Lebensdaten
1493 – 1568
Geburtsort
Den Haag
Sterbeort
Norden (Friesland)
Beruf/Funktion
Humanist ; Pädagoge ; Schuldramatiker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 119861240 | OGND | VIAF: 37073404
Namensvarianten
  • Fullonius, Gulielmus
  • Voldersgraft, Willem van de
  • van de Voldersgraft, Willem
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Zitierweise

Gnapheus, Gulielmus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119861240.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    N. N.;
    S Albert, Jurist.

  • Biographie

    Nach seinen Studien – unter anderem in Köln (1512) – war G. ab 1522 Schulrektor in Den Haag. Dort schloß er sich der biblischen Richtung an und wurde zweimal – 1523 mit Cornelius Hoen und 1525 mit Jan de Bakker (Ioannis Pistorius), dem ersten holländischen Märtyrer – von der Inquisition verhaftet. Nach erneuten Schwierigkeiten (1528) verließ G. kurze Zeit später seine Heimat. Vor der Flucht waren die Biographie Jan de Bakkers, der Trostspiegel und wohl auch der „Acolastus“ vollendet, der zuerst 1529 in Antwerpen erschien. 1531 kam G. nach Elbing, wo er 1535-41 Rektor der neu errichteten Schule war. Auf Betreiben des Bischofs von Ermland wurde er aus konfessionellen Gründen vertrieben und trat, von den Königsberger Reformierten herzlich aufgenommen, 1541 in die Dienste Herzog Albrechts von Preußen, der ihn zum Leiter des Pädagogiums in Königsberg ernannte. 1544 wurde er außerordentlicher Professor an der Universität, wo er seit 1545 zeitweilig auch theologische Vorlesungen hielt. Von den Lutherischen wurde G. bei Herzog Albrecht von Preußen (fälschlich) gröbster religiöser Irrtümer beschuldigt. Eine besonders von Friedrich Staphylus betriebene Intrige hatte 1547 die Exkommunikation und die Ausweisung aus Königsberg zur Folge. Anschließend trat G. als Sekretär und Prinzenerzieher in den Dienst der Gräfin Anna von Ostfriesland und lebte zunächst in Aurich, später in Emden und seit 1560 als gräflicher Rentmeister in Norden. Im Auftrage Annas weilte er unter anderem 1562/64 in diplomatischer Mission in England. Sieben Jahre vor seinem Tode erwirkte er seine moralische Restitution, die aber auf Wunsch Herzog Albrechts nicht veröffentlicht wurde. G. kehrte jedoch nicht an den Königsberger Hof zurück.

    Die größte Bedeutung hat G. als Schuldramatiker. Mit seinem „Acolastus“ (1529) ist er|einer der Begründer des protestantischen Schuldramas. Hier wird zum ersten Male die durch die Komödien des Plautus und Terenz vermittelte antike Dramenform mit biblisch-christlichem Gehalt erfüllt und die von Burkard Waldis in seinem „Verlornen Sohn“ (1527) verwandte Form aufgegeben. Der im Prolog ausgesprochene Verzicht auf konfessionelle Polemik – sicherlich mitbedingt durch die gespannten Verhältnisse in G. niederländischer Heimat – verschaffte dem „Acolastus“ sogar Zugang zur Jesuitenbühne der Frühzeit (Wien 1560). Das Werk – 1555 von G. überarbeitet – war im 16. Jahrhundert in über 50 Auflagen verbreitet und hat eine Reihe von Dramatikern, unter anderem Georg Binder, Hans Ackermann und Christoph Stymmelius, tiefgreifend beeinflußt.

  • Werke

    Ioannis Pistorii a Worden … vita, anno 1525 conscripta … Addita est oratio apologetica, Straßburg 1546, Niederländ. v. J. Verwey, Leiden 1562;
    Acolastus, comoedia, Antwerpen 1529 (Bearb.: Antwerpen 1555), dt. Bearb. v. G. Binder, Zürich 1535, Überss.: engl. v. J. Palsgrave, London 1540, franz. v. A. Tiron, Antwerpen 1564;
    Triumphus eloquentiae, Danzig 1541;
    Morosophus, ebd. 1541;
    Hypocrisis, tragicomoedia, Basel 1544;
    Antilogia, 1551 (entstanden 1548);
    Een troost ende Spiegel der siecken ende derghenen die in lyden zijn, 1531, späterer Titel: Tobias ende Lazarus, 1547;
    Ἐγϰώμιου civitatis Emdanae, Emden 1557;
    Acta clarissimi piissimi et doctissimi viri D. G. G. Hagiensis (Hs. 11.14. Aug.Hzg.-August-Bibl. Wolfenbüttel, fol. 240r-260r, eigenhändige Niederschr.?). - Neuausgg.: Lobspruch d. Stadt Emden, aus d. Lat. übers. v. H. Babucke, 1875;
    Acolastus, hrsg. v. J. Bolte, 1891, engl. Übers. v. J. Palsgrave, hrsg. v. P. L. Carver, London 1937, lat.-niederländ., hrsg. v. P. Minderaa, Zwolle 1956.

  • Literatur

    ADB IX;
    H. Rodhuyzen, Het leven van G. G., Amsterdam 1858;
    A. Reusch, W. G., der erste Rector d. Elbinger Gymnasiums, Elbinger Gymnasial-Progr. 1868 u. 1877;
    H. Babucke, W. G., 1878, s. Neuausgg.;
    E. Volckmann, Das städt. Gymnasium in Elbing, 1882;
    P. Tschacker, UB z. Ref.-gesch. d. Hzgt. Preußen, 3 Bde., 1890 (u. a. Archivmaterial);
    K. Wotschke, Hzg. Albrecht v. Preußen u. W. G., in: Archiv f. Ref. gesch. 27, 1930, S. 122-31;
    A. B. Feldmann, G. in England, in: Modern Language Notes 67, Baltimore 1952, S. 325-28;
    Jöcher;
    Schottenloher 7179-86;
    Altpreuß. Biogr.;
    RGG³. - Eigene Archivstud.

  • Autor/in

    Rolf Tarot
  • Zitierweise

    Tarot, Rolf, "Gnapheus, Gulielmus" in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 482-483 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119861240.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Gnapheus: Wilhelm G., mit seinem eigentlichen Namen Willem van de Voldersgraft oder de Volder, auch Gulielmus Fullonius G. sich nennend, tüchtiger Humanist, als Schulmann bedeutend, auch als Beamter in verschiedenen Stellungen bewährt. Er wurde um 1493 in s'Gravenhaag geboren, erhielt seine Bildung wahrscheinlich in den Kreisen der „Brüder vom gemeinsamen Leben“ und scheint zum Priester geweiht zu sein. Zuerst war er als Lehrer in seiner Vaterstadt thätig, wurde wegen seiner Hinneigung zu den reformatorischen Ideen zusammen mit Jan de Baker (Johannes Pistorius), welcher der erste Märtyrer in Holland wurde (Bd. I. S. 778), eingekerkert, nach kurzer Haft entlassen, endlich aber 1528 durch die Inquisition zur Flucht gedrängt. 1531 kam er mit vielen Landsleuten nach Elbing, wo ihm vom Rath die Errichtung einer lateinischen Schule aufgetragen wurde, die unter ihm von 1535—41 blühte. Auf Andrängen des ermländischen Bischofs vom Rath entlassen, wandte er sich nach Königsberg, wo ihm die am Hofe Albrechts damals einflußreiche reformirte Partei, die Sacramentarier, wie man damals sagte, schon eine gute Aufnahme bereitet hatte. Er wurde anfangs herzoglicher Rath, dann Rector des neugegründeten Pädagogiums und zugleich Lector an der neuen Universität. Aus Königsberg 1547 von der lutherischen Partei vertrieben, begab er sich nach Ostfriesland, wurde Prinzenerzieher und Secretär bei der Gräfin Anna (Bd. I. S. 468) und später zu diplomatischen Geschäften mancherlei Art gebraucht. Auf die Gründung der lateinischen Schule in Norden hat er wesentlichen Einfluß gehabt. Er starb 1568 zu Norden als gräflicher Rentmeister. Sein jüngster Sohn Albert wurde ein berühmter Rechtsgelehrter. — Unter seinen Schriften sind die interessantesten „Een troost ende spiegel der siecken ende derghenen, die in lijden zyn“, 1525 im Kerker geschrieben, später „Tobias ende Lazarus“ genannt. Aus demselben Jahre stammt die „Vita Johannis Pistorii“, der „Acolastus“, die „Geschichte vom verlorenen Sohn“ als terentianische Comödie, eines der berühmtesten und einflußreichsten Dramen des 16. Jahrhunderts, noch aus der niederländischen Zeit, bis 1577 in mindestens 14 Ausgaben, „Ἐγϰώμιον civitatis Aembdanae,“ 1553 als Neujahrgedicht für seine gräflichen Zöglinge bestimmt, 1557 herausgegeben.

    • Literatur

      Roodhuyzen, Het leven van Guilhelmus Gnapheus, Amsterdam 1858. Reusch, Wilhelm Gnapheus, der erste Rector des Elbinger Gymnasiums, Elbinger Gymn.-Progr. 1868 u. 1877. Babucke, Wilhelm Gnapheus, ein Lehrer aus dem Reformationszeitalter (mit metrischer Uebersetzung des Encomium), Emden 1875. Scherer, Die Anfänge des deutschen Prosaromans (1877), S. 50 f., und oben Band I. 35, II. 644, III. 59.

  • Autor/in

    Babucke.
  • Zitierweise

    Babucke, Heinrich, "Gnapheus, Gulielmus" in: Allgemeine Deutsche Biographie 9 (1879), S. 279-280 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119861240.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA