Dates of Life
um 1420 oder 1430 – vermutlich 1473 oder 1487
Place of birth
Leiden
Place of death
Wiener Neustadt
Occupation
Bildhauer ; Bildschnitzer
Religious Denomination
katholisch
Authority Data
GND: 118690701 | OGND | VIAF: 96422957
Alternate Names
  • Gerhaerts von Leyden, Nicolaus
  • Niclaus von Leiden
  • Niclas von strasspurgk
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Relations

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Citation

Gerhaert von Leiden, Nicolaus, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118690701.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogy

    G. führte e. Wappen mit 3 Hifthörnern (2 über 1), er gehörte demnach nicht z. Fam, van Leyden, die e. ganz anderes Wappen hatte (in Rot ein silberner Balken, belegt mit 3 schwarzen Mispelblumen mit goldenen Herzen, begleitet von 3 [2 über 1] goldenen Löwen).
    V Nicolaus Gerhaert;
    N. N.;
    S Peter Gerhart, bis 1487 Bürger v. Straßburg, T Apollonia (⚭ Jörg Schongauer, 1495/1514, Goldschmied, s. ThB, B d. Malers Martin Sch., 1491).

  • Biographical Presentation

    Wo G. gelernt und wohin ihn seine Gesellenwanderung geführt hat, verschweigen die Quellen. S. Fliedners Versuch, ihn mit dem 1436 beziehungsweise 1441 erwähnten Brüsseler Meister Nicolaus de Bruyn (Claes de Brune) zu identifizieren, überzeugt nicht. Durch Rückschlüsse aus den Werken seiner Meisterzeit läßt sich wahrscheinlich machen: Lehrzeit wohl in Utrecht; während der Gesellenjahre bestimmende Eindrücke in Gent, Brüssel, Tournay, Bourges, Dijon und Genf. Als Meister ist G. bisher nur in Deutschland nachgewiesen. Wohl schon 1456, sicher 1462 war er in Trier, 1463/64 in Straßburg; dort erwarb er das Bürgerrecht und wurde von Kaiser Friedrich III. angefordert. 1465/66 finden wir ihn in Konstanz, 1467 wieder in Straßburg. Im September 1467 folgte er einem zweiten Ruf Friedrichs III.; wo er dann seine Werkstatt hatte, ist nicht ganz klar - in Betracht kommen Passau, Salzburg, Wien und Wiener Neustadt. In Wiener Neustadt erwarb er ein Weingütchen.

    Dieser Niederländer war in ganz Süddeutschland unter den „berumbten maisteren“ „der freien Kunst des bildhouwes“ in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts der älteste und unstreitig der größte - der Genius, „der dann am maisten die new art an das licht gepracht“ (H. Schmuttermayer). An seiner Kunst muß den Deutschen damals wirklich Vieles neu gewesen sein. Seine Menschengestalten kamen der Natur und dem Leben näher als alles Ältere, schon durch ihre natürlichen Proportionen, ebensosehr durch ihre lebensnahen Formen. Die Köpfe sind zum Teil Bildnisse; wo sie Idealtypen bleiben, verkörpern sie Charaktere und Stimmungen so überzeugend, als handele es sich um Bildnisse; deshalb wurden sie von der Legende alsbald als Bildnisse gedeutet. Die Glieder - vor allem die Hände - frappieren durch ihre Natürlichkeit. Die Bewegung bleibt zwar innerhalb der Flächen, die das Prisma des in eine Figur zu verwandelnden Steinblocks umgrenzen; aber in diesem materiell meist geringen Volumen entfaltet sie sich - oft in Spiralen - so vital, so dynamisch und lebendig, daß sie ideell über die Blockgrenzen in den Raum auszustrahlen scheint; nicht zuletzt dadurch, daß aus dem Stein Hohlräume herausgemeißelt und zu den kompakten Körperformen in Kontrast gesetzt sind. Figur, Raum und rahmende Architektur wachsen in einer zuvor nie erreichten Weise zu einem dynamischen, von sprühendem Leben durchpulsten Ganzen zusammen. Die Figur wirkt nicht mehr reliefartig, sondern vollrund, die Form groß und zugleich subtil; sie hat ein monumentales Volumen, und doch scheint ihre Oberfläche in zartesten Schwingungen zu vibrieren, lebensnah, aber über alles bloß Realistische erhaben, beseelt von einem tief menschlichen, oft zugleich tief christlichen Empfinden. G. blieb als Steinbildhauer unerreicht; keiner seiner großen Nachfolger erreichte seine Natürlichkeit und Subtilität. Er hat für die wichtigsten Aufgaben neue, vorbildliche Lösungen gefunden: für das Hochgrab, den Schnitzaltar und das Chorgestühl; für den Kruzifix; für das Epitaph mit Bildnis; für die lebensnahe, bildnisartige Halbfigur; für Zierformen, Wappen und Drolerien. Was er mit dem allem den deutschen Auftraggebern und Künstlern bot und wodurch er sie mit sich riß, war eine Zusammenfassung der Errungenschaften des seit 1400 nördlich der Alpen führenden niederländisch-nordfranzösisch-burgundischen Kunstkreises - der Errungenschaften des Hennegauers André Beauneveu in Bourges; des Holländers Claus Sluter in Dijon, anderer Bildhauer in Tournay, Bourges und Genf sowie der flandrischen Altarschnitzer; G. hat sogar Errungenschaften der großen niederländischen Maler Jan van Eyck in Brügge und Rogier van der Weyden in Brüssel - die frappierend realistische Darstellungsweise, gewisse kompositionelle und ikonographische Bildvorstellungen - für die Skulptur fruchtbar gemacht, und das alles in einer höchst persönlichen und temperamentvollen Weise, hinreißend geistvoll. Typisch niederländisch wirkt die diskrete Sachlichkeit seiner Stilisierung; im Gegensatz zur deutschen Tradition hat G. darauf verzichtet, der Figur ein „graphisches“ Linienwerk von vorwiegend dekorativem Charakter abzugewinnen. Durch seine „new art“ hat er den Bildhauern in ganz Süddeutschland neue bedeutende Möglichkeiten erschlossen. Die führenden Meister der nächsten Generation sind von ihm inspiriert worden: im Elsaß bis zu Niklas Hagnower hin; am Bodensee Heinrich Iselin; in Ulm Jörg Syrlin sowie Michel und Gregor Erhart; in Südtirol Michael Pacher; in Österreich „Lorenz Luchsperger“; in Bayern Erasmus Grasser und der Meister des Kefermarkter Altars; in Nürnberg Veit Stoß.

  • Works

    Durch Signaturen u. Urkk. gesichert: Hochgrab d. EB Jacob v. Sierck ( 1456) in Trier, vollendet 1462 („Tischgrabmal“ franz. Typs, erhalten nur d. obere Platte mit d. Bischof im Ornat [Trier, Diözesanmus.], bezeugt tragende Pfeilerchen u. d. im Boden liegende untere Platte mit e. verwesenden, v. Getier angenagten Leichnam);
    Portal d. „Alten Kanzlei“ in Straßburg, 1463 (erhalten davon nur d. lebensprühenden Charakterköpfe d. Halbfiguren e. Propheten u. e. Sibylle [Straßburg, Frauenhaus u. Frankfurt, Liebieghaus], seit 1589 fälschlich gedeutet als Bildnisse eines berüchtigten elsäß. Liebespaares, d. Gf. Jacob v. Hanau-Lichtenberg u. s. Magd Bärbel v. Ottenheim, alte Beschreibung des verlorenen Ganzen veröff. v. R. Will);
    Epitaph d. Conr. v. Busnang, 1464 (Straßburg, Münster, Johanneskapelle, spätgot. Tabernakel, darin 2 lebensgroße Halbfiguren, der Domherr betend vor d. Muttergottes mit. d. nackten Kinde);
    Konstanz, Münster, Hochaltar, 1465/66 (verloren, rekonstruiert v. W. Deutsch als e. ganz geschnitztes Triptychon: in d. Predella Halbfiguren Christi u. d. Apostel, im Schrein („Kapellenschrein“ v. niederländ. Typus) die Muttergottes zwischen d. hl. Dompatronen Konrad u. Pelagius, an d. Innenseiten d. Flügelpaares 4 Reliefs, Marienleben, Gesprenge aus 3 Türmchen mit Figuren);
    ebd. Chorgestühl, 1465-71, entworfen von G. (nach W. Deutsch Aufbau u. Darst.-progr. in d. Art d. Chorgestühle in d. Niederlanden, in Bourges u. Genf u. Umgebung), ausgeführt 1467 ff. v. S. Haider u. dessen Gesellen;
    Baden-Baden, Steinkruzifix auf d. Alten Friedhof, 1467 (Stifter: Hans Ulrich, berühmter Chirurg d. Mgf. v. Baden, der großartigste Kruzifix im spätgot. Dtld., angeregt v. Predigten u. Andachtsschrr. d. Mystiker u. v. Gem. d. Niederländers Rogier van der Weyden);
    Wien, St. Stephan, Hochgrab Kaiser Friedrichs III. (Salzburger Rotmarmor) 1467-1513 (nur d. Deckplatte v. G.: subtile spätgot. Zierarchitektur, besetzt mit d. Wappenschilden d. habsburg. Länder, darin steht d. Kaiser im Ornat mit d. Insignien, zu s. Füßen hält e. Löwe mit Turnierhelm d. Reichsschwert, ein 2. Löwe e. Wappen;
    ob der einzigartig reiche Aufbau u. figürl. Schmuck d. Tumba u. ihrer Schranke auf e. Entwurf v. G. zurückgeht, ist strittig, ausgeführt erst v. d. Wiener Bildhauern Max Valmet (1479–85) und Michael Tichter (1495–1513). - So gut wie allg. anerkannte Zuschreibungen: Halbfigürchen e. sinnenden Mannes (Selbstbildnis ?) (Straßburg, Frauenhaus);
    Männerkopf mit Facialislähmung (ebd.);
    Kopf e. Kanonikus (ebd.);
    Stehende Muttergottes (Stein) (Hamburg, Mus. f. Kunst u. Gewerbe). Als Werke e. Straßburger Nachfolgers G.s gelten neuerdings: Gedächtnismal des Domherrn Edmund v. Malberg ( 1478) Trier, Domkreuzgang, mit stehender Muttergottes;
    Hl. Anna selbdritt aus Trimbach i.|Elsaß (Berlin, Museen);
    Figuren v. Turmoktogon d. Münsters (Straßburg, Frauenhaus).

  • Literature

    Hans Schmuttermayer v. Nürnberg, Fialenbüchlein, zw. 1484/89, in: Anz. d. German. Nat. Mus. Nürnberg, 1881 u. 1882;
    R. Duellius, De fundatione templi cathedralis Austriaco-Napolitani, Nürnberg 1733;
    Aug. Rich. Maier, N. G. v. L., 1910;
    W. Pinder, Die dt. Plastik d. 15. Jh., 1924, S. 22;
    ders., Die dt. Plastik d. Hochrenaissance, 1929, S. 354 ff.;
    ders., Die dt. Kunst d. Dürerzeit, 1940, S. 82 ff.;
    O. Wertheimer, N. G., s. Kunst u. s. Wirkung, 1929 (Urkk. u. Inschrr. S. 93-95);
    L. Fischel, N. G. u. d. Bildhauer d. dt. Spätgotik, 1944;
    A. Feulner u. Theod. Müller, Gesch. d. dt. Plastik, 1953, S. 283 ff.;
    W. Paatz, N. G. v. L., in: Heidelberger Jbb. 3, 1959. S. 63 ff.;
    - Zu Einzelfragen (seit 1931):
    H. Tietze, Oesterr. Kunsttopogr., Gesch. u. Beschr. d. St. Stephansdomes in Wien, 1931, S. 440 ff.;
    N. Irsch, Der Dom zu Trier, 1931, S. 291 ff.;
    H. Rott, Qu. u. Forschungen z. südwestdt. u. schweizer. Kunstgesch. im 15. u. 16. Jh. I/Bodenseegebiet, 1933, III/Der Oberrhein/Qu. I, 1936, S. 258, III, 1938, S. 117 (beides üb. N. G.s Handsiegel u. Wappen);
    E. Gf. zu Solms-Laubach, Bärbel v. Ottenheim, 1936;
    A. Liebreich, Le style de N. G. de L., in: Revue belge d'archéol. et d'histoire de l'art 6, Antwerpen 1936;
    Th. Demmler, Ein Werk N. G.s a. d. Straßburger Münster, in: Jb. d. Preuß. Kunstslgg. 63, 1941, S. 37 (üb. d. Kopf e. Kanonikus im Frauenhaus);
    K. Garzarolli v. Thurnlack, Zur Nachwirkung N. G.s v. L. in d. Ostmark, in: Pantheon 14, 1941. S. 208 ff.;
    J. Walter, Zur Deutung d. „Schönen Bärbel“, in: Elsaß-Lothring. Jb. 20, 1942, S. 388;
    H. K. Frenz, Die Schulkreise d. N. G. v. L. am Mittel- u. Oberrhein, Diss. Freiburg i. B. 1943 (ungedr.);
    J. Eschweiler, Das Konstanzer Chorgestühl, 1949;
    W. Medding, in: Das Münster 6, 1953, S. 237 ff. (Zuschreibung e. Steinkruzifixes in Deidesheim/Pfalz);
    H. Reiners, Die Kunstdenkmäler Südbadens/Das Münster U. L. Frauen zu Konstanz, 1955;
    W. Paatz, Prolegomena zu e. Gesch. d. dt. spätgot. Skulptur im 15. Jh., in: Abh. d. Heidelberger Ak. d. Wiss., Phil.-hist. Kl., Jg. 1956, 1956, S. 97;
    W. Deutsch, Die Konstanzer Bildschnitzer d. Spätgotik u. ihr Verhältnis zu N. G., Diss. Heidelberg 1957 (ungedr.), S. 27 ff., 99 ff. (üb. d. Werke d. N. G. in Konstanz);
    N. Pevsner, An unknown statue by N. G., in: The Burlington Mgz. 99, London 1957, S. 40 ff. (Muttergottes in Downside Abbey);
    D. Großmann, Über neuere Zuschreibungen an N. G., in: Zs. f. Kunstgesch. 20, 1957, S. 186;
    I. A. Schmoll gen. Eisenwerth, Madonnen N. G.s v. L., s. Kreises u. s. Nachfolge, in: Jb. d. Hamburger Kunstslgg. 3, 1958, S. 52 ff.;
    S. Fliedner, in: Bull, des Musées Royaux des Beaux Arts Bruxelles, Brüssel 1958, S. 186 ff., 197, 209 f., 214;
    R. Will, Le portail de l'ancienne Chancellerie de Strassbourg, in: Cahiers alsaciens d'archéol., d'art et d'histoire, Straßburg 1959, S. 63 ff.;
    Theod. Müller, Kat. d. Bayer. Nat.Mus. München XIII, 2.1959, S. 224, Nr. 112;
    G. Eis, Zum Leben u. Werk d. Straßburger Bildhauers N. G., in: Archiv f. Kulturgesch. 42, 1960, S. 294 ff.;
    C. Sommer, in: Kunstchronik 13, 1960, S. 284 ff.;
    R. Wortmann, Die Hamburger Madonna - ein Werk d. N. G. vom Oberrhein, in: Das Münster 13, 1960, S. 106 ff.;
    ThB 25, S. 453-55 (W-Verz., L).

  • Portraits

    Als Selbstbildnis angesprochen wird Halbfigürchen e. sinnenden Mannes (mit Zirkel ?) im Frauenhaus zu Straßburg (s. W).

  • Author

    Walter Paatz
  • Citation

    Paatz, Walter, "Gerhaert von Leiden, Nicolaus" in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 260-262 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118690701.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA