Wossidlo, Richard

Lebensdaten
1859 – 1939
Geburtsort
Friedrichshof bei Tessin (Mecklenburg)
Sterbeort
Waren/Müritz (Mecklenburg)
Beruf/Funktion
Volkskundler ; Erzählforscher ; Mundartsammler
Konfession
evangelisch
Namensvarianten

  • Wossidlo, Richard Carl Theodor August
  • Wossidlo, Richard
  • Wossidlo, Richard Carl Theodor August
  • Wossidlo, Richard Karl Theodor August

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Zitierweise

Wossidlo, Richard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz142973.html [08.12.2025].

CC0

  • Wossidlo, Richard Carl Theodor August

    | Volkskundler, Erzählforscher, Mundartsammler, * 26.1.1859 Friedrichshof bei Tessin (Mecklenburg), † 4.5.1939 Waren/Müritz (Mecklenburg), ⚰ Ribnitz-Damgarten, Alter Friedhof. (evangelisch)

  • Genealogie

    V Alfred (1830–63), Landwirt, Eigentümer d. ritterschaftl. Gutes Friedrichshof, S d. Karl (1783–1873), Landmann, Pächter d. gfl. putbusschen Gutes Langenhanshagen;
    M Mathilde Dorothea (1834–1916), T d. Georg Christian Jakob Korth (1807–1872), Landmann, Pächter d. ritterschaftl. Gutes Schlichtemühl (1840 in Hessenburg umbenannt) b. Damgarten, zuletzt Pächter d. ritterschaftl. Gutes Kurzen-Trechow b. Bützow;
    Tante-m Bertha Christine Frederica Korth (1847–1920, Hermann Carl Friedrich Burmeister, 1837–1915, Landmann, 1866–85 Eigentümer d. Hofes Körkwitz b. Ribnitz, als Korrespondent [Sammelhelfer] beteiligt an Karl Bartschs Slg. v. meckl. Sagen, Märchen u. Gebräuchen);
    3 B u. a. Carl (1860–1926), Inh. d. Kaffeerösterei C. Wossidlo &
    Co. in Hamburg, 3 Schw u. a. Emma Sophia Wilhelmine Gustava (1857–1829, Leopold Gustav Julius Christian Range, 1847–1902, aus Ribnitz, Kaufm.);
    – ledig.

  • Biographie

    Nach dem Besuch des Gymnasiums in Rostock, wo ihn Karl Ernst Hermann Krause (1822–1892) für die niederdt. Sprache begeisterte, studierte W. 1876–82 in Rostock, Leipzig und Berlin Klassische Philologie und Archäologie. Auch hörte er germanistische Vorlesungen bei Karl Müllenhoff (1818–1884), Wilhelm Scherer (1841–1886) und Reinhold Bechstein (1833–1894). Eine bei Richard Foerster (1843–1922) begonnene Dissertation über die|Scholien zu Aelius Aristides blieb unvollendet. 1883 absolvierte W. das Examen pro facultate docendi, in Wismar unter Theodor Nölting (1811–1890) das Probejahr und war 1886–1924 Lehrer (1908 Gym.prof.) für Latein und Griechisch am Gymnasium in Waren. Für seine volkskundliche Arbeit wurde er 1891 und 1922–24 vom Schuldienst freigestellt.

    W.s Sammelarbeit der 1880er Jahre richtete sich auf den dialektalen Wortschatz, den er nach Lebensbereichen und Wortfeldern gruppierte. Seine frühesten Studien behandeln semantische, pragmatische und grammatische Aspekte der Regionalsprache. Damit wurden erste Grundlagen für das später entstehende Mundartwörterbuch geschaffen, das W. nach dem Vorbild von Johann Andreas Schmeller (1785–1852) für Mecklenburg vorbereitete. 1890 beauftragte der Verein für meckl. Geschichte und Altertumskunde W. mit der Sammlung von Volksüberlieferungen. Anders als Karl Bartsch (1832–1888), der 1867 über den Geschichts- und Altertumsverein zu einer „Sammlung von Meklenburgs Sagen, Märchen und Gebräuchen“ aufgerufen hatte, kombinierte W. das Korrespondentenverfahren mit ausgedehnter eigener Feldforschung und schuf sich ein dichtes, über Jahrzehnte produktives Helfernetz. Dieses umfaßte mehrere hundert Personen, u. a. Carl Beyer (1847–1923), Heinrich Eingrieber (1896–1979), Johannes Gosselck (1881–1948), Ludwig Krause (1863–1924), Carl Friedrich Maaß (1894–1981), Friedrich Rehm (1849–1935) und Johann Hermann Heinrich Schmidt (1834–1918). aus Die Fachwelt wurde auf W. durch dessen Editionen über Rätsel, Ethnozoologie und Kinderkultur aufmerksam. 1919 lehnte W. aus Altersgründen eine von Wolfgang Golther (1863–1945) und Eugen Geinitz (1854–1925) in Rostock angeregte Professur für niederdt. Sprache und Volkskunde ab, die 1920 der Dialektologe Hermann Teuchert (1880–1972) als o. Professur für „Niederdeutsche und Niederländische Sprache und Literatur“ besetzte. Diesem überließ W. seine sprachlichen Sammlungen zur Abschrift und Auswertung für das „Mecklenburgische Wörterbuch“, das er seit 1937 bis zu seinem Tode mit Teuchert herausgab. Dieses vereint den Charakter eines großlandschaftlichen Dialektwörterbuches mit dem einer illustrierten regionalethnographischen (volkskundlichen, agrar-, maritim-, wirtschafts- und sozialgeschichtlichen) Enzyklopädie.

    Um W.s Sammlung auch künftig bearbeiten und herausgeben zu können, trat 1930 in Rostock die „Wossidlo-Stiftung“ in Kraft, in dessen Kuratorium u. a. W., ein Vertreter der Landesregierung und Paul Beckmann (1888–1962), der spätere Leiter der Wossidlo-Forschungsstelle, saßen. Von einer auf acht Bände geplanten Sagenreihe erschienen 1939 zwei Bände, Paul Beckmann gab posthum „‚Reise, Quartier, in Gottesnaam‘, Das Seemannsleben auf den alten Segelschiffen im Munde alter Fahrensleute“ heraus.

    W.s Sammlung materieller Kultur bildete den Grundstock des 1936 im Schweriner Schloß errichteten „Mecklenburgischen Bauernmuseums ‚Wossidlo-Sammlung‘“. 1954 wurde in Rostock als Außenstelle der Berliner Akademie der Wissenschaften auf Basis der überführten Zettelsammlung W.s die „Wossidlo-Forschungsstelle“ gegründet, die 1999 in die Univ. Rostock eingegliedert wurde.

    W. gilt als international anerkannter gelehrter Sammler, dessen weit über den volkskundlichen Kanon hinausgehende Feldforschungstechnik für die werdende Volkskunde vorbildlich war, wie Karl Weinhold (1823–1901), Richard Andree (1835–1912) oder John Meier (1864–1953) urteilten. Kaarle Krohn (1863–1933), der zwecks internationaler Vernetzung von Erzählarchiven in Finnland die „Folklore Fellows“ gründete, besuchte W.s Sammlung 1907 in Waren und verglich sie mit der des Esten Jakob Hurt (1839–1906) und des Dänen Evald Tang Kristensen (1843–1929). Mittels eines ausgeklügelten Zettelkastensystems hat W. Feldforschungsnotizen, Korrespondenzen, Literaturexzerpte und Wortschatzwissen tief erschlossen und miteinander verzahnt. W.s Sammlung und Teucherts Zettelkatalog für das Wörterbuch sind seit 2014 mit etwa 2 Mio. Einzeldokumenten als Graphdatenbank der Univ. Rostock frei zugänglich und werden 2022–24 mit einer digitalen Fassung des Mecklenburgischen Wörterbuchs über das Trierer Wörterbuchnetz verknüpft.

  • Auszeichnungen

    A Dr. phil. h. c. (1906) u. Ehrensenator d. Univ. Rostock (1929);
    korr. Mitgl. d. Finn. Lit.ges. (1907);
    Medaille f. Kunst u. Wiss. in Gold (Meckl.-Schwerin, 1912);
    John-Brinckman-Preis (1923, 1934 erneuert);
    korr. Mitgl. d. Ges. f. pomm. Gesch. u. Altertumskde. (1924);
    Ehrenmitgl. d. Ver. f. meckl. Gesch. u. Altertumskde. (1929);
    Goethe-Medaille f. Kunst u. Wiss. (1934);
    Leibniz-Medaille in Silber d. Preuß. Ak. d. Wiss. (1937);
    Benennungen v. Schulen, Straßen, Anlagen, Preisen u. a. m.

  • Werke

    W u. a. Meckl. Volksüberlfgg., I: Rätsel, 1897, II: Die Tiere im Munde d. Volkes 1, 1899 (mehr nicht erschienen), III: Kinderwartung u. Kinderzucht, 1906, IV: Kinderreime 1, 1931 (mehr nicht erschienen);
    Über d. Technik d. Sammelns volkstüml. Überlfgg., in: Zs. d. Ver. f. Volkskde. 16, 1906, S. 1–24;
    Aus d. Lande Fritz Reuters, Humor in Sprache|u. Volkstum Meckl.s, 1910;
    Erntebräuche in Meckl., 1927;
    Meckl. Sagen, Ein Volksbuch, I–II, 1939;
    „Reise, Quartier, in Gottesnaam“, Das Seemannsleben auf d. alten Segelschiffen im Munde alter Fahrensleute, Im Auftr. d. Kuratoriums d. W.-Stiftung aus d. Nachlaß R. W.s hg. v. P. Beckmann. 2 Bde., 1940–43;
    W.-Teuchert, Meckl. Wörterbuch, I, hg. v. R. W. u. H. Teuchert,1942, II-V, bearb. u. hg. v. H. Teuchert, 1957–70, VI–VII, bearb. v. J. Gundlach, 1976–92;
    Das gr. W.-Lesebuch, hg. v. G. Richardt, S. Lambrecht u. Ch. Schmitt, 2009;
    W-Verz.: U. Bentzien, R. W., Verz. seiner Schrr., in: Dt. Jb. f. Volkskde. 5, 1959, S. 153–63;
    Nachlaß: R.-W.-Zentrum d. Univ.bibl. d. Univ. Rostock;
    wiss. Betreuung: W.-Forsch.stelle f. Europ. Ethnol./Volkskd. d. Phil. Fak. d. Univ. Rostock;
    W.-Slg. materieller Kultur im Freilichtmus. f. Volkskde. Schwerin-Mueß.

  • Literatur

    L K. Gratopp, R. W., Wesen u. Werk, 1935 (P);
    J. Gundlach, Das Meckl. Wb. v. R. W. u. Hermann Teuchert, in: Jb. d. Ver. f. niederdt. Sprachforsch. 115, 1992, S. 145–58;
    R. Wendt, R. W. als Sammler materieller Volkskultur, in: Fritz Reuter–R. W.–Meckl. Volkslit., hg. v. Ch. Bunners, U. Bichel u. J. Grote, 2003, S. 102–16;
    Ch. Rothe, R. W. als Lehrer am Städt. Gymn. zu Waren, in: Stier u. Greif 14, 2004, S. 120–29 (P);
    I. Bruder, H. Meyer, A.-Ch. Schering u. Ch. Schmitt, Das Projekt WossiDiA, Digitalisierung d. W.-Archivs, in: Digitales Kulturerbe, Bewahrung u. Zugänglichkeit in d. wiss. Praxis, hg. v. C. Y. Robertson – v. Trotha u. R. H. Schneider, 2015, S. 61–80;
    Ch. Schmitt, Zettelwerkstatt, Feldforschungsbasierte Wissenszirkulation um 1900 u. d. Praxis papierner Gelehrtenmaschinen am Fallbsp. d. „Volksforschers“ R. W., in: Volkskde. in Sachsen 27, 2015, S. 7–47 (P);
    ders. u. T. R. Tangherlini, Folklore Archives Online, Zur Sichtbarmachung, Auswertbarkeit u. Interoperabilität e. dän. u. e. nordostdt. Slg., in: Jb. f. Europ. Ethnol. [3. Folge] 13, 2018, S. 181–204;
    ders., „Wossidlo-Teuchert“ online, Potentiale e. korpusbasierten digitalen Präsentation d. Meckl. Wb. vor d. Hintergrund seiner Entstehungsgesch., in: 100 J. Niederdt. Philologie, Ausgangspunkte, Entwicklungslinien, Herausforderungen. Bd. 1, Schlaglichter auf d. Fachgesch., hg. v. A. Bieberstedt, D. Brandt, Kl.-H. Ehlers u. Ch. Schmitt, 2023, S. 323–59;
    St. Siebert u. A. Krafzik, Das Richard-Wossidlo-Zentrum als Teil d. hist. Slgg. d. Univ.bibl. Rostock, in: Von Mund zu Ohr via Archiv in die Welt, hg. v. P. Himstedt-Vaid, S. Hose, H. Meyer u. S. Neumann, 2021, S. 43–50;
    J. Gundlach, in: Biogr. Lex. Meckl. II, 1999 (P);
    S. Neumann: in: Enz. Märchen.

  • Porträts

    P Photogr. v. K. Boldt, 1920er u. 1930er J., Abb. u. a. in Warener Tagebl., Meckl. Zs. d. Heimatbundes Meckl.;
    Photogrr.serie v. K. Eschenburg, 1934 (Univ. archiv Rostock);
    Büsten v. Ernst Wossidlo, 1932 (Schwerin-Mueß, Freilichtmus. f. Volkskde.), Abb. in: Meckl. Mhh. 8, 1932, zw. S. 450 u. 451, u. v. F. F. B. Brockmüller, 1939 (Staatl. Mus. Schwerin);
    Gem., Öl/Holz v. E. Tschirch, um 1939, Abb. u. a. in: Bruder u. a., 2015 (s. L), S. 62, u. Öl/Sperrholz v. W. Günteritz, 1939;
    Bronzerelief v. W. Preik, 1959 (Waren, Gedenkstein am R.-W.-Gymn.).

  • Autor/in

    Christoph Schmitt
  • Zitierweise

    Schmitt, Christoph, "Wossidlo, Richard Carl Theodor August" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 507-509 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz142973.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA