Lebensdaten
1849 – 1922
Geburtsort
Crossen/Oder (Niederlausitz)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Altamerikanist ; Professor der Amerikanistik in Berlin
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 119126788 | OGND | VIAF: 73941126
Namensvarianten
  • Seler, Georg Eduard
  • Seler, Eduard
  • Seler, Georg Eduard
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Seler, Eduard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119126788.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Robert, Lehrer u. Organist in C.;
    M Pauline Münch;
    1 B, 1 Schw N. N., Lehrerin an d. dt. Schule in Triest;
    1884 Caecilie (1855–1935), begleitete S. 1897–1911 auf seinen sechs Reisen durch Amerika, Photographin (s. W, L), T d. Hermann Sachs (1811–89), Dr. med., Arzt in B., Diss. „De orchitide“, Berlin 1837; kinderlos;
    1 Adoptiv-S Gustavo Stein-Seler ( 1965).

  • Biographie

    Nach der Volksschule und der Bürgerschule in Crossen besuchte S. 1863–69 als Stipendiat das Joachimsthalsche Gymnasium in Berlin. Anschließend an ein Studium der Naturwissenschaften und Mathematik in Breslau und Berlin wurde S. zunächst Privatlehrer bei General v. Winterfeldt und bei dem Bankier Gerson v. Bleichröder, nach dem Staatsexamen 1875 Oberlehrer am Dorotheenstädtischen Gymnasium in Berlin. Wegen einer Magenerkrankung gab er 1881 den Lehrerberuf auf. Infolge seiner Heirat seit 1884 finanziell unabhängig, pflegte er fortan als Privatgelehrter seine Interessen für Sprachen und Archäologie und trat im selben Jahr als wiss. Hilfsarbeiter in das Berliner Museum für Völkerkunde ein (zuletzt Abteilungsdirektor). 1887 wurde S. an der Univ. Leipzig aufgrund einer vergleichenden Grammatik des Konjugationssystems der Maya-Sprachen promoviert. Im selben Jahr unternahm er die erste von sechs ausgedehnten Amerikareisen, alle in Begleitung seiner Frau, die dabei auch als Photographin assistierte. 1894 habilitierte sich S. mit einer Studie über die Hieroglyphen und die Ikonographie mexikan. Bilderhandschriften, die Alexander v. Humboldt (1769–1859) fast 90 Jahre zuvor von seiner Amerikareise nach Berlin mitgebracht hatte. Diese und weitere mexikanist. Studien brachten S. 1899 eine Stiftungsprofessur des Immobilienkaufmanns Florimont Duc de Loubat (1831–1927, vatikan. Adel) an der Berliner Universität ein. 1902 begann S., sein Lebenswerk in seinen „Gesammelten Abhandlungen“ (5 Bde., 1902–23) zusammenzufassen. Ein weiterer Band mit Übersetzungen aus dem Aztekischen erschien 1927 posthum, herausgegeben von S.s Witwe sowie von seinen Schülern Walter Lehmann (1878–1939) und Walter Krickeberg (1885–1962).

    S.s Beiträge zur Altamerikanistik betreffen die Kultur der Azteken in Zentralmexiko und in geringerer Zahl die der Maya in Südostmexiko und Guatemala. Sie rekonstruieren durch Interpretation von Bilderhandschriften, Steinplastiken und Texten in aztek. Sprache vorspan. Kulturzustände. So erschloß S. wesentliche Bereiche altindian. Lebens und Glaubens erstmals aus ihrer eigenen Kultur heraus für das Verständnis der modernen Welt. In Fortsetzung von Paul Schellhas' (1859–1945) bahnbrechenden Untersuchungen erforschte S. außerdem die Tier- und Göttergestalten der Maya und weitete dies vergleichend auf andere Nachbarkulturen aus. Damit begründete er den modernen Forschungsansatz mesoamerikanist. Studien. Als Positivist sammelte und ordnete S. Informationen aus vielen Forschungsbereichen, u. a. Archäologie, Botanik, Linguistik, Ethnohistorie und in geringerem Umfang Ethnographie und physische Anthropologie, und wertete diese aus. Seine Sammlungen (etwa 30 000 archäol. u. 6000 botan. Einheiten) kamen den Berliner Museen zugute. Auch die heute verschollene volkskundliche Kiepen-Sammlung seiner Frau genoß seinerzeit Wertschätzung.

    S. gilt als der Begründer der dt. Altamerikanistik (damals „Amerikanistik“). Bis zum 1. Weltkrieg war er in Kontinentaleuropa der einzige Hochschullehrer, der dieses Spezialgebiet vertrat; durch seine Schüler, u. a. Walter Lehmann und Franz Termer (1894–1968), sowie durch seine Schriften hatte S. maßgeblichen Einfluß auf die Altamerikanistik. Die von ihm begonnene Tradition wird heute an den Universitäten in Berlin und Bonn fortgeführt. International haben v. a. seine „Gesammelten Abhandlungen“ und seine Kommentare zur altmexikan. Handschrift „Codex Borgia“ (1904–09, span. 1963) bleibende Wirkung. S. gelang die Definition der stilistischen Codex Borgia-Gruppe und die partielle Entschlüsselung ihres Charakters als Ritualhandbücher. Während S. nie eine Gesamtdarstellung indian. Lebens oder altmexikan. Kulturen verfaßte, ist das Buch „Frauenleben im Reiche der Azteken“ (1919, Nachdr. mit e. Vorwort v. U. Dyckerhoff, 1984) von C. Seler-Sachs ein frühes Beispiel thematisch fokussierter historischer Ethnographie.

  • Auszeichnungen

    A Geh. Reg.rat;
    o. Mitgl. d. Preuß. Ak. d. Wiss. (1908);
    Vors. d. Berliner Ges. f. Anthropol., Ethnol. u. Urgesch. (1914–16, Ehrenmitgl. 1919);
    Prof. h. c. (Mexico);
    Ehrenmitgl.d. Museo Nacional, Mexico;
    Argrand-Preis;
    Hzg. Loubat-Preis (Preuß. Ak. d. Wiss.);
    erster Dir. d. Escuela Internacional de Arqueologia (Mexico 1911).

  • Werke

    u. a. Die mexikan. Bilderhss. Alexander v. Humboldts in d. kgl. Bibl. zu Berlin, 2 Bde., 1893/94, engl. in: Smithsonian Inst. Bull. 28, 1904, S. 127–229;
    Die Ausgrabungen am Orte d. Haupttempels in Mexiko, 1901, span. 1903;
    Die alten Ansiedlungen v. Chaculá im Distrikt Nentón d. Departamentos Huehuetenango d. Rep. Guatemala, 1901, engl. 1996;
    Altmexikan. Schmuck u. soz. u. mil. Rangabzeichen, 1889–91;
    Gesammelte Abhh., 5 Bde., 1902–23, Nachdr. 1961–67 mit bio-bibliogr. Einl. u. neuem Reg.bd. v. F. Anders;
    engl. Überss. 1996–98 u. 2002;
    Beobachtungen u. Studien in d. Ruinen v. Palenque, 1915, engl. 1977;
    Einige Kap. aus d. Gesch.werk d. Fray Bernardino de Sahagún, 1927 (posthum);
    Hg.:
    Zs. f. Ethnol., 1914–22;
    – Reisebriefe aus Mexiko, 1889 (mit Caecilie Seler-Sachs), Nachdr. hg. v. E. v. Krosigk, 2007, span. 2008;
    zu C. Seler-Sachs:
    Auf alten Wegen in Mexiko u. Guatemala, 1900;
    W-Verz.:
    Bibliogr. Judaica.

  • Literatur

    FS z. 70. Geb.tag, hg. v. W. Lehman, 1922 (enthält Itinerar v. S.s Amerikareisen;
    W-Verz., P);
    C. Schuchhardt, in: SB d. Preuß. Ak. d. Wiss., 1923, S. 115–17;
    O. Quelle, in: Ibero-amerik. Archiv 1, 1924, S. 33–59;
    El México Antiguo, Bde. 7–8, 1949 (Gedenkschr.);
    F. Anders in: E. S., Gesammelte Abhh., Wort- u. Sachreg., 1967, S. 1–54 (P);
    H. B. Nicholson, in: Handbook of Middle American Indians 13, 1973, S. 348–69 (P);
    B. Riese, in: Indian. Hss. u. Berliner Forscher, 1988, S. 43 f. (P);
    ders., in: Internat. Dict. of Anthropologists, 1991;
    M. T. Sepúlveda, E. S. en México, 1992;
    DBJ IV, Tl.;
    DBJ V, S. 410–16;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Teilnachlässe:
    Iberoamerik. Inst., Berlin: Mus. f. Völkerkde., Berlin (archäol. Slgg.);
    Botan. Mus., Berlin (botan. Slgg.).

  • Autor/in

    Berthold Riese
  • Zitierweise

    Riese, Berthold, "Seler, Eduard" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 216-217 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119126788.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA