Lebensdaten
1799 – 1868
Geburtsort
Metzingen bei Reutlingen (Württemberg)
Sterbeort
Sauersberg bei Baden-Baden
Beruf/Funktion
Physikochemiker
Konfession
evangelisch?
Normdaten
GND: 118758861 | OGND | VIAF: 51825255
Namensvarianten
  • Schönbein, Christian Friedrich
  • Schönbein, Christian Friedrich
  • Edler von Württemberg
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Schönbein, Christian Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118758861.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit d. 15. Jh. in Esslingen nachweisbarer Fam.;
    V Christian Friedrich (1769–1841), Färber, dann Buchhalterin d. Spinnerei in M., S d. Johannes (1728–1801), Kaufm., Bgm. in M., u. d. Agnes Katharina Wullin (um 1735–1805, 1] Johann Georg Hartmann, Metzger in Plieningen);
    M Anna Barbara (1779–1855), T d. Johan Martin Schäfer (1729–94), Bauer in Nauhausen, u. d. Agnes Weiblen (1740–94);
    Ur-Gvv Johannes (1688–1756), Handelsmann in M.; 7 jüngere Geschw u. a. Heinrich (1807–48), Tuchscherer, Johannes (1804–68), Verw.aktuar in Murrhardt, August (* 1816, 1887 in Amerika verschollen);
    - Stuttgart 1835 Emilie (1807–71), T d. Gustav Benjamin Benz (1777–1859), Kanzleirat in Stuttgart, u. d. Wilhelmine Karolin Gmelin (1780–1846);
    4 T Emilie (1836–59), Sophie (1838–1914, Ernst Ludwig Heitz, 1839–1909, aus Basel, Prof. d. Nat.ök. an d. Landwirtschaftl. Ak. in Hohenheim, s. BJ 14, Tl.), Fanny (1840–1908, Eugen Heinrich Rognon, 1831-|1908, Kaufm. in Basel), Bertha (1846–1927);
    Gvv d. Ehefrau Friedrich Benjamin Benz, Bgm. in Stuttgart;
    Gvm d. Ehefrau Christian Johann Georg Gmelin, Hofapotheker in Stuttgart; Verwandter Andreas (1748–1825), Bortenmacher in M., Leiter d. Herrnhuter Brüdergemeine ebd.

  • Biographie

    S. absolvierte seit 1813 eine Lehre in der chemisch-pharmazeutischen Fabrik „Metzger u. Kaiser“ in Böblingen, wo er solide chemische Kenntnisse erwarb und sich autodidaktisch weiterbildete (Latein, Franz., Engl, Philos. u. Math.). Im April 1820 erhielt er eine Anstellung in der chemischen Fabrik von Johann Gottfried Dingler (1778–1855) in Augsburg, wo er u. a. franz. Fachaufsätze für „Dinglers Polytechnisches Journal“ übersetzte. 1820 trat er in die chemische Fabrik von F. N. Adam in Hemhofen bei Erlangen ein. Daneben hörte er an der Univ. Erlangen Vorlesungen bei dem Mathematiker Wilhelm Pfaff (1774–1835), dem Naturphilosophen Gotthilf Heinrich Schubert (1780–1860) und bei Friedrich Wilhelm v. Schelling (1775–1854), mit dem er bis zu dessen Tod freundschaftlich verbunden blieb. Nach einem Semester setzte S. sein Studium in Tübingen fort, kehrte 1823 kurze Zeit nach Erlangen zurück, unterrichtete aber noch im selben Jahr Physik, Chemie und Mineralogie an Friedrich Fröbels „Allgemeiner Dt. Erziehungsanstalt“ in Keilhau (Thür.) und seit 1826 an einer Privatschule in Epsom bei London. Bei einem Aufenthalt in Paris 1827 hörte S. u. a. Vorlesungen bei Joseph-Louis Gay-Lussac (1778–1850), Andre Marie Ampère (1775–1836) und Louis Jacques Thenard (1777–1857). Seit 1828 hielt er Vorlesungen an der Univ. Basel in Physik und Chemie und erhielt 1835 eine Professur für Chemie und Physik; bei deren Teilung 1852 behielt er den Lehrstuhl für Chemie. Seit 1848 gehörte er dem Rat von Basel an.

    Zunächst untersuchte S. den von ihm als „Passivität“ bezeichneten Effekt, daß die Oberflächen an sich unedler Metalle wie Eisen oder Zinn nach Behandlung mit Salpetersäure oder anodischer Oxidation dem Angriff aggressiver Chemikalien widerstehen. Er wandte sich gegen die (heute anerkannte) Annahme Michael Faradays, wonach dafür die Bildung fest haftender, sehr dünner Oxidschichten verantwortlich sei. Er vermutete das Vorhandensein sog. Pole im Eisen, deren beide Enden entweder anziehend oder abstoßend wirken können. Wenn die abstoßenden Enden der Pole nach außen gekehrt seien, trete der Passivierungseffekt ein. Aus damit zusammenhängenden Gründen bezweifelte S. auch die elementare Beschaffenheit des Eisens und des Schwefels. Generell zeigt sich bei ihm eine Neigung zur dynamistischen Materieauffassung und den Spekulationen der Romantischen Naturphilosophie (er war u. a. mit Lorenz Oken, 1779–1851, befreundet). Die galvanische Elektrizität wurde nach S. durch chemische Reaktionen hervorgerufen („Tendenztheorie“, 1838). 1839 entdeckte er bei der Elektrolyse verdünnter Schwefel-, Salpeter- und Phosphorsäure an Anoden aus Gold oder Platin ein neues Gas von eigenartigem Geruch, dem er den Namen „Ozon“ (von griech. f. „riechen“) gab, ohne dessen chemische Zusammensetzung zu kennen. Letztere wurde 1845 von Jean Charles Galissard de Marignac (1817–94) und Auguste Arthur de la Rive (1801–73) geklärt, von S. allerdings erst 1849 anerkannt. S. behandelt diverse organische Substanzen mit Ozon und untersuchte dessen Oxidationswirkung. Ausgehend von der irrigen Annahme, Ozon sei aus Stickstoff und Sauerstoff zusammengesetzt, experimentierte er auch mit Salpetersäure bzw. einem Gemisch aus Salpeter- und Schwefelsäure (Nitriersäure) und entdeckte dabei 1846 die Schießbaumwolle, eine hoch nitrierte Celluloso (Nitrocellulose), die leichter entzündlich als Schwarzpulver war, eine größere Explosivkraft besaß und ohne Rauchentwicklung abbrannte. Er erkannte sogleich die eminente militärische und technische Bedeutung seiner Entdeckung und hielt das Herstellungsverfahren geheim, allerdings wurde die Nitrocellulose im selben Jahr unabhängig von S. auch von Rudolf Christian Böttger (1806–81) und Friedrich Julius Otto (1809–70) gefunden, und letzterer gab die Synthesemothode bekannt. Durch Lösen von schwächer nitrierter Cellulose in einer Mischung aus Alkohol und Ethylether erhielt S. das „Kollodium“ (Collodium), dessen Verwendung als Wundverband er empfahl, da sich nach dem Verdunsten der Lösungsmittel ein dünner Schutzfilm über der Wunde ausbildet. Später wurde das Kollodium auch zur Herstellung von Filmstreifen verwendet. Wiewohl seine theoretische Ansichten nicht immer auf der Höhe der Zeit waren und ihm ein Hang zu verallgemeinernden Spekulationen nicht abgesprochen werden kann, zählte S. dank seiner vielfältigen Experimentalarbeiten zu den namhaftesten dt. Chemikern der ersten Hälfte des 19. Jh.

  • Auszeichnungen

    Dr. (Basel 1830);
    Dr. med. h. c. (Freiburg, Br. 1857);
    Dr. sc. nat. h. c. (Tübingen 1863);
    schwed. Wasa-Orden (1846);
    ausw. Mitgl. d. Chemical Soc., London (1846) u. d. Royal Scottish Soc. of Arts, Edinburgh (1846);
    korr. Mitgl. d. Bayer. (1854), d. Berliner (1856) u. d. Pariser (1863) Ak. d. Wiss. u. d. Ges. d. Wiss. Göttingen (1861);
    Mitgl. d. Leopoldina(Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinische) Deutsche Akademie der Naturforscher (Halle/Saale) (1858);
    bayer. Maximiliansorden (1858);
    Verz. d. A: Nolte, 1999 (s. L), S. 255-58;
    – Gedenktafeln am Geburtshaus in Metzingen (1909) u. am Wohnhaus in Basel.

  • Werke

    mehr als 350 wiss. Publl., u. a. Über das Verhalten d. Zinns u. Eisens gegen Salpetersäure, in: Ann. d. Physik u. Chemie, 2. R., 37, 1836, S. 390-99;
    Beobachtungen über d. electromotor. Verhalten einiger Metallhyperoxyde d. Platins u. d. Eisens, ebd. 43, 1838, S. 89-102;
    Beobachtungen über d. bei d. Electrolyse d. Wassers u. d. Ausströmen d. gewöhnl. Electricität sich entwickelnden Geruch, ebd. 50, 1840, S. 616-35;
    Einige Bemerkungen über d. Anwesenheit d. Ozons in d. atmosphär. Luft u. d. Rolle, welche es b. langsamen Oxydationen spielen dürfte, ebd., 3. R., 65, 1845, S. 161-72;
    Das Verhalten d. Eisens z. Sauerstoff, Ein Btr. z. Erweiterung electro-chem. Kenntnisse, 1837;
    Btrr. z. Physikal. Chemie, 1844;
    Über d. Erzeugung d. Ozons auf ehem. Wege, 1844;
    Denkschr. über d. Ozon, 1849;
    |

  • Nachlass

    Nachlaß: Univ.archiv Basel.

  • Literatur

    ADB 32;
    G. W. A. Kahlbaum u. E. Schaer, C. F. S., Ein Bl. z. Gesch. d. 19. Jh., 2 Bde., 1899-1901;
    Nachdr. 1970 E. Färber, C. F. S.s Werk, in: Prometheus 29, 1918, S. 413-16;
    ders., in: G. Bugge (Hg.), Das Buch d. gr. Chemiker, 1929/1955, I, S. 458-68 (P);
    R. E. Oesper, in: Journal of Chemical Education 6, 1929, S. 432-40, 677-85;
    W. Prandtl, Dt. Chemiker in d. 1. Hälfte d. 19. Jh., 1956, S. 193-241;
    P. Nolte, Ein Leben f. d. Chemie, 200 J. C. F. S. 1799-1999, 1999 (L, P);
    ders., Mehr als Ozon u. Schießbaumwolle, C. F. S. z. 200. Geb.tag, in: Naturwiss. Rdsch. 53, 2000, H. 2, S. 75-80;
    Matschoss, Technik, 1925;
    HBLS (P);
    O. Schmid, in: Lb. Schwaben II, 1941, S. 415-30 (P);
    Professoren d. Univ. Basel, 1960, S. 128 f. (P);
    H. A. M. Snelders, in: DSB XII, 1975;
    W. R. Pötsch u. a., Lex. bed. Chemiker, 1988;
    Pogg. II, III, VI, VII a Suppl.; |

  • Quellen

    Qu G. W. A. Kahlbaum (Hg.), 20 Briefe gewechselt zw. J. J. Berzelius u. C. F. S. 1836-47, 1898; ders. (Hg.), The letters of Faraday and S. 1836-62, 1899 (P); ders. u. E. Thon (Hg.), J. v. Liebig u. C. F. S., Briefwechsel 1853–68, 1900, Nachdrr. 1970.

  • Porträts

    Gem. v. H. Beltz, 1857 (Basel, Univ., Alte Aula), Abb. in: Nolte, 1999 (s. L);
    Büsten (ebd., Foyer z. Alten Aula, u. Naturhist. Mus.).

  • Autor/in

    Claus Priesner
  • Zitierweise

    Priesner, Claus, "Schönbein, Christian Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 384-386 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118758861.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Schönbein: Christian Friedrich S., Professor der Chemie in Basel, wurde am 18. October 1799 in dem württembergischen Dorfe Metzingen bei Reutlingen geboren. Die einfache aber sorgfältige und religiöse Erziehung im Elternhause, verbunden mit einer guten Vorbildung, namentlich in der lateinischen Sprache, auf der dortigen Schule währte nur bis zu seinem 14. Jahre. Mit Eifer benutzte er daher seine freien Stunden in Böblingen, wo er als Lehrling in eine chemische Fabrik aufgenommen wurde, um seine wissenschaftliche Ausbildung zu vervollkommnen. Fast sieben Jahre dauerte diese mühevolle Lehrzeit, bis er im Jahre 1820 in die chemische Fabrik des litterarisch bekannten J. G. Dingler eintrat, dessen reichhaltige Bibliothek ihm, wenn auch nur in den frühen Morgen- und in den Abendstunden willkommene Gelegenheit zu chemischen, mathematischen und zumal lateinischen Studien gab. Bald jedoch übernahm er die Leitung der chemischen Arbeiten in der Fabrik von F. N. Adam zu Hennhofen bei Erlangen. Hier konnte er sowohl seine praktischen Kenntnisse erweitern, wie auch in der nahen Universitätsstadt Umgang mit bedeutenden Gelehrten Pflegen, was sehr bald den Wunsch in ihm rege machte, sich ausschließlich der reinen Wissenschaft zu widmen. Mit dem Mathematiker Pfaff und dem Naturforscher Schubert wurde er nahe befreundet; ja, der letztere machte ihn mit dem berühmten Philosophen Schelling bekannt, welcher auf S. einen gewaltigen Eindruck machte. Im Herbste 1821 wird es ihm ermöglicht die Universität Tübingen zu besuchen, um bei Chr. Gmelin Chemie und bei Bohnenberger Physik zu studiren, bald aber zieht es ihn nach Erlangen zurück, wo der Chemiker Kastner und sein Freund Pfaff seine Lehrer sind und ihm zumal Gelegenheit wird zu Schelling in ein näheres Freundschaftsverhältniß zu treten, welches bis zu dessen Tode währte. Der mündliche und briefliche Umgang mit Schelling|war in der That von bestimmendem Einflusse auf Schönbein's naturphilosophische Anschauungen, was zumal bei seinen späteren Ideen über die Polarisation des Sauerstoffes deutlich hervortritt. Nach zweijährigem Studium wurde S. Lehrer der Physik und Chemie an der Erziehungsanstalt zu Keilhau bei Rudolstadt, sodann an einem Institut in Epsom in England. Auch in London hielt er sich ein Jahr auf und beschloß seine auswärtigen Studien in Paris, wo er die Vorträge von Gay-Lussac, Ampère, Despretz und Thénard hörte.

    An der Baseler Universität wirkte damals der Rathsherr Peter Merian als Professor der Physik und Chemie. Eine Krankheit desselben gab Veranlassung S. im J. 1829 als dessen Stellvertreter uach Basel zu berufen. Bald erhielt er hier den Doctorgrad und im J. 1835 die ordentliche Professur, welche er bis zu seinem Tode verwaltete, sich vom J. 1852 an auf den chemischen Lehrstuhl beschränkend. Seine Thätigkeit überschritt bald die Grenzen der Universität. In der Baseler, wie in der schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft ist er ein regelmäßiges Mitglied; auch die deutschen Versammlungen hat er mehrfach besucht. Als Mitglied des großen Kantonrathes, 1848, und des großen Stadtrathes, 1851, als langjähriges Mitglied der städtischen Beleuchtungscommission, als Mitbegründer und Vorsteher des Museumsvereins zur Beschaffung von wissenschaftlichen und Kunstsammlungen macht er sich in der vielseitigsten Weise um das Wohl der Stadt Basel verdient, welche ihm bereits im J. 1840 das Ehrenbürgerrecht verlieh.

    Schönbein's wissenschaftliche Thätigkeit war eine äußerst fruchtbare. Nicht weniger als 337 Abhandlungen sind von ihm veröffentlicht worden. Die meisten befinden sich in den Verh. d. naturf. Ges. in Basel und in Poggendorff's Ann., andere in dem Phil. Mag. und in den Compt. rend., sowie in der Bibl. univers. und dem Arch. d'électr. Mit zahlreichen auswärtigen Gelehrten stand er in Briefwechsel. Seine Forschungen zeigen die Selbständigkeit, welche sein wissenschaftlicher Bildungsgang erwarten läßt. Weder die bestehenden Theorien sind ihm maßgebend, noch auch benutzt er die technischen Hilfsmittel zu seinen Unternehmungen, welche die Wissenschaft bietet. Er macht sich seine eigenen Theorien, wenn er sie auch oft wieder umgestalten muß und stützt sich, indem er die Meßinstrumente, selbst die Präcisionswaage verschmäht, auf seine Beobachtungsgabe, welche ihn, wenn auch oft auf Umwegen zu den schönsten Entdeckungen führt. Anderen überläßt er zahlreiche chemische Umsetzungen quantitativ zu studiren; ihm war es mehr darum zu thun, den chemischen Proceß als solchen in allen seinen Phasen mit Hilfe höchst empfindlicher Reagentien qualitativ zu untersuchen und nach den so gewonnenen Beobachtungen Theorien aufzustellen, welche eine befriedigende philosophische Erklärung desselben gestatteten.

    Die erste Untersuchung gilt dem eigenthümlichen edelmetallähnlichen Verhalten des Eisens zur Salpetersäure, welches er als Passivität bezeichnet. Sie führt ihn zu einer Controverse mit Faraday und Mousson, sowie zu einer Hypothese über die stoffliche Natur der Metalle, speciell des Eisens. Insbesondere sind es die electrischen Eigenschaften des passiven Eisens, welche ihn zu zahlreichen Versuchen veranlassen. So kommt es, daß er in dem Streite Stellung nimmt, welcher damals um die Entstehung des galvanischen Stromes entbrannt war. Seine Passivitätsversuche führen ihn mit Entschiedenheit in das Lager der chemischen Theorie, obwol er sich den Vorkämpfern derselben, de la Rive, Bequerel und Faraday nicht in allen Punkten anzuschließen vermag. Er stellt deshalb eine neue Theorie der Voltaischen Säule auf, welche zwischen dieser und der Contacttheorie zu vermitteln sucht, indem er eine strenge Unterscheidung zwischen electrischer Spannung, welche durch Berührung, und dem electrischen|Strome macht, welcher nur durch chemische Zersetzung hervorgebracht werden könne, eine Auffassung, welche später allgemeine Annahme gefunden hat. Von Schönbein's zahlreichen galvanischen Versuchen mit allen möglichen chemischen Stoffen sollen hier nur seine Gasketten, seine Säule mit passivem Eisen, welche zur Grove’schen Batterie führte, die Anwendung von Superoxyden zu galvanischen Elementen Erwähnung finden, zumal das von S. zuerst benutzte Bleisuperoxyd in den heutigen Accumulatorenbatterien eine so ausgedehnte Anwendung gefunden hat. Geringeren Bestand hatte Schönbein's Theorie von der Electrolyse der Salze, wo er als Gegner der Davy’schen Anschauung zu der alten Berzelius’schen Lehre vom muriumsauren Natron zurückkehrte.

    Eine andere Reihe von sorgfältigen und erfolgreichen Untersuchungen gilt dem sog. electrischen Geruche. Die unermüdliche Ausdauer, welche S. der Erforschung dieses Gegenstandes widmete, führte zu seiner schönsten Entdeckung, der des Ozons. Den eigenthümlichen Geruch, der beim Ausströmen der Electricität aus Spitzen, sowie beim Unterbrechen eines Stromes entsteht, bemerkt S. auch an den Gasen, welche sich bei der Wasserelectrolyse entwickeln, zumal bei der starken Batterie, welche er mit Grove zusammen bei Gelegenheit der britischen Naturforscherversammlung in London, 1839, construirte. Auch beim Stehenlassen von Phosphor an feuchter Lust beobachtet er den neuen Stoff, dem er den Namen Ozon gibt (ὄξον, das Riechende). Zuerst hält er ihn für stark oxydirtes Wasser, dann für ein chlorähnliches Halogen, für ein besonderes Element, endlich für einen Bestandtheil des Stickstoffes, den er als Ozonwasserstoff betrachtet, während wieder andere das Ozon für eine Verbindung von Stickstoff mit Sauerstoff hielten und mit der salpetrigen Säure identificirten. Die Thatsache aber, daß man Ozon aus reinem Sauerstoff darstellen und wieder in denselben zurückverwandeln konnte, nöthigt ihn, es als einen modificirten Sauerstoff anzusehen. Die Existenz zweier Elementargase, welche aus demselben Stoff bestehen und ganz verschiedene Eigenschaften haben, wird heute durch die verschiedene Atomanzahl in der Gasmolekel erklärt; damals war dieselbe völlig paradox. S. war daher begreiflich bemüht eine Erklärung dafür aufzufinden. Seine Forschungen führten ihn zu der Theorie von der Polarisation des Sauerstoffs. Als S. das Ozon aus verschiedenen Sauerstoffverbindungen untersuchte, glaubte er zu bemerken, daß manche ein Ozon von in gewissem Sinne entgegengesetzten Eigenschaften lieferten, als andere. Auch bei der Wasserelectrolyse fand er an beiden Polen verschiedene Ozone, von denen er nun das eine Ozon oder negativ activen, das andere Antozon oder positiv activen Sauerstoff nennt. Beide sollten durch chemische Polarisation aus gewöhnlichem oder passivem Sauerstoff entstanden sein und beim Zusammentreffen wieder solchen bilden. Wenn diese Theorie auch keine allgemeine Anerkennung finden konnte, so ist sie doch durch die zahlreichen Untersuchungen, welche ihre Discussion veranlaßt hat, äußerst fruchtbar gewesen, indem sie zur genaueren Kenntniß des Wasserstoffsuperoxyds, in welchem S. das Antozon vermuthete, sowie höchst empfindlicher Ozonreagentien beigetragen hat.

    Eine andere epochemachende Entdeckung, welche mit Schönbein's Ozonuntersuchungen ebenfalls aufs engste zusammenhängt, ist noch zu erwähnen. Aus lediglich theoretischen Gründen vermuthete S., daß ein Gemisch von Schwefel- und Salpetersäure stark oxydirende Eigenschaften haben müsse. Die Voraussetzung bestätigte sich bei der Einwirkung auf Schwefel, Phosphor, Papier, Zucker; zumal aber die Umwandlung von Baumwolle durch dieses Gemisch erregte bald das größte Aufsehen. Die Erfindung der Schießbaumwolle, wie S. die neue Substanz nannte, welche das Schießpulver an Explosionsgewalt weit übertraf, fällt in den Anfang des Jahres 1846. Versuche der Militärverwaltung und Sprengungen im Tunnel vor Istein bestätigten die eminente Kraft derselben. Als im Herbst|desselben Jahres Nötiger in Frankfurt dieselbe Entdeckung machte, wurden die Versuche gemeinschaftlich fortgesetzt; allein die Darstellung konnte nicht lange geheimgehalten werden, da Otto in Braunschweig, dem die Bereitung ebenfalls gelungen war, seine Versuche veröffentlichte. Die großen Erwartungen, zu welchen die Schießbaumwolle berechtigte, sollten allerdings zu Lebzeiten der Erfinder nicht erfüllt werden. Zwar wurden in allen Staaten, zumal in Oesterreich und in England ausgedehnte Versuche damit gemacht, aber ihrer kriegerischen Verwendung stellten sich unerwartete Schwierigkeiten in den Weg. Nur auf friedlichen Gebieten schien sie Erfolg haben zu sollen: ihre Auflösung in Aether-Alkohol fand auf Schönbein's Veranlassung in der Heilkunde und zumal das aus dieser Lösung bereitete Collodium in der Photographie eine höchst ersprießliche Anwendung. Die gewaltige Umwandlung aber, welche die Schießbaumwolle in der modernen Kriegstechnik zu Wasser und zu Lande durch ihre Verwendung zur Füllung der Torpedos, wie zur Bereitung des rauchlosen Pulvers in allen Staaten hervorgerufen hat, sollte ihr Erfinder nicht mehr erleben. S. starb in Wildbad, wo er Heilung von einem Gichtleiden erhoffte, am 29. August 1868.

    • Literatur

      Vgl. Ed. Hagenbach, C. F. Schönbein. Rectoratsrede d. Univ. Basel, 1868. — Pet. Merian, Verh. d. nat. Ges. Basel V, 341—352.

  • Autor/in

    Lepsius.
  • Zitierweise

    Lepsius, Bernhard, "Schönbein, Christian Friedrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 32 (1891), S. 256-259 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118758861.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA