Lebensdaten
1907 – 1983
Geburtsort
Nürnberg
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Nationalökonom
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 170175855 | OGND | VIAF: 24971380
Namensvarianten
  • Tintner, Gerhard Emil Leopold
  • Tintner, Gerhard
  • Tintner, Gerhard Emil Leopold
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Zitierweise

Tintner, Gerhard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd170175855.html [26.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Leopold ( 1911), Bes. e. Pharmazieuntern., S d. Jacob (1835–83), aus Austerlitz (Mähren), Dr. med., prakt. Arzt in W., u. d. Johanna Taus(s)ky (Taus[s]ki) (* um 1839);
    M Karolin(e) Goldschmidt (1881–1943);
    Ov Eduard (1863–1933, Pauline Fürst, * 1864, 1942 n. Theresienstadt deportiert), Kaufm., seit 1911 in N., Tante-v Bertha (Ps. Blanderová) (1870–1935), beide aus St. Pölten;
    2 Schw Anna (* 1910), Liselotte (* 1910);
    Far Rockaway, Queens (New York, USA) 1941 Leontine, T d. José Aymar Camprubí u. d. Agnes Ethel Leaycraft ( 1958);
    S Philipp (* 1948).

  • Biographie

    T. studierte nach dem Abitur in Wien Rechtswissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Statistik an der Univ. Wien (Dr. iur. 1929). 1930–36 war er wiss. Mitarbeiter am Österr. Institut für Konjunkturforschung, wo er v. a. die Preisschwankungen im Konjunkturzyklus analysierte. 1936/37 war T. als Rockefeller Foundation Fellow bei der Cowles Commission for Research in Economics in Colorado Springs tätig, 1937 wurde er an der Iowa State Univ. in Ames zum Assistant Professor, bald darauf zum o. Professor für Economics, Mathematics and Statistics ernannt (bis 1962). Im 2. Weltkrieg war T. als Consultant für das Office of Strategic Services in Washington, das Office of European Economic Research in New York und das U. S. Department of Agriculture tätig (1942 amerik. Staatsbürger). Als Gastprofessor wirkte T. 1948/49 am Department of Applied Economics der Univ. Cambridge (England) und 1956/57 mit Unterstützung der Ford Foundation an der Univ. Wien. Nach einem Jahr als Professor an der Univ. Pittsburgh übernahm er 1963–73 die Distinguished Professorship of Economics and Mathematics an der Univ. of Southern California in Los Angeles. 1973 kehrte er nach Österreich zurück, wo er an der TU Wien den neu geschaffenen Lehrstuhl für Ökonometrie erhielt und dort sowie als Honorarprofessor an der Univ. Wien bis zu seinem Tod forschte und lehrte.

    T. gehört zu den Pionieren der in den 1930er Jahren voll einsetzenden ökonometrischen Revolution. 1933–52 trug er zahlreiche relevante Artikel zur neuen Zeitschrift „Econometrica“ bei, deren Mitherausgeber und Book Review Editor er 1951–78 bzw. 1951–72 war. Das neue Fach vermittelte er auch in erfolgreichen Lehrbüchern wie „Econometrics“ (1952) und dem „Handbuch der Ökonometrie“ (1960).

    T.s Werk ist stark durch die Einheit von Theorie und Empirie, von Wirtschaftswissenschaften, Statistik/Ökonometrie und Mathematik geprägt und erhielt entscheidende Impulse durch die Quantenphysik. Dementsprechend ist sein Forschungsprogramm – im Gegensatz zur statischen allgemeinen Gleichgewichtstheorie – durch die Auseinandersetzung mit dynamischen Problemen gekennzeichnet. T.s besonderes Interesse galt dabei der Entwicklung einer Wahlhandlungstheorie unter Unsicherheit, stochastischen Prozessen und der Analyse von konjunkturellen Schwankungen. In letzterer erhielt er|wichtige Anregungen durch die Arbeiten Joseph Schumpeters (1883–1950), nahm zugleich aber auch in seinem Aufsatz „A ‚Simple‘ Theory of Business Fluctuations“ (Econometrica 10, 1942, S. 317–20) in seiner dynamischen Verallgemeinerung eines walrasianischen Gleichgewichtsystems zentrale Elemente der modernen Theorie realer Konjunkturzyklen vorweg. Kennzeichnend für T.s Arbeiten ist der Glaube an Karl Poppers (1902–94) Falsifizierbarkeitskriterium.

    T. leistete Bahnbrechendes auf den Gebieten der Zeitreihenanalyse, stochastischen Gleichungssysteme, Fehler in den Variablen, Multikollinearität, stochastischen Prozesse und Kontrolltheorie; Ende der 1930er und Anfang der 1940er Jahre publizierte er zahlreiche Aufsätze in führenden Fachzeitschriften.

    In T.s Entwicklung einer Wahlhandlungstheorie unter Unsicherheit ist besonders hervorzuheben sein Artikel „Foundations of Probability and Statistical Inference“ (Journ. of the Royal Statistical Soc. 112, 1949, S. 251–86), worin er in Anlehnung an Rudolf Carnap (1891–1970) einen umfassenden sozialwissenschaftlichen Ansatz von Wahrscheinlichkeit vertrat, der die von der Kybernetik, System- und Informationstheorie neu entwickelten Werkzeuge aufgriff und für die empirische Fundierung der Wirtschaftswissenschaften anwandte.

    T. gehörte auch zu den Pionieren des neu aufkommenden Gebietes des Operations Research, einer Integration von Ökonometrie und Unternehmensforschung. Er kritisierte den statischen und deterministischen Charakter vieler ökonomischer Ansätze scharf und entwickelte in seinem bahnbrechenden Aufsatz „Stochastic Linear Programming with Applications to Agricultural Economics“ (Proceedings of the Second Symposium on Linear Programming 1, 1955, S. 197–228) eine Theorie optimaler Entscheidungen bei stochastischen Störungen. T.s Grundverständnis als Ökonometriker bestand darin, Mathematik und Statistik als wichtige Werkzeuge anzusehen, für wirtschaftspolitische Anwendungen aber stets eine theoretische Fundierung vorzunehmen. In diesem Sinne räumte er auch der wirtschaftshistorischen Entwicklung und v. a. der Geschichte der Wirtschaftswissenschaft hohen Stellenwert ein.

  • Auszeichnungen

    A Fellow d. Econometric Soc. (1940), d. Inst. of Mathematical Statistics (1947), d. American Statistical Association (1951);
    Mitgl. d. Econometric Soc. (1953);
    Dr. rer. pol. h. c. (Bonn 1970);
    o. Mitgl. d. Österr. Ak. d. Wiss. (1977).

  • Werke

    Weitere W Prices in the Trade Cycle, 1935;
    The Theoretical Derivation of Dynamic Demand Curves, in: Econometrica 6, 1938, S. 375–80;
    The Theory of Choice Under Subjective Risk and Uncertainty, ebd. 9, 1941, S. 298–304;
    The Pure Theory of Production Under Technological Risk and Uncertainty, ebd., S. 305–12;
    A Contribution to the Non-Static Theory of Choice, in: Quarterly Journ. of Economics 56, 1942, S. 274–306;
    Linear Economics and the Böhm-Bawerk Period of Production, ebd. 88, 1974, S. 127–32;
    Mathematics and Statistics for Economists, 1953;
    The Econometrics of Development Planning (mit J. K. Sengupta), 1970;
    Stochast. Elemente d. Ökonomie, 1971.

  • Literatur

    L K. A. Fox u. a. (Hg.), Economic Models, Estimation and Risk Programming, Essays in Honor of G. T., 1969 (Auswahlbibliogr., P);
    G. K. Kakekodi u. a., The Scientific Work of G. T., in: J. K. Sengupta u. a. (Hg.), Econometrics of Planning and Efficiency, 1988, S. 3–22 (Bibliogr.);
    BHdE II;
    K. A. Fox, in: J. Eatwell u. a. (Hg.), The New Palgrave IV, 1987, S. 654 f.;
    W. Pollan, in: BHdwE II.

  • Autor/in

    Harald Hagemann
  • Zitierweise

    Hagemann, Harald, "Tintner, Gerhard" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 295-296 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd170175855.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA