Lebensdaten
1880 – 1946
Geburtsort
Könno (Livland)
Sterbeort
Innsbruck
Beruf/Funktion
Philosoph ; Schriftsteller
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118722158 | OGND | VIAF: 34458713
Namensvarianten
  • Keyserling, Hermann Alexander Graf von
  • Keyserlingk, Hermann Graf von
  • Keyserling, Hermann Graf von
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Porträt(nachweise)

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Zitierweise

Keyserling, Hermann Graf von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118722158.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Leo (1849–95), auf Ryküll, K. u. Kerkau, S d. Alexander (1815–91), Freund Bismarcks in Berlin, auf Raküll/Estland, Ritterschaftshauptm. v. Estland 1857–62, russ. WGR u. Oberhofmeister, Naturforscher (Morphologe, Geologe), Kurator d. Dorpater Lehrbez. (dabei Univ. Dorpat) (s. Pogg. III, IV), u. d. Zenaida Gfn. Cancrin;
    M Johanna (1856–1925), T d. Adolf Baron Pilar v. Pilchau, auf Audern, u. d. Bertha Freiin v. Ungern-Sternberg;
    Ur-Gvv Heinrich (s. Gen. 1), Georg Gf. Cancrin (1774–1845, s. NDB III), russ. Finanzmin Groß-Ov Hermann (1812–80), Studienfreund Bismarcks in Göttingen, Adelsmarchall u. stellv. Landesbevollmächtigter v. Kurland;
    Vt Otto Frhr. v. Taube (1879–1973), Schriftsteller;
    - Friedrichsruh 1919 Goedela Gfn. v. Bismarck-Schönhausen (* 1896), T d. Staatssekr. Herbert Fürst v. Bismarck ( 1904, s. NDB II);
    2 S.

  • Biographie

    K., der zunächst von Hauslehrern erzogen worden war, kam 1895 auf das russische Gymnasium in Pernau, an dem er 1897 die Reifeprüfung ablegte. Anschließend studierte er Geologie, Chemie und Zoologie an den Universitäten Genf (1897/98), Dorpat (1898/-1900), Heidelberg (1900/01) und Wien (1901/02). In Wien wurde er 1902 auf Grund einer geologischen Dissertation über den „Gloggnitzer Forellenstein“ zum Dr. phil. promoviert. 1903 zog er nach Paris, wo er sich bis 1906 aufhielt und auch sein erstes philosophisches Buch, „Das Gefüge der Welt“ (1906, französisch 1907), schrieb. 1906 versuchte er, sich an der Berliner Universität für das Fach Philosophie zu habilitieren, was trotz Befürwortung durch Wilhelm Dilthey nach K.s eigenen Angaben am Widerstand Alois Riehls scheiterte. 1907 hielt er in Hamburg die Vorlesungen, aus denen die „Prolegomena zur Naturphilosophie“ (1910), hervorgingen. Nach der Übernahme der Besitzungen seines Vaters zog K. 1908 auf das Gut Rayküll in Estland, das früher von seinem Großvater Alexander Keyserling bewohnt worden war und nunmehr bis zur russischen Revolution sein ständiger Wohnsitz bleiben sollte. In die Rayküller Jahre fallen verschiedene Reisen durch Europa sowie insbesondere die einjährige Weltreise (seit Herbst 1911), aus der das „Reisetagebuch eines Philosophen“ (1918 f., französisch 1929) hervorging, das ihn mit einem Schlag berühmt machte. Nach der Flucht (1918) hielt er sich zunächst auf dem Bismarckschen Schloß Friedrichsruh auf. Im Herbst 1920 erfolgte die Übersiedlung nach Darmstadt, wo er mit Unterstützung des Großherzog Ernst Ludwig die „Gesellschaft für Freie Philosophie“ und die „Schule der Weisheit“ gründete. Seit November 1920 bis 1927 wurden dort alljährlich Tagungen veranstaltet, 1928 bis 1933 sogenannte Lehrtagungen (wichtigste Beiträge in: Der Leuchter, Jahrbuch der Schule der Weisheit, 1-8, 1919-27). Zu den Teilnehmern gehörten unter anderem Nikolai Berdjajev, Leo Baeck, Hans Driesch, Leo Frobenius, Georg Groddeck, C. G. Jung, Ernst Kretschmer, Hendrik de Man, Max Scheler, Ernst Troeltsch, Rabindranath Tagore, Richard Wilhelm. 1920-33 erschienen die neben dem „Reisetagebuch“ bekanntesten Bücher K.s, die zum großen Teil auch in fremde Sprachen, vor allem ins Französische, übersetzt wurden und weltweit wirkten. Auch unternahm K. während dieser Zeit zahlreiche Vortragsreisen durch die meisten Länder Europas sowie Nord- und Südamerikas. Darüber hinaus bezog er durch zahlreiche Artikel im In- und Ausland zum Zeitgeschehen Stellung. 1933 setzten gegen K. nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen ein, die dazu beitrugen, daß die Arbeit der „Schule der Weisheit“ schließlich ganz eingestellt wurde. Um weiteren Zugriffen zu entgehen, verließ er 1939 Darmstadt und zog sich auf Schloß Schönhausen, den damaligen Wohnsitz seiner Schwiegermutter, zurück. Während des Krieges schrieb er neben dem „Buch vom Ursprung“ (1947; französisch 1950), das er als sein Hauptwerk betrachtete, vor allem seine 1937 angefangenen Memoiren (Reise durch die Zeit, 1948; französisch 1963), zu Ende und zog 1943 in die Gegend von Innsbruck.

    K. ist jenem Zweig der Lebensphilosophie zuzuordnen, der in besonders starkem Maße irrationalistisch orientiert war. Seine Versuche, durch die Bildung eines eigenen Anhängerkreises unabhängig von Universität, Kirche und Parteien entscheidend auf das geistige und politische Leben einzuwirken, rücken ihn in die Nähe einiger ähnlicher Gestalten aus der zeitgenössischen deutschen Geisteswelt, wie zum Beispiel Johannes Müller, Rudolf Steiner, Leopold Ziegler und so weiter. Darüber hinaus machten ihn seine ständigen Bemühungen um ein besseres Verständnis des Verhältnisses der europäischen Nationalkulturen untereinander sowie eine damit verbundene supranationale Einstellung zu einem der profiliertesten intellektuellen Pioniere des europäischen Einigungsstrebens der neuesten Zeit. Seine Rolle im Rahmen der deutsch-französischen Verständigungsbemühungen und seine freundschaftlichen Beziehungen zu zahlreichen Spitzenvertretern des französischen Geisteslebens verdienen dabei eine besondere Erwähnung. Schließlich kennzeichnet ihn auch die Tragweite seines außereuropäischen Wirkens, die nicht zuletzt im Zusammenhang steht mit seinen Versuchen, westliches Denken mit asiatischer Weisheit zu neuen Synthesen zu verbinden, als eine Persönlichkeit, die beachtenswerte Spuren im internationalen Geistesleben des 20. Jahrhunderts hinterlassen hat.|

  • Auszeichnungen

    Dr. h. c. (Univ. La Paz, Bolivien, 1929).

  • Werke

    Weitere W Unsterblichkeit, 1907;
    Schopenhauer als Verbilder, 1910;
    Dtld.s wahre pol. Mission, 1919;
    Was uns not tut: Was ich will, 1919;
    Philos. als Kunst, 1920;
    Pol.-Wirtsch.-Weisheit, 1922;
    Schöpfer. Erkenntnis, 1922;
    Die neuentstehende Welt, 1926 (franz. 1927);
    Menschen als Sinnbilder, 1926 (franz. 1928);
    Wiedergeburt, 1927;
    Das Spektrum Europas, 1928 (franz. 1930);
    Amerika, Aufgang e. neuen Welt, 1930 (franz. 1930);
    Südamerikan. Meditationen, 1932 (franz. 1932);
    La Vie intime, 1933;
    La Révolution Mondiale et la Responsabilité de L'Ésprit, 1934;
    Das Buch vom persönl. Leben, 1936 (franz. 1938);
    Sur l'Art de la Vie, 1936;
    Betrachtungen d. Stille u. Besinnlichkeit, 1941;
    L'Angoisse du Monde, Ses Causes - Ses Remèdes, 1961 (franz. Ausw. aus K.s Werken v. Y. Morin: Vorwort v. M. Delamain). -
    Autobiogr. in: Die Philos. in Selbstdarstellungen, hrsg. v. R. Schmidt, IV, 1923, S. 99-125 (W, P). - Hrsg.: Der Weg z. Vollendung, Mitt. d. Ges. f. Freie Philos.;
    Schule d. Weisheit, H. 1-32, 1920-42. -
    Mehrere Werke wurden ins Englische übersetzt.

  • Literatur

    S. Stang, H. K.s metaphys. Reiseroman, in: Stimmen d. Zeit 101, 1921, S. 161-80;
    F. Emmel, Das Problem Gf. K., Wider d. Geist der Weltüberlegenheit, in: Schrr.-R. d. Preuß. Jbb., Nr. 11, 1922;
    P. Feldkeller, Gf. K.s Erkenntnisweg z. Übersinnlichen, Die Bekenntnisgrundlagen d. Reisetagebuches e. Philosophen, 1922;
    P. Lafue, Huit Jours à l'École de la Sagesse, in: Revue de la Semaine, T. VI, 23.6.1922;
    W. Vollrath, Gf. K. u. s. Schule, 1923;
    E. Vermeil, Le Comte K. et l'École de la Sagesse de Darmstadt, in: Correspondant (Paris), 25.7.1924;
    E. Seillière, Les Pangermanistes d'après guerre, 1924;
    ders., Morales et religions nouvelles en Allemagne, Le Néoromantisme en Allemagne, II: La Sagesse de Néoromantisme au déla du Rhin, 1927;
    ders., Le Darmstadt, 1929;
    Ch. Sénéchal, La Philos. de H. K., in: La Vie des Peuples (Paris), 14, Sept./Dez. 1924;
    G. v. Dolgow, Die Philos. Gf. H. K.s, 1925;
    H. Adolph, Die Philos. d. Gf. K., 1927;
    H. Vondran, Kritik d. Philos. d. Gf. H. K., 1927;
    M. Boucher, La Philos. de H. K., 1927;
    H. Massis, Défense de l'Occident, 1927;
    G.-A. Astre, Le Message de K., Message humain et message germanique, in: La Grande Revue (Paris), Jan. 1939;
    R. Röhr, G. K.s mag. Gesch.philos., Diss. Leipzig 1939;
    Gf. H. K., e. Gedächtnisbuch, hrsg. v. K.-Archiv Innsbruck, 1948 (P);
    R. Jockel, in: Vom Geist e. Stadt, e. Darmstädter Lesebuch, 1956, S. 362-73;
    H. Dyserinck, Die Briefe Henri Bergsons an Gf. H. K., in: DVjS 34, 1960, S. 169-89;
    ders., Gf. H. K. und Frankreich, 1970;
    V. Novella, Un grand Seigneur, in: Synthèses (Bruxelles), 17, Nr. 191, April 1962 (P);
    Henry Miller, The Philosopher who philosophizes (1940), in: ders., The Wisdom of the Heart, 1941;
    Rhdb. (P);
    O. M. Frhr. v. Stackelberg, in: Ahnentafeln berühmter Deutscher V, 1939-43.

  • Autor/in

    Hugo Dyserinck
  • Zitierweise

    Dyserinck, Hugo, "Keyserling, Hermann Graf von" in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 565-567 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118722158.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA