Lebensdaten
1879 – 1963
Geburtsort
Meckesheim (Kurpfalz)
Sterbeort
Los Angeles
Beruf/Funktion
Psychologe ; Mediziner ; Sprachtheoretiker ; Hochschullehrer ; Philosoph
Konfession
römisch-katholisch
Normdaten
GND: 118516957 | OGND | VIAF: 100181212
Namensvarianten
  • Bühler, Karl
  • Bühler, Karl
  • Buehler, Karl
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Bühler, Karl, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118516957.html [28.03.2024].

CC0

  • Ausgehend von denk- und sprachphilosophischen Ansätzen entwickelte Karl Bühler einen interdisziplinär fundierten Zugang zur Sprache, zu Denken und Problemlösen sowie zur Wahrnehmung. Sein Hauptwerk, „Sprachtheorie“ (1934), gehört zu den Klassikern der Linguistik im 20. Jahrhundert. Nach Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime in seiner Arbeit eingeschränkt, emigrierte Bühler 1939 in die USA. Der damit einhergehende Bruch in der akademischen Karriere führte zu einer verzögerten Rezeption, die in der Linguistik intensiver erst mit der der Neuauflage der „Sprachtheorie“ (1965) und ihren Übersetzungen (engl. 1990, russ. 1993, franz. 2009) sowie der Kenntnisnahme der „Axiomatik der Sprachwissenschaften“ (1933) einsetzte.

    Lebensdaten

    Geboren am 27. Mai 1879 in Meckesheim (Kurpfalz)
    Gestorben am 24. Oktober 1963 in Los Angeles
    Begräbnisort Forest Lawn Memorial Park Glendale (Kalifornien, USA)
    Konfession römisch-katholisch
    Karl Bühler, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC)
    Karl Bühler, BSB / Bildarchiv / Fotoarchiv Hoffmann (InC)
  • Lebenslauf

    27. Mai 1879 - Meckesheim (Kurpfalz)

    - 1898 - Tauberbischofsheim bei Würzburg

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    (humanistisches) Matthias-Grünewald-Gymnasium

    1899 - 1903 - Freiburg im Breisgau

    Studium der Medizin, Psychologie und Philosophie

    Universität

    1903 - Freiburg im Breisgau

    Promotion (Dr. med.)

    Universität

    1903 - 1907 - Würzburg

    Assistent

    Institut für Psychologie der Universität

    1904 - Straßburg

    Promotion (Dr. phil.)

    Universität

    1907 - Würzburg

    Habilitation für Psychologie

    Universität

    1909 - 1913 - Bonn

    Institut für Psychologie der Universität

    1913 - 1918 - München

    außerordentlicher Professor für Psychologie

    Universität

    1915 - 1918 - München

    Lehrstuhlvertreter

    Universität

    1914 - 1918 - München

    Kriegsdienst als Stabsarzt im militärpsychologischen Bereich

    1918 - 1922 - Dresden

    ordentlicher Professor für Psychologie und Pädagogik

    TH

    1922 - Wien

    ordentlicher Professor für Psychologie; Leiter des Instituts für Psychologie und der Lehrerausbildung; gemeinsame Arbeit (Labor) mit seiner Ehefrau

    Universität

    1926 - 1929 - Stanford (Kalifornien); Baltimore (Maryland); Cambridge (Massachusetts); Chicago

    Austauschprofessor

    Stanford University; Johns Hopkins University; Harvard University (1926/27); University of Chicago (1929)

    1933

    Rücktritt vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie

    März 1938 - Wien

    Inhaftierung durch die Gestapo

    1939 - Oslo; London; USA

    Emigration über Oslo und London

    1939 - Duluth (Minnesota, USA)

    klinischer Mitarbeiter; Psychologe

    College of St. Scholastica

    1940 - 1945 - St. Paul (Minnesota)

    Professor für Psychologie

    St. Thomas College

    1945 - 1955 - Los Angeles

    Professor für Psychiatrie

    University of Southern California

    24. Oktober 1963 - Los Angeles
  • Genealogie

    Vater Ludwig Bühler Eisenbahnbeamter
    Mutter Berta Bühler, geb. Emmerich
    Schwester Bertha Bühler
    Bruder Julius Bühler
    Bruder Robert Bühler
    Heirat 4.4.1916 in München
    Ehefrau Berta Charlotte Bühler , geb. Malachoski 1893–1974 jüdisch; Entwicklungspsychologin; 1929 außerordentliche Professorin an der Universität Wien, emigrierte 1939 über Oslo und London in die USA; dort Leitende Psychologin im Zentralkrankenhaus von Minneapolis und im County General Hospital Los Angeles
    Tochter Ingeborg Berta Maria Lina Aas, geb. Bühler 1917–1986
    Sohn Rolf D. Bühler 1919–1984 Ph.D.; Studium der Luft- und Raumfahrttechnik am California Institute of Technology; 1967 Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Bühler, Karl (1879 – 1963)

    • Vater

      Ludwig Bühler

      Eisenbahnbeamter

    • Mutter

      Berta Bühler

    • Schwester

      Bertha Bühler

    • Bruder

      Julius Bühler

    • Bruder

      Robert Bühler

    • Heirat

      in

      München

      • Ehefrau

        Berta Charlotte Bühler

        1893–1974

        jüdisch; Entwicklungspsychologin; 1929 außerordentliche Professorin an der Universität Wien, emigrierte 1939 über Oslo und London in die USA; dort Leitende Psychologin im Zentralkrankenhaus von Minneapolis und im County General Hospital Los Angeles

  • Biografie

    Im Anschluss an das Abitur am Matthias-Grünewald-Gymnasium in Tauberbischofsheim 1899 studierte Bühler Medizin, Psychologie und Philosophie an der Universität Freiburg im Breisgau, wo er der katholischen Verbindung KDStV Arminia beitrat. 1903 wurde er mit der Arbeit „Beiträge zur Lehre von der Umstimmung des Sehorgans“ in Freiburg bei Johannes von Kries (1853–1928) zum Dr. med. promoviert; ein Jahr später folgte die Promotion zum Dr. phil. bei Clemens Bäumker (1853–1924) im Fachbereich Psychologie der Universität Straßburg (Studien über Henry Home). Seit 1903 war er Assistent bei Oswald Külpe (1862–1915) am Institut für Psychologie der Universität Würzburg, habilitierte sich hier 1907 mit „Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge“ und wechselte 1909 mit Külpe an die Universität Bonn. 1907 prägte Bühler den bis heute gebräuchlichen Ausdruck „Aha-Erlebnis“.

    1913 wurde Bühler außerordentlicher Professor für Psychologie an der Universität München, wo er nach Külpes Tod 1915 dessen Lehrstuhl vertrat und während des Ersten Weltkriegs Arzt im militärpsychologischen Dienst war. In seinem Werk „Die Gestaltwahrnehmungen. Experimentelle Untersuchungen zur psychologischen und ästhetischen Analyse der Raum- und Zeitanschauung“ (1913) wandte sich Bühler der Gestaltpsychologie seines Lehrers Külpe zu und übernahm auch dessen Perspektive auf Sprache: Das Verstehen der Bedeutung eines Satzes beruhe auf der Herstellung von Beziehungen beim Denken.

    1918 folgte Bühler dem Ruf auf eine ordentliche Professur für Psychologie und Pädagogik an die TH Dresden und wurde 1922 Ordinarius sowie Leiter des Instituts für Psychologie und der Lehrerausbildung in Wien. Hier führte er mit seiner Ehefrau im Labor Untersuchungen zur Entwicklungspsychologie (u. a. mit Tagebuchstudien und Verhaltensbeobachtungen) durch. Gastprofessuren führten ihn zwischen 1926 und 1929 mehrfach in die USA. Im Gegensatz zu Wilhelm Wundt (1832–1920), Max Wertheimer (1880–1943) und den Anhängern der Assoziationsmethode ließ Bühler in seinen Studien die Introspektion und das „Ausfragexperiment“ als einzig legitime Methoden zu, was methodisch neu war. Sein Buch „Die geistige Entwicklung des Kindes“ (1918) wurde rasch ein Klassiker. Die „Krise der Psychologie“ (1927) beleuchtete Grundprobleme und Methoden der Psychologie (Verhaltensforschung, Handlungstheorie und Erforschung innerer Erfahrungen) kritisch.

    Bühlers opus magnum, die „Sprachtheorie“ (1934), ist „axiomatisch” als „transzendentale Deduktion im Sinne Kants“ fundiert und von Edmund Husserls (1859–1938) Phänomenologie beeinflusst. Es begreift Sprache als mindestens zweiklassiges Zeichensystem. Bühler kennzeichnete Ferdinand de Saussures (1857–1913) Zerlegung der Sprache als „Metzgeranalyse“ und kritisierte den Schluss von Materiellem auf Immaterielles als „Stoffdenken“. Den „biologischen Quellpunkt der Zeichenproduktion” sah er im „Gemeinschaftsleben der Tiere“. Alle Menschensprachen seien strukturgleich.

    Dem Zeichen eignet nach Bühler eine konkrete, wahrnehmbare Seite (was es „für sich” ist) und eine abstrakte, funktionale (was es als Zeichen fungieren lässt). Der Laut ist eine wahrnehmbare materielle Größe und Gegenstand der Phonetik. Sprache ist für ihn „Organon”, zweckhaft geformtes und formendes „Gerät”. Das Schallereignis ist Zeichen, weil es als Symbol für die Darstellung von Gegenständen/Sachverhalten dient, als Symptom die Befindlichkeit des Sprechers ausdrückt und ein Signal als Appell an den Hörer darstellt.

    Während bis dahin die Darstellungsfunktion immer im Zentrum der Sprachtheorie stand, ging Bühler über Wundt hinaus, indem er das Sprechen als zielgesteuertes menschliches Handeln verstand, Zweck und Steuerung in den Blick nahm und Handlungen in der Beschreibung zerlegte. Anders als Wundt ordnete er die Sprachwissenschaft nicht der Psychologie unter. Für die spätere Linguistik wegweisend wurde seine Unterscheidung zwischen „Symbolfeld” und „Zeigfeld” der Sprache.

    Wegen antisemitischer Tendenzen trat Bühler 1933 aus dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie aus, deren Vorsitzender er von 1928 bis 1931 gewesen war. Nach dem „Anschluss“ Österreichs kam er im März 1938 kurzzeitig in Gestapo-Haft. Er verweigerte die geforderte Scheidung von seiner Ehefrau und ging in das Exil. Über Oslo und London emigrierte die Familie 1939 in die USA. In Minnesota und Los Angeles arbeitete Bühler überwiegend klinisch, nur am St Thomas College vermittelte er seine Sprachtheorie. Mit Forschungen zur Tierkommunikation betrat er Neuland. Das Exil führte, v. a. in der Psychologie, zu einem Bruch in seiner Rezeption, die erst in den 1960er Jahren intensiver wieder einsetzte.

    Zu Bühlers Schülern zählen der Psychologe Egon Brunswik (1903–1955), der Soziologe Paul Lazarsfeld (1901–1976) sowie der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Karl Popper (1902–1994), der 1928 seine Dissertation „Die Methodenfrage der Denkpsychologie“ bei ihm verfasste.

    Bühlers Werk ist interdisziplinär; es verbindet psychologische, philosophische, biologische und linguistische Forschungen. Einige seiner Gedanken kommen der Gebrauchstheorie Ludwig Wittgensteins (1889–1951) und der Handlungstheorie George Herbert Meads (1863–1931) nahe. Bühlers Werk ist für Linguistik und Psychologie innovativ, sein Potenzial bis heute nicht ausgeschöpft.

  • Auszeichnungen

    1928–1933 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychologie
    1960 Ehrenpräsident des XVI. Kongresses der International Union of Scientific Psychology, Bonn
    1960 Wundt-Plakette der Deutschen Gesellschaft für Psychologie
    1961 Preis der Stadt Wien für Geisteswissenschaften
    1996 Charlotte- und Karl-Bühler-Preis der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (zweijährlich)
    1998 „Tor der Erinnerung“ für Karl und Charlotte Bühler, Wien
    2014 Karl-und-Charlotte-Bühler-Preis für ausgezeichnete Lehre an der TU Dresden (jedes Semester)
    2019 Charlotte-and-Karl-Bühler Lecture, Institut für Psychologie der Universität Würzburg (jedes Semester)
  • Quellen

    Nachlass:

    Universitätsarchiv Wien, AT-UAW/131.147. (weiterführende Informationen)

    Universität Graz; Inventarisierung durch Daniela G. Camhy.

  • Werke

    Beiträge zur Lehre von der Umstimmung des Sehorgans, 1903. (Diss. med. Freiburg im Breisgau)

    Studien über Henry Home, 1905. (Diss. phil. Straßburg)

    Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge. Über Gedanken, 1907. (Habilitationsschrift)

    Die Gestaltwahrnehmungen. Experimentelle Untersuchungen zur psychologischen und ästhetischen Analyse der Raum- und Zeitanschauung, 1913.

    Die geistige Entwicklung des Kindes, 1918.

    Die Krise der Psychologie, 1927.

    Ausdruckstheorie, 1933

    Axiomatik der Sprachwissenschaften, 1933

    Sprachtheorie, 1934, Neuausg. 1965, engl. 1990, russ. 1993, franz. 2009.

    Die Zukunft der Psychologie, 1936.

    Das Gestaltprinzip im Leben der Menschen und der Tiere, 1960.

    Die Uhren der Lebewesen und Fragmente aus dem Nachlass, 1969.

    Schriften zur Sprachtheorie, hg. v. Achim Eschbach, 2012.

    Sprache und Denken, hg. v. Achim Eschbach, 2015.

  • Literatur

    Elisabeth Ströker (Hg.), Karl Bühler, Die Axiomatik der Sprachwissenschaften, 1969.

    Dieter Wunderlich, Karl Bühlers Grundprinzipien der Sprachtheorie, in: Muttersprache 79 (1969), S. 52–62.

    Achim Eschbach (Hg.), Bühler-Studien, 2 Bde., 1984.

    Carl Friedrich Graumann/Theo Herrmann (Hg.), Karl Bühlers Axiomatik. 50 Jahre Axiomatik der Sprachwissenschaft, 1984.

    Franciscus Johannes Maria Vonk, Gestaltprinzip und abstraktive Relevanz. Eine wissenschaftshistorische Untersuchung zur Sprachaxiomatik Karl Bühlers, 1992.

    Achim Eschbach, Karl Bühler und die Würzburger Schule, in: Brentano-Studien 7 (1998), S. 237–254.

    Konrad Ehlich/Katharina Meng (Hg.), Die Aktualität des Verdrängten. Studien zur Geschichte der Sprachwissenschaft im 20. Jahrhundert, 2004.

    Konrad Ehlich, Zwischen Zeichen und Handlung oder: von den Mühen des Entdeckens und seinen Folgen, in: ders. (Hg.), Sprache und sprachliches Handeln, Bd. 1, 2007, S. 393–413.

    Konrad Ehlich, Sechs Stichworte zu Bühler, in: ebd., S. 415–420.

    Utz Maas, Art. „Bühler, Karl“, in: ders. (Begründer), Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933–1945, 2020. (Onlineressource)

    David Edmonds, Die Ermordung des Professor Schlick. Der Wiener Kreis und die dunklen Jahre der Philosophie, 2021.

    Ludger Hoffmann, Deutsche Grammatik, 42021.

  • Onlineressourcen

  • Autor/in

    Ludger Hoffmann (Dortmund)

  • Zitierweise

    Hoffmann, Ludger, „Bühler, Karl“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.04.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118516957.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA