Lebensdaten
1932 – 2015
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Philosoph ; Hochschullehrer
Konfession
evangelisch-lutherisch
Normdaten
GND: 118621858 | OGND | VIAF: 73865674
Namensvarianten
  • Theunissen, Michael
  • Toÿnissen, Michael

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Theunissen, Michael, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118621858.html [03.05.2024].

CC0

  • Michael Theunissen war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Philosophen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hauptbereiche seiner Arbeit waren die Philosophie Søren Kierkegaards (1813–1855) und Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770–1831), die moderne Sozialphilosophie und Phänomenologie, das Werk des altgriechischen Dichters Pindar (geb. 522/18 v. Chr.) sowie die archaische griechische Lyrik. Theunissens Wirksamkeit verdankt sich neben zahlreichen Publikationen einer langjährigen akademischen Lehre in Heidelberg und Berlin.

    Lebensdaten

    Geboren am 11. Oktober 1932 in Berlin
    Gestorben am 18. April 2015 in Berlin
    Grabstätte Friedhof Zehlendorf in Berlin
    Konfession evangelisch-lutherisch
  • Lebenslauf

    11. Oktober 1932 - Berlin

    - Berlin; Hamburg

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Gymnasium

    - Bonn; Freiburg im Breisgau

    Studium der Philosophie und Germanistik

    Universität

    1955 - Freiburg im Breisgau

    Promotion (Dr. phil.)

    Universität

    - Berlin-West

    wissenschaftlicher Assistent

    Freie Universität

    1964 - 1967 - Berlin-West

    Habilitation; Privatdozent für Philosophie

    Freie Universität

    1967 - 1971 - Bern

    Professor für Philosophie

    Universität

    1971 - 1980 - Heidelberg

    Professor für Philosophie

    Universität

    1980 - 1998 - Berlin(-West)

    Professor für Philosophie

    Freie Universität

    18. April 2015 - Berlin
  • Genealogie

    Vater Gerhard (Gert) Heinrich Theunissen 1907–1974 aus Kempen (Niederrhein); Journalist, Schriftsteller, Kunstkritiker, Verleger, Rundfunkredakteur
    Mutter Frieda Helene Theunissen, geb. Thoss 1897–1974 Gouvernante
    Bruder Gordon Alastair Theunissen 1930–2022 Redakteur bei der Deutschen Welle
    Heirat 7.3. 1962 in Berlin-West
    Ehefrau Anneliese Ida Theunissen, geb. Stolz 1935–2008 Buchhändlerin im Kunstbuchhandel
    Schwiegervater Walter Bruno Stolz gest. 1974 Gärtner; Mechaniker
    Schwiegermutter Margarete Elisabeth Stolz, geb. Reschke 1908–1996
    Kinder eine Tochter, ein Sohn
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Theunissen, Michael (1932 -2015)

    • Vater

      Gerhard (Gert) Heinrich Theunissen

      1907–1974

      aus Kempen (Niederrhein); Journalist, Schriftsteller, Kunstkritiker, Verleger, Rundfunkredakteur

    • Mutter

      Frieda Helene Theunissen

      1897–1974

      Gouvernante

    • Bruder

      Alastair Theunissen

      1930–2022

      Redakteur bei der Deutschen Welle

    • Heirat

      in

      Berlin-West

      • Ehefrau

        Anneliese Ida Theunissen

        1935–2008

        Buchhändlerin im Kunstbuchhandel

  • Biografie

    Theunissen besuchte Gymnasien in Berlin und Hamburg. Nach dem Abitur studierte er Philosophie und Germanistik in Bonn und Freiburg im Breisgau, wo er 1955 mit der Arbeit „Der Begriff Ernst bei Sören Kierkegaard“ (1958) bei Max Müller (1906–1994) zum Dr. phil. promoviert wurde. Nach mehrjähriger Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent Wilhelm Weischedels (1905–1975) an der FU Berlin habilitierte er sich 1964 für Philosophie mit der Schrift „Der Andere. Studien zur Sozialontologie der Gegenwart“ (1965) und folgte 1967 einem Ruf als Professor für Philosophie an die Universität Bern. 1971 wechselte er nach Heidelberg, 1980 zurück an die FU Berlin, wo er auch nach seiner Emeritierung 1998 vielfältig tätig blieb.

    Den Schwerpunkt von Theunissens Forschung bildete die Auseinandersetzung mit bedeutenden Autoren und wichtigen Strömungen der abendländischen Geistesgeschichte: Die Beschäftigung mit dem Denken Søren Kierkegaards (1813–1855) in seiner Dissertation spannte den für Theunissens weiteres Schaffen bestimmenden existenzphilosophischen und religiösen Rahmen auf; in seiner Habilitationsschrift analysierte er die Philosophie des Dialogs von Martin Buber (1878–1965) und anderen Vertretern dialogischen Denkens wie Adolf Reinach (1883–1917), Karl Löwith (1897–1973) und Ludwig Binswanger (1881–1966) in kritischer Gegenüberstellung zur Intersubjektivitätstheorie der modernen Phänomenologie, wie sie u. a. Edmund Husserl (1859–1938) und Jean-Paul Sartre (1905–1980) vertraten.

    In seinen Monografien „Hegels Lehre vom absoluten Geist als politisch-theologischer Traktat“ (1970) und „Sein und Schein. Die kritische Funktion der Hegelschen Logik“ (1978), die zu gewichtigen Referenzwerken der Hegel-Forschung geworden sind, rückte Theunissen die Auseinandersetzung mit der klassischen Philosophie zugleich in den Horizont der kritischen Sozialphilosophie. Das letzte Hauptwerk, in dem Theunissen mehrjährige Arbeiten zur Vorgeschichte der europäischen Philosophie in einer integrierenden Darstellung zum Abschluss brachte, ist die monumentale Studie „Pindar. Menschenlos und Wende der Zeit“ (2000). Theunissen vertiefte Aspekte des in diesen Untersuchungen durchmessenen intellektuellen und historischen Rahmens in zahlreichen weiteren Publikationen. Dazu zählen weiterführende Untersuchungen zu Kierkegaard, u. a. „Das Selbst auf dem Grund der Verzweiflung. Kierkegaards negativistische Methode“ (1991) und „Der Begriff Verzweiflung. Korrekturen an Kierkegaard“ (1993), sowie profilierte Aufsätze zur menschlichen Zeitlichkeit, die im Band „Negative Theologie der Zeit“ (1991) versammelt sind.

    Theunissens Philosophie erhält ihr besonderes Profil durch drei Grundzüge: Erstens verbindet sie die historische mit der systematischen Ausrichtung philosophischer Arbeit. Zu Theunissens Werk gehören detaillierte philologische Analysen und eindringliche hermeneutische Auslegungen klassischer Texte. Dabei gilt das leitende Interesse sowohl dem Verständnis der Geschichte und der eigenen Zeit wie den grundlegenden inhaltlichen Fragen, mit denen sich die Philosophie, aber auch Kunst und Religion seit je beschäftigt haben. Der historische Fokus beschränkt sich nicht auf die zeitliche Kontextualisierung einzelner Autoren, sondern greift auf das Ganze der Geschichte aus, die zugleich aus dem Anfang und der archaischen Prägung des Denkens erhellt wird.

    Zweitens verschränkte Theunissen fundamentalphilosophische Fragestellungen mit existentiellen Themen, welche die Lebensbedeutsamkeit der Philosophie hervortreten lassen. In besonderer Prägnanz kommt sie im menschlichen Umgang mit der Zeit zur Sprache, in dem Theunissen das Leiden unter der Herrschaft der Zeit in den Vordergrund rückte. Im Anschluss an Kierkegaard arbeitete er die Auseinandersetzung mit dem Negativen, das in Grundaffekten wie Angst und Verzweiflung erfahren wird, als zentrales Motiv moderner Philosophie heraus. Der „negativistische“ Charakter bestimme ein Denken, das sich des Wahren im Ausgang vom Falschen versichere, in der Durchdringung eines Negativen, das zugleich über sich hinausweise.

    Drittens trat Theunissen in einen Dialog mit außerphilosophischen Traditionen und widmete sich ebenso einer vertieften Rezeption vorphilosophischer und außerwissenschaftlicher Zeugnisse wie Forschungen aus unterschiedlichen Disziplinen, namentlich der Theologie, der Klassischen Philosophie und der Psychiatrie. Einen besonderen Rang nahmen Religion und Kunst ein, mit denen die Philosophie, die nicht in einer wissenschaftlichen Disziplin aufgeht, eine Gemeinsamkeit teile, die eine Grundschicht ihrer selbst ausmache und sie dazu bestimme, in Auseinandersetzung mit dem alltäglichen Leben und der Negativität von Leid und Bösem sich auf die Transzendenz zu öffnen.

    Zu Theunissens Schülerinnen und Schülern zählen Emil Angehrn (geb. 1946), Günter Figal (1949–2024), Hinrich Fink-Eitel (1946–1995), Brigitte Hilmer (geb. 1958), Lore Hühn (geb. 1956), Christian Iber (geb. 1957), Thomas Kesselring (geb. 1948), Georg Lohmann (1948–2021), Uwe Justus Wenzel (geb. 1959) und Tilo Wesche (geb. 1968).

  • Auszeichnungen

    2003 Dr. phil. h. c., Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Luzern
    2005 Dr. theol. h. c., Universität Göttingen
    2001 Dr. Leopold Lucas-Preis der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen
    2004 Karl-Jaspers-Preis der Stadt Heidelberg, der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und der Universität Heidelberg
    2015 Hegel-Preis der Stadt Stuttgart
  • Quellen

    Nachlass:

    Deutsches Literaturarchiv, Marbach am Neckar. (weiterführende Informationen)

  • Werke

    Der Begriff Ernst bei Sören Kierkegaard, 1958. (Diss. phil.)

    Der Andere. Studien zur Sozialontologie der Gegenwart, 1965. (Habilitationsschrift)

    Gesellschaft und Geschichte. Zur Kritik der kritischen Theorie, 1969.

    Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat, 1970.

    Die Verwirklichung der Vernunft. Zur Theorie-Praxis-Diskussion im Anschluss an Hegel, 1970.

    Sein und Schein. Die kritische Funktion der Hegelschen Logik, 1978.

    Hans Friedrich Fulda/Rolf-Peter Horstmann/Michael Theunissen, Kritische Darstellung der Metaphysik. Eine Diskussion über Hegels „Logik“, 1980.

    Kritische Theorie der Gesellschaft. Zwei Studien, 1981.

    Selbstverwirklichung und Allgemeinheit. Zur Kritik des gegenwärtigen Bewusstseins, 1982.

    Negative Theologie der Zeit, 1991.

    Das Selbst auf dem Grund der Verzweiflung, 1991.

    Der Begriff Verzweiflung. Korrekturen an Kierkegaard, 1993.

    Pindar. Menschlos und Wende der Zeit, 2000.

    Reichweite und Grenzen der Erinnerung, 2001.

    Schicksal in Antike und Moderne, 2004.

  • Literatur

    Emmanuel Siregar, Sittlich handeln in Beziehung. Geschichtliches und personales Denken im Gespräch mit trinitarischer Ontologie, 1995.

    Susanne Scharf, Zerbrochene Zeit – gelebte Gegenwart. Im Diskurs mit Michael Theunissen, 2005.

    Tilo Wesche, Art. „Theunissen, Michael“, in: Thomas Bedorf/Andreas Gelhard (Hg.), Die Deutsche Philosophie im 20. Jahrhundert. Ein Autorenhandbuch, 22015, S. 283–286.

    Emil Angehrn, Zum Gedenken an Michael Theunissen [Laudatio anlässlich der Verleihung des Hegel-Preises], in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 64 (2016), S. 132–139.

    Festschriften:

    Emil Angehrn/Hinrich Fink-Eitel/Christian Iber/Georg Lohmann (Hg.), Dialektischer Negativismus. Michael Theunissen zum 60. Geburtstag, 1992.

    Markus Hattstein/Christian Kupke/Christoph Kurth/Thomas Oser/Romano Pocai (Hg.), Erfahrungen der Negativität. Festschrift für Michael Theunissen zum 60. Geburtstag, 1992. (P)

    Emil Angehrn/ Christian Iber/Georg Lohmann/ Romano Pocai (Hg.), Der Sinn der Zeit [Michael Theunissen zum 70. Geburtstag], 2002.

    Nachrufe:

    Richard Klein, Selbstüberschreitung der Philosophie. Zum Tod Michael Theunissens, in: Musik & Ästhetik 19 (2015), H. 75, S. 51–57.

    Günter Figal, Am Anfang und am Ende steht die Dichtung. Sein Denken galt dem Leben. Zum Tod des Philosophen Michael Theunissen, in: Süddeutsche Zeitung v. 21.4.2015, S. 12.

  • Onlineressourcen

  • Porträts

    Fotografie v. Karl-Heinz Eiferle (gest. 2021), Archiv der Freien Universität Berlin.

  • Autor/in

    Emil Angehrn (Basel)

  • Zitierweise

    Angehrn, Emil, „Theunissen, Michael“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.07.2024, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118621858.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA