Lebensdaten
1881 – 1936
Geburtsort
Freyburg/Unstrut
Sterbeort
Baden-Baden
Beruf/Funktion
Sprachforscher ; Werbefachmann ; Agenturgründer ; Werbewissenschaftler
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 1049995554 | OGND | VIAF: 306141495
Namensvarianten
  • Weidenmüller, Hans
  • Weidenmueller, Johannes
  • Weidenmüller, Johannes
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Zitierweise

Weidenmüller, Johannes, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd1049995554.html [27.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V. Friedrich Wilhelm (1836–89), aus Falkenstein (Vogtland), Prokurist b. d. Sektkellerei Kloss u. Foerster in F.;
    M Helene Albanus (1848–88), aus Altenburg (Sachsen);
    B Heinrich Gustav (1874–1917, Erna Bemmer, * 1880, aus Bonn), Schw Marie (1876–1930);
    Berlin 1906 Hedwig (1877–1948 / 49), T d. Otto Bemmer (* 1849), aus Iserlohn, Kaufm., Metallwarenhändler ebd., u. d. Laura Ehringhaus (1856–1914);
    kinderlos.

  • Biographie

    Nach dem frühen Tod seiner Eltern wuchs W. in Altenburg unter der Obhut seiner Großmutter auf und machte hier 1899 das Abitur. Es folgte eine pädagogische Ausbildung am Landständischen Lehrerseminar in Bautzen. 1901–04 arbeitete W. als Lehrer in Strahwalde (Lausitz). Eine kleine Erbschaft mütterlicherseits ermöglichte ihm ein Zweitstudium von neun Semestern in Leipzig und Berlin in den Fächern Philosophie, Psychologie, Soziologie, Germanistik, Geschichte und Religionsforschung u. a. bei Wilhelm Wundt (1832–1920), Karl Lamprecht (1856–1915) und Fritz Mauthner (1849–1923). 1908 gründete W. in Leipzig die „Werkstatt für neue deutsche Wortkunst“. Sie bestand bis 1914 und firmierte zuletzt als „Werbewerkstatt zum Federmann“, ein Bildmotiv, das W. auch in seinen Veröffentlichungen einsetzte. Zeitweise beschäftigte W. in dieser ersten dt. Werbeagentur mehr als 30 Mitarbeiter, u. a. die Graphiker Johannes Friedrich Georg Baus (1889–1971) und Ernst Keller (1891–1968). Seit 1911 lehrte er auch an der Handelshochschule Leipzig über das Gesamtgebiet der Werbung und gab die Zeitschrift „Erfolgreiche Kundenwerbung, Monatshefte für den Kaufmann“ heraus. W. war vor dem 1. Weltkrieg der einzige dt. Werbefachmann, der das Wort „Reklame“ konsequent mied, da er darin die komplexen kommunikativen Abläufe, als die er Werbung begriff, nicht abgebildet sah.

    Mit Beginn des 1. Weltkriegs gab W. seine Werbewerkstatt auf, siedelte von Leipzig nach Berlin-Pankow über und betrieb seitdem werbewissenschaftliche Forschung. Er entwickelte eine Werbelehre, in die er Erkenntnisse wie die psychotechnischen Experimente Hugo Münsterbergs (1863–1916), die Farbenlehre Wilhelm Ostwalds (1853–1932) und neue Ansätze der Sprach- und Kommunikationswissenschaft zu integrieren suchte. Im Herbst 1915 hielt er erstmals an der Univ. Berlin darüber eine Vorlesungsreihe, fortan verfolgte er die Idee zur Gründung einer Werbehochschule. 1916 wurde er Schriftleiter der Verbandszeitschrift „Mitteilungen des Vereins deutscher Reklame-Fachleute“. Im selben Jahr erschien sein Buch „Kurzer Grundriß der Werbelehre“. Darin definierte er Werbung erstmals als „angebotlichen Nachrichtendienst“ eines Unternehmens: „Werbung ist Nachricht von Ware, Dienstleistung oder Geschäft in willenbewegender Form.“

    Seit 1918 entwickelte W. mit großer schriftstellerischer Produktivität seine Werbelehre als „Anbietwissenschaft“ weiter. Die Zahl seiner Manuskripte – nach Hubert Strauf (1904–93) mindestens 80 Buchmanuskripte und etwa 2000 Aufsätze – ist bis heute nicht erfaßt, viele gingen verloren oder blieben ungedruckt. 1919 richtete W. in seiner Wohnung in Berlin die „werbekundliche Arbeitsstelle“ ein. In den frühen 1920er Jahren versammelte er einen Schülerkreis um sich, mit Ablegern u. a. in Wien, Stettin oder im Ruhrgebiet, dem er Lehrbriefe in Form eines „Aufsatzrings“ zusandte. Zu diesem „Weidenmüller-Kreis“ zählten u. a. Strauf und Albert Eugen Hörwarter.

    Im Bestreben, werbliche Massenkommunikation zu einem Teil gesellschaftskonstituierender Sozialtechnik zu machen, bemühte sich W., auch die dt. Sprache energetisch zu optimieren. Deshalb übernahm er seit 1921 die mit weniger und einfacheren Zeichen arbeitende Kleinschreibweise, inspiriert durch Walter Porstmanns (1886–1959) Buch „Sprache und Schrift“ (1920) und durch den mit ihm befreundeten Kleinschreib-Verfechter Hans Lorenz Stoltenberg (1888–1963). Von diesem Zeitpunkt an tragen alle Schriften W.s (drogers kundenwerbung, 1921; 100 worte werbelehre, 1924) auch eine sie inhaltlich bestimmende Ordnungszahl (Dewey-Dezimalklassifikation) des amerik. Bibliotheks-Systematikers Melvil Dewey (1851–1931). W. ging ebenso dazu über, ganze Worte nach energetischen Grundsätzen zu komprimieren: „Empfänger“ wurde bei ihm zu „Empfer“. Er bereicherte die Werbefachsprache durch Wortneuprägungen wie „Blickfang“, „Anstoß“ oder „streuen“ und bezeichnete sich selbst als „werbwart“ (in seiner Funktion als Wissenschaftler) bzw. als „werbwalt“ (als Anwalt für Werbung).

    Obwohl W.s Sprachvereinfachung vom kommunikationstheoretischen Standpunkt aus nachvollziehbar war, wurde er in Fachwelt und Öffentlichkeit bald in eine Außenseiterrolle gedrängt. Seine „anbietlehre“ (1926) wurde von vielen Werbefachleuten ebenso abgelehnt wie der „Weidenmüllerkreis“ oder seine Bestrebungen, Werbelehre als Unterrichtsfach im akademischen Betrieb zu verankern. Die Höhere Reichswerbeschule in Berlin wurde 1936 auf Anordnung der Nationalsozialistischen Reichsfachschaft Deutscher Werbefachleute eingerichtet; W., der sich Hoffnung gemacht haben soll, hier zu lehren, verstarb kurz zuvor.

    Als nach dem 2. Weltkrieg die gesamte Nomenklatur der Werbefachsprache aus den USA übernommen wurde, geriet W. zunehmend in Vergessenheit. Obwohl einige seiner Wortneubildungen bis heute in der Werbung gebräuchlich sind, wird W.s Pionierrolle nicht mehr gewürdigt.

  • Werke

    W Vom sprachl. Kunstgewerbe, Eine Arb. über Sprache u. Schr. in unserem öff. u. privaten Leben, 1908;
    Erfolgreiche Kundenwerbung, Aufss. u. Arb.stücke aus d. Werkstatt e. Kundenwerbers, 1912;
    Kundengewinnung u. Kunden-Erhaltung in d. Getränke-Ind., 1913;
    Die Werbsachen-Prüfung, 1915;
    Kurzer Grundriß d. Werbelehre, Für d. Selbstunterr. an Fachschulen, 1916;
    Die Werbearb. b. Stellensuchen, Ratschläge f. kaufm. u. techn. Angest., 1916;
    W.s Werbe Unterr., 6 Hh., 1916–17;
    Werbelehre f. Verwaltungen u. Behörden, 1918;
    Stoff u. Geist d. Werbelehre, 1919;
    die auslagen werbsache, 1921;
    gesang v. werbewerk, 1924;
    vom begriffbau d. anbietlehre, 1926;
    Mitinhaber, was sie aneinander haben, 1934.

  • Literatur

    |A. E. Hörwarter, Die Werbeschulung, in: Organisation, Zs. f. prakt. Geschäftsführung, Reklame u. Plakatkunst XVIII, Nr. 20, 1916, S. 458–60;
    H. Strauf, der werbwart, Zum 100. Geb.tag d. Werbers, Forschers u. Lehrers J. W., in: Jb. d. Werbung,|Marketing-Kommunikation in Dtld., Österr. u. d. Schweiz, 1981, S. 24 f. (P);
    Ch. Lamberty, Reklame in Dtld. 1890–1914, 2000, S. 255–58.;
    Cl. Regnery, Die dt. Werbeforsch. 1900 bis 1945, 2002, S. 271–96;
    D. Schindelbeck, Pionier d. Werbewirtsch., in: Damals, Das Mag. f. Kultur u. Gesch. 4, 2003, S. 62–65 (P);
    ders., Von d. „werkstatt f. neue dt. wortkunst“ z. „anbietlehre“, J. W., d. vergessene Urahn d. dt. Werbung, in: Wege in d. Moderne, Weltausstellungen, Medien u. Musik im 19. Jh., Ausst.kat. German. Nat.mus. Nürnberg, 2014, S. 68–80 (P);
    ders., Der aus Reklame Werbung machte, J. W., Werbewiss. u. Agenturgründer, 2016 (P);
    G. Hirt, Verkannte Propheten, Zur „Expertenkultur“ (west-) dt. Werbekommunikatoren bis z. Rezession 1966 / 67, 2013, S. 61–64 (P).

  • Autor/in

    Dirk Schindelbeck
  • Zitierweise

    Schindelbeck, Dirk, "Weidenmüller, Johannes" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 576-578 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd1049995554.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA