Lebensdaten
1853 – 1932
Geburtsort
Riga
Sterbeort
Leipzig
Beruf/Funktion
Physikochemiker ; Philosoph ; Nobelpreisträger für Chemie (1909)
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 11859057X | OGND | VIAF: 44372577
Namensvarianten
  • Ostwald, Wilhelm Friedrich
  • Ostwald, Wilhelm
  • Ostwald, Wilhelm Friedrich
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Zitierweise

Ostwald, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11859057X.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Die Vorfahren waren Böttcher aus Hessen u. Berlin, d. über R. nach Rußland zogen;
    V Gottfried (1824–1903), Böttchermstr. in R., Ältester der St. Johannis-Gilde, S d. Gottfried (1785–1860), Böttchermstr. in Moskau, u. d. Friederike Hahn (1762–1879);
    M Elisabeth (1832–1920), T d. Heinrich Leukel (1804–62), Bäckermstr. in Marburg, Moskau, seit 1845 in R., u. d. Johanna Christine Braun (1808–69);
    B Eugen (1851–1932), Forstwirt;
    Riga 1880 Helene (1854–1946), Lehrerin, T d. Carl v. Reyher (1817–89), Titulärrat am livländ. Hofgericht in R., u. d. Mathilde Ulmann (1821–1904), Lehrerin;
    3 S, Wolfgang (s. 2), Walter (s. 3), Otto (1890–1958), Obering., Forschungsdir. in Berlin, seit 1945 wiss.-techn. Farbforschung in Großbothen, 2 T, u. a. Margarete (1882–1960), Malerin, ordnete O.s wiss. Nachlaß u. gründete 1932 d. Archiv in Großbothen (Sachsen), v. d. Fam. 1953 d. DDR geschenkt, seit 1974 Gedenkstätte;
    N Heinrich (1877–1950), Prof. f. Forstwiss. an d. Humboldt-Univ. Berlin;
    E Georg Brauer (* 1908), Prof. f. anorgan. Chemie in Freiburg (Br.), Peter Brauer (1911–95), Prof. f. Physik in Freiburg (Br.).

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Realgymnasiums studierte O. seit 1872 Chemie an der Univ. Dorpat bei Carl Schmidt und Johann Lemberg. 1875 bestand er die Kandidatenprüfung und wurde Assistent am Physikalischen Institut Arthur v. Oettingens. Mit seinen Arbeiten zur chemischen Verwandtschaftslehre erlangte er 1877 den Magister- und 1878 den Doktorgrad. 1880 begann O. seine Lehrtätigkeit als Privatdozent am Chemischen Institut von Carl Schmidt. 1882 folgte er einem Ruf als Professor an das Rigaer Polytechnikum, wo er seine in Dorpat begonnenen Arbeiten zu Anwendungen des Massenwirkungsgesetzes fortsetzte. Nachdem ẹr 1884 die Dissoziationstheorie von Svante Arrhenius (1859–1927) kennengelernt hatte, widmete er sich bis 1897 der Erforschung der elektrolytischen Leitfähigkeit und der Ionentheorie. 1887 wurde er Professor für Physikalische Chemie an der Univ. Leipzig und begründete dort die „Zeitschrift für physikalische Chemie“, die das Organ dieser jungen Wissenschaftsdisziplin wurde. Sein Leipziger Institut wurde zu einer Keimzelle und dann zu einem Weltzentrum der Physikalischen Chemie, aus dem etwa 60 Professoren dieses Gebietes (u. a. Walther Nernst und Ernst Beckmann) hervorgingen. Insbesondere in dem 1897 fertiggestellten neuen Institut wurden auch die Arbeiten zum Problem der Katalyse fortgeführt, wobei der Begriff der Autokatalyse und die moderne Katalysedefinition entwickelt wurden. 1905 nahm O. als erster deutscher Gelehrter eine Austauschprofessur in den USA (Harvard-Univ.) an. Danach emeritierte er 1906 vorzeitig und zog sich auf sein 1901 erworbenes Gut Großbothen zurück, um sich verstärkt seinen Arbeiten zur Philosophie, Wissenschaftsgeschichte und -theorie sowie der Farbenlehre zu widmen.

    O. gehört zu den Begründern und darüber hinaus vor allem zu den Organisatoren der Physikalischen Chemie. Er fand eine Reihe nach ihm benannter Gesetze, u. a. das „Verdünnungsgesetz“ (1888, Formulierung des Massenwirkungsgesetzes für die Dissoziation schwacher Elektrolyte mit Hilfe der Leitfähigkeit bei endlicher und unendlicher Verdünnung), die „Stufenregel“ (1897, stufenweises Hervorgehen energetisch stabilerer Formen aus zuvor gebildeten labileren bei chemischen Reaktionen) und die „Ostwald-Reifung“ (Wachsen der größeren Teilchen auf Kosten der kleineren). Von großer technischer Bedeutung ist der 1902 patentierte „Ostwald-Prozeß“, die katalytische Verbrennung von Ammoniak mit Luftsauerstoff zu Stickoxiden zur Produktion von Salpetersäure. Die aus seiner intensiven Beschäftigung mit Farben und Farbstoffen sowie seiner künstlerischen Tätigkeit als Maler entstandene Farbenlehre basiert auf einer Gleichung, nach der sich die Anteile von Weiß, Schwarz und Buntfarbe zu Eins ergänzen. Insbesondere für die Textil- und Porzellanindustrie ist sein 1921 herausgegebener, 2500 Farben umfassender Atlas von Bedeutung. Der große Wert, den O. der Wissenschaftsgeschichte beimaß, zeigt sich neben seinen zahlreichen historischen Arbeiten auch in der von ihm 1889 begründeten Herausgabe der bis in die Gegenwart fortgesetzten Reihe von kommentierten Originalveröffentlichungen wichtiger wissenschaftlicher Werke, die jetzt die Bezeichnung „Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften“ trägt. Die wissenschaftsorganisatorische Leistung O.s dokumentiert sich u. a. in seiner maßgeblichen Rolle bei der Begründung der Elektrochemischen Gesellschaft (1894) und der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (1911) sowie der Internationalen Assoziation der chemischen Gesellschaften (1911). Seine Publikationstätigkeit umfaßt Hunderte von Veröffentlichungen, darunter das erste Lehrbuch der physikalischen Chemie (1895). Bemerkenswert ist die propagandistische Tätigkeit von O. zur Schaffung einer, nicht nur die Wissenschaft betreffenden, Weltsprache, die mit keiner existierenden Sprache identisch sein sollte. O. befürwortete ein ständig aktualisiertes Esperanto, das Ido.

    Komplex ist O.s philosophische, weltanschauliche und religiöse Einstellung. Vom Anhänger der kinetischen Atomtheorie wurde er seit den 1890er Jahren zu deren streitbarem Gegner, kehrte aber 1908 konstruktiv zum Atomismus zurück, so daß er z. B. in der Atomgewichtskommission führend tätig wurde. Auf Anregung von Ernst Haeckel wurde O. nach 1910 zu einer führenden Persönlichkeit des 'kirchenfreien' Deutschen Monistenbundes, der sich für ein nichtreligiöses, wissenschaftlich begründetes Weltbild einsetzte. In den 1890er Jahren entwickelte O. eine eigene, allerdings wenig anerkannte, philosophische Konzeption, die „Energetik“. Danach ist nur das durch Wechselwirkung sinnlich Wahrnehmbare wirklich. Wahrnehmbar sind allein Energieverhältnisse. Daher besitzt nur die Energie Realität, sie ist der dem Erkenntnisstand angemessene Materiebegriff. Auch mit kulturwissenschaftlichen Fragestellungen, etwa über Malerei und über Goethe, hat sich O. auseinandergesetzt.|

  • Auszeichnungen

    Dr. h. c. (Aberdeen, Berkeley, Cambridge, Genf, Halle/S. Karlsruhe, Liverpool, Toronto);
    Mitgl. von ca. 30 Akademien u. wiss. Ges., u. a. o. Mitgl. d. Sächs. Ak. d. Wiss. (1887);
    Roter Adler-Orden III. Kl. (1896);
    Sächs. Geh. Hofrat (1899);
    Nobelpreis f. Chemie (1909);
    Wilhelm-Ostwald-Archiv u. -Gedenkstätte, Großbothen (Sachsen).

  • Werke

    u. a. Lehrb. d. allg. Chemie, 2 Bde, 1885-87, ²1891-93;
    Grundriß d. allg. Chemie, 1889, ⁴1909;
    Die Überwindung d. wiss. Materialismus, 1895;
    Elektrochemie, ihre Gesch. u. Lehre, 1895;
    Über Katalyse, 1902;
    Die internat. Hilfssprache u. d. Esperanto, 1906;
    Prinzipien d. Chemie, 1907;
    Die Energie, 1908;
    Grundriß d. Naturphilos., 1908;
    Große Männer, 1909, ⁴1927;
    Energet. Grundlagen d. Kulturwiss., 1909;
    Die Organisierung d. Organisatoren, 1912;
    Die Farbenfibel, 1917;
    Die Farbenlehre, 1918 ff.;
    Die Pyramide d. Wissenschaften, 1929;
    Selbstdarst., 1923;
    Lebenslinien, 3 Bde., 1926-29 (P);
    zahlr. Aufss. u. a. in: Zs. f. physikal. Chemie.

  • Literatur

    P. Walden, W. O., 1904 (P);
    E. E. Slasson, in: Major Prophets of Today, 1914, S. 190-241;
    W. Nernst, in: Zs. f. Elektrochemie 38, 1932, S. 337-400 (P);
    Grete Ostwald, W. O. – mein Vater, 1953 (P);
    F. Herneck, in: Abenteuer d. Erkenntnis, 1973, S. 147-214 (P);
    N. I. Rodnyj u. J. J. Solowjew, in: Biogrr. hervorragender Naturwiss., Techniker u. Mediziner 30, 1977 (P);
    E. N. Hiebert u. H.-G. Körber, in: DSB 15, 1978, S. 455-69 (P);
    G. Lotz, L. Dunsch u. U. Kring, Forschen u. Wirken, W. O. zur wiss. Arbeit, 1978 (P);
    J. P. Domschke u. P. Lewandrowski, W. O. – Chemiker, Wiss.theoretiker, Organisator, 1982 (P);
    Pogg. III-VI, VII a Suppl. (W-Verz.; Bibliogr).

  • Porträts

    Pastell v. A. Klamroth (Abb. in: E. Lange u. D. Alexander (Hg.), Philosophenlex., 1982, S. 711).

  • Autor/in

    Hans-Georg Bartel
  • Zitierweise

    Bartel, Hans-Georg, "Ostwald, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 630-631. [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11859057X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA