Lebensdaten
1874 – 1957
Geburtsort
Todtnau (Schwarzwald)
Sterbeort
(Bonn)
Beruf/Funktion
Jurist ; Staatsrechtler
Konfession
konfessionslos
Normdaten
GND: 118622080 | OGND | VIAF: 59877398
Namensvarianten
  • Thoma, Richard Emil
  • Thoma, Richard
  • Thoma, Richard Emil

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Zitierweise

Thoma, Richard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118622080.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Berthold (1833–76), Fabr.;
    M Mathilde N. N. (1845–1919);
    1) N. N., 2) 1903 Helene (* 1881), T d. Emil Fieser (1855–1904), aus Sinsheim, Dr. iur., Landger.präs. in Freiburg (Br.), RT-Abg. (s. BJ IX, Tl.; Bad. Biogrr. VI, S. 171–82; Bad. Parlamentarier);
    1 S Richard (* 1906, im 2. Weltkrieg ⚔).

  • Biographie

    T. besuchte die Schulen in Freiburg (Br.) (Abitur 1894), um anschließend zunächst Naturwissenschaften, seit 1896 Rechtswissenschaft in Freiburg, München und Berlin zu studieren. Auf die Promotion 1900 in Freiburg bei Ulrich Stutz (1868–1938) mit einer zivilrechtlichen Arbeit folgte 1899–1904 die Rechtspraktikanten- und Referendarstätigkeit im bad. Vorbereitungsdienst und 1906 die Habilitation für Staats- und Verwaltungsrecht in Freiburg bei Heinrich Rosin (1855–1927) mit der Arbeit „Der Polizeibefehl im bad. Recht“. 1908 wurde T. o. Professor für öffentliches Recht am Kolonialinstitut Hamburg, wechselte 1909 nach Tübingen und 1911 nach Heidelberg (Dekan 1916/17, 1922/23). Seit 1928 lehrte er in Bonn, über seine Emeritierung 1945 hinaus bis 1950.

    T. gehörte im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zu den führenden Vertretern der dt. Staatsrechtslehre. Im Kaiserreich stand er den Nationalliberalen zumindest nahe und propagierte, wie z. B. in seiner polizeirechtlichen Habilitationsschrift deutlich wird, ein liberales, an Rechtsstaatlichkeit ausgerichtetes Staatsbild. In der Weimarer Republik setzte sich T. als einer der wenigen Hochschullehrer fachlich und politisch für die neue Staatsordnung, für Republik und Demokratie ein. Er engagierte sich seit 1918 in Heidelberg für die DDP (Mitgl. 1919–33) und war 1926 Mitbegründer der „Vereinigung verfassungstreuer Hochschullehrer“ (seit 1931 Weimarer Kreis). Im sog. Methoden- und Richtungsstreit der Weimarer Staatsrechtslehre vertrat er mit seinem Heidelberger Fakultätskollegen Gerhard Anschütz (1867–1948) die positivistische Richtung, angeleitet u. a. durch die Werturteilslehre Max Webers (1864–1920), mit dem er in Heidelberg persönlich verbunden war. Der methodische Gegenpol, die antipositivistische Richtung, wurde repräsentiert u. a. durch Erich Kaufmann (1880–1972), Rudolf Smend (1882–1975), Günther Holstein (1892–1931), Carl Schmitt (1888–1985) oder Hermann Heller (1891–1933). T.s Position stellte sich aus fachlicher Sicht als konservativ dar, politisch erwies sie sich in der konkreten Rechtsanwendung als liberal-fortschrittlich.

    1930/32 erschien das von T. zusammen mit Anschütz herausgegebene und verfaßte, bis heute wichtige Standardwerk „Handbuch des Deutschen Staatsrechts“ (2 Bde.). In der NS-Zeit ließ T.s Publikationstätigkeit nach; seine Position aus der Weimarer Zeit drängte ihn an den Rand des Fachs. Sein Werk „Die Staatsfinanzen in der Volksgemeinschaft“ (1937) machte als volkswirtschaftlich-politische Programmschrift Zugeständnisse an die herrschende Ideologie, erschien fachlich wie inhaltlich verunglückt und fand weder in der Staatsrechtslehre noch in der Nationalökonomie Beachtung; es ist nicht eindeutig festzustellen, ob es eine Reaktion T.s auf partielle Lehrverbote aus dem Jahr 1936 darstellt.

    Erst seit 1945 trat T. als einer der wenigen unbelasteten Fachvertreter wieder einflußreich hervor. Er erstellte während der Arbeit des Parlamentarischen Rats am Grundgesetz als Berater Rechtsgutachten zu Grundgesetzentwürfen. Im Bundesarchiv liegen Fragmente eines niemals fertiggestellten oder publizierten frühen Kommentars zum Grundgesetz. T.s Ansehen dokumentierte sich auch darin, daß er 1949 als Ehrenvorsitzender die Tagungen der Vereinigung der dt. Staatsrechtslehrer, zu deren Gründungsmitgliedern er 1922 gehörte hatte, wiedereröffnete. Zu T.s Schülern zählen Hermann Mosler (1912–2001) und Ernst Friesenhahn (1901–84).

  • Auszeichnungen

    A Rr.kreuz 2. Kl. d. ghzgl. bad. Ordens v. Zähringer Löwen (1914);
    GHR (1918);
    Gr. BVK (1954);
    Mitgl. d. Ges. f. Völkerrecht (1917);
    Vors. d. Vereinigung d. dt. Staatsrechtslehrer (1926);
    o. Mitgl. d. Inst. Internat. de Droit Public, Paris (1927).

  • Werke

    Weitere W Die Bedeutung d. Besitzwillens im Besitzrecht d. B.G.B., Diss. Freiburg 1900;
    Rechtsstaatsidee u. Verw.rechtswiss., in: Jb. d. öff. Rechts d. Gegenwart 4, 1910, S. 196–218;
    Der Vorbehalt d. Gesetzes im preuß. Vfg.recht, in: Festgabe f. Otto Mayer z. 70. Geb.tag, 1916, S. 167–221;
    Das richterl. Prüfungsrecht, in: AöR 43, 1922, S. 267–86;
    Der Begriff d. modernen Demokratie in seinem Verhältnis z. Staatsbegriff, in: Erinnerungsgabe f. Max Weber, Bd. 2, 1923, S. 37–64;
    Grundrechte u. Polizeigewalt, in: H. Triepel (Hg.), FS z. Feier d. fünfzigj. Bestehens d. Preuß. Oberverw.ger., 1925, S. 183–223;
    Die jur. Bedeutung d. grundrechtl. Sätze d. dt. Reichsvfg. im allg., in: H.-C. Nipperdey (Hg.), Die Grundrechte u. Grundpflichten d. Reichsvfg., Bd. 1, 1929, S. 1–53;
    Über Wesen u. Erscheinungsformen d. modernen Demokratie, 1948;
    Die Lehrfreiheit d. Hochschullehrer u. ihre Begrenzung durch d. Bonner Grundgesetz, 1952;
    vollst. W-Verz. in: Dreier (s. L).

  • Literatur

    L A. Schüle, in: AöR 82, 1957, S. 153–56;
    H.-D. Rath, Positivismus u. Demokratie, R. T. 1874–1957, 1981;
    E. Friesenhahn, Anmm. z. d. Buch v. Hans-Dieter Rath über R. T., in: ZNR 6, 1984, S. 74–79;
    M. Stolleis, Gesch. d. öff. Rechts in Dtld., Bd. III, 1999 (passim), Bd. IV, 2012 (passim);
    C. Schönberger, Elitenherrschaft f. d. soz. Ausgleich, R. T.s „realistische“ Demokratietheorie im Kontext d. Weimarer Diskussion, in: C. Gusy (Hg.), Demokrat.|Denken in d. Weimarer Rep., 2000, S. 156–90;
    F. Sösemann, in: M. Schmoeckel (Hg.), Die Jur. d. Univ. Bonn im „Dritten Reich“, 2004, S. 555–80 (P);
    H. Dreier, „Unbeirrt v. allen Ideologien u. Legenden“, Notizen z. Leben u. Werk v. R. T., in: ders. (Hg.), R. T., Rechtsstaat, Demokratie, Grundrechte, Ausgew. Abhh. aus fünf J.zehnten, 2008, S. XIII – LXXXI (W-Verz.);
    K. Groh, Demokrat. Staatsrechtslehrer in d. Weimarer Rep., 2010;
    Drüll, Heidelberger Gel.lex., Heidelberger Gel.lex. I; Marcon-Strecker (Qu, W
    , L, P);
    K. Groh, in: Staatsrechtslehrer 20. Jh. (W, P);
    Qu Archiv d. Rechts- u. Staatswiss. Fak. d. Univ. Bonn; – Nachlaß: BA Koblenz.

  • Autor/in

    Christian Waldhoff
  • Zitierweise

    Waldhoff, Christian, "Thoma, Richard" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 171-173 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118622080.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA