Lebensdaten
1883 – 1971
Geburtsort
Neuss
Sterbeort
Basel
Beruf/Funktion
Schriftstellerin ; Übersetzerin
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 11924294X | OGND | VIAF: 100299539
Namensvarianten
  • Sternheim, Olga Maria Theresia Gustava (verheiratete)
  • Bauer, Thea (geborene)
  • Löwenstein, Thea (verheiratete)
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Zitierweise

Sternheim, Thea, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11924294X.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Georg Bauer (1850–1906), Industr., Kaufm., gründete 1876 mit Christian Schaurte d. „Rhein. Schrauben- u. Mutternfabrik Bauer & Schaurte“ in N., seit 1888 in Köln;
    M Agnes (1852–1905), T d. Carl Wilhelm Schwaben;
    2 B Richard Bauer (1877–1935, Elisabeth Bredow), Landwirt, Theo(dor) Bauer (1880–1961, Maria Ludowigs), Landwirt;
    1) London 1901 1907 Arthur Löwenstein (1873–1954, RA, 2) Pullach b. München 1907 1927 Carl Sternheim (s. 1);
    1 T aus 1) Agnes Löwenstein (Ps. Inés Leuwen-Beck) (1902–76, Heinrich [Enrique] Beck, 1904–74, aus Köln, Schriftst., Lorca-Übersetzer, s. BHdE II), Sängerin, aus Verbindung mit Carl Sternheim 1 T Dorothea Sternheim (gen. Thea bzw. Mopsa) (1905–54, Carl Rudolf [Rudolph Charles] v. Ripper, 1905–60, Graphiker, Kunstmaler, s. Vollmer), Bühnenbildnerin, Malerin (s. Lex. Schriftstellerinnen 1933–45; L) , 1 S aus 2) Klaus (1908–46, Freitod, s. W).

  • Biographie

    Nach der Kindheit in Neuss und seit 1888 in Köln lernte S. seit 1890 im Brüsseler Pensionat die franz. Literatur und die altniederl. Malerei kennen, die sie nachhaltig prägten. 1901 floh sie mit Arthur Löwenstein nach London, um heimlich und gegen den Willen der Eltern zu heiraten. Seit 1902 lebte das Paar in Düsseldorf. Nach dem Tod des Vaters 1906 erbte S. ein sehr großes Vermögen. Die dadurch gewonnene Freiheit nutzte sie zur Scheidung von Löwenstein und zur Heirat mit Carl Sternheim, den sie 1903 kennengelernt hatte. In dem für sie erbauten schloßähnlichen Haus „Bellemaison“ in Höllriegelskreuth bei München verkehrte S., die zu den ersten dt. Sammlern van Goghs gehörte, mit Münchens führenden Literaten und Künstlern, wie z. B. Franz Blei, Harry Gf. Keßler, Ottomar Starke, Ernesto de Fiori und Max Reinhardt. 1913 zog S. nach La Hulpe bei Brüssel, wo sie Franz Pfemfert und Gottfried Benn kennenlernte, mit dem sie eine lebenslange Freundschaft verband. Nach dem Krieg, den die Pazifistin S. als Katastrophe erfuhr, lebte sie mit ihrem Mann – unterbrochen durch einen zweijährigen, inflationsbedingten Wohnsitzwechsel nach Dresden – im schweizer. Uttwil am Bodensee. In dieser Zeit begannen Freundschaften mit Frans Masereel und André Gide, dessen Drama „Saul“ S. übersetzte. Nach der Scheidung 1927 zog S. nach Berlin, das sie, angewidert vom heraufkommenden Nationalsozialismus, bereits 1932 wieder verließ, um nach Paris ins Exil zu gehen. Hier lebte sie nach dem Verlust ihres Vermögens in sehr bescheidenen Verhältnissen und pflegte enge Beziehungen zu franz. Intellektuellen wie André Gide, Julien Green, René Crevel, Jean Schlumberger sowie zu Pablo Picasso. 1962 zog S. zu ihrer Tochter Agnes nach Basel.

    S.s literarisches Lebenswerk besteht aus dem Roman „Sackgassen“ und ihrem postum edierten Tagebuch. Den Roman entwickelte sie aus ihrer Erzählung „Anna“, die 1917 unter Sternheims Namen erschienen war, und veröffentlichte ihn mit Benns Hilfe 1952 (Nachdr. hg. v. M. Melchert, mit e. Nachwort v. R. Wyss, 2005). „Sackgassen“ ist ein durch die Orientierung an der gedrängten Sprache des Expressionismus sehr intensiver Entwicklungs- und Gesellschaftsroman, der die Zeit der Belle Époque und des 1. Weltkriegs, der in die äußerlich heile Welt einbricht und eine politische Sensibilisierung erzwingt, ebenso emotions- wie reflexionsstark schildert.

    Das über 65 Jahre geführte Tagebuch S.s, in dem sich das äußere wie das innere Leben gleichberechtigt spiegeln, nimmt unter den großen Tagebüchern des 20. Jh. einen besonderen Platz ein. Die Begegnungen mit Persönlichkeiten aus Kultur und Gesellschaft, die mit scharfem Sinn beobachteten politischen Katastrophen und menschlichen Tragödien (zwei ihrer Kinder waren drogensüchtig und starben vor ihr) ergeben ein Panorama dt. und franz. Kultur in den ersten zwei Dritteln des 20. Jh. Es dokumentiert die Suche der Autorin nach geistiger Orientierung, die sie zu einer eigenen, kirchenfernen Religiosität führt, und ihren Kampf um Selbständigkeit. Für die Carl Sternheim-Forschung stellt S.s Tagebuch eine zentrale Quelle dar. Es zeigt S. als jahrelange Mitarbeiterin an dessen Werk: als Mäzenin, erste Zuhörerin, Kritikerin sowie Verfasserin einzelner Passagen seiner Dramen.

  • Werke

    André Gide, T. S., Correspondance 1927–1950, hg. v. C. Foucart, 1986;
    Carl Sternheim, Briefe, Bd. 1: Briefwechsel mit T. S., 1904–1906, Bd. 2: Briefwechsel mit T. S., Dorothea u. Klaus Sternheim, 1906–1942, hg. v. W. Wendler, 1988 (P);
    Erinnerungen, hg. v. H. Mauser u. T. Hensch, 1995 (P);
    Tagebücher 1903–1971, hg. u. ausgew. v. T. Ehrsam u. R. Wyss, 5 Bde., 2002 (P), ²2011;
    Gottfried Benn, T. S., Briefwechsel u. Aufzeichnungen, hg. v. T. Ehrsam, 2004 (P);
    Nachlaß:
    DLA Marbach (P)

  • Literatur

    | G. Benn, Die Sackgassen, in: ders., Ges. Werke, hg. v. D. Wellershoff, Bd. 4, S. 300–06;
    P. Härtling, T. S., „Sackgassen“, in: ders., Vergessene Bücher, 1966, S. 199–205;
    T. Ehrsam, „Nicht hörig werden, doch auch nicht hörig machen wollen“, Die Schriftst. T. S., in: Carl Sternheim 1878–1942, hg. v. A. Rogal u. D. Sturges, 1995, S. 169–91;
    F. J. Raddatz, Melancholie u. Kaviar, in: ders., Das Rot d. Freiheitssonne wurde Blut, 2007, S. 139–74;
    M. Melchert, „Das vierfache Damoklesschwert über mir“, Zum schwierigen Verhältnis zw. T. S. u. ihrer Tochter Mopsa, in: „Das Politische wird persönlich“, Fam.geschichte(n), hg. v. I. Hansen-Schaberg u. a., Bd. 2, 2007, S. 141–54;
    Lb. Neuss IV, 1999, S. 112–27 (P);
    Rhein. Lb. 18, 2000, S. 167–89 (W, L, P);
    Kosch, Lit.-Lex. ³;
    Lex. Schriftstellerinnen 1933–45 (P);
    Wedel, Autobiogrr. Frauen.

  • Autor/in

    Thomas Ehrsam
  • Zitierweise

    Ehrsam, Thomas, "Sternheim, Thea" in: Neue Deutsche Biographie 25 (2013), S. 303-304 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11924294X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA