Lebensdaten
1788 – 1867
Geburtsort
Friedberg (Frymburk, Böhmen)
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Musiktheoretiker ; Komponist, Organist
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118612514 | OGND | VIAF: 8180432
Namensvarianten
  • Sechter, Simon
  • Sechther, Simon

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Personen in der NDB Genealogie
Personen im NDB Artikel

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Sechter, Simon, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118612514.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Jakob (1753–1827), Bindermeister in F., S d. Lorenz, vermutl. aus bayer. Fam.;
    M Eva Maria Pesenböck (1744–98);
    11 Geschw u. Halb-Geschw u. a. Bartholomäus, unterrichtete S.;
    - 1816 Katharina Heckmann (um 1792–1861?), aus Aachen, T e. Beamten;
    8 K (viele früh †) u. a. 1 S Eduard Engelbert (1829–86/87), Mil.kapellmeister, Komp. v. Märchenspielen v. a. f. d. Theater in d. Josefstadt u. v. Kirchenmusik (s. ÖBL), 2 T Wilhelmine (1821-vor 1849, Karl Egger, Handlungsspediteur, ging 1865 in Konkurs, wobei S. wegen e. Bürgschaft sein Vermögen einbüßte), Karoline (1823/24–88, Karl Egger, s. o.).

  • Biographie

    In der Pfarrschule von Friedberg erhielt der elfjährige S. ersten Musikunterricht bei Johann Nepomuk Maxandt (1750–1838), dem dortigen Chorregenten. 1802 wurde er Schulgehilfe in Pfarrkirchen, 1803 legte er an der Normalschule in Linz die Präparandenprüfung ab und ging 1804 als Hauslehrer des Starhembergschen Güterdirektors Andreas Johann Kowarz nach Wien. Hier nahm er Kontrapunktunterricht bei einem nicht näher bekannten Musiker namens Hartmann und Klavierstunden bei Leopold Koželuh (1752–1818) und bildete sich autodidaktisch besonders durch das Studium der klassischen musiktheoretischen Schriften Friedrich Wilhelm Marpurgs, Johann Philipp Kirnbergers und Johann Georg Albrechtsbergers fort. Wichtige pädagogische Erfahrungen sammelte S. in seiner Tätigkeit als Musiklehrer am Wiener k. k. Blindenerziehungsinstitut 1812–25. Durch Vermittlung Maximilian Stadlers (1748–1833) erhielt er 1824 die Stelle des 2. Hoforganisten und folgte schon ein Jahr später Jan Václav Voříšek (1791–1825) als 1. Hoforganist nach (pensioniert 1863). Parallel dazu gab S. zehn Jahre lang am Konvikt der Hofsängerknaben Klavierunterricht. Während dieser Zeit war er bereits ein anerkannter Kompositionslehrer in Wien. 1851 erhielt er eine Professur für Generalbaß und Kontrapunkt am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, die er bis zu seinem Tod innehatte.|S. komponierte über 8000 Werke, geistliche und weltliche Vokalmusik, Kammermusik, Klavier- u. Orgelmusik, die wohl zu einem großen Teil aus Lust an der Beherrschung des Handwerks entstanden. Bezeichnend hierfür ist das Projekt seines „Musikalischen Tagebuchs“ vom 9.11.1849 bis 20.4.1867 mit über 4000 Fugen und anderen kleineren Kompositionen. Musikgeschichtliche Bedeutung erlangte S. als Kompositionslehrer: nach Albrechtsbergers Tod galt er als führender Kontrapunktiker und Theorielehrer in Wien. Er hatte hunderte Schüler, darunter Franz Schubert, Franz Lachner, Heinrich Esser, Gustav Nottebohm, Carl Ferdinand Pohl, Sigismund Thalberg, Henri Vieuxtemps, Carl Michael Ziehrer und v. a. 1855–61 Anton Bruckner, der S. auf dessen Lehrstuhl am Wiener Konservatorium nachfolgte. Aufbauend auf der klassischen Musiktheorie von Marpurg, Kirnberger und Rameau entwickelte S. ein geschlossenes, streng geordnetes System, das alle Akkorde auf Terzschichtung zurückführte und ihr Wesen nicht durch den klingenden Baß, sondern durch eine darunter liegende gedachte Note, das „Fundament“ bestimmte. Jeder korrekte Satz beruht dieser Theorie zufolge auf Terz- und Quintschritten dieses imaginären „Fundamentalbasses“. Die sog. „Sechtersche Kette“ stellt nach E. Tittel als „Ursequenz“ das gesamte Tonmaterial der Leiter harmonisch dar. Wichtigste Veröffentlichung S.s sind „Die Grundsätze der musikal. Komposition“ (3 Bde., 1853/54), die neben seiner Lehre vom Fundamentalbaß auch Zusammenhänge von Metrum und Harmonie sowie den doppelten Kontrapunkt behandeln. Zwei weitere Schriften, die wohl die Bände 4 und 5 der „Grundsätze“ bilden sollten, die „Abhandlung über die musikalisch-akustischen Tonverhältnisse“ und „Vom Canon“, blieben unveröffentlicht. Der Titel „Grundsätze“ kennzeichnet das Selbstverständnis von S.s Lehre, die auf die Vermittlung handwerklicher und theoretischer Voraussetzungen des Komponierens ausgerichtet ist, jedoch den bei Albrechtsberger noch bestehenden Kontakt zur zeitgenössischen kompositorischen Praxis verloren hat. Dessen ungeachtet und trotz mancher systemimmanenter Widersprüche beeinflußte S.s Lehre maßgeblich die österr. Musiktheorie des 19. Jh. bis hin zu Arnold Schönberg, Ernst Kurth und Heinrich Schenker.

  • Auszeichnungen

    Ehrenmitgl. d. Ges. d. Musikfreunde (1852);
    Goldenes Verdienstkreuz (1863);
    – Sechtergasse in Wien. Weitere W u. a. geistl. Werke: 35 Messen;
    2 Tedeum;
    Oratorium „Die Offenbarung Johannis“, 1838–45;
    geistl. Lieder;
    – Kammermusik, Klavier- u. Orgelmusik;
    Lieder;
    musikdramat. Werke: u. a. Melusine (Text: Grillparzer), romant. Oper, nicht aufgeführt;
    Schrr. u. prakt.-didakt. W: Musikunterr. f. Blinde, in: Lehrbuch zum Unterr. der Blinden, hg. v. J. W. Klein, 1819, S. 160–93;
    Pract. Gen.baß-Schule op. 49, um 1830;
    Musikal. Rathgeber op. 57, um 1835; Fr. Wilh. Marpurg, Abh. v. d. Fuge [ . . . ], neu bearb. mit erläuternden Anmm. u. Beisp. vermehrt v. S. S., 1843;
    Verz. d. Schrr.: MGG²;
    Autobiogr. Skizze: Einiges über mich selbst, in: Wiener Allg. Mus. Ztg. 153/54, 1845, S. 619–22;
    Nachlaß: Ges. d. Musikfreunde;
    Österr. Nat.bibl.;
    Archiv d. Blindenerziehungsinst., alle Wien.

  • Literatur

    ADB 33;
    C. F. Pohl, S. S., 1888;
    F. Klose, Die Lehre S.s im Unterr. b. Bruckner, in: ders., Meine Lehrjahre b. A. Bruckner, 1927, S. 27–93;
    E. Tittel, S. S. als Kirchenkomp., Diss. Wien 1935 (masch.), bes. S. 181 ff. (unvollst. W-Verz.);
    ders., Wiener Musiktheorie v. Fux bis Schönberg, in: Btrr. z. Musiktheorie d. 19. Jh., hg. v. M. Vogel, 1966, S. 163–201;
    U. Thomson, Voraussetzungen u. Artungen d. österr. Gen.basslehre zw. Albrechtsberger u. S., 1978;
    W. Zeleny, Die hist. Grundlagen d. Theoriesystems v. S. S., 1979 (Diss. Wien 1938);
    R. Wason, Viennese Harmonic Theory from Albrechtsberger to Schenker and Schoenberg, 1985;
    Anton Bruckner, Ein Hdb., hg. v. U. Harten, 1996, bes. S. 392 f. (P);
    W. Grandjean, Harmonik u. Metrik, S. S.s „Gesetze d. Taktes“, in: Musiktheorie 13, 1998, H. 2, S. 157–77;
    E. Seidel, S. S.s Lehre v. d. richtigen Folge d. Grundharmonien u. Bruckners Harmonik, in: A. Bruckner, Tradition u. Fortschritt in d. Kirchenmusik d. 19. Jh., hg. v. F. W. Riedel, 2001, S. 307–38;
    L. Holtmeier, Stufen- u. Funktionen, Gedanken z. prakt. Harmonielehre im 19. Jh., in: Musiktheorie, hg. v. H. de la Motte-Haber u. O. Schwab-Fetisch, 2005, S. 224–29;
    Wurzbach;
    Biogr. Lex. Böhmen;
    Riemann;
    New Grove²;
    MGG²;
    Grove Opera;
    ÖBL;
    Hist. Lex. Wien;
    Österr. Musiklex.

  • Porträts

    Lith. v. J. Kriehuber, 1840 (Wien, Österr. Nat.bibl.), Abb. in: L. Nowak, Anton Bruckner, Musik u. Leben, ³1995, S. 86;
    Phot., 1853 (Wien, Ges. d. Musikfreunde);
    Porträtrelief v. W. David (Wien, Zentralfriedhof).

  • Autor/in

    Marion Brück
  • Zitierweise

    Brück, Marion, "Sechter, Simon" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 110-111 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118612514.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Sechter: Simon S., geboren am 11. October 1788 zu Friedberg in Böhmen, am 12. September 1867 zu Wien, war einer der berühmtesten Musiktheoretiker des 19. Jahrhunderts. Er entstammte einer zahlreichen Faßbinderfamilie, in welcher die Musik so gut wie unbekannt war. Lesen und Schreiben lernte er von seinem älteren Bruder Bartholomäus, und besuchte später die damals einclassige Pfarrschule seiner Vaterstadt, in welcher er der Schüler J. N. Maxandt's war. Dieser Mann genoß in der Umgebung einen ausgedehnten Ruf als Musiklehrer, und zahlreiche Zöglinge, die sich später selbst dem Lehrfache widmeten, waren in der Musik seine Schüler. Bei ihm lernte S. die Anfangsgründe der musikalischen Theorie kennen, und erwarb sich einige Kenntnisse in der Behandlung der Stimme, der Geige, der Flöte und des Claviers. Da Maxandt sehr viele Schüler hatte, gab es keinen sehr ordentlichen Unterricht, und jeder der Lernenden war mehr auf seinen eigenen Fleiß angewiesen. S. studirte anfangs mit Widerwillen, nach und nach aber wuchs seine Lust zur Musik mächtig an. Noch in Friedberg entstanden seine ersten Compositionen; sie waren für die dortige Kirche bestimmt, an welcher Maxandt Regenschori war. Kaum herangewachsen mußte S. bald an einen Erwerb denken. In seinem 14. Lebensjahre wurde er Schulgehilfe zu Pfarrkirchen in Oberösterreich, wo er Hauptsächlich Organistendienste zu leisten hatte. Hier fand er bei dem Schulmeister Stegmann einen ziemlich großen Vorrath an Musikalien, deren Studium er sich ergab. Nach einem abermaligen Aufenthalte im Elternhause, wo er sich ohne jede Anleitung auf dem Contrabaß einübte, kam er 1803 nach Linz, um sich durch den Besuch der Normalschule zur Präparandenprüfung, und dadurch zum Lehrstande vorzubereiten. In diesen trat er aber nicht mehr ein. 1804 machte er die Bekanntschaft des fürstl. Starhemberg’schen Güterdirectors Hofrath Kowarz, der ihn als Correpetitor für seine Kinder nach Wien nahm. Einige Ausflüge nach Linz und seiner Heimath abgerechnet, hat S. von dieser Zeit an beständig in Wien gelebt. In dem regen Musikleben dieser Stadt vervollständigte er seine litterarischen und theoretischen Kenntnisse meist durch eigenes Studium und erhielt durch Kozeluch die höhere Ausbildung im Clavierspiel. Um 1809 lernte er den berühmten Contrabassisten Dragonetti kennen, zu dessen Concerten er die Clavierbegleitung setzte. 1810 wurde er Clavier- und Gesanglehrer im Blindeninstitut; sein Honorar war hier eine tägliche Einladung zum Mittagessen. Für die Zöglinge dieser Anstalt componirte er zahlreiche ein- und zweistimmige Lieder und eine Messe. Nach drei Jahren hatte er seine Schüler so weit gebracht, daß er mit ihnen ein Concert geben konnte, in welchem er ein Septett und „Die Glocke“ von Schiller, beides von eigener Composition, zur Aufführung bringen konnte.|Ein ähnliches Concert fand im November 1815 statt, und die adelige Damengesellschaft übergab nun dem Lehrer ein Ehrengeschenk von 100 Gulden und wies ihm einen monatlichen Gehalt an. In demselben Institute lernte S. Katharina Heckmann kennen, die er 1816 heirathete. Mehrere seiner Messen wurden damals in der kaiserlichen Hofcapelle, andere Compositionen, darunter ein Requiem, in den Concerts spirituels zur Aufführung gebracht. Sein Ruf als Lehrer der musikalischen Theorie wuchs von Jahr zu Jahr. Er erreichte seinen Höhepunkt, als S. 1824 zum Hoforganisten ernannt wurde. In dieser Stellung fand S. die Muße, seine theoretischen Anschauungen in ein System zu bringen, welches in seinem Hauptwerke „Die Grundsätze der musikalischen Composition“ (Leipzig 1853—54) niedergelegt ist. 1850 erhielt er die Stelle eines Professors der Compositionslehre am Wiener Conservatorium, die er bis zu seinem Tode inne hatte. S. war ein ungemein fleißiger und bescheidener Mann. Eigentliches Compositionstalent hatte er nicht. Seine zahlreichen Werke entspringen alle der musikalischen Reflexion, nicht der Empfindung. Daher sind sie längst verschollen. Ihm war das Mechanische der Kunst die Hauptsache. In seinen letzten Jahren hatte er sich die Ausgabe gestellt, täglich eine Fuge zu schreiben. Die Themen dazu erfand er meist auf eine wunderliche, fast kindische Art, indem er irgend einen beliebigen Satz, einem Gespräche oder einer Lectüre entnommen, nothdürftig in Musik setzte. Daß diese Fugen noch steifer wurden, als ihre Themen, ist selbstverständlich. Unter Sechter's kleineren Werken nehmen die Fugen und Präludien den größten Raum ein; sie zählen nach Tausenden. An größeren Werken schrieb er u. a. 13 Messen, zahlreiche Psalmen, mehrere Sonaten und Variationenwerke, 2 Oratorien: „Sodoma's Untergang" und „Die Offenbarung Johannis“ und die komische Oper „Ali Hitsch-Hatsch“, welche 1844 im Josephstädter Theater aufgeführt wurde. 91 seiner Werke wurden durch den Druck veröffentlicht; alle übrigen sind Manuscript geblieben und werden zum Theil in der kaiserlichen Hofbibliothek, zum Theil im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien aufbewahrt. Zu diesen zählen auch die theoretischen Abhandlungen „Ueber die musikalisch akustischen Tonverhältnisse“ und „Vom Canon". Eine große Anzahl von Aphorismen und allerhand Gedanken über Kunst, Kunstlehre und Künstler erschienen zu Sechter's Lebzeiten in der „Allg. Wiener Musikzeitung“. Einige Jahre vor seinem Tode ließ der schwache Greis seine Gutmüthigkeit mißbrauchen und gerieth in drückende Verhältnisse, so daß er in großer Armuth starb. Unter seinen Schülern werden genannt: Gottfried Preyer, die Fürsten Georg und Constantin Czartoryski, Fedrigotti, Theodor Döhler, Gustav Nottebohm, Anton Bruckner, C. F. Pohl, Otto Bach, Rufinatscha, Derffl, Karl Filtsch, Hoven, Selmar Bagge, Leopold und Rudolf Bibl, Julius Benoni, Eugenio Galli, Henri Vieuxtemps, Ernst Pauer, Sigmund Thalberg, Franz Grillparzer.

    • Literatur

      C. F. Pohl, Simon Sechter, im Jahresbericht des Wiener Conservatoriums 1868. — J. K. Markus, Simon Sechter, ein biographisches Denkmal. Wien 1888.

  • Autor/in

    E. Mandyczewski.
  • Zitierweise

    Mandyczewski, E., "Sechter, Simon" in: Allgemeine Deutsche Biographie 33 (1891), S. 511-512 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118612514.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA