Lebensdaten
1790 – 1866
Geburtsort
Siegen
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Pädagoge
Konfession
reformiert
Normdaten
GND: 118525484 | OGND | VIAF: 64064508
Namensvarianten
  • Diesterweg, Adolph
  • Diesterweg, Friedrich Adolph Wilhelm
  • Diesterweg, Friedrich Adolf Wilhelm
  • mehr

Verknüpfungen

Von der Person ausgehende Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Diesterweg, Adolf, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118525484.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus nassauischer Beamten- u. Hüttenbesitzer-Fam.;
    V Karl Frdr. (1754–1812), Justizamtmann in Siegen, S des Hieron. Christoph (1718–90), Justiz-Amtmann zu Freudenberg b. Bassum;
    M Cath. Charl. (1759–1798), T des Joh. Engelbert Dresler, Stadtsekretär u. Schultheiß in Siegen, u. der Anna Christina Culbach;
    B Wilh. Adolf (1782–1835), Prof. der Math. in Bonn (s. ADB V);
    1814 Sabine (1794–1866), T des Lehrers Enslin in Wetzlar;
    4 S, 5 T, u. a. Moritz (1834–1906), Gründer des Verlags für Schulbücher u. pädagogischer Lit. (s. BJ XI, Tl. 1906), Bertha ( Wilh. Thilo [1802–70], Dir. des Seminars für Stadtschulen in Berlin, s. ADB XXXVIII).

  • Biographie

    Nach Studium der Naturwissenschaft, Mathematik, Philosophie, Geschichte unterrichtete D. ab 1811 in Mannheim und Worms, ab 1813 an der Musterschule in Frankfurt, wo er durch G. A. Gruner und J. de Laspée die Lehren Pestalozzis kennenlernte. Entscheidender war die Begegnung mit J. F. Wilberg an der lateinischen Schule in Elberfeld seit 1818: er wechselte von der höheren Schule zum Volksschulwesen über, gründete im Auftrag des preußischen Staates 1820 das Lehrerseminar in Moers und wurde dessen Direktor, 1832 Seminardirektor in Berlin. D. besaß selbst großes Lehrgeschick, zündende Redegabe und besondere Fähigkeit, geistige Selbsttätigkeit und kritisches Denken zu wecken. Darüber hinaus wirkte er schon früh durch zahlreiche Schriften und Aufsätze auf das pädagogische Leben seiner Zeit. Seit 1827 gab er die „Rheinische Blätter für Erziehung und Unterricht“ heraus, seit 1851 daneben das „Pädagogische Jahrbuch für Lehrer und Schulfreunde“. Auch seine Lehr- und Schulbücher, besonders Leitfäden für Geometrie, Arithmetik, die deutsche Sprache und den Elementarunterricht, wurden viel und lange benutzt, seine „Populäre Himmelskunde und mathematische Geographie“ (1840) erreichte 1941 die 26. Auflage. Sie alle, wie auch sein Hauptwerk „Wegweiser zur Bildung für deutsche Lehrer“ (1836), zeigen den volkstümlichen Zug seines Denkens und die Richtung aufs Praktische. Er gibt kein pädagogisches System, sondern mehr praktische Ratschläge, wobei die Frage der rechten Lehrerpersönlichkeit im Brennpunkt des Interesses steht. Er betont, daß der Lehrer echter Erzieher sein muß und nur so lange lebendig lehren kann, wie er selbst geistig lebendig ist. D. sieht hier auch wichtige Aufgaben der damals entstehenden Lehrervereine, die mit der Weiterbildung zugleich gesundes Leistungsbewußtsein wecken und die soziale Stellung des Standes heben sollen. Er selbst hat Geist und Ethos des Lehrerstandes und der Volksschularbeit stark mitgeprägt.

    Trotzdem ist D. nicht bloßer Praktiker und Standesvertreter. In einer Grundhaltung, die weltanschaulich entscheidend von der Aufklärung und pädagogisch speziell von Rousseau, den Philanthropen und Pestalozzi bestimmt ist, kämpft er für eine bessere und einheitliche Grundlage der Volksbildung und für eine gewisse Eigenständigkeit von Erziehung und Schule gegenüber den verschiedenen gesellschaftlichen Mächten - nicht nur der Kirche, sondern auch dem Staat. Kritische Analyse der Zeitlage („Die Lebensfragen der Zivilisation“, 1836) führte ihn zu entschiedenen sozialpolitischen und pädagogischen Forderungen: Eingreifen des Staates gegen drückendste Armut und Arbeitslosigkeit, genossenschaftliche Hilfe bei Krankheit und Unfall, bessere Schulbildung mit dem Ziel geistiger Mündigkeit für alle, dabei auch Fortführung des Unterrichts neben der Berufsausbildung über das 14. Lebensjahr hinaus, nicht zuletzt Weckung staatsbürgerlicher Verantwortung und verfassungsmäßig garantierte Mitarbeit der Bürger im Staat. Aus D.s Gesamthaltung entspringt sein Kampf gegen die politische, theologische und pädagogische Reaktion, gegen Obrigkeitsstaat wie kirchliche Orthodoxie und geistliche Schulaufsicht, aber auch gegen Konfessionsschule und sogar gegen alle bekenntnismäßig gebundene religiöse Erziehung, ebenso sein Bemühen um Hebung von Lehrerbildung und Lehrerstand und sein Eintreten für eine „naturgemäße“, entwickelnde, auf Anschauung und Nähe gegründete Methode mit Abwehr von mechanischem Drill und Stoffhäufung. Schon 1847 wegen seiner liberalen Einstellung suspendiert, 1850 zwangsweise pensioniert, griff er mit Leidenschaft die rückschrittlichen Bestimmungen der 1854 von F. Stiehl verfaßten Regulative an, in Schriften wie dann auch in Parlamentsreden, nachdem er 1858 Landtagsabgeordneter (Fortschrittspartei) geworden war. Er hat damit wesentlich zu ihrer späteren Aufhebung und zur Weiterentwicklung der Volksschule beigetragen.

  • Werke

    Weitere W Das pädagog. Dtld. d. Gegenwart, 1835/36;
    Die drei Preuß. Regulative, Würdigung derselben, 1855;
    Die drei Preuß. Regulative, Würdigung ihrer Verteidiger, 1855;
    Herr Stiehl u. d. drei Preuß. Regulative, 1855;
    Pädagog. Wollen u. Sollen, 1857;
    - Ausgaben u. a. Ausgewählte Schrr., hrsg. v. E. Langenberg, 4 Bde., 1877/78 (P);
    E. v. Sallwürk, A. D., Darst. s. Lebens u. s. Lehre u. Auswahl s. Schrr., 3 Bde., 1899/1900;
    Aus D.s Tagebuch v. 1818-22, hrsg. v. E. Langenberg, 1870, Neudr. hrsg. v. H. G. Bluth, 1956 (P);
    A. Rebhuhn, Briefe A. D.s, 1907;
    A. D., Schrr. u. Parlamentsreden, 2 Bde., hrsg. v. H. Deiters, 1950.

  • Literatur

    ADB V;
    E. Langenberg, D., s. Leben u. s. Schrr., 3 Bde., 1867/68;
    C. Andreä, A. D., 1899, = Große Erzieher, Bd. 4;
    R. Krause, D., Seine Verdienste um d. Entwicklung d. dt. Volksschullehrerstandes, 1889;
    W. Kreitz, D. u. d. Lehrerbildung, 1890;
    G. Hauffe, D. u. d. Lehrerbildung, 1891;
    H. Rosin, D.s parlamentar. Tätigkeit, 1902;
    E. R. Barth, D., d. wahre Jünger Pestalozzis, Diss. Leipzig 1910;
    A. Milkner, D.s Gedanken über Schulgesetzgebung u. Schulorganisation, 1912;
    ders., Die pol. Ideen u. d. pol. Arb. D.s, 1914;
    ders., D.s Anschauungen üb. Rel. u. Rel.-unterricht, 1919;
    J. Klumpen, D.s „Beschreibung d. preuß. Rheinprov. 1829“ v. pädagog. Standpunkt kritisch gewürdigt, 1929;
    M. Bornitz, A. D. u. d. Kinderfürsorge, 1930;
    H. G. Bluth, D.s rel. Stellung in s. Kampf um d. Rel.unterricht, in: Ev. Unterweisung 10, 1955, S. 17-21, 33-46, 57-66;
    H. Hief, in: Nassau. Lb. V, 1955, S. 159-70 (W, L, P).

  • Porträts

    Stich v. E. Eichens, nach Zeichnung v. W. Hensel, 1847, Abb. b. Rave; Ölgem. v. G. Hertz, 1853 (Heimatmus. Siegen/Westf.).

  • Autor/in

    Albert Reble
  • Zitierweise

    Reble, Albert, "Diesterweg, Adolf" in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 666-667 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118525484.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Diesterweg: Friedrich Adolf D., Schulmann, geb. 29. Octbr. 1790, 7. Juli 1866. Nachdem Pestalozzi in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts mit überzeugender Beredsamkeit geltend gemacht hatte, daß die Befreiung des Volkslebens von den vielerlei Nothständen, welche dasselbe gebunden hielten, nicht ohne eine gründliche Verbesserung des Jugendunterrichtes zu erreichen sei, und nachdem auf die von Ifferten aus gegebene Anregung hin die deutschen Regierungen der Begründung von Volksschulen und Lehrerbildungsanstalten eine besondere Sorgfalt zugewendet hatten, kam es darauf an, eine Unterrichtsweise zu finden, welche befreiend auf den Geist wirkte und Lehrer zu erziehen, welche geschickt wären, an der neuen Volksschule zu arbeiten. Dieser Aufgabe haben Denzel, Wilberg, Harnisch, v. Türk u. A. ihr Leben gewidmet, keiner aber in so weite Kreise wirkend als D.D. wurde zu Siegen im Regierungsbezirk Arnsberg (Westfalen), damals noch nassauisch, geboren. Der Unterricht, welchen er in der lateinischen Schule zu Siegen erhalten hat, scheint nicht ohne negativen Einfluß auf seine spätere Entwicklung geblieben zu sein. Wenigstens liegt die Vermuthung nahe, daß die Stellung, die er zu den Fragen des Religionsunterrichtes eingenommen hat, in der langweiligen Trockenheit des Religionsunterrichtes seine Erklärung finde, den er in Siegen erhielt. Ebenso dürfte sein späteres Drängen auf eine durchgreifende Umgestaltung der Universitäten auf die Eindrücke zurückzuführen sein, welche er in Jahren 1808—1811 auf den Universitäten zu Herborn und Tübingen empfing. Von 1811—1813 war er Lehrer erst in Mannheim, dann in Worms; von da wurde er im Januar 1813 an die Musterschule zu Frankfurt a. M. berufen wo er mit de Laspée und anderen unmittelbaren Schülern Pestalozzi's in Berührung trat; 1818 ward er Lehrer an der lateinischen Schule der reformirten Gemeinde in Elberfeld, lernte dort Wilberg kennen und beschloß, sein Leben dem Volksschuldienste zu widmen. Am 3. Juli 1820 trat er sein Amt als Director des neuerrichteten Schullehrerseminars zu Mörs in der Rheinprovinz an, welches ihm seine Berühmtheit verdankt. Die zwölf Jahre seiner dortigen Thätigkeit sind von dauernder Bedeutung für die Geschichte der deutschen Volksschule und sind wol auch die fruchtbarsten seines eigenen Lebens. Zunächst wendete er den größten Theil seiner bedeutenden Arbeitskraft seinem Amte zu, er lebte für die jungen Lehrer, welche er zu bilden hatte und mit denselben. Dobschall, ein Gegner seiner Richtung sagt von ihm unter Berufung auf Diesterweg's Lebensgenossen: „Nicht seine Leselehre und seine Lesebücher sind der Grund des überschwänglichen Ansehens, welches sich D. bei den Seinigen in ganz Deutschland erfreut, sondern seine treue 20jährige Arbeit an der Volksschullehrerbildung in seinem Hause und in seinen Schriften. Es ist ein Zusammenleben unter Hunderten, deren Mittelpunkt das Herz Diesterweg's ist, ein Herz, das an Hoheit der Empfindung, an Lauterkeit der Gesinnung und an Umfang der Ideen einen Reichthum besitzt, der groß genug ist, Alle für einen Beruf zu erwärmen, der heut zu Tage sehr hoch geschätzt wird“ (Dobschall: D., seine Ankläger und seine Vertheidiger. Liegnitz 1844). Indem aber D. mit unermüdeter Sorgfalt für die zweckmäßigste Einrichtung des seiner Leitung unterstellten Seminars arbeitete, gewann er zugleich Einfluß auf die Lehrerbildung überhaupt, wie aus Beckedorfs Jahrbüchern 1823—1828 deutlich zu erkennen ist; namentlich ist er|als der Erste anzusehen, der die Bedeutung, ja die Unentbehrlichkeit einer guten Uebungsschule für jede Lehrerbildungsanstalt betonte.

    In Mörs entstanden auch diejenigen Werke, durch welche D. bahnbrechend auf den Unterricht in der Muttersprache und in der Mathematik gewirkt hat. Diese Schriften sind insofern von allgemeiner Bedeutung, als er es in ihnen unternommen hat, die „Elementarmethode" in voller Consequenz durchzuführen, über welche er sich später indem „Wegweiser" (4. Aufl., S. 204—297) ausführlich ausgesprochen hat. Er fordert dort bestimmt, daß der Lehrer nicht wissenschaftlich sondern elementarisch unterrichten solle; er solle den Unterricht „auf dem Standpunkte des Schülers beginnen, ihn von da aus stetig, ohne Unterbrechung, lückenlos und gründlich fortführen“. Aus dieser Grundforderung ergibt sich die andere von selbst: „Vom Nahen zum Fernen, vom Einfachen zum Zusammengesetzten, vom Leichteren zum Schwereren, vom Bekannten zum Unbekannten.“ Durch solchen Unterricht soll der Schüler möglichst vielseitig erregt, das Wissen soll mit dem Können verbunden, das Erlernte so lange geübt werden, „bis es der unteren Gedankenreihe verbunden sei"; es werde auf diese Weise Erziehung und Bildung an Stelle der Abrichtung gesetzt, der Schüler werde so an das Arbeiten gewöhnt, daß es ihm zur anderen Natur werde.

    Die Energie, mit welcher D. diese Grundsätze in einer großen Reihe von Schriften und in seinem eigenen Unterrichte zur Geltung brachte, rechtfertigt die allgemeine Anerkennung, mit welcher sein Name noch heute in den weitesten Kreisen genannt wird. Zweifellos würde der Erfolg seiner Bemühungen noch größer sein, wenn D. nicht schon sehr früh in allerlei Streitigkeiten verwickelt worden wäre und eine politische Thätigkeit mit der pädagogischen verbunden hätte, welche zu einer Zeit, wo es dem politischen Leben in unserer Nation noch an den rechten Organen fehlte, dieser Eintrag thun mußte. Auch die Anfänge dieser politischen Thätigkeit fallen wenigstens insofern noch nach Mörs, als er dort im Jahre 1827 die „Rheinischen Blätter“ begründete, eine Zeitschrift, welche nicht allein Fragen des Unterrichtes, sondern auch die allgemeinen Angelegenheiten der Volksschule und ihrer Lehrer in ihren Kreis ziehen sollte.

    Um das Jahr 1830 wurde in Berlin das Seminar für Stadtschulen errichtet, welches zunächst bereits angestellten Lehrern Gelegenheit zu weiterer Bildung bieten, dann aber auch überhaupt junge Männer zum Unterricht an Bürgerschulen, Seminaren u. s. w. befähigen sollte. Nachdem die Verhandlungen mit Harnisch gescheitert waren, wurde D. zum Director dieser Anstalt berufen und er hat sie von 1832 bis 1847 geleitet, unterstützt von Lehrern, wie Bormann, Merget, Gabriel, Erk, Reinbott, Erler, mit welchen zusammen er eine große Anzahl von Schülern erzogen hat. Namentlich brachte er die Seminarschule zu hoher Blüthe. Es ist bekannt, daß seine Berliner Amtsthätigkeit mit der halb unfreiwilligen Entlassung des erst 57jährigen Mannes endete. Die Gründe dafür lagen zum geringsten Theil in Diesterweg's Amtsführung, vielmehr sind sie in seinem Mißverhältniß zu dem Provinzialschulrath Schulz, sowie in einigen Schriften und Reden Diesterweg's zu suchen.

    Die Entlassung geschah in der ehrenvollsten Form, durch nachstehende Cabinetsordre: „An den Staatsminister Eichhorn. Auf Ihren Bericht vom 13. d. M. will ich Sie ermächtigen, das Gesuch des Seminardirectors D. zu Berlin, wonach derselbe aus seinem gegenwärtigen Amte auszuscheiden und unter Fortgenuß seines bisherigen Gesammteinkommens seine Thätigkeit der in der Nähe von Berlin neu zu errichtenden Pestalozzi’schen Waisenerziehungsanstalt widmen zu dürfen wünscht, unter der Bedingung zu genehmigen, daß er der disciplinarischen Aufsicht der ihm bis jetzt vorgesetzten Behörden auch ferner unterworfen und jeder Zeit verbunden bleibe, ein seiner Befähigung angemessenes und im|Einkommen und Rang seinem bisherigen Amte entsprechendes anderweites Amt, welches ihm übertragen werden sollte, anzunehmen. Friedrich Wilhelm. 23. April 1847.“ Die spätere Pensionirung erfolgte auf Anregung des Landtages. Die Beziehung auf die Pestalozzistiftung ist übrigens eine durchaus berechtigte, denn D. hatte nicht nur die Lehrer selbst an ihre Pflichten gegen ihre Wittwen und Waisen erinnert, sondern auch die Säcularfeier Pestalozzi's benützt, um in weiten Kreisen Theilnahme für dieselbe zu gewinnen. Seiner in dieser Richtung gegebenen Anregung verdanken außer der Waisenanstalt zu Pankow zahlreiche Pestalozzi-Vereine ihre Begründung.

    Während der 15 Jahre seiner Berliner Amtswirksamkeit hat D. als Schriftsteller eifrig weiter gearbeitet, und zwar nicht nur auf dem Gebiete der Polemik, das er in seinen „Streitfragen" und in seinen „Lebensfragen“ beschritt, sondern auch auf dem der Pädagogik im eigentlichen Sinne, durch seinen „Wegweiser“ und sein „Pädagogisches Deutschland“. Der erstere ist in seiner 4. Auflage unter Mitwirkung von Bormann, Hentschel, Hill, Knebel, Knie, Lüben, Meyer, Mädler, Prange, Reinbott und Schmitz erschienen und ist noch heute jedem unentbehrlich, der sich auf dem Gebiete der Unterrichtslehre orientiren will. Die 5. Auflage, Essen 1873, hat Ludwig Rudolph zu Berlin besorgt. Auf dem Felde der Lehrbücher fügte er den früheren noch seine mathematische Geographie und Himmelskunde zu. Nach seiner Pensionirung begründete er das „Pädagogische Jahrbuch“ seit 1851, in welchem er Karl Hofmeister ein Denkmal errichtet und in dem er auch „die Geschichte seines amtlichen Schiffbruchs" erzählt hat. Sodann besorgte er eine neue Ausgabe von „Blanc's Handbuch des Wissenswürdigsten“ und die Herausgabe der „Rheinischen Blätter“, jetzt fortgesetzt von Wichard Lange, in welchen er namentlich einen eifrigen Krieg gegen die preußischen Regulative führte. Das Vertrauen seiner Mitbürger übertrug ihm ein Mandat zum Hause der Abgeordneten 1859 und wählte ihn auch in die Berliner Stadtverordnetenversammlung. D. starb 1866 an der Cholera, welcher kurz zuvor seine Frau, eine geborene Enslin aus Wetzlar, erlegen war. Mit dieser hatte er 52 Jahre hindurch in glücklichster Ehe gelebt.

    Diesterweg's Werke sind folgende: „Die Feier des hundertjährigen Geburtstages von Pestalozzi“ (mit Kalisch und Maßmann) 1845; „Heinrich Pestalozzi" 1846; „Schulreden und pädagogische Abhandlungen" 1832; „Streitfragen auf dem Gebiete der Pädagogik" 1837; „Inspection, Stellung und Wesen der neuen (modernen) Volksschule" 1846; „Beiträge zur Lösung der Lebensfragen der Civilisation“ 1838 (betrifft u. a. die Reform der Universitäten); „Bemerkungen und Ansichten auf einer pädagogischen Reise nach den dänischen Staaten“ 1836 (gegen den wechselseitigen Unterricht); „Das pädagogische Deutschland der Gegenwart“ 1835/6, 2 Bde. (enthält die Selbstbiographie von Hendel, Ramsauer, Braubach, Roth, Lorberg, Reinbeck, Lange, G. A. F. und H. F. F. Sickel, Schweitzer, Kröger, Kopf, Kern, Rebs, Ewig); „Wegweiser zur Bildung deutscher Lehrer“, 4. Auflage 1850; „Confessioneller Religionsunterricht in den Schulen oder nicht“ 1848 (D. spricht sich gegen den confessionellen Religionsunterricht aus). Ferner eine Reihe von Streitschriften, darunter die bekannteste: „Anti-Piper oder der wiedererstandene Hauptpastor Melchior Götze“. — „Die Rheinischen Blätter“, Frankfurt a. M. bei Diesterweg. — Für den Unterricht: „Der Unterricht in der Kleinkinderschule", 5. Auflage 1872; „Schullesebuch in sachgemäßer Ordnung", 2 Theile, 11. Auflage 1847, Anweisung zum Gebrauche desselben, 2 Theile; „Praktischer Lehrgang für den Unterricht in der deutschen Sprache", 3 Theile, 1845; „Praktisches Uebungsbuch in der deutschen Sprache", 10. Auflage 1868; „Leitfaden für den Unterricht in der Mathematik“, 3 Theile, 1823; „Geometrische Aufgaben“ 1825; „Leitfaden für den Unterricht in der Formen-, Größen- und räumlichen Verbindungslehre" 1845, 4. Auflage, Anweisung zum Gebrauche derselben. (Mit Heuser) „Methodisches Handbuch für den Gesammtunterricht im Rechnen", 2 Theile, 5. Auflage 1850; „Praktisches Rechenbuch“ 3 Theile, 1848 und 1849; „Lehrbuch der mathematischen Geographie und populären Himmelskunde“, 3. Auflage 1848, 5. Auflage von Strübing besorgt 1873.

    • Literatur

      Langenberg, Adolf Diesterweg, sein Leben und seine Schriften, Frankfurt a. M. 1868. Außerdem Wegweiser, 5. Aufl., Seite 1 bis 27.

  • Autor/in

    Schneider.
  • Zitierweise

    Schneider, "Diesterweg, Adolf" in: Allgemeine Deutsche Biographie 5 (1877), S. 150-153 unter Diesterweg, Friedrich Adolf [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118525484.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA