Lebensdaten
1851 – 1911
Geburtsort
Gut Jakobshof bei Edlitz (Niederösterreich)
Sterbeort
Cannstatt bei Stuttgart
Beruf/Funktion
Kunsthistoriker ; Direktor der Nationalgalerie in Berlin
Konfession
reformiert
Normdaten
GND: 118624377 | OGND | VIAF: 46906159
Namensvarianten
  • Tschudi, Hugo Aegidius von
  • Tschudi, Hugo von
  • Tschudi, Hugo Aegidius von
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Tschudi, Hugo von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118624377.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Jakob (1818–89, ref.), Dr. phil., Dr. med., Gutsbes., Landarzt, Zool., Anthropol., Erforscher d. Quechua-Sprache, Forsch.reisender in Südamerika, Vf. v. Reiseberr., Dipl., 1868–82 ao. Gesandter u. bevollmächtigter Minister in Wien, 1845 Mitgl. d. Leopoldina, 1849 korr. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (s. ADB 38; Henze, Entdecker; Ornithologen Mitteleuropas I; HLS; ÖBL), S d. Johann Jakob (1781–1825), Kaufm., Ratsherr in Glarus, u. d. Anna Maria Zwicky (1789–1849);
    M Ottilie (1820–97), T d. Ludwig Ferdinand Schnorr v. Carolsfeld (1788–1853), Maler, Kustos d. ksl. Gem.gal. im Belvedere in Wien (s. ADB 32; ÖBL; AKL; NDB 23*), u. d. Karoline v. Jankwitz (1793–1852);
    Ov Iwan (1816–87), Verl., Buchhändler, Friedrich (1820–86), Pol., Publ., Naturforscher, 1877–85 Ständerat (beide s. HLS);
    Rueil b. Paris 1900 Angela Fausta (Ella?) Oliveras Gonzales (1873–1952, kath.);
    1 S.

  • Biographie

    T. wuchs bei seinem Onkel Friedrich v. Tschudi in St. Gallen auf und verbrachte hier seine Schulzeit. Bereits während des mit der Promotion abgeschlossenen Jurastudiums in Wien (1870–75) hörte T. auch bei dem Kunsthistoriker Rudolf Eitelberger (1817–85) und kam in Kontakt mit Künstlerkreisen; 1878 wandte er sich nach zwei Reisejahren nach Holland, Belgien, England, Frankreich und Italien endgültig der Kunstgeschichte zu. Er fand Anstellung an dem von Eitelberger geleiteten Österr. Museum für Kunst und Industrie und am Institut für Österr. Geschichtsforschung und unternahm weitere Reisen nach Paris und Italien. Anfang der 1880er Jahre studierte er Kunstgeschichte bei Hubert Janitschek (1846–93) in Straßburg. Auf einer Reise im Winter 1882/83 lernte T. Wilhelm Bode (1845–1929) kennen, als dessen Direktorialassistent er seit 1884 für die Erforschung und Erweiterung von Skulpturensammlung und Gemäldegalerie in Berlin wirkte. 1896 übernahm T. die Direktion der Nationalgalerie, wo er sofort mit Ankäufen auch ausländischer Künstler begann und die Auswahl der ständig präsentierten Werke und deren Hängung modernisierte. Er gehörte zu den wenigen Museumsdirektoren um 1900, die im beharrlichen Streit um modernste künstlerische Positionen und die internationale Öffnung der bis dahin national ausgerichteten dt. Museen Ruhm erlangten. Seit den späten 1890er Jahren hatte sich T. neben Woldemar v. Seydlitz (1850–1922) in Dresden, Alfred Lichtwark (1852–1914) in Hamburg und anderen für die sog. Jahrhundert-Ausstellung eingesetzt; nach langen Recherchen wurde sie schließlich 1906 mit etwa 2000 Werken, einer signifikanten Bilanz der dt. Kunst zwischen 1775 und 1875, in Berlin eröffnet.

    Ebenso verdienstvoll war T.s Wirken für Erwerbungen internationaler Kunst durch die Nationalgalerie, wobei in der allgemeinen Wahrnehmung die franz. Impressionisten im Vordergrund standen; T. kaufte aber auch Gemälde der Schule von Barbizon und von Anders Zorn, Giovanni Segantini und Honoré Daumier sowie Skulpturen von Auguste Rodin und Aristide Maillol. Zudem regte er bürgerliche bzw. jüdische Mäzene zu Schenkungen an, so z. B. Eduard Arnhold (1849–1925), Ernst (1846–1909) und Robert v. Mendelssohn (1857–1917) sowie Hugo Oppenheim (1847–1921), die Edouard Manets „Im Wintergarten“ finanzierten. Diese Erwerbungen brachten T. in Konflikt mit Ks. Wilhelm II., der die Präsentation in der Nationalgalerie – unter Einschluß franz. Malerei – aus nationalistischen sowie künstlerischen Gründen ablehnte. Ungeachtet der offenen Feindseligkeiten, die seit 1899 vom Kaiser ausgingen, und trotz zunehmender gesundheitlicher Probleme besuchte T. weiter Ausstellungen und pflegte seine Kontakte zu Künstlern und Mäzenen. 1908 beurlaubt, reiste er nach Japan, China und Ägypten und folgte Anfang Juli 1909 dem Ruf als Leiter der Kgl. Bayer. Staatlichen Galerien in München (heute Bayer. Staatsgemäldesammlungen). Sein mutiger Versuch der Museumsmodernisierung rief jedoch auch hier Widerstand hervor. Nach nur zwei Jahren erlag T. einer Lungenentzündung; sein seit den frühen 1890er Jahren bekanntes Leiden, ein schwerer Gesichts-Lupus (Hauttuberkulose), hatte ihn schon lange extrem geschwächt. In Berlin verblieben als Nachklang seines Wirkens signifikante Werke wie „Die Mühle an der Couleuvre bei Pontoise“ von Paul Cézanne als erste Museumserwerbung eines Gemäldes dieses Künstlers weltweit und in München, wo postum umfangreiche Bestände als sog. „Tschudi-Spende“ in die Neue Pinakothek gelangten, bedeutende Gemälde wie u. a. Vincent van Goghs „Sonnenblumen“ oder „Das Frühstück im Atelier“ von Manet.

    In seiner Publizistik entfaltete T. eine beeindruckende Spannbreite. Frühe Schriften trugen feuilletonistischen Charakter (Ein Rundgang durch das moderne Paris, in: Zs. f. bildende Kunst, 1876), daneben publizierte er zur ital. Renaissance (Lorenzo Lotto, 1879; Correggio, 1880; Michelangelo, 1885) und zur Archäologie (Laokoongruppe, 1882). Später befaßte er sich mit der altniederl. Kunst (van Eyck u. a., 1889, 1894, 1898, 1902) und der Kunst des 19. Jh. (Adolph Menzel, 1896, 1905; Arnold Böcklin, 1900, 1901, Moritz v. Schwind, 1904). Daneben war er seit 1898 Mitherausgeber des Jahrbuchs der Königl. Preuß. Kunstsammlungen.

    T. wirkte nicht primär als kämpferischer Autor für die Moderne, wie dies bei Richard Muther (1860–1909) und noch ausgeprägter dann bei Julius Meier-Graefe (1867–1935) der Fall war, sondern vielmehr durch einen kontinuierlichen Einsatz für die Moderne in der Nationalgalerie, die sich in seinen Ankaufs- und Präsentationsaktivitäten ebenso wie in den mutigen Auseinandersetzungen mit Wilhelm II. manifestiert.

    Mit den postum veröffentlichten „Gesammelten Schriften zur neueren Kunst“ zog Ernst Schwedeler-Meyer ein Jahr nach T.s Tod souverän Bilanz: Er verdeutlichte, welche Schwerpunkte T. in seinem Wirken verfolgte, und wie er insbesondere für die malerischen Tendenzen kämpfte, so z. B. für Francisco de Goya, Adolph Menzel, Arnold Böcklin und Johann Gottfried Schadow.

  • Auszeichnungen

    A Prof. (1894);
    Mitgl. d. Senats d. Ak. d. Künste, Berlin (1896);
    Roter Adlerorden 4. Kl. (1898);
    Geh. Reg.rat (1907).

  • Werke

    W Bibliogr. in: E. Schwedeler-Meyer (s. L), S. 241–45;
    Qu B. Maaz, Max Liebermann – Briefe an H. v. T., in: A. Wesenberg (Hg.), Max Liebermann, Jh.wende, 1997, S. 305–16;
    ders., „Hier handelt sich’s nicht blos um eine Persönlichkeit, sondern um ein Prinzip.“ H. v. T. im Briefwechsel, in: Jb. d. Berliner Museen NF 45, 2003, S. 157–200;
    Teilnachlässe: Korr. mit zahlr. europ. Künstlern in d. Staatsbibl. Berlin, Preuß. Kulturbes., Hss.abtlg., u. im DLA Marbach.

  • Literatur

    L W. v. Bode, Zur Erinnerung an H. v. T., in: Jb. d. Kgl. Preuss. Kunstslgg. 33, 1912, S. I-IV;
    M. Liebermann, in: Kunst u. Künstler, 10, 1912, S. 179–82;
    E. Schwedeler-Meyer (Hg.), Ges. Schrr. z. neueren Kunst v. H. v. T., 1912 (P);
    B. Paul, H. v. T. u. d. moderne franz. Kunst im Dt. Ks.reich, 1993; A. Zell, H. v. T. – Ein Wegbereiter d. Mus.arbeit d. 20. Jh., in: Oberbayer. Archiv 117/118, 1993/94, S. 8–83 (Qu, L
    , P);
    J. G. Prinz v. Hohenzollern u. P.-K. Schuster (Hg.), Manet bis van Gogh, H. v. T. u. d. Kampf um d. Moderne, Ausst.kat. München 1996 (P);
    G. Goldberg, H. v. T. u. d. Alte Pinakothek, in: Bayer. Staatsgem.slg., J.ber. 1996, S. 9–29;
    S. Beneke, Im Blick d. Moderne, Die „Jh.ausst. dt. Kunst (1775–1875)“ in d. Berliner Nat.gal. 1906, 1999;
    Metzler Kunsthist. Lex.;
    BJ 16, Tl.; ÖBL.

  • Porträts

    P Photogr. v. C. v. Dühren, vor 1911, mit Sign. als Lichtdruck in E. Schwedeler-Meyer, 1912 (s. L), Frontispiz

  • Autor/in

    Bernhard Maaz
  • Zitierweise

    Maaz, Bernhard, "Tschudi, Hugo von" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 484-485 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118624377.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA