährung die Regelung der Geldausgabe lediglich nach den Erfordernissen der Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Vernunft erfolge: Die unbeschränkte Möglichkeit, aus nichts Geld zu machen, sei für den Staat viel zu verlockend. Ferner sei ein stabiles Verhältnis zwischen dem (Papier-) Geldwert in den einzelnen Staaten nur durch eine einheitliche, überstaatliche Zentrale herzustellen; eine solche Regelung des Geldwertes und Geldvolumens hielt H. für ebenso schwierig wie die Herstellung des ewigen Friedens. Deshalb erklärte er die Verbindung des Geldwertes mit einem Edelmetall – am besten Gold – für notwendig.

    Neben wissenschaftlicher Arbeit drängte es K. auch zu praktischer Wirksamkeit. So trat er seit 1895 den Forderungen der Agrarier nach einer Doppelwährung für Deutschland und nach völliger Verstaatlichung der Reichsbank publizistisch entgegen. Das brachte ihn in Verbindung mit linksliberalen Politikern (Ludwig Bamberger, Th. Barth, Th. Mommsen), mit Bankiers (Georg von Siemens, Reichsbankpräsident Koch) und mit hohen Beamten (Miquel, Rudolf/Rudolph von Delbrück). Als anerkannter Währungsfachmann wurde H. 1901 in die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes berufen, um die Währungsverhältnisse in den deutschen Kolonien zu regeln. 1904 wurde er zum Legationsrat, 1905 zum Vortragenden Rat ernannt. Auf H.s Vorschlag wurde 1904 in den deutschen Kolonien außer Deutsch-Ostafrika die Mark als Zahlungsmittel eingeführt. Schwieriger war die Regelung in Deutsch-Ostafrika, weil hier neben indischen Rupien minderwertige Rupien der Deutsch-Ostafrikan. Gesellschaft im Umlauf waren. Bis 1905 gelang es H., in der Kolonie eine neue Rupienwährung einzuführen, die in einem festen Wertverhältnis zur Mark stand. 1906 schied er aus dem Reichsdienst aus und wurde Direktor der Anatolische Eisenbahngesellschaft in Konstantinopel, deren Hauptaktionär die Deutsche Bank war. 1908 wurde er Vorstandsmitglied der Deutschen Bank; seit 1910 war er daneben Mitglied des Zentralausschusses der Reichsbank. Diese Ämter legte H. nieder, als er am 31.1.1915 als Staatssekretär des Reichsschatzamtes die Leitung der Reichsfinanzen übernahm.

    Für die Finanzierung der deutschen Kriegführung im 1. Weltkrieg wählte H. anstelle einer stärkeren Ausschöpfung der Steuerkraft – wie es in Großbritannien geschah – den Weg der Anleihen. Dadurch wurde eine inflationäre Entwicklung eingeleitet, zumal seit Herbst 1916 die Anleihen zur Deckung des Defizits nicht mehr ausreichten und die Ausgabe von Banknoten erheblich vermehrt werden mußte. Neben den Anleihen als Hauptfinanzierungsmittel führte H. zur Dekkung der Kriegskosten lediglich eine Kriegsgewinnsteuer und einige Verkehrs- und Verbrauchssteuern ein. Am 22.5.1916 übernahm er die Leitung des Reichsamts des Innern und wurde gleichzeitig Vizekanzler. Im Oktober 1916 gab er Bethmann Hollweg die Anregung zu einem Friedensangebot der Mittelmächte, das dann am 12.12.1916 vorgelegt wurde. Vor der Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges warnte H.: „Wenn die Karte des rücksichtslosen U-Boot-Krieges ausgespielt wird und sie sticht nicht, dann sind wir verloren, dann sind wir auf Jahrhunderte verloren.“ Bei der parlamentarischen Beratung des Kriegshilfsdienstgesetzes (1916) kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen H. und den Vertretern der Gewerkschaften. H. kam aber dann deren Wünschen nach der Errichtung obligatorischer Arbeiterausschüsse entgegen. Beim Sturz Bethmann Hollwegs blieb H. im Amt, mußte aber 3 Monate später beim Rücktritt des Reichskanzlers Michaelis seine beiden Ämter aufgeben (23.10./9.11.1917). Im Juli 1918 wurde H. als Nachfolger des ermordeten Gesandten von Mirbach-Harff nach Moskau geschickt. Hier setzte er – im Gegensatz zur Haltung des Auswärtigen Amtes – auf die Karte der Gegenrevolution und wurde daher im August 1918 zurückberufen. Die Niederlage und ihre Folgen führten bei H., der vor 1914 den Liberalen nahegestanden hatte, zu einem politischen Kurswechsel. 1919 schloß er sich der Deutschnationalen Volkspartei an und wurde ein erbitterter Gegner der Parteien der Weimarer Koalition und der Politik der „Erfüllung“. Seit 1920 gehörte er als Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei dem Reichstag an und besaß als Mitglied des Parteivorstandes innerhalb seiner Partei eine unbestrittene Autorität, wie keiner seiner Nachfolger. 1919/20 griff er den Reichsfinanzminister Erzberger mit persönlichen Verdächtigungen an, so daß dieser Strafantrag stellte. H. wurde zu einer Geldstrafe verurteilt; aber Erzberger wurde in dem Prozeß doch so diskreditiert, daß er zurücktreten mußte. Die von den Deutschnationalen ausgehende Hetze gegen die führenden Männer der Weimarer Republik veranlaßte den Reichskanzler Wirth nach der Ermordung Rathenaus (1922), im Reichstag, zu H. gewendet, auszurufen: „Der Feind steht rechts“. 1923, auf dem Höhepunkt der deutschen Inflation, konnte H. noch einmal als Währungsfachmann hervortreten. Nach dem Vorbild einiger Industrieunternehmen, die infolge der rapiden Geldentwertung Schuldscheine auf eine bestimmte Menge Sachgüter – statt auf Papiermark – ausgegeben hatten, schlug H. im September 1923 vor, eine neue Währung zu schaffen, die durch Sachgüter, und zwar durch Roggen, gedeckt sein sollte. Eine stabile Währung wäre die „Roggenmark“ zwar noch nicht gewesen, da der Roggenpreis je nach Ernteausfall und Nachfrage schwankte; aber die Wertschwankungen der Roggenmark wären doch innerhalb der Höchst- und Niedrigstpreise des Roggens geblieben. H.s Plan stieß auf den Widerstand des Reichsfinanzministers Luther und der Industrie, die zur Goldwährung zurückkehren wollten. Indes wurde H.s Grundgedanke einer Sachwertdeckung in abgewandelter Form bei der Übergangswährung der Rentenmark verwirklicht, die durch eine Sicherungshypothek auf den gesamten deutschen Grundbesitz gedeckt wurde. Als unmittelbar nach der Stabilisierung der Reichsbankpräsident starb, wurde H. vom Direktorium und vom Zentralausschuß der Reichsbank zum Nachfolger vorgeschlagen. Reichspräsident und Reichsregierung lehnten diesen Vorschlag wegen der intransigenten politischen Haltung H.s ab und ernannten Schacht zum Reichsbankpräsidenten.

  • Werke

    Weitere W u. a. Bimetallistische Kampfesart, 1895;
    Gegen d. Währungsumsturz, 1805;
    Die Währungsfrage, 1895;
    Währung u. Landwirtsch., 1895;
    Zur Gesch. d. Goldwährung, 1896;
    Dtld.s Münzreform u. d. Silberentwertung, 1898;
    Zur Erneurung d. dt. Bankgesetzes, 1899;
    Der Abschluß d. dt. Münzreform, 1899;
    Stud. üb. Geld- u. Bankwesen, 1900;
    Handelspol., 1901;
    Die Reichsbank 1875-1900, 1901;
    Geld, 1905;
    Zur Reform d. kolonialen Verwaltungsorganisation, 1905;
    Das Geld im russ.-japan. Kriege, 1906;
    Dtld.s Volkswohlstand 1888-1913, 1913;
    Reden u. Aufsätze aus d. Kriege, 1917 (P);
    Krieg u. Kriegsanleihe, 1918;
    England u. wir, 1918;
    Rede über d. dt. Volkskraft, 1918;
    Die pol. Lage u. d. Wahlen z. Nat.verslg., 1918;
    Das Reichsnotopfer, 1919;
    Der Weltkrieg, 3 Bde., 1919;
    Die Friedensbedingungen, 1919;
    Versailles u. d. Kriegsschuld, 1919;
    Die Friedensbemühungen im Weltkrieg, 1919;
    Der Friede v. Versailles, 1919;
    Fort mit Erzberger, 1919;
    Gegen Erzberger, 1920;
    Der wirtsch. Hintergrund d. Weltkrieges, 1920;
    Wilson als Friedensstifter u. d. U-Boot-Krieg, 1920;
    Georg v. Siemens, 3 Bde., 1921/23;
    Der Zusammenbruch d. Erfüllungspol., 1921;
    Dtld. in d. Ketten d. Ultimatums, 1921;
    Die Lage d.dt. Finanzen, 1921;
    Die Pol. d. Erfüllung, 1922;
    Die Zwangsanleihe, 1922;
    Das neue Steuergesetz v. 20.3.1923, 1923;
    In eigener Sache, 1924;
    Das zweite Versailles, 1924;
    Reichstagsreden 1920–24, 2 Bde., 1922/25 (P).

  • Literatur

    K. v. Lumm, K. H. als Währungspolitiker u. Gel., 1925 (W-Verz.);
    ders., in: Saarpfälz. Lb. I, 1938, S. 185-220 (P);
    K. v. Raumer, Das Ende v. H.s Moskauer Mission, in: Festschr. Srbik 1938;
    W. Liebe, Die Dt.nat. Volkspartei 1918–24, 1956;
    E. R. Lüke, Von d. Stabilisierung z. Krise, 1958;
    K. B. Netzband u. H. P. Widmaier, Währungs- u. Finanzpol. d. Ära Luther 1923–25, 1964.

  • Porträts

    Bronzebüste v. M. Bezner, 1922, Abb. b. Rave.

  • Autor/in

    Karl Erich Born
  • Zitierweise

    Born, Karl Erich, "Helfferich, Karl" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 470-472 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118773828.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA