Lebensdaten
1840 – 1909
Geburtsort
Stettin
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Zoologe ; Wissenschaftsorganisator
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118526464 | OGND | VIAF: 81327
Namensvarianten
  • Dohrn, Anton Felix
  • Dohrn, Anton
  • Dohrn, Anton Felix
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Zitierweise

Dohrn, Anton, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118526464.html [25.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Carl August s. (2);
    Warschau 1874 Maria v. Baranowska (1855–1918, kath.), Gutsbesitzerstochter;
    4 S, u. a. Wolfgang (1878–1914), seit 1907 organisatorischer Leiter des „Deutschen Werkbundes für Handwerkskunst“, Gründer der „Bildungsanstalt für Musik u. Rhythmus“ in Hellerau b. Dresden, Reinhard (* 1880), Leiter der Zoologischen Station Neapel 1909-54;
    N Max s. (3); Enkel (Sohn des Reinhard) Peter (* 1917), Leiter der Zoologischen Station Neapel seit 1954.

  • Biographie

    D. studierte in Königsberg, Bonn, Berlin, Breslau (Promotion) und Jena Medizin und Zoologie. Vom Vater beeinflußt, war er bereits als Schüler und Student mit entomologischen Arbeiten hervorgetreten, dann an der „Schulzoologie“ beinahe gescheitert, bis ihm Haeckel in Jena, wo er sich 1868 habilitierte, „die wirklich bis ins Innerste gehende Erregung durch Darwin“ (an A. Stahr 1866) vermittelte. Die Jugendfreundschaft mit Haeckel zerbrach später, da D. sich schroff gegen dessen unphilosophische Art gewandt hatte; aber auch zu der strengen Schulmäßigkeit des Anatomen K. Gegenbaur geriet er in Widerspruch.

    Unter dem Eindruck des Darwinismus sah D. seine Aufgabe in der phylogenetischen Forschung mit entwicklungsgeschichtlichen Methoden und suchte zunächst, die Stammesgeschichte der Gliedertiere zu klären. Darüber hinaus wollte er die „Wandlung der Formen und Leistungen durch das ganze Tierreich hindurch genealogisch“ (Kühn) erfassen. Das erforderte ein eingehendes Studium der Meeresfauna. Schon andere Gelehrte, zumal Johannes Müller, hatten sich deren intensiverer Erforschung zugewandt. D. aber, von dem Ertrag eigener Studien in Schottland, in Messina unbefriedigt, entschloß sich, 1870 in Neapel eine für dauernde systematische Arbeit bestimmte Forschungsstätte zu begründen. E. Abbe in Jena, mit dem D. ein enges freundschaftliches Verhältnis verband, stimmte dem Plan sofort begeistert zu. Er hat später das Unternehmen mit Rat und Tat gefördert und selbst wertvolle Anregungen für den Bau seiner Mikroskope empfangen, die nicht zuletzt durch ihre Bewährung in Neapel Weltruf erlangten.

    Die „Zoologische Station“ wurde D.s Lebensleistung. In vorschnellem Optimismus hatte er geglaubt, die Einnahmen aus einem Schau-Aquarium würden die Kosten tragen. Das war eine Fehlrechnung. Aber unter größten persönlichen Opfern hielt er an dem Plan fest. Er fand Widerhall bei führenden Männern der Naturwissenschaften.|Ch. Darwin und K. E. von Baer wurden die wissenschaftlichen Paten, Th. Huxley und F. Balfour die Förderer des Unternehmens. Von den deutschen Gelehrten setzten sich C. Th. von Siebold, E. Du Bois-Reymond, H. Helmholtz, R. Virchow am stärksten ein. Durch überlegenes diplomatisches Geschick erreichte D. nach unendlichen Mühen auch Unterstützung des Deutschen Reiches und festigte den kühnen Versuch durch den glücklichen Einfall, den Regierungen der einzelnen Länder, gelehrten Gesellschaften oder Universitäten für ein jährliches Pauschale „Arbeitstische“ zu vermieten. Den Wissenschaftlern war dies höchst willkommen; es stand ihnen lebendes Material, Instrumentarium, geschultes Hilfspersonal und die bald international bedeutendste Fachbücherei zur Verfügung. D. kann als der Begründer des ersten modernen „Forschungsinstituts“ gelten; sein Werk hat denn auch bald allenthalben Nachfolge erfahren, doch blieb es in dem Sinne unerreicht, daß sich in dem schönen Bau in der Villa Nazionale Neapels die Gelehrten fast aller Länder begegneten, austauschten, anregten. Die Station entwickelte mit Hilfe bewährter Mitarbeiter (H. Eisig, S. Lobianco, P. Mayer) auch Verbesserungen in der mikroskopischen Technik und neue Methoden des Konservierens und Präparierens der Seetiere, damit für wissenschaftliche und unterrichtliche Zwecke wohltätig wirkend. In den „Mitteilungen“ wurde der wesentliche literarische Ertrag der Arbeiten niedergelegt. Der „Zoologische Jahresbericht“ folgte, der den Rang eines internationalen Zentralorgans gewann, die großartige Reihe über die „Fauna und Flora des Golfes von Neapel“ krönte die literarische Unternehmungslust.

    D. selber, einfallreich, immer tätig für die Erhaltung und den Ausbau des kühnen Unternehmens, kam in der eigenen Forschertätigkeit nicht zu abschließenden, ihn befriedigenden Erkenntnissen, ließ sich in Polemiken verstricken, war dann wieder durch Depressionen lahmgelegt. Wohl hatte er schöne Erfolge hinsichtlich der stammesgeschichtlichen Ordnung der Krebstiere und der Ableitung der Gliedertiere in getrennten Linien von den Ringelwürmern. Er gab auch neue Einblicke in die Organisation der Wirbeltiere, aber die Aufklärung ihrer Urgeschichte, der D. seit 1875 („Der Ursprung der Wirbeltiere und das Prinzip des Funktionswechsels“) eine ganze Reihe von Arbeiten widmete („Studien zur Urgeschichte des Wirbeltierkürpers“, 1881-1907), wurde nicht erreicht.

    D.s historische Bedeutung liegt nicht nur in der Begründung der Zoologischen Station, sondern auch in der weitsichtigen Programmatik, die mit Einbeziehung einer experimentellen Physiologie und der Chemie die Neubegründung der Lebensforschung wesentlich förderte. Neun Zehntel aller grundlegenden Arbeiten im Gebiet der neueren Zoologie, schrieb H. Driesch, seien in der Neapler Station ausgeführt worden. Zu den Zoologen und Physiologen traten im Laufe der Zeit mehr und mehr auch Botaniker. D.s geistesgeschichtliche Stellung ragte über das Fachliche hinaus. Nicht nur daß, wie man das einmal nannte, die Station einen „dauernden internationalen Gelehrtenkongreß“ bildete, er selber wirkte wie ein freier und freiwilliger Botschafter des deutschen wissenschaftlichen Geistes in der Fremde. Das gab seiner Erscheinung auch ein politisches Gewicht, so daß schließlich die Stadt Neapel, mit der der Fremde in seinem unverstandenen Beginn abenteuerliche Schwierigkeiten durchzukämpfen hatte, ihm das Ehrenbürgerrecht verlieh.

    D. war als musischer Mensch vor allem der Musik verfallen, mittelbar aber wurde er der Veranlasser zu der vielleicht stärksten geschlossenen Leistung der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts, den großen Fresken von Hans von Marées im Bibliotheksraum der Station (1873); auf einem der Gemälde findet sich auch ein Bildnis D.s.

  • Werke

    Weitere W u. a. Der gegenwärtige Stand d. Zool. u. d. Gründung zool. Stationen, in: Preuß. Jb. 30, 1872, S. 137-61; Mitt. aus u. über d. Zool. Station in Neapel, in: Zs. f. wiss. Zool. 25, 1875, S. 457-80;
    - Hrsg.: Das 25j. Jubiläum d. Zool. Station, 1897;
    - W-Verz. in: Anatom. Anz. 35, 1910, S. 600-03; CSP.

  • Literatur

    H. Gierke, Die Zool. Station in Neapel, 1884;
    W. His, Die Entwicklung d. zool. Station in Neapel u. d. wachsende Bedürfnis nach wiss. Zentralanstalten, Vortrag auf d. 59. Verslg. dt. Naturf. u. Ärzte, 1886;
    W. Giesbrecht, Altes u. Neues v. d. Zool. Station in Neapel, in: Dt. Rdsch., 1906;
    H. Spemann, Die Zool. Station zu Neapel, in: Süddt. Mhh., 1907;
    H. Driesch, Zur Erinnerung an A. D., ebd. 6, 1909;
    Th. Boveri, A. D., Gedächtnisrede, 1910 (W), wieder abgedr. in: Naturwiss. 28, 1940;
    A. v. Tschermak, Die Zool. Station in Neapel, in: Meereskde. 8, H. 2, 1914;
    H. Eisig, Arnold Lang u. d. Zool. Station in Neapel 1878-85, in: Aus d. Leben u. Wirken v. A. Lang, 1916;
    C. Herbst, in: Pommer. Lb. I, 1934 (P);
    Th. Heuss, A. D. in Neapel, 1940, ²1948 (L, P);
    A. Kühn, A. D. u. d. Zool. s. Zeit, in: Pubblicazioni della Stazione Zoologica di Napoli, Suppl., 1950;
    R. Dohrn, Die Zool. Station in Neapel, in: Endeavour XIII, London 1954, S. 22-26.|Qu.: Nachlaß im Archiv d. Zool. Station Neapel;
    Briefe D.s: Siemens-Archiv München, Ernst-Haeckel-Haus Jena.

  • Porträts

    Relief v. A. Hildebrand, 1913 (Zool. Station Neapel), Abb. b. Herbst (s. L);
    Bronzeplakette v. dems. (Dresden, Staatl. Skulpturenslg.), Abb. in: Gr. Deutschen im Bild, 1937, u. b. Heuss (s. L);
    Ölstudie v. H. v. Marées, 1873, Abb. ebd.

  • Autor/in

    Theodor Heuss
  • Zitierweise

    Heuss, Theodor, "Dohrn, Anton" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 54-56 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118526464.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA