Lebensdaten
erwähnt 1052, gestorben 1075
Geburtsort
Ehingen-Altsteußlingen
Sterbeort
Köln
Beruf/Funktion
Erzbischof von Köln ; Erzkanzler Heinrichs IV. ; Heiliger
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118503235 | OGND | VIAF: 18013040
Namensvarianten
  • Anno von Steusslingen
  • Anno II.
  • Anno von Steußlingen
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Zitierweise

Anno, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118503235.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus freier (nicht adeliger) schwäbischer Familie;
    V Walter;
    M Engela; angebliche B u. a. Werner ( 1078); Erzbischof von Magdeburg; angeblicher N Burchard ( 1088), Bischof von Halberstadt; angebliche Verwandte Werner ( 1151), Bischof von Münster, Adalgoz ( 1119), Erzbischof von Magdeburg, s. NDB I.

  • Biographie

    Nach kurzem Ritterdienst Schüler und Lehrer am Dom zu Bamberg wurde A. durch Kaiser Heinrich III. als Kaplan an den Hof geholt, ca. 1054 zum Propst von Goslar gemacht und 1056 gegen den Willen der Kölner als Erzbischof investiert. Über die Auswirkung des Staatsstreiches von Kaiserswerth (nach 31.3.1062), bei dem A. an der Spitze einer Fürsteneinung der Kaiserin-Witwe Agnes den jungen König Heinrich IV., den Schatz und damit auch das Reichsregiment wegnahm, urteilten die Altaicher Annalen: „Da der Bischof als Leiter des Hofes sich um die Gerechtigkeit mühte, begann auch das Reich wieder zu blühen“. Auch nach außen hatte das neue Regiment Erfolg (1063 Feldzug nach Ungarn). Das Schisma von 1061 wurde 1064 auf der Synode zu Mantua beigelegt, auf der Papst Alexander II. sich auf A.s Veranlassung durch einen Eid von dem Vorwurf simonistischer Erhebung reinigte. Die Schwertleite des jungen Königs (29.3.1065), bei der dieser nur mit Mühe abgehalten werden konnte, die gerade empfangenen Waffen gegen „seinen geliebten Meister“ zu kehren, leitete eine jahrelange Auseinandersetzung ein, in der die Verdrängung des Erzbischofs Adalbert von Bremen durch eine neue Fürsteneinung (Dezember 1065) nur das erste Kapitel war. Die durch Adalbert veranlaßte Weggabe der Reichsabteien an die Fürsten, im Sommer 1065, bei der A. Malmedy, Kornelimünster und Villich erhielt, beschleunigte seinen Sturz. Die Minderung des königlichen Ansehens bekam A. 1068 am eigenen Leibe zu spüren, als er, der Erzkanzler des Königs und|der Römischen Kirche, der sich als Vertrauensmann Alexanders II. fühlte, als Gesandter des Königs wegen seines (amtlichen) Verkehrs mit den gebannten Bischöfen von Ravenna und Parma (Gegenpapst Honorius II.) in Rom Buße leisten mußte. Die angebliche Ladung vor die römische Synode 1070 wegen simonistischer Weihen ist eine entstellende Erzählung des Lampert von Hersfeld. Durch seine Persönlichkeit immer noch von Einfluß - in seiner Gegenwart nahm sich selbst der König zusammen -, gelegentlich noch im Reichsdienst tätig (April-Dezember 1072 Verwaltung des Hofrichteramtes), entfremdete er sich dem König immer mehr, besonders nachdem dieser 1070-72 die Fürsteneinung zersprengt hatte (Prozeß gegen Otto von Nordheim) und andererseits am Hof 1074 Gerüchte von A.s Abfall zu den aufständischen Sachsen und verräterischen Verhandlungen mit dem König von England kursierten, so daß es im Juni 1074 zu einem nur obenhin verhüllten Bruch kam, als A. sich weigerte, den König als Schiedsrichter anzuerkennen, den Bann und die Gütereinziehung zurückzunehmen, die er über die geflohenen Kölner Kaufleute als kirchliche Strafen verhängt hatte, und Geiseln für seine Treue zu stellen. Erst am Gründonnerstag 1075 hat A. nach einem schweren Zusammenbruch unter dem Eindruck einer strafenden Vision die Begnadigung ausgesprochen. Dieser Kölner Aufstand in der Osterwoche 1074, bei dem A. mit knapper Not sich in den Dom und des Nachts nach Neuß retten konnte, ist wichtig als erste Äußerung städtischen Selbstbewußtseins, seine Bekämpfung als das (z. T. eigenmächtige) Werk der erzbischöflichen Ritterschaft.

    Die Vita Annonis zeigt den „anderen“ A., dessen Wille ein überaus erregbares Nervensystem zu beherrschen hatte, das sich in Tränen (bei der Messe), Jähzorn mit visionären Träumen äußerte. Er, dessen Ruf als gerechter Richter bis Flandern und England gedrungen war, hat mehrfach fremdes Recht verletzt: 1062 in Kaiserswerth, 1063 als er die Königin-Witwe Richeza von Polen nicht in dem Hauskloster ihrer pfalzgräflichen Familie, sondern in Maria ad gradus beisetzte und so die Abtei Brauweiler um das Gut Klotten brachte, 1065, als er der Abtei Stablo durch den König die Schwesterabtei Malmedy wegnahm und erst 1071 nach zähem, erregendem Ringen zurückgab, 1063, als er violenter, d. h. durch einen Machtspruch des Königs, seinen Bruder Werinhard zum Erzbischof von Magdeburg machte, 1066, als er seinen Schwestersohn Konrad auf den Trierer Stuhl zu schieben suchte. Seine Stellung im Reich und in dem ihm abgeneigten Köln hat er durch seine Verwandten zu sichern gesucht. Der weitere Vorwurf der Raffgier enthält auch ein Lob: A. habe die Kölner Kirche, die schon vorher groß war, sehr groß gemacht, daß keine andere Kirche des Reiches den Vergleich mit ihr aushalten könne. Jedenfalls hat er, der bei seinem Tode beträchtliche Schulden hatte (Belastung des erzbischöflichen Vermögens durch die militia) nicht für sich gerafft. Die Kölner Kirche dankt ihm den Erwerb von Saalfeld (mit Koburg und dem Orlagau, Besitz der Königin Richeza) und das Land Aspel/Rees, die Stadt eine Umformung ihrer Kirchen wie vordem nur durch Erzbischof Brun (außer seinen zwei Gründungen Erweiterung von St. Gereon, St. Kunibert, Groß St. Martin). Die Vita lobt seine Predigttätigkeit, seine Sorge für die Armen (Gründung eines Hospitals am Dom) und um die religiöse Unterweisung der Jugend, ohne aber von seinem bischöflichen Wirken eine ausreichende Vorstellung zu geben. Daß er die Einteilung der Diözese in Dekanate geschaffen (Gescher), ist nicht nachzuweisen. Als seine bleibenden Leistungen galten seine Gründungen, die Stifter Maria ad gradus beim Dom, ca. 1057, (bereits von seinem Vorgänger geplant) und St. Georg in Köln (ca. 1059), die Abteien Siegburg (Michaelsberg, ca. 1060 auf dem Berg, den der Pfalzgraf Heinrich zur Buße für eine verwüstende Fehde hatte abtreten müssen), Grafschaft i. W. (1072, Stiftung einer Frau Chuniza und ihres Sohnes Thiemo) und Saalfeld (nach 1063 Stift, 1070 Abtei). Durch die Einführung von 12 Mönchen aus dem oberitalienischen Fruttuaria in seine Lieblingsgründung Siegburg und die „ehrenvolle“ Rücksendung der ersten Mönche nach St. Maximin bei Trier 1070 beginnt er ein neues Kapitel in der Klosterreform. Die neue Ordnung wird durch ihn in Saalfeld, St. Pantaleon in Köln und Grafschaft, später in Iburg, Gladbach, Grünau, St. Paul in Utrecht usw. eingeführt. Sein Grab im Schiff der Abteikirche zu Siegburg wurde schon bald Wallfahrtsstätte. 29.4.1183 erfolgte Erhebung der Gebeine und Heiligsprechung durch die päpstlichen Legaten in Siegburg.

  • Werke

    Briefe an Alexander II. b. W. v. Giesebrecht, Gesch. d. Dt. Kaiserzeit III, ⁵1881.

  • Literatur

    ADB I;
    Vita Annonis, in: MGH SS XI, S. 462 ff. (1105 in Siegburg auf Grund einer älteren Fassung, forma scribendorum, d. Abtes Reginhard verfaßt, die vermutl. auch d. Vorlage f. Lampert v. Hersfeld gewesen ist, vgl. Düsseldorfer Jb. 45, 1951, S. 116 ff.);
    Bibl. hagiographica latina I, Nr. 507-12, Suppl. I, 23 z. Nr. 507 (üb. d. späteren Viten);
    Miracula Annonis (ca. 1183, ungedr., Hss. s. Ann. f. d. Gesch. d. Niederrheins 138, 1940, S. 40 ff.);
    Annolied, in: MG Chron. I, T. 2;|
    E. Steindorff, Jbb. d. Dt. Reiches unter Heinr. III., Bd. 2, 1881;
    G. Meyer v. Knonau, Jbb. d. Dt. Reiches unter Heinr. IV. u. Heinr. V., Bd. 1-3, 1890 ff.;
    A. Brackmann, in: NA 32, 1907, S. 153 ff., u. in: Ges. Aufsätze, 1943, S. 467 ff.;
    F. Gescher, Der Kölner Dekanat u. Archidiakonat, in: Kirchenrechtl. Abhh. 95, 1919, u. in: Festschr. f. U. Stutz, ebenda, 117/118, 1938, S. 120 ff.;
    R. Koebner, Die Anfänge d. Gemeinwesens d. Stadt Köln, 1922;
    G. Bauernfeind, A. II., EB v. Köln, Diss. München, 1929;
    W. Hävernick, Die Münzen u. Medaillen v. Köln I, 1935, S. 76 ff.;
    C. Erdmann, Stud. z. Brieflit. Dtld.s im 11. Jh., 1938;
    J. Braun, Tracht u. Attribute d. Heiligen, 1943, S. 82;
    E. Lehmann, Der frühe dt. Kirchenbau, ²1949;
    H. Steinger, Annolied, in: Vf.-Lex. d. MA I, 1933, Sp. 87 bis 90;
    Enc. Catt. I, 1949. – Qu.: Urkk., s. demnächst
    Regg. d. Erzbischöfe v. Köln, Bd. 1.

  • Autor/in

    Friedrich Wilhelm Oediger
  • Zitierweise

    Oediger, Friedrich Wilhelm, "Anno" in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 304-306 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118503235.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Anno II. der Heilige, Erzbischof von Köln 1056—1075 stammte aus einem schwäbischen Rittergeschlechte, dessen Namen sich nicht mit Sicherheit nachweisen läßt. Durch Vermittlung eines Oheims kam er als Knabe auf die Bamberger Domschule, an der er später Scholasticus wurde. Bald trat A. zu Kaiser Heinrich III. in nahe Beziehungen; er wurde zum Dompropst in Goslar ernannt und Beichtvater des Kaisers, an dessen Zügen gegen Ungarn 1051 und 1052 er thätigen Antheil nahm. Als der Erzbischof Hermann von Köln erkrankte, wurde ihm Anno zur Unterstützung gegeben; auf den Wunsch des Sterbenden wurde er dessen Nachfolger und in des Kaisers Gegenwart am 3. März 1056 geweiht. Welche Stellung dann A. zu den Angelegenheiten des Reiches während der Regentschaft der Kaiserin Agnes eingenommen hat, ist bei der Dürftigkeit der Quellen schwer zu erkennen; gewiß war sein Einfluß sehr bedeutend. Wir wissen, daß er alsbald die engsten Beziehungen mit dem mächtigen Herzoge Gottfried dem Bärtigen anknüpfte, daß er der Urheber der Entsetzung war, welche eine deutsche Synode im Sommer oder Herbst 1060 über Papst Nicolaus II. verhängte, — ein Ereigniß, über welches wir leider sehr ungenügend unterrichtet sind. Außerordentlich förderlich war für A. in diesen Jahren der Untergang des rheinischen Pfalzgrafenhauses der Ezzoniden; der Pfalzgraf Heinrich wurde, während er gegen den Erzbischof zu Felde lag, vom Wahnsinn ergriffen (1061) und beschloß seine Tage im Kloster Epternach; A. und seine Diöcese wurden dadurch eines mächtigen Nebenbuhlers entledigt. Der Synode zu Basel, auf welcher am 28. Oct. 1061 Agnes den Gegenpapst Cadalus ernannte, wohnte A. nicht bei; wahrscheinlich ging er bereits mit dem Plane um, die Kaiserin zu stürzen. Gewiß war er der Anstifter der Verschwörung, deren Mitglieder der Erzbischof Siegfried von Mainz, der Baiernherzog Otto von Nordheim, der Graf Ekbert von Braunschweig, wahrscheinlich auch Anno's vertrauter Freund, Bischof Günther von Bamberg und sein Neffe Burchard von Halberstadt waren; auch Herzog Gottfried — das wird man mit Sicherheit annehmen dürfen, — war Mitwisser. Als die Kaiserin völlig arglos im Mai 1062 in Kaiserswerth mit A. zusammentraf, entführte dieser den jungen König Heinrich IV., indem er ihn auf ein bereit gehaltenes Schiff lockte. Die Angelegenheiten des Reiches sollten nunmehr nach dem Rathe der Fürsten geordnet werden, die Leitung der Geschäfte und die Sorge für den König demjenigen Bischofe obliegen, in dessen Sprengel sich Heinrich gerade befände; aber A., der ihn nicht von sich ließ, war der thatsächliche Regent. Die brennendste Frage war der Streit zwischen den beiden Päpsten Alexander II. und Cadalus;|A. entschied sich für den ersteren, von dem allein zu erwarten stand, daß er den Gewaltschritt gegen Agnes billigen würde; gemäß den Beschlüssen der Augsburger Synode führte Burchard von Halberstadt zusammen mit Herzog Gottfried den Papst im Jan. 1063 nach Rom zurück. Auf der Synode zu Mantua am 31. Mai 1064 sprach A. dann persönlich nochmals die Anerkennung Alexanders aus. — Inzwischen hatte sich gegen ihn in Deutschland lebhafte Opposition erhoben; an der Spitze derselben stand der Erzbischof Adalbert von Bremen, welcher die ergebene Freundschaft zu Heinrich III. auch auf dessen Sohn übertrug. Klug gab A. nach; Ende Juni 1063 wurden zu Allstädt die Dinge neu geordnet; während Adalbert als Patronus die Reichsgeschäfte leitete, wurde A. als magister mit der Erziehung Heinrichs betraut. Die Erzbischöfe theilten sich demnach in die Gewalt, welche jeder von beiden im Interesse seiner Kirche auszunutzen suchte. Als Heinrich im März 1065 mündig wurde, erlangte Adalbert den größten Einfluß auf ihn. Den bittersten Groll empfand A. darüber, obgleich Adalbert ihn zu gewinnen suchte; er trat in ein enges Verhältniß zu Rom, dessen Zeugen zwei uns erhaltene Briefe sind. Bald genug mußte Adalbert weichen, und nachdem die Fürsten im Januar 1066 den König gezwungen, den Bremer Bischof vom Hofe zu entfernen, trat A. wieder in den Vordergrund. Die Macht jedoch, welche er früher besessen, scheint er nicht wieder erlangt zu haben; die Gesammtheit der Fürsten nahm nunmehr an den Reichsgeschäften größeren Antheil. Die Stellung Anno's wurde sogar kurz darauf schwer erschüttert. Er begünstigte nämlich seine Verwandten und Vertrauten in jeder Weise; durch seine Vermittlung wurde sein Schwestersohn Burchard 1059 Bischof von Halberstadt, sein Bruder Wezilo 1063 gegen den Willen des Capitels Erzbischof von Magdeburg; auch von andern Bischöfen wird berichtet, daß sie ihm ihre Stellung verdankten. Im Mai 1066 bewirkte er, daß ein anderer Neffe, Konrad von Pfullingen, auf den Erzstuhl von Trier erhoben wurde. Die Trierer waren über das willkührliche Verfahren aufs höchste erbittert; daher wurde Konrad auf seiner Reise zur Stadt von dem Stiftsvogte Graf Dietrich schmählich ermordet. An seine Stelle wählten die Trierer Udo von Nellenburg, dessen Bruder Eberhard der vertrauteste Freund Heinrichs IV. war; so sehr sich auch A. bemühte, so dringend er Roms Hülfe anflehte, Udo blieb anerkannter Erzbischof. A. zog sich daher zurück, fast zwei Jahre lebte er still in seiner Diöcese, mit der Stiftung und Erbauung von Kirchen und Klöstern beschäftigt. Erst 1068 ging er als Gesandter des Königs nach Italien, um dort des Kaisers Rechte wahrzunehmen; aber als er dabei in Berührung mit jenem Cadalus kam, mußte er in Rom öffentlich Buße thun und selbst die Kränkung blieb ihm nicht erspart, daß auf der Ostersynode in seiner Gegenwart Udo mit dem Pallium geschmückt und hoch geehrt wurde. Und zwei Jahre später wurde A. geradezu nach Rom vorgeladen, um sich wegen Simonie zu verantworten. Man kannte aber in Rom Anno's Gesinnung vollkommen. Nur so weit der Papst die Pläne des Erzbischofes förderte, konnte er auf dessen unbedingte Ergebenheit rechnen. Im übrigen gehörte A. ganz dem alten Schlage der deutschen Geistlichkeit an; eifrig besorgt für die ihm untergebene Kirche in materieller und geistlicher Beziehung, selbst sittenrein und gewissenhaft in allen bischöflichen Pflichten, eifrig bemüht, strenge Disciplin durchzuführen, fühlte er sich doch zugleich als den mächtigen Fürsten des Reiches, der seine Selbständigkeit keineswegs bedingungslos Rom zum Opfer zu bringen geneigt war. Deshalb war auch späterhin Anno's Verhältniß zu Gregor VII. ein kaltes. — In den J. 1070 und 1071 stand A. dem Könige fern, an den Ereignissen im Reiche hat er nur geringen Antheil genommen; er sah sich sogar im Mai 1071 genöthigt, das Kloster Malmedy an Stablo zurückzugeben. Damals als A. und|Adalbert noch allmächtig waren, hatten beide sich Abteien schenken lassen; während Adalbert 1066 seine Beute aufgeben mußte, hatte jener trotz der Bemühungen der Brüder von Stablo Malmedy festgehalten. Erst als der heil. Remaclus in Lüttich Wunder wirkte, gab A. den allgemeinen Wünschen nach die Angelegenheit erregte in ganz Deutschland das größte Aufsehen. Als jedoch zwischen Heinrich und Rudolf von Schwaben ernste Entzweiung eintrat, näherte sich der König, da auch Adalbert im März 1072 gestorben war, wiederum dem Erzbischofe, den er zu Ostern desselben Jahres persönlich in Köln aufsuchte. Es gelang A., der seit 1066 zu Rudolf in näheren Beziehungen stand, unterstützt von der Kaiserin Agnes, welche zu dem Zwecke selbst über die Alpen kam, eine Versöhnung zwischen König und Herzog herbeizuführen. Aber sie war von kurzer Dauer, und A. verließ Weihnachten 1072 den Hof wieder; der Einfluß, den er auf den König ausübte, mochte ihm zu gering erscheinen. Da brach im Sommer 1073 jene Empörung der Sachsen aus, unter deren Häuptern sich Anno's Bruder und Neffe befanden. Gewiß waren A. die Pläne der Verschworenen bekannt, gemeinsame Sache aber hat er mit ihnen nicht gemacht. Deswegen war er die geeignetste Person, um als Vermittler aufzutreten; der König forderte ihn alsbald dazu auf und A. entsprach dem Rufe. Nach mancherlei Verhandlungen einigte man sich dahin, am 20. Oct. in Gerstungen eine Zusammenkunft zu veranstalten. Die Erzbischöfe von Köln und Mainz, die Bischöse von Metz und Bamberg, die Herzöge Rudolf, Gottfried und Berthold erschienen als Gesandte des Königs. Welcher Art die gefaßten Beschlüsse waren, ist nicht ganz klar; wahrscheinlich kam man dahin überein, daß die Sachsen Weihnachten in Köln sich dem Könige unterwerfen, dieser ihre Beschwerde abstellen sollte; vielleicht, daß sich die Fürsten verpflichteten, wenn Heinrich das nicht thue, ihm keinen weitern Beistand zu leisten. Aber der erneute Zwist Heinrichs und Rudolfs, hervorgerufen durch die Anklage Regengers, vereitelte die Ausführung der Uebereinkunft; der König, dem die Stadt Worms die opferfreudigste Aufnahme bereitet hatte, zog daher im Januar wieder gegen die Sachsen zu Felde. Vorher hatte er A. und Siegfried aufs neue aufgefordert, mit den Sachsen Verhandlungen anzuknüpfen; aber sie vermochten auf der Zusammenkunft in Corvey kein anderes Resultat zu erreichen, als daß ein neuer Tag für den Anfang Februar nach Fritzlar anberaumt wurde, welchem der König selbst beiwohnen sollte. Aber noch vorher, am 2. Febr. kam der Vertrag von Gerstungen zu Stande, der bald zu weiteren friedlichen Vereinbarungen in Goslar führte. Damit schließt Anno's Thätigkeit auf dem Gebiete der Reichsgeschäfte ab; aber die bittersten Erfahrungen standen ihm noch in seiner Stadt bevor. Die Rücksichtslosigkeit, mit welcher A. seine Rechte und Befugnisse in Köln zur Geltung brachte, erbitterte die dortige Bevölkerung, namentlich die reiche und stolze Kaufmannschaft; so kam es denn Ostern 1074, als des Erzbischofs Diener gewaltsam vorgingen, zu einem wilden Tumulte. Nur mit Mühe rettete A. sein Leben vor der erregten Masse; als er aber nach wenigen Tagen mit bewaffneter Macht heranzog, war der Uebermuth verraucht. Die Empörer flohen theils aus der Stadt, theils baten sie um Gnade; ohne Widerstand zu sinden, konnte der Erzbischof in die Stadt einziehen. Als jedoch in den folgenden Tagen seinem Geheiß gemäß die Empörer sich dem Gerichte stellen sollten, erschien Niemand; die Folge war ein furchtbares Strafgericht, welches über die Stadt verhängt wurde und ihren Wohlstand schwer beschädigte. Die Entflohenen hatten des Königs Schutz gesucht, welcher damals auch durch das Gerücht erschreckt wurde, A. habe sich mit König Wilhelm von England gegen ihn verbündet. In der That stand der Kölner mit jenem Herrscher in Beziehungen und wechselte mit ihm Gesandtschaften; der umfangreiche Handel, welchen Köln bereits damals|mit England trieb, mußte Anknüpfungen herbeiführen. Wahrscheinlich war es auch A. gewesen, der im J. 1066, als Wilhelm nach England zog, einen Vertrag vermittelte, durch welchen den Normannen der Beistand Deutschlands zugesagt wurde. Jene Gerüchte waren freilich sicher thöricht und es fiel ihm nicht schwer, sich durch einen Eid von dem Verdachte zu reinigen. Es war damals das letzte Mal, daß der König und der Erzbischof mit einander in Berührung kamen. A. widmete sich hinfort ganz seinen Stiftungen und gab sich religiösen Uebungen hin; den Ereignissen des J. 1075, dem erneuten Kriege gegen die Sachsen, blieb er fern. Schwere körperliche Leiden erfüllten seine Seele mit Todesahnungen, der Aufstand der Kölner, manche trübe Erfahrungen in seiner Umgebung, die Gefangenschaft des Bruders und Neffen drückten ihn tief darnieder. Am 4. Dec. 1075 starb er in Köln, seine letzten Gedanken beschäftigten sich mit dem Schicksale der gefangenen Sachsen; er ließ Herzog Gottfried von Lothringen bitten, für sie beim Könige Fürsprache einzulegen. A. wurde in seiner Lieblingsstiftung, dem Kloster Siegburg, begraben; im J. 1183 wurde er durch Papst Lucius III. canonisirt. — A. nimmt in der deutschen Geschichte eine hervorragende Stellung ein. Er hat Köln außerordentlich bereichert und gehoben durch die Gründung mehrerer Klöster (Siegburg, Grafschaft, Saalfeld), welche er mit Mönchen cluniacensischer Richtung besetzte, durch die Erbauung und Ausschmückung von Kirchen (u. a. St. Maria ad Gradus, St. Gereon, St. Georg), durch die Erwerbung vielfacher Güter; selbst eifrig in seinem geistlichen Amte verlangte er Sittenreinheit und kirchliche Disciplin auch von seinen Untergebenen. Indessen seine Hauptthätigkeit war nicht der Kirche, sondern dem Reiche zugewandt. Als ein Mann von außerordentlichen Eigenschaften, von unbeugsamer Energie und rastloser Thätigkeit, aber auch von gewaltigem Ehrgeiz, erreichte er es, eine Zeit lang die erste Stelle im Reiche einzunehmen. Aber Anno's Wirksamkeit war für Deutschland von verhängnißvollen Folgen. Indem er durch den an Heinrich IV. verübten Raub die königliche Autorität seinen Zwecken dienstbar zu machen suchte, hat er ihr Ansehen tief geschädigt, durch die Anerkennung Alexanders II. das Papstthum außerordentlich gefördert. So hat A. wider Willen Gregor VII. in die Hände gearbeitet und seinerseits viel dazu beigetragen, den Ausbruch des Kampfes zwischen Kaiserthum und Papstthum zu beschleunigen und letzterem den Sieg zu erleichtern. — Wir besitzen eine „Vita Annonis“, welche ums J. 1100 ein Mönch in Siegburg verfaßte, deren Werth jedoch ein sehr geringer ist; in ihr ist bereits die „Maere von sente Annen“ benutzt, ein Lobgedicht auf den Erzbischof, zugleich ein bedeutendes Denkmal unserer nationalen Litteratur.

    • Literatur

      Vgl. Theodor Lindner: Der hl. Anno, Erzb. von Köln. Leipzig 1869.

  • Autor/in

    Theodor Lindner.
  • Zitierweise

    Lindner, Theodor, "Anno" in: Allgemeine Deutsche Biographie 1 (1875), S. 472-475 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118503235.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA