Lebensdaten
1860 – 1925
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Staatsrechtler ; Politiker
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118596403 | OGND | VIAF: 32789000
Namensvarianten
  • Preuß, Hugo
  • Preuss, Hugo

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Zitierweise

Preuß, Hugo, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118596403.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Levin (Louis) (1820 od. 1821-62), Bes. e. lith. Anstalt;
    M Minna Israel (1826–99);
    Ov u. Stief-V (seit 1863) Leopold Preuß (1827–1905), Inh. e. Getreidehandelsgeschäfts;
    Berlin 1889 Else, T d. Carl Liebermann (1842–1914), Chemiker (s. NDB 14), u. d. Antonie Reichenheim; Verwandte d. Ehefrau Felix Liebermann (1851–1925), Rechtshist., Max Liebermann (1849–1935), Maler (beide s. NDB 14);
    4 S (1 früh †) Ernst (* 1891, s. W), Dr. rer. pol., kaufm. Mitarbeiter d. AEG, Kurt (* 1893), Jean (Hans) (* 1901), Dr., in Neuilly-sur Seine.

  • Biographie

    Als einziges Kind wohlhabender jüd. Eltern wuchs P. im Berliner Westen, seinem lebenslangen Wohnort, auf. Seit 1879 studierte er Rechswissenschaft, zeitweise wohl mehr Geschichte und Philosophie, für je drei Semester in Heidelberg und Berlin. Im Mai 1883 legte er das erste juristische Staatsexamen ab, im November 1883 wurde er in Göttingen zum Dr. iur. promoviert. 1886 quittierte er seinen Referendarsdienst, um die Laufbahn des akademischen Lehrers einzuschlagen. 1889 habilitierte er sich an der Berliner Juristischen Fakultät mit der Schrift „Gemeinde, Staat, Reich als Gebietskörperschaften“ (Nachdr. 1968). Obwohl die Schrift ein beachtliches fachgenössisches Echo erfuhr und P. mehrmals von seiner Fakultät zur Ernennung als Extraordinarius vorgeschlagen wurde, gelangte er an der Univ. Berlin als Jude und als demokratisch-linksliberaler Publizist und Berliner Stadtverordneter (seit 1895) lange über die Stufe des Privatdozenten nicht hinaus. Erst 1906 erhielt er an der neuen, von der Berliner Kaufmannschaft geschaffenen Berliner Handelshochschule eine o. Professur (1918 Rektor). 1910 wurde er mit sozialdemokratischen Stimmen als unbesoldetes Berliner Magistratsmitglied gewählt, der Plan des Aufbaus von Groß-Berlin verdankt seinem Wirken die Konturen.

    Zu Anfang des Jahrhunderts war P., Autor einer fesselnd geschriebenen „Entwicklungsgeschichte des deutschen Städtewesens“ (1906, Nachdr. 1968), der „bekannteste,|wenn auch nicht unumstrittene Theoretiker und Wissenschaftler der kommunalen Selbstverwaltung“ (Grassmann) in Deutschland. Seine tragenden Anschauungen hatten, abgesehen vom Frhn. vom Stein, bei Rudolf v. Gneist (1816–95) und Otto v. Gierke (1841–1921) den Anknüpfungspunkt. Mit Gneist stimmte er darin überein, daß die Freiheit stärker durch die Verwaltung als durch die Verfassung gesichert werde und mithin die Selbstverwaltung das Rückgrat des Staates bilde; Gneists Beschränkung der Selbstverwaltung auf die ehrenamtliche Teilnahme von Staatsbürgern an der obrigkeitsstaatlichen Verwaltung lehnte P. freilich scharf ab. Überhaupt ist er als Theoretiker der Selbstverwaltung mehr der Schüler Gierkes und dessen Genossenschaftslehre, die er ins Demokratische wendet. Gierkes Dogma von der Wesensgleichheit von Staat und Verbandsperson steigert P. bis zu der von Gierke stets abgelehnten Annahme eigener Herrschaftsgewalt der nichtstaatlichen Verbandspersonen; damit mußte er den Souveränitätsbegriff überhaupt aus der Staatslehre zu eliminieren suchen; statt dessen spricht er von „Gebietshoheit“, um das Übergewicht des Staates gegenüber der Gemeinde zu bezeichnen. Die Konstruktion des Staates als Gesamtpersönlichkeit war für P. ein politisches Programm, sie sollte die Weiterentwicklung des liberalen Rechtsstaates zum demokratischen begründen. Während des Weltkriegs trat er vor allem in der bekannten Schrift „Das deutsche Volk und die Politik“ (1915) energisch für die Umgestaltung des „Obrigkeitsstaates“ zum „Volksstaat“ ein.

    Wenige Tage nach dem 9.11.1918 wurde P. von Friedrich Ebert mit der Leitung des Reichsamts des Inneren und der neuen Verfassungsarbeiten betraut. Bis zur Verabschiedung durch die Nationalversammlung gestaltete er die neue Reichsverfassung ganz wesentlich mit, zuerst als Reichsstaatssekretär, von dem der Verfassungsentwurf des Rats der Volksbeauftragten stammt, danach als Reichsinnenminister (13.2. - 20.6.1919), schließlich als Reichskommissar nach seinem Ausscheiden aus dem Kabinett Scheidemann und dessen kollektivem Rücktritt. Schon im Vorfeld der Verfassungsberatungen mußte P. jedoch empfindliche Abstriche an seiner Verfassungkonzeption hinnehmen. So scheiterte er in der Schlüsselfrage der territorialen Neuordnung am Widerstand der neuen Länderregierungen, auch die von ihm befürwortete sehr sparsame Konstitutionalisierung von Grundrechten, die sich auf drei, nur die klassischen Freiheitsrechte enthaltende Verfassungsartikel beschränken sollte, ließ sich nicht durchsetzen. Ferner erwies sich seine Vorstellung, die Zweite Kammer nicht nach dem Modell des bisherigen gouvernementalen Bundesrats zu gestalten, als unrealisierbar. Der problematischste Teil des Weimarer Verfassungswerkes, jener über Parlament, Regierung und Reichspräsident, ist dagegen durch ihn entscheidend geformt. Die starke Stellung des Reichspräsidenten, der den Reichstag ohne eine ernsthafte Beschränkung auflösen konnte und über die weitreichende Ausnahmegewalt des Art. 48 WRV verfügte, galt ihm nicht als Widerspruch zur demokratischen Staatsidee. Sie war in seinen Augen geboten, um die in der Nationalversammlung gefürchtete Gefahr des „Parlamentsabsolutismus“ einzudämmen und einen Konflikt zwischen Regierung und Parlament durch die demokratischste Methode, den Appell an das Volk, lösbar zu machen. Der Regierungsfähigkeit der Parteien mißtraute P. aufgrund ihrer langen Gewöhnung an das konstitutionelle System; schon in einem Zeitungsaufsatz vom 26.10.1918 („Die Improvisierung des Parlamentarismus“) hatte er diesen Umstand als eine schwere Hypothek für die anstehende Staatserneuerung vor Augen geführt. Die Macht des Reichspräsidenten in der Weimarer Reichsverfassung vereitelte indes eher das Abtragen dieser Hypothek, indem sie den demokratischen Parteien den Rückzug aus der politischen Verantwortung erleichterte. Im Grunde legte P. noch den alten konstitutionellen Antagonismus von Parlament und Regierung an die Probleme eines parlamentarischen Regierungssystems als Maßstab an.

    Nach Abschluß der Weimarer Verfassungsarbeiten war P., Mitgründer der Deutschen Demokratischen Partei, nur noch als Mitglied zunächst der Verfassunggebenden Preuß. Landesversammlung (1919/20), dann bis zu seinem Tode des preuß. Landtags, enger mit der praktischen Politik verbunden; er gehörte damit erstmals einem staatlichen Parlament an, nachdem seine Reichstagskandidatur 1912 erfolglos gewesen war. Seine wissenschaftliche – unvollendet gebliebene – Arbeit war nun ganz auf die Befestigung und Einwurzelung des Weimarer Verfassungswerkes gerichtet.

  • Werke

    Weitere W Die Junkerfrage, 1897;
    Das städt. Amtsrecht in Preußen, 1902;
    Über Organpersönlichkeit, in: Schmollers Jb. 26, 1902, S. 557-96;
    Die Entwicklung d. dt. Städtewesens, Bd. I: Entwicklungsgesch. d. dt. Städtewesens, 1906;
    Selbstverw., Gde., Staat, Souveränität, in: Staatsrechtl. Abhh., Festgabe Paul Laband, Bd. 2, 1908 S. 197-245;
    Das|dt. Volk u. d. Pol., 1915;
    Um d. Reichsvfg. v. Weimar, 1924;
    Staat, Recht u. Freiheit, Aus 40 J. dt. Pol. u. Gesch., hg. v. Ernst Preuß, Mit e. Geleitwort v. Theodor Heuß, 1926, Neudr. 1965;
    Verfassungspol. Entwicklungen in Dtld. u. Westeuropa, Hist. Grundlegung zu e. Staatsrecht d. Dt. Rep., Aus d. Nachlaß hg. u. eingel. v. H. Hintze, 1927;
    Reich u. Länder, Bruchstücke e. Kommentars z. Vfg. d. Dt. Reiches, Aus d. Nachlaß hg. v. G. Anschütz, 1928. |

  • Nachlass

    Nachlaß: BA Berlin-Lichterfelde.

  • Literatur

    E. Feder, H. P., 1926;
    W. Simon, in: Meister d. Rechts VI, 1930;
    C. Schmitt, H. P., sein Staatsbegriff u. seine Stellung in d. dt. Staatslehre, 1930;
    W. Apelt, Gesch. d. Weimarer Vfg., 1946;
    G. Gillessen, H. P., Stud. z. Ideen- u. Vfg.gesch. d. Weimarer Rep., Diss. Freiburg (Br.) 1955 (ungedr.);
    H. Heffter, Die dt. Selbstverw. im 19. Jh., ²1969, S. 751 ff., 768 ff.;
    S. Grassmann, H. P. u. d. dt. Selbstverw., 1965;
    E. Hamburger, in: Leo Baeck Institute, Year Book 20, 1975, S. 179-206 (P);
    J. Mauersberg, Ideen u. Konzeption H. P.s f. d. Vfg. d. dt Rep. 1919 u. ihre Durchsetzung im Vfg.werk v. Weimar, 1991;
    D. Lehnert, H. P. als moderner Klassiker e. krit. Theorie d. „verfaßten“ Pol., in: Pol. Vj.schr. 33, 1992, S. 33 ff.;
    ders., Vfg.demokratie als Bürgergenossenschaft, 1998;
    G. Schmidt, in: H.-U. Wehler (Hg.), Dt. Hist. VII, 1980, S. 55-68;
    A. Hueber, in: HRG III, 1984, Sp. 1924-26;
    D. Schefold, H. P. (1860-1925), Von d. Stadtvfg. z. Staatsvfg. d. Weimarer Rep., in: H. Heinrichs, H. Franzki, K. Schmalz u. M. Stolleis (Hg.), Dt. Juristen jüd. Herkunft, 1993, S. 429-53;
    G. Gillessen, in: FAZ v. 18.10.2000 (P).

  • Autor/in

    Manfred Friedrich
  • Zitierweise

    Friedrich, Manfred, "Preuß, Hugo" in: Neue Deutsche Biographie 20 (2001), S. 708-710 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118596403.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA