Lebensdaten
1888 – 1943
Geburtsort
Stuttgart
Sterbeort
Baden-Baden
Beruf/Funktion
Maler ; Bildhauer ; Choreograph ; Bühnenbildner
Konfession
-
Normdaten
GND: 118608088 | OGND | VIAF: 9910342
Namensvarianten
  • Schlemmer, Oskar Alfred Victor
  • Schlemmer, Oskar
  • Schlemmer, Oskar Alfred Victor

Orte

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Zitierweise

Schlemmer, Oskar, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118608088.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit 1596 mit Johann Bernhard, der v. Altdorf b. Nürnberg n. Steinbach (Taunus) übersiedelte, nachweisbarer Fam.; hierzu zählen mehrere ev. Prediger u. Gymn.lehrer in d. Gegend v. Hanau u. Schlüchtern;
    V Carl Leopold (1833–1902), Buchhalter in e. Wollwarenfabrik b. Heidenheim/Brenz, später Beamter d. Württ. Vereinsbank, Lustspiel- u. Operettenautor, verfaßte gemeinsam mit seinem Neffen Carl Laufs d. erfolgreiche Lustspiel „Pension Schöller“, S d. Carl Friedrich (1790–1863), Konditor in Mainz;
    M Luise Wilhelmine (1849–1906), T d. Carl Neuhaus, Goldschmied u. Apotheker in Heidenheim/Brenz;
    Ov N. N. ( Juliane Grimm, als „Tante Schlemmer“ bekannt, erteilte d. Brüdern Grimm ersten Unterr.), Kloster-Rentmeister u. Stadtschreiber v. Hanau; 5 ältere Geschw u. a. Wilhelmine (Wilma) Morgenstern, aus Göppingen, emigrierte vor 1939 in d. USA;
    Stuttgart 1920 Helena (Tut) Tutein (1889–1987), aus Mannheim, absolvierte in Mannheim u. Heidelberg e. Studium d. Nat.ökonomie, leitete f. d. Fa. ihres Onkels d. Vertrieb, Verw. d. Nachlasses v. S. in St. (s. Gorzny bzw. Stuttgarter Ztg. v. 27.4.1987; Tagesspiegel v. 28.4.1987 u. SZ v. 2.5.1987; W; L);
    1 S Tilman (1925–44 ? ⚔), 2 T Karin (1921–81), Schausp. am Staatstheater in St. (s. Stuttgarter Ztg. v. 13.3.1981), Ute-Jaïna (* 1922), Bühnenbildnerin.

  • Biographie

    Nach dem frühen Tod des Vaters verbrachte S. seine Schulzeit in Göppingen, wo er bei|seiner verheirateten Schwester Wilhelmine lebte und das Realgymnasium besuchte. 1903-05 absolvierte er eine Lehre als kunstgewerblicher Zeichner in einer Intarsien-Werkstatt. 1906 begann er mit einem Stipendium das Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, u. a. bei Christian Landenberger, Friedrich v. Keller und Adolf Hölzel (1853–1934).

    Wichtig für S.s künstlerische Entwicklung wurde 1911/12 ein Aufenthalt in Berlin, wo er im Kreis um Herwarth Waldens Galerie „Der Sturm“ die europ. Avantgarde kennenlernte. Seine Berliner Bilder wie „Jagdschloß in Grunewald“ (Berlin. Gal.) zeugen von seiner Beschäftigung mit Cézanne und dem Kubismus. Ende 1913 gehörte S. neben Willi Baumeister (1889–1955) und Hermann Stenner (1891–1914) zu den drei Meisterschülern, denen Hölzel die Konzeption und Ausführung von zwölf Wandbildern für die Haupthalle der „Deutschen Werkbund-Ausstellung 1914“ anvertraute (1922 mit dem Abbruch der Halle zerstört).

    Bei Kriegsausbruch meldete sich S. als Freiwilliger und wurde zweimal verwundet. Anfang 1916 entstanden während eines Urlaubs „Bild K“ und „Komposition auf Rosa“ oder „Geteilte Figur“, womit der Durchbruch zu einer radikalen Abstraktion gelang. Nach Kriegsende im Nov. 1918 an der Akademie in Stuttgart zum Studentenvertreter gewählt, bemühte er sich vergeblich um die Berufung von Paul Klee als Nachfolger Adolf Hölzels.

    Im Jan. 1920 war S. im „Sturm“ mit Gemälden wie „Plan mit Figuren“ und Plastiken wie „Relief JG“ oder „Bauplastik R“ (1919, Nachlaß Schlemmer) präsent, die große Beachtung – anschließend auch in der Dresdner Galerie Arnold – fanden. Sie zeigten einen figürlichen Konstruktivismus, der dem spontan-expressiven Charakter der „Brücke“ ein neues Streben nach Klarheit, Maß und tektonischer Gliederung entgegensetzte.

    Anfang 1921 übernahm S. eine Lehrtätigkeit als Formmeister für Wandgestaltung und Bildhauerei am 1920 gegründeten „Staatlichen Bauhaus“ in Weimar. Seit 1922 (nachdem Kandinsky zum Leiter der Wandmalerei berufen worden war) konzentrierte er sich auf die Bildhauerei, die Arbeit in der Metallwerkstatt und das Aktzeichnen. Daneben wirkte er in den Sommerferien 1921/22 an Inszenierungen des Stuttgarter Landestheaters als Bühnenbildner und Entwerfer von Kostümen mit. Die ersten, in Weimar entstandenen Bilder wie „Die Geste (Tänzerin)“ (1922, München, Neue Pinakothek), „Der Tänzer“ oder „Tischgesellschaft“ (1923, Privatbes.) sind auch von diesen Theatererfahrungen angeregt. Mit ihnen verließ S. die strenge Flächigkeit seiner Stuttgarter Bilder und erweiterte seine Konstruktion durch perspektivische Fluchtlinien. Zur Weimarer Bauhaus-Ausstellung im Sommer 1923 trat er mit Gemälden, aber auch erstmals mit rundplastischen Skulpturen wie „Freiplastik G (Abstrakte Figur)“ (1923) und einer malerisch-plastischen Wandgestaltung in dem von van de Velde erbauten Werkstattgebäude hervor; ferner zeigte er den Entwurf des neuen Bauhaus-Signets und die Mappe „Spiel mit Köpfen“, sein druckgrafisches Hauptwerk. Im August wurde außerdem im Deutschen Nationaltheater sein „Triadisches Ballett“ aufgeführt, nachdem er inzwischen auch zum Leiter der Bauhausbühne berufen worden war. Im Sommer 1925, noch vor dem Umzug nach Dessau, schuf S. mit „Römisches (Fünf Figuren im Raum)“ (Basel, Kunstmus.), „Konzentrische Gruppe“ (Stuttgart, Staatsgal.), „Ruheraum“ oder „Vorübergehender“ (seit 1937 verschollen) eine Reihe seiner bekanntesten Bilder – klassisch anmutende Bildgestalten, die gleichnishaft das vom Ideal eines „Neuen Menschen“ getragene Bauhausprogramm verkörperten.

    Als Gropius 1928 sein Amt in Dessau niederlegte (Nachfolger Hannes Meyer) und die Bühnenarbeit immer stärkere Kritik von seiten sozialistischer Studenten erfuhr, nahm S. eine Professur an der Schles. Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau an. Im Dez. 1929 gab er sein Debüt als Bühnenbildner am Breslauer Stadttheater mit den beiden Märchenopern „Die Nachtigall“ und „Reinecke Fuchs“ von Strawinsky. In seiner Malerei wurden die Formate größer („Vierzehnergruppe in imaginärer Architektur“, 1930, Köln, Mus. Ludwig), in Bildern wie „Gruppe mit blauem Ekstatiker“ (Hamburg, Kunsthalle) und großformatigen Aquarellen machte sich um 1930 eine Tendenz zu leuchtenden Farben und dynamischer Bewegung bemerkbar.

    Auf die Nachricht von der Auflösung des Dessauer Bauhauses hin schuf S. 1932 in Breslau sein berühmtestes Gemälde „Bauhaustreppe“, gleichsam als Memento (im Frühjahr 1933 durch das Museum of Modern Art New York erworben). Ende 1932 wurde die Breslauer Akademie geschlossen und S. an die „Vereinigten Staatsschulen für Kunst und Kunstgewerbe“ in Charlottenburg versetzt, wo er „Perspektive für Maler und Bildhauer“ lehren sollte. Die anfängliche Hoffnung, auf diese Weise nun „außerhalb der|Richtungskämpfe zu stehen“, erfüllte sich nicht, denn unter den radikalisierten Studenten mehrten sich verleumderische Angriffe; im März 1933 erhielt er die fristlose Entlassung.

    S. mietete ein Bauernhaus in Südbaden, wo er mit seiner Familie von Landwirtschaft und Schafzucht zu leben hoffte. 1935 begann er wieder zu malen, indem er frühere Bilder durch eine Grauverschattung „verdunkelte“. 1937 ermöglichte eine Erbschaft seiner Frau den Bezug eines eigenen Holzhauses mit Atelier in Badenweiler; doch waren wenige Wochen später auf der Münchner Feme-Ausstellung „Entartete Kunst“ sechs seiner Werke zu sehen, 50 weitere wurden aus dt. Museen beschlagnahmt. Von nun an malte S. nur noch unverfängliche Themen wie Landschaften und Porträts in Öl auf Transparentpapier, um die Arbeiten leichter einrollen und verstecken zu können. Gezwungen, einen Broterwerb zu suchen, arbeitete er zunächst in einem Stuttgarter Malergeschäft und seit Nov. 1940 im Versuchslabor der Wuppertaler Lackfabrik Dr. Herberts.

    Im Frühjahr 1942 malte S. kurz vor dem Verdunkeln eine Serie von achtzehn „Fensterbildern“ – kleinformatige Arbeiten auf Karton in Mischtechnik –, in denen mit dem Blick in die erleuchteten Zimmer der Nachbarhäuser das Leitmotiv der „Figur im Raum“ noch einmal – wenngleich schemenhaft entrückt – erscheint. Dieser Zyklus wurde S.s Vermächtnis an die Nachwelt (Leihgabe im Kunstmus. Basel). Wenige Wochen später erkrankte er an Diabetes und Gelbsucht und erlag schließlich nach mehreren Krankenhausaufenthalten einer Herzlähmung.

  • Auszeichnungen

    Vors. d. Schles. Künstlerbundes, 1931/32;
    Gold. Medaille u. Ehrenpreis bei d. Darmstädter Ausst. „Der schöne Mensch in d. neuen Kunst“, 1929.

  • Werke

    ca. 750 Gemälde (incl. Hinterglasbilder u. Lacktafeln), 650 Gouachen u. Aquarelle, ca. 1000 Zeichnungen (in Bleistift, Tinte, Tusche, Farbstift u. Pastell) u. 35 Original-Plastiken (v. a. Stuttgart, Staatsgal. u. Fam.besitz);
    Ausstattung f. 20 Bühnenwerke, u. a.:
    „Mörder, Hoffnung der Frauen“, „Das Nusch-Nuschi“, zwei Operneinakter v. P. Hindemith, UA 1921, Landestheater Stuttgart;
    „Bauhaustänze“, 1926-29 (Entwürfe u. Choreogrr. im Nachlaß);
    „Die glückl. Hand“, Oper v. A. Schönberg, UA 1930, Berlin, Krolloper;
    7 Figurinen
    zum Triadischen Ballett (Stuttgart, Staatsgal.);
    schriftl. Nachlaß:
    Oskar Schlemmer Archiv (Stuttgart, Staatsgal.);
    Schrr.
    u. a.: Mensch u. Kunstfigur, in: Die Bühne im Bauhaus, Neue Bauhausbücher 4, 1925, S. 7 ff., Faksimile Nachdr. hg. v. H. M. Wingler, 1963, erneut in: Künstlerschrr. d. 20er Jahre, Dokumente u. Manifeste aus d. Weimarer Rep. hg. v. U. Schneede, 1986, S. 266-73;
    Otto Meyer Amden: aus Leben, Werk u. Briefen, 1934; Verz. d. Schrr.:
    in: K. v. Maur, O. S., Monogr. u. Œuvrekat. d. Gemälde,… 1979 (s. L);
    Korr. u. Tagebücher: O. S. Briefe u. Tagebücher, hg. v. Tut Schlemmer, 1958, erg. u. kommentierte Neuausg. u. d. T. „O. S. Idealist d. Form“, hg. v. E. Hünecke, 1990.

  • Literatur

    Paul Ferd. Schmidt, in: Jb. d. Jungen Kunst, hg. v. G. Biermann, 1921, S. 269-82;
    W. Grohmann, in: Das Neue Frankfurt, II, 1928, S. 58-62;
    H. Hildebrandt, O. S., 1952 (W-Verz.);
    W. Grohmann u. Tut Schlemmer, O. S., Zeichnungen u. Graphik, Œuvrekat., 1965;
    K. v. Maur, O. S., Das plast. Werk, 1972;
    W. Herzogenrath, O. S., Die Wandgestaltung d. neuen Architektur, 1973;
    K. v. Maur, O. S., Ausst.kat. Württ. Kunstver. Stuttgart 1977, Neuausg. 1982 (umfassendste Retrospektive, P, zahlr. Photogrr.);
    dies., O. S., Monogr. u. Œuvrekat. d. Gem., Aquarelle, Pastelle u. Skulpturen, 2 Bde., 1979 (P);
    A. L. Lehman u. B. Richardson (Hg.), O. S., Ausst.kat. The Baltimore Mus. of Art, San Francisco Mus. of Art, Stedelijk Mus. Amsterdam, 1986/87 (mit zahlr. Btrr., P);
    D. Scheper, O. S., Das Triad. Ballett u. d. Bauhausbühne, 1988 (P);
    U. Gauss (Hg.), O. S. Aquarelle, Ausst.kat. mit Btrr. v. K. v. Maur u. I. Conzen, Staatsgal. Stuttgart – Graph. Slg., 1988;
    K. v. Maur, O. S., Der Folkwang-Zyklus, Malerei um 1930, I, Staatsgal. Stuttgart/Mus. Folkwang Essen, 1993/94;
    dies., O. S., Fälschungen v. Bühnenentwürfen, in: Weltkunst 63, H. 1 v. 1.1.1994;
    O. S., Tanz Theater Bühne, Ausst.kat. Kunstslg. NRW, Düsseldorf, Kunsthalle Wien, Sprengel Mus. Hannover, 1994/95 (P);
    C. Diserens (Hg.), O.S., Ausst.kat. Musée Cantini Marseille 1999 (mit zahlr. Btrr., P);
    Von Otto Müller bis O. S., Künstler d. Breslauer Ak., Ausst.kat. Schwerin, Regensburg, Wrocław 2002;
    Modulation u. Patina, Willi Baumeister, O. S., Franz Krause, Ausst.kat. Münster 2004;
    K. v. Maur, in: Lb. Schwaben 16, 1986, S. 391-412 (P);
    Sucher, Theater Lex.;
    Schweizer Lex.;
    Weimar Lex.;
    Breslau Lex.;
    ThB;
    Vollmer;
    KML;
    Dict. of Art.

  • Porträts

    Männl. Kopf I, Selbstbildnis, um 1912;
    Männl. Kopf II, Selbstbildnis, um 1913, beide Öl/Lwd. (beide Stuttgart, Staatsgal.);
    Foto v. Hugo Erfurth, um 1920 (Essen, Fotogr. Slg. im Mus. Folkwang), Abb. in: Hugo Erfurth, hg. v. B. v. Dewitz, 1992;
    Foto, S. mit Maske, v. Max Glauer, Breslau 1931, Abb. in: K. v. Maur, O. S., Monogr. u. Œuvrekat. d. Gem. …, I, 1979, Vorsatzbl.

  • Autor/in

    Karin von Maur
  • Zitierweise

    Maur, Karin von, "Schlemmer, Oskar" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 59-61 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118608088.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA