Dates of Life
1790 – 1864
Place of birth
Finkenwerder bei Hamburg
Place of death
Schlangenbad (Taunus)
Occupation
preußischer Finanzminister ; Unternehmer ; Politiker
Religious Denomination
evangelisch?
Authority Data
GND: 11854568X | OGND | VIAF: 69721453
Alternate Names
  • Hansemann, David Justus Ludwig
  • Hansemann, David
  • Hansemann, David Justus Ludwig
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Places

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Citation

Hansemann, David, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11854568X.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogy

    V Eberh. Ludw. (1739–1821), Pastor in F., später in Heiligenfelde, S d. Oberpostmstr. Anton Lorenz in Celle (aus Beamten- u. Pastorenfam.) u. d. Kath. Elis. Lindenberg;
    M Amalie (1751–1825), T d. Joh. Frdr. Moller, Advokat, Syndikus u. Bgm. v. Hameln, Vf. e. Stadtgesch., u. d. Anna Cath. Gerber (beide aus Pastorenfam.);
    Tante-m Wilhelmine ( Gg. Chrstn. Frhr. v. Wedekind, 1831, Pol., hess. Leibarzt); 3 ältere B;
    Vt Gg. Moller (1784–1852), hess. Oberbaudir.;
    - Eupen 1821 Fanny (1801–76), T d. Joh. Frdr. Fremerey (1761–1851), Tuchfabr. in Eupen, u. d. Marie Joh. Detert;
    2 S, 4 T, u. a. Adolph (s. 1), Gustav (s. Gen. 3).

  • Biographical Presentation

    Nach Kaufmannslehre in Rheda (1804–09) und Wanderjahren als Woll- und Tuchkaufmann gründete H. 1817 in Aachen seine eigene Firma und brachte es in wenigen Jahren zu so beträchtlichem Wohlstand, daß er sich fortan in wirtschaftlicher Unabhängigkeit Aufgaben widmen konnte, bei denen sich öffentliche Interessen und privates Geschäft in einer für den älteren deutschen Liberalismus eigentümlichen Weise vermengten. Neben der im engeren Sinne politischen Tätigkeit lagen sie auf drei Hauptgebieten. Versicherungswesen und Sozialpolitik, Eisenbahnbau und Bankwesen.

    Am Anfang stand die Gründung der „Aachener Feuer-Versicherungs-Gesellschaft“ (1824/25), die 1834 auch in Bayern und Hannover|zugelassen wurde und seither als „Aachener und Münchener Feuer-Versicherungs-Gesellschaft“ firmierte. Unter der Leitung H.s (1848 ausgeschieden) und Friedrich Adolph Brüggemanns wuchs sie in scharfer Konkurrenz vor allem mit E. W. Arnoldis Gothaer Feuerversicherung rasch zu einem der bedeutendsten deutschen Versicherungsunternehmen heran, wobei ihr dezentralisiertes Agentennetz ebenso wie die Ausdehnung des Feuerversicherungsschutzes vom Mobiliar auf Landtransporte bald Schule machten. Der Impuls für das Unternehmen war teils – wie bei den anderen Versicherungsgründungen jener Zeit – nationaler Art, denn H. trat wie Arnoldi dem ausländischen Versicherungsmonopol entgegen, teils sozialer Natur, denn bei der „Aachener“ war die Hälfte des Reingewinnes für soziale Zwecke bestimmt (was nur anfänglich den Aktienverkauf erschwerte). Da H. in charakteristisch liberaler Denkweise von bloßer Wohltätigkeit nichts hielt, war das Werkzeug hierfür der 1824 gemeinsam mit der Versicherung konzipierte, aber erst 1834 ins Leben tretende „Aachener Verein zur Beförderung der Arbeitsamkeit“ (1875 organisatorisch verselbständigt), der durch Kreditgewährung an Handwerker, angegliederte Spar- und Prämienkassen, Arbeiter-Pensionskassen, Kinder-Verwahranstalten etc. das „Los der handarbeitenden Klassen“ von der Wurzel her zu bessern, sie in eine mittelständische Existenz überzuführen bestrebt war – eine in der Geschichte des Versicherungswesens einzigartige sozialpolitische Pioniertat, die in ganz Preußen und auch in Bayern Anerkennung, aber keine Nachahmung bei anderen Unternehmen fand.

    Noch größere unmittelbare Bedeutung gewann H.s Wirken für den Eisenbahnbau. Als die unter L. Camphausens Führung 1835 gegründete „Rheinische Eisenbahn-Gesellschaft“, die durch eine Eisenbahn von Köln nach Antwerpen unter Umgehung des holländischen Zwischenhandels den Rhein mit der Scheldemündung verbinden wollte, aus Rentabilitätsgründen – denn der Staat hatte sich der Aufgabe versagt – wegen Terrainschwierigkeiten von der ursprünglich über Düren und Aachen geplanten Trassenführung abgehen wollte, setzte sich H. an die Spitze der Aachener Opposition gegen diesen Plan. Durch lebhafte Agitation und den geschäftlich nicht unbedenklichen Trick der Gründung einer eigenen, der „Preußisch-Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft“ (1836), die der Regierung ein weitgehendes Interventionsrecht zugestand, sowie durch ein Bündnis mit einer nach größerem Einfluß strebenden Aktionärsgruppe unter dem Kölner Bankier Abraham Oppenheim wußte H. bei der von der Regierung verfügten Vereinigung beider Gesellschaften Camphausen aus dem Präsidium zu verdrängen, so daß er als Vizepräsident 1837-43 praktisch die Leitung der „Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft“ innehatte. Obwohl die Kosten für den 1843 fertiggestellten Bahnbau über Aachen sich schließlich auf das Dreifache des ursprünglichen Anschlages beliefen und waghalsige Finanzoperationen erforderlich machten, war seine Konzeption vom volkswirtschaftlichen Standpunkt (Erschließung des Aachener Industriegebietes) ohne Frage die richtigere. – 1843 konnte H. durch Begründung der bereits 1825 von F. Harkort ins Auge gefaßten „Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft“ die Verbindung des rheinischen Eisenbahnsystems mit dem östlichen Teil Preußens und über die Weser dem Seehafen Bremen in Angriff nehmen, die 1847 über Düsseldorf-Duisburg-Minden und weiter über Hannover-Magdeburg nach Berlin fertiggestellt wurde. Auch trat er auf dem 1. Vereinigten Landtag 1847 für den baldigen Bau der „Ostbahn“ nach Königsberg ein. In den damaligen Streit um staatlichen oder privaten Eisenbahnbau griff H. mehrfach durch Flugschriften im Sinne des Staatsbahnprinzips ein, machte sich aber auch bemerkenswerte Gedanken über die aus dem faktischen Monopol privater Eisenbahngesellschaften im öffentlichen Interesse abzuleitenden Grundsätze eines die berechtigten Ansprüche der Allgemeinheit befriedigenden Betriebes sowie über spätere Überführung der privaten Eisenbahnen in staatlichen Besitz.

    Längst hatte H. im Sinne einer freiheitlicheren Ordnung des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens auch nach politischem Einfluß gestrebt und war in seiner liberalen Opposition verschiedentlich mit dem bürokratischen Obrigkeitsstaat in Konflikt geraten; so als Mitglied des Aachener Handelsgerichtes (1825–34, 1844-48), der Handelskammer (1827–36, als Präsident 1836-39 und 1843-48), des Stadtrates (1828–30, 1846-48), und als 1832 seine Wahl zum stellvertretenden Abgeordneten im Rheinischen Provinziallandtag von der Regierung kassiert wurde. Vor allem seine Schrift „Preußen und Frankreich“ (1833), in der er die preußische Finanz- und Steuerpolitik, aber auch allgemein den kleinlich-bürokratischen Stil des preußischen Beamtenabsolutismus scharf kritisiert hatte und in Anlehnung an französische und belgische Vorbilder für die konstitutionellen Forderungen des großbürgerlichen Liberalismus eingetreten war, machte ihn höherenorts mißliebig. Nachdem er 1839 unter dem Eindruck des Kölner|Kirchenstreites erneut gescheitert war, erreichte H. 1843 endlich die Wahl zum stellvertretenden Abgeordneten und wurde 1845 neben Camphausen, H. von Beckerath und G. Mevissen zum Führer der liberalen Opposition auf dem 8. Rheinischen Provinziallandtag, wo er nachdrücklich die Ersetzung der ungerechten und unsozialen Mahl- und Schlachtsteuer durch eine Einkommensteuer, die volle Emanzipation der Juden, Beseitigung der Adelsprivilegien etc. forderte und zu den energischsten Verfechtern eines wahrhaft repräsentativen Regierungssystems gehörte. Diesen Kurs setzte er auf dem 1. Vereinigten Landtag 1847 fort und wurde hier zum eigentlichen Führer der rheinischen Opposition, namentlich auch in dem Konflikt um den Vereinigten Ausschuß. Zugleich vertrat er publizistisch und auf einer Reise nach Süddeutschland (1847) seine politischen Ansichten; auf der Tagung führender Liberaler in Heppenheim am 10.10.1847 trat er gemeinsam mit K. Mathy für eine Vorbereitung der politischen Einheit Deutschlands durch repräsentative Ausgestaltung des Zollvereins und Erweiterung seiner Aufgaben ein.

    Als die französische Februarrevolution 1848 den auch in Deutschland angehäuften Zündstoff ergriff, suchte H. sofort seinen Einfluß für eine Beruhigung der öffentlichen Meinung einzusetzen (so auch auf der Heidelberger Versammlung vom 5.3.), wandte sich aber gleichzeitig in einer beschwörenden Denkschrift vom 1.3. an den Innenminister E. von Bodelschwingh: die preußische Regierung solle sich tatkräftig an die Spitze der konstitutionellen und auf nationale Einheit gerichteten Bewegung setzen, um nicht von ihr weggespült zu werden. Da er damit, ohne es zu wissen, dem König bereits vertraute Gedanken angesprochen hatte, fand er sich am 29.3. nach dem Zusammenbruch des Beamtenabsolutismus als Finanzminister in das von Camphausen gebildete Märzministerium berufen.

    In dieser Stellung hat er durch eine geschickte und mutige Steuer- und Kreditpolitik einen Zusammenbruch des Wirtschaftslebens zu verhindern gewußt (während er selbst im Juni 1848 durch den Konkurs seines früheren Geschäftes 75 000 Taler einbüßte), gemeinsam mit Camphausen mindestens vorübergehend die politische Lage stabilisiert und – namentlich durch Erweiterung der bürgerlichen Freiheitsrechte und Erlaß des Wahlgesetzes vom 8.4. in Zusammenarbeit mit dem 2. Vereinigten Landtag sowie durch den ganz am belgischen Vorbild orientierten Verfassungsentwurf vom 20.5. – den gesetzmäßigen Übergang vom bürokratisch-absolutistischen zum repräsentativ-konstitutionellen Staat eingeleitet. Als infolge der Radikalisierung der preußischen Nationalversammlung und der Berliner Bevölkerung (Zeughaussturm 15.6.) sowie des gleichzeitigen Erstarkens der Reaktion um den König Camphausens Stellung am 20.6. unhaltbar wurde, bildete H. das neue Ministerium Auerswald-H., in dem er wieder als Finanzminister fungierte, zugleich aber als spiritus rector des ganzen Ministeriums mit solcher Energie an die erforderlichen Reformen der Justiz, der Agrarverfassung und der Gemeinde-, Bezirks- und Provinzialordnung ging, daß er erst recht ins Kreuzfeuer der feudalen Reaktion und des demokratischen Radikalismus geriet und das Ministerium am 8.9. zurücktreten mußte.

    H. begab sich nun als Privatmann nach Frankfurt, wo er sich – die bisher gemeinsam mit Camphausen verfochtene Linie preußischer Eigenstaatlichkeit weiterverfolgend – mehr und mehr zu einem Gegner der von der deutschen Nationalversammlung versuchten kleindeutsch-demokratischen Lösung entwickelte, zu deren Ablehnung durch Preußen seine Flugschrift vom Frühjahr 1849 wesentlich mitgewirkt hat. Er stellte sich auch gegen die späteren Bemühungen der „Gothaer“ und ist Anhänger einer föderativen großdeutschen Lösung auf dem Weg einer Reform des Deutschen Bundes geblieben – ein Einzelgänger unter den preußischen Liberalen. Im Herbst 1848 war H. zum Chef der Preußischen Bank ernannt worden, verlor aber diese Stellung 1851 im Kampf gegen borniertes Bürokratentum und Kreuzzeitungspartei, lehnte 1852 auch ein weiteres Mandat für das preußische Herrenhaus ab und zog sich wie die meisten Altliberalen zu jener Zeit aus dem politischen Leben zurück.

    Ungehindert konnte er sich nun einer neuen geschäftlichen Aufgabe widmen: der Gründung der „Direction der Disconto-Gesellschaft“ (1851) in Berlin, die zunächst ein Kreditverein nach belgischem Muster war, 1855/56 aber von H. gemeinsam mit Mathy die damals neue, leistungsfähigere Form einer Kommanditgesellschaft auf Aktien erhielt. In der Folgezeit traten in steigendem Maß neben das übliche kurzfristige Kreditgeschäft langfristige eigene Anlagen in Industrie und Verkehrswesen sowie die Übernahme großer Emissionsgeschäfte („Preußenkonsortium“ 1859), so daß die Disconto-Gesellschaft für einen neuen Banktyp in Deutschland richtungweisend wurde und bald auch außerhalb Preußens die Konkurrenz mit der internationalen Haute Finance aufnehmen konnte. Zur selben Zeit widmete sich H. erneut Plänen zur besseren Organisation und Zusammenfassung der privaten Notenbanken Deutschlands, ohne damit jedoch zu greifbaren Ergebnissen zu gelangen (erfolglose Projekte in Baden und Württemberg 1856), sowie einer zeitgemäßen Gestaltung des Immobilienkredites durch die Gründung der „Ersten Preußischen Hypotheken-AG“ (1862/64). Auch den Zollvereinsangelegenheiten wandte er sich noch einmal zu; doch unterlag er als Präsident des 1. Deutschen Handelstages in München 1862 mit seinen großdeutsch-protektionistischen Ansichten in der Frage des französischen Handelsvertrages und einer Reorganisation des Zollvereins der Freihandelspartei unter Führung Beckeraths, worüber ihre alte persönliche Freundschaft zerbrach, und gab das Präsidium an Beckerath ab.

    In H.s Leben stehen bedeutenden Erfolgen im Geschäftsleben empfindliche politische Fehlschläge gegenüber, die ihren Grund nicht allein in äußeren Umständen haben, sondern auch in der oft bis zur Rücksichtslosigkeit gehenden Eigenart seiner Persönlichkeit, die ungewöhnlichen Reichtum an fruchtbaren Ideen und Anregungen mit ausgeprägtem praktischem Sinn und außerordentlicher, für andere oft unbequemer Tatkraft verband, menschliche Beziehungen aber aus persönlichem Durchsetzungsdrang nicht selten überforderte und gelegentlich allzu unbefangen wirtschaftliche Vorstellungen auf politische Angelegenheiten übertrug. Er war ein Bourgeois entschieden westlicher Prägung, nach Ethos, Leistung und Denkgewohnheiten der Exponent einer bürgerlichen Führungsgruppe, in der die preußische Junkerpartei mit gutem Gespür ihren gefährlichsten Gegner sah.|

  • Awards

    Die Stadt Aachen ehrte H. 1884 durch ein Denkmal.

  • Works

    W u. a. Preußen u. Frankreich, Staatswirtsch. u. Pol. unter vorzügl. Berücksichtigung d. Rheinprov., Von einem Rheinpreußen, 1833, ²1834;
    Die Eisenbahnen u. deren Aktionäre in ihrem Verhältnis z. Staate, 1837;
    Preußens wichtigste Eisenbahn-Frage, 1837;
    Kritik d. preuß. Eisenbahn-Gesetzes v. 3. Nov. 1838, 1841;
    Üb. d. Ausführung d. preuß. Eisenbahn-Systems, 1843;
    Die pol. Tagesfragen mit Rücksicht auf d. Rhein. Landtag, 1846;
    Die Mahl- u. Schlachtsteuer in Aachen u. Burtscheid, 1846;
    Die dt. Vfg.frage, 1848;
    Die dt. Vfg. v. 28. März 1849, mit Anm. v. D. H., ⁷1849;
    Das preuß. u. dt. Vfg.werk, Mit Rücksicht auf mein pol. Wirken, 1850;
    Das Wesen d. Disconto-Ges. in Berlin u. ihre Benützung, 1852;
    Üb. d. Einführung d. dt. Handelsgesetzbuches, Vortrag, 1861.

  • Literature

    ADB X;
    A. Bergengrün, D. H., 1901 (P);
    K. Kumpmann, Die Entstehung d. Rhein. Eisenbahn-Ges. 1830–44, 1910;
    J. Hansen, Kg. Frdr. Wilh. IV. u. d. liberale Märzmin. Camphausen-H. im J. 1848, in: Westdt. Zs. f. Gesch. u. Kunst 32, 1913, S. 133-204;
    ders., Rhein. Briefe u. Akten z. Gesch. d. pol. Bewegung 1830-50 I u. II/1, 1919/42;
    W. Balke, D. H., G. Mevissen u. L. Camphausen als Wirtsch.pol., Unterss. üb. d. Wesen d. prakt. u. ökonom. Liberalismus in Dtld., Diss. Jena 1923;
    H. Schöler, Helden d. Arbeit, ⁴1925, S. 142-56 (P);
    Fritz Schmidt, Die soz.pol. Anschauungen d. rhein. Frühliberalismus, Diss. Köln 1927;
    F. Frahm, Entstehungs- u. Entwicklungsgesch. d. preuß. Vfg. in: FBPG 41, 1928, S. 253 ff.;
    J. Köster, Der rhein. Frühliberalismus u. d. soz. Frage, 1938;
    A. Pauls, Jugendjahre D. H.s in Monschau, in: Zs. d. Aachener Gesch.ver. 59, Jg. 1938, 1939, S. 219 f.;
    J. Droz, Le Libéralisme Rhénan 1815–48, Paris 1940;
    F. Köhler, H., ein rhein. Kaufm., 1943;
    H. Heffter, Die dt. Selbstverwaltung im 19. Jh., 1950;
    W. Däbritz, D. H. u. A. v. H., 1954 (P);
    ders., D. H., in: Rhein.-Westfäl. Wirtsch.biogrr. VII, 1960, S. 1-24 (P);
    K. Repgen, Märzbewegung u. Maiwahlen d. Revolutionsj. 1848 im Rheinland, 1955;
    F. Seidenzahl, Eine Denkschr. D. H.s v. J. 1856, Ein Btr. z. Entstehungsgesch. d. dt. Aktienbanken, in: ZUG 5, 1960, S. 83-94 (P);
    E. R. Huber, Dt. Vfg.gesch. seit 1789 II, 1960, S. 579 ff., 727 ff.;
    F. Zunkel, Der rhein.-westf. Unternehmer, 1834–79, Ein Btr. z. Gesch. d. dt. Bürgertums im 19. Jh., 1962;
    D. G. Rohr, The Origins of Social Liberalism in Germany, Chicago 1963;
    E. Achterberg u. M. Müller-Jabusch, Lb. dt. Bankiers aus fünf Jhh., 1963, S. 131-38 (P);
    B. Poll (Hrsg.), D. H. 1790-1864-1964, Zur Erinnerung an einen Pol. u. Unternehmer, 1964 (weitere W, L, P).

  • Portraits

    Zeichnung v. L. Hastenrath, um 1847 (Stadtarchiv Aachen), Abb. b. Poll, s. L.

  • Author

    Erich Angermann
  • Citation

    Angermann, Erich, "Hansemann, David" in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 626-629 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11854568X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographical Presentation

    Hansemann: David Justus Ludwig H., geb. den 12. Juli 1790 in Finkenwerder bei Hamburg, erhielt seine erste Erziehung von seinem Vater, der in jenem kleinen Orte Prediger war. Für den Kaufmannsstand bestimmt, wurde er in seinem 15. Jahre Handlungslehrling bei dem Bürgermeister Schwenger in Rheda. Dieser Umstand sollte für seine Ausbildung entscheidend|werden, denn als sein Lehrherr in den zu dem neu geschaffenen Großherzogthume Berg gehörigen Orte „Maire“ wurde, verwendete er ihn als Secretär und gab ihm so Gelegenheit, einen, wenn auch untergeordneten Kreis des Verwaltungswesens kennen zu lernen. Von 1817. ab nahm H. seinen Wohnsitz in Aachen, wo er, die reiche Entwickelung der Tuch-Industrie in den Rheinlanden voraussehend, Wollhändler wurde und sich bald zu den angesehensten Bürgern der Stadt emporschwang. Schon 1824 gründete er daselbst die Feuerversicherungsgesellschaft, und da sein organisatorischer Geist sich im städtischen Wesen überhaupt Geltung verschaffte, so wurde er in das Handelsgericht und in die Handelskammer gewählt; die Regierung verweigerte aber, wie wir später sehen werden, diesen Wahlen eine Zeit lang ihre Bestätigung. Bei dem Ausbruche der Julirevolution übersah H. sofort die Folgen, welche dieses Ereigniß auf die constitutionelle Entwickelung der europäischen Staaten und besonders Deutschlands ausüben mußte und sandte deshalb im December 1830 dem König Friedrich Wilhelm III. eine Denkschrift ein, in welcher er namentlich den damals gefürchteten Plan eines reaktionären Feldzuges gegen die französische und belgische Revolution bekämpfte. Diese erste Staatsschrift Hansemann's, welche erst 15 Jahre später für die Mitglieder des rheinischen Provinziallandtages als Manuscript und 1850 in Hansemann's Schrift: „Das preußische und deutsche Verfassungswerk“ im Auszuge gedruckt wurde, ist für die politischen Ansichten des Mannes so maßgebend, daß die Hauptpunkte aus derselben hier verzeichnet zu werden verdienen. Mit bewunderungswürdigem Scharfblicke setzt H. gleich im ersten Paragraphen, noch vor der politischen, die soziale Gefahr auseinander, welche damals bereits die Staaten bedrohte. Der Geist des Aufruhrs in den unteren Classen, sagte er, hat seinen Ursprung theils in dem Hange zu einer besseren, nicht mit dem Verdienste im Verhältniß stehenden Lebensweise, theils darin, daß durch die Fortschritte der Industrie die Theilung der Arbeit zunimmt und eben hierdurch die Industrie immer mehr Ausdehnung erhält. Uebertriebene Philanthropie ist geradezu verderblich, da die Armen dadurch in eine verhältnißmäßig bessere Lage gerathen als die handarbeitenden Classen. Man muß dahin streben, ihr Ehrgefühl zu erhalten und zu erhöhen, um ihr Emporkommen durch Fleiß und Sparsamkeit zu erleichtern. Aber auch die politische Gefahr ist für Preußen nicht ausgeschlossen. Die belgische Revolution hat mit Pöbel-Auflauf angefangen und neun Zehntel der Brüsseler Bürger, die sich bewaffneten um ihn zu stillen, dachten an nichts weniger als an eine politische Revolution. Das Regierungssystem des unbeschränkten Despotismus und des Stillstandes hindert das Aufblühen jeglicher Industrie und bringt die Staaten an den Abgrund. Das beste System ist, sich auf die Majorität zu stützen, unter Majorität ist aber niemals gerade diejenige nach der Kopfzahl zu verstehen, sondern die eigentliche Kraft der Nation, welche zu finden eben Aufgabe der Regierung ist. Mit Muth und Gewandtheit setzt H. in dieser Denkschrift auseinander, wie Preußen seit 1807 begriffen habe, daß die Stärke des Staates nicht mehr auf der Basis der Feudaleinrichtungen, der Militärherrschaft und des unumschränkten monarchischen Systemes beruhen könne. Die neue Zeit hat überhaupt ein neues Lebensprinzip der Staaten geschaffen: die öffentliche Meinung. Der preußische Thronhat an Kraft gewonnen, aber es droht ihm Gesahr, wenn er vereinzelt oder gar den neuen Kräften feindlich gegenübersteht. Da nun die Staatsregierung Interesse hat, die öffentliche Meinung kennen zu lernen, so muß die Censur abgeschafft und Preßfreiheit gewährt werden. Ebenso muß die Regierung diejenigen Mißbräuche aufheben, die als Ueberbleibsel der feudalen Periode zu betrachten sind: die Patrimonialgerichtsbarkeit, die Ungleichheit der Abgaben, die Lehnsformen, die Ständegliederung, die Zunftverhältnisse etc. Am schärfsten aber|ist Hansemann's Kritik gegen dasjenige Institut gerichtet, welches er „einen Bau in der Mitte zwischen Fundament und Spitze“ nennt, nämlich die Provinzialstände. Er tadelt an ihnen den Mangel an Oeffentlichkeit der Verhandlungen, das Erscheinen der Landtagsabschiede erst nachdem der Landtag lange vorüber ist, den Charakter des Provinzialismus den die Berathungen haben müssen, die Zergliederung in zwei Stände, die Wahlformen nach welchen die Abgeordneten gewählt werden und endlich die gesetzlichen Bestimmungen über die Wählbarkeit und die Requisiten des Wählers. Das Staatsinteresse wird nicht allein in ein provinzielles getheilt, sondern es wird dieses zu einem nicht einmal der Provinz selbst nützlichen Zwecke noch einmal zerstückelt. Wollte man aus den Provinzialständen Reichsstände hervorgehen lassen, so würde die Mehrzahl derselben nicht die eigentliche Kraft des Volkes darstellen. Im glücklichen Falle käme es dann zu einem parlamentarischen Streite, im unglücklichen, eben so leicht möglichen Falle, zu einer Revolution. Ich wage es kühn zu sagen, heißt es dann weiter: eine völlige Unbeschränkheit der königlichen Macht ist eine Täuschung. Kein Sterblicher besitzt eine solche. Die Macht des Königs kann gar nicht anders als identisch mit der Wohlfahrt und der Macht des Staates gedacht werden, denn je größer die letztere, desto größer auch des Königs Macht. Der unbeschränkteste König ist deshalb durch seinen eigenen Willen den Staat zu Wohlfahrt und Macht zu bringen, oder darin zu erhalten, beschränkt. H. hat es in dieser bei weitem nicht genug bekannten und gewürdigten Denkschrift indessen weder bei der Aufstellung allgemeiner Grundsätze, noch bei der Beleuchtung der bloßen inneren Verhältnisse Preußens bewenden lassen: er zieht vielmehr das deutsche Gesammtwesen und Preußens Stellung zu demselben in Betracht, entwickelt die Verhältnisse zu den einzelnen Mächten, wobei er, was Rußland anbetrifft, die Sympathieen des Königs möglichst schont, und schließt mit einer Zusammenfassung seiner Ansichten, in welchen er aus Deutschland einen Föderativstaat zu machen vorschlägt, bei dem nur germanische Staaten betheiligt sein sollen. Holland wäre als ein großer Freihafen für Mitteleuropa zu betrachten, oder würde durch Handelsvertrag sich ebenfalls an die Interessen des deutschen Bundes anschließen. Es ist vielleicht kein zweites Beispiel vorhanden, daß ein einfacher Kaufmann, zu einer Zeit wo Preußen so entschieden unter österreichischem und russischem Einflusse stand, Muth und Begabung genug gehabt hätte, dem Könige unter einer so einschneidenden Kritik des Bestehenden, eine Skizze der Art als nothwendige Vorschrift der Zukunft vorzulegen. Friedrich Wilhelm III. antwortete am 8. Februar 1831, er habe die Eingabe dem Minister des Innern und der Polizei zur Beurtheilung zugefertigt und unerachtet mancher Abweichungen der gemachten Vorschläge von den Grundsätzen welche die Verwaltung in Anwendung bringt, gern die löbliche Absicht und die guten Gesinnnungen des Verfassers erkannt. H. vermuthete, daß diese bedingt günstige Antwort aus der Feder Stägemann's, eines der Letzten aus der großen Stein-Hardenberg’schen Periode stamme. Sein Verhalten wurde aber doch mißliebig, sodaß seine ein Jahr später erfolgte Wahl zum stellvertretenden Provinzial-Landtags-Abgeordneten, ebenso wie die bereits erwähnten rein städtischen, von der Regierung nicht bestätigt wurde. Er hatte, um im Landtage zunächst der Rheinprovinz materiell nützlich zu sein, das Finanzwesen derselben, wie das des Staates überhaupt gründlich studirt; als er nun das gewonnene Material im Landtage nicht benutzen konnte, verwendete er es 1833 in der Schrift: „Preußen und Frankreich“. H. wies in derselben, unter der damals noch strengen Censur nach, daß „trotz der Glückseligkeit eines Beamtenthums, welches glaubte, mit dem Gefühle der Liebe zum Könige habe man ein dauerndes Fundament zu einem starken Staate“, der preußische an inneren Gebrechen leide, daß die Regierung eigentlich schwach sei und irgend eine starke Krisis ihr gefährlich werden könne. Weit entfernt sich durch conservative Schritte bei dem Beamtenthume annehmbar zu machen, ergänzte H. in der genannten Arbeit die Denkschrift von 1830, indem er, an dieser weiteren Kritik anknüpfend, die Nothwendigkeit der Einführung des constitutionellen Lebens in Preußen auseinandersetzte. Leider mußte er bestätigen, daß damals in der Nation selbst ein regerer Sinn für das Verfassungsleben fehle. Von diesen Mißständen unbeirrt, gründete er 1834, die oben berührten Ideen der Denkschrift theilweise anwendend, den „Verein zur Beförderung der Arbeitsamkeit“, über dessen Wesen der Rendant desselben, Thyssen, 1845 eine umfassende Darstellung herausgegeben hat, und beschäftigte sich, mit den Verhandlungen über die Ausführung der Eisenbahn vom Rhein bis zur hannoverschen Grenze beauftragt, mit Feststellung der Grundsätze bei der Ausführung des preußischen Eisenbahnsystems überhaupt. So kam 1843 in Berlin seine Schrift: „Ueber die Ausführung des preußischen Eisenbahnsystems“ heraus. H. war der Ansicht, daß der Staat die großen Eisenbahnlinien in die Hand nehmen müsse. 1838 wurde er Präsident der Aachener Handelskammer, 1844 gab er sein Handlungshaus auf und 1845 wurde er zum Mitgliede des rheinischen Landtages gewählt, in welchem er bereits die Berufung eines Zollparlaments beantragte.

    Mit dem Regierungsantritte Friedrich Wilhelms IV. hatte in Preußen eine wärmere Regung für verfassungsmäßige Zustände begonnen. H. gewann in der Rheinprovinz immer größeren Einfluß, immer entschiedenere Anerkennung und 1847 konnte er im vereinigten Landtage seine bedeutende staatsmännische Begabung zur Geltung bringen. Seine hier der Form nach nur auf Erweiterung des Zollvereins gemachten Vorschläge hatten keinen andern Zweck, als die Gründung des engeren Bundes unter der Führung Preußens, und mit Recht behauptete er später, daß, wenn außer England auch Preußen dem Fürsten Metternich entgegengetreten wäre, Guizot mit Oesterreich allein nicht die Politik befolgt haben würde, welche so wesentlich zur Februar-Revolution beigetragen hat. Jedenfalls meinte er, würde dann Preußen und die mit ihm durch ein gemeinsames öffentliches Institut verbundenen deutschen Staaten, den Erschütterungen von 1848 eher entgangen sein. Im Herbst 1847 machte er eine politische Reise nach Süddeutschland und in der Versammlung zu Heppenheim ging sein Vorschlag durch, eine Erweiterung des Zollvereins zu einer politischen Macht mit einer durch eine Delegirtenversammlung zu Stande zu bringenden Volksvertretung ins Werk zu setzen, ohne mit Oesterreich in ein näheres Verhältniß als das durch den Bund bestehende, zu treten. Ganz entgegengesetzt waren die Vorschläge, welche gleichzeitig General v. Radowitz Friedrich Wilhelm IV. unterbreitete und nach welchen die Ausdehnung des Zollvereins auf den ganzen Bund voraussichtlich eine neue Unterordnung Preußens unter Oesterreich und die Abhängigkeit des finanziellen Schicksals Deutschlands von Oesterreich zur Folge gehabt hätte. Inmitten dieser Schwankungen und Vorbereitungen traf die Nachricht von der Februar-Revolution ein. H. richtete sofort ein Schreiben an den Minister von Bodelschwingh, das für die Zeitgeschichte von wahrhaft monumentaler Bedeutung ist. Er wies die Falschheit des bis dahin befolgten Grundsatzes nach, daß die Dynastien eine höhere Bedeutung als die Volker haben, zeigte wohin diese Grundsätze führen und beantragte, der König solle wie 1813 zum Volke reden, Preßfreiheit, eine endgültige Bildung der Volksvertretung und den Antrag beim Bundestage zusagen, unverzüglich Abgeordnete in Frankfurt zu vereinigen, um in Uebereinstimmung mit den Fürsten, die Reform der Bundesverfassung zu beschließen. „Ich flehe Sie an“, schrieb H., „die inhaltsschwere Wichtigkeit des Momentes zu erfassen und Sr. Majestät zu rathen, sich an die Spitze deutscher Freiheit und Unabhängigkeit zu stellen.“ Herr v. Bodelschwingh hat auf diesen Brief nicht geantwortet und am 5. März, als die Sitzungen des vereinigten Landtags geschlossen wurden, war Nichts als die vierjährige Versammlung der letzteren zugesagt. Am 18. März mußte das Ministerium Bodelschwingh sich zurückziehen. Nachdem H. am 5. der bekannten Versammlung in Heidelberg und am 24. der der Mitglieder der Gemeinderäthe der rheinischen Städte beigewohnt hatte, reiste er nach Berlin ab und als er am 26. daselbst eintraf, hatte man ihn bereits telegraphisch berufen mit Camphausen in das Ministerium zu treten. Letzterer selbst erhielt seine Berufung nur unter der ausdrücklichen, sehr charakteristischen Bedingung, daß H. nicht Präsident des Ministeriums würde. So wurde H. am 29. Finanzminister und leitete bis zu Patow's Eintritt am 17. April auch das Handelsministerium. In der Ueberzeugung, dem Staate während dieser Krisis seine Dienste nicht versagen zu dürfen, mußte er einstweilen seine Ansichten über das allgemeine Stimmrecht und über die deutsche Verfassungsfrage opfern; aber mit Bedauern sah er einerseits die Urwahlen, andererseits das Erbkaiserthum in Scene gesetzt. Das Ministerium Camphausen hatte sich die Anfgabe gestellt, die ganze Bewegung vom Throne ab- und auf sich zu lenken. Nachdem es am 20. Juni seine Entlassung gegeben hatte, beauftragte der König H. mit der Bildung eines neuen, und so übernahm Rudolf von Auerswald das Präsidium, während H. Finanzminister blieb. Als solcher war sein Zweck besonders der, die Verwaltung zu vereinfachen und Ersparnisse einzuführen, sich in jener Zeit vielfach angeregten gefährlichen Aenderungen zu widersetzen, Maßregeln zur Ueberdauerung der Finanz- und Handelskrisis zu treffen und dem Staate kräftige Wehrmittel nach Innen und Außen zu sichern. Seine reformatorische Thätigkeit zog ihm Feinde zu, von denen ein Theil erst später seinem Wirken gerechter geworden ist. H. hat in seiner bereits erwähnten Schrift: „Das preußische und deutsche Verfassungswerk“, sowohl die Thätigkeit der Ministerien Camphausen und Auerswald, wie die damaligen Zustände überhaupt in breiten Strichen anschaulich beschrieben und unter andern durch Auszüge aus der Presse nachgewiesen, daß diese Ministerien bei dem hohen Wogengange der revolutionären Strömung, in ihren liberal-conservativen Bestrebungen schlecht unterstützt wurden. Nach der Bildung des Ministeriums Pfuel, reiste H. am 21. September nach Frankfurt a. M. und versuchte daselbst Heinrich von Gagern und den hervorragendsten Mitgliedern des Parlamentes das Irthümliche ihrer Ansichten in Betreff der Verfassung Deutschlands nachzuweisen, indem er ihnen ein Gegenprojekt vorlegte. An die Stelle des Erbkaiserthums setzte er einen obersten Reichsrath, der nur aus dem Kaiser von Oesterreich, dem Könige von Preußen und einem auf Lebensdauer gewählten Fürsten bestehen sollte. Er organisirte sodann einen engeren und einen weiteren Bund, aus welche' ersterem Oesterreich und Limburg ausgeschlossen blieben. Er war durchaus gegen die Souveränitätsansprüche der deutschen Nationalversammlung. In diesem Sinne ließ er im October 1848 in Frankfurt die Schrift: „Die deutsche Verfassungsfrage“ erscheinen, aus welcher unter anderen die nachfolgende Stelle, die man indessen heute nur dann richtig beurtheilen kann, wenn man den großen Unterschied zwischen der damaligen und der heutigen Lage im Auge behält, höchst charakteristisch ist. H. sagte: „Untergraben wird das monarchische Princip in den Einzelstaaten, sobald über deren Monarchen ein erblicher Oberherr mit ausgedehnten Befugnissen steht, und ein solcher ist vorhanden, wenn die Centralgewalt erblich in einem Regentenhause ist. In der Wirklichkeit ist Jemand nicht mehr Monarch, sondern nur ein erblicher untergeordneter Beamter, sobald er einen solchen Oberherrn hat.“ Er fuhr fort, sich nicht minder eifrig mit den preußischen Verfassungswirren zu beschäftigen und angesichts der zerfahrenen Verhältnisse|im November 1848, legte er dem Könige zwei von ihm in Eile ausgearbeitete wichtige Titel der zu vereinbarenden Verfassung vor, nach welchen beide Kammern in Preußen wählbar sein sollten. Die von der Regierung am 5. December octroyirte Verfassung tadelte er, weil sie nach seiner Ansicht einerseits ultrademokratische Begriffe und Schlagwörter wie den Satz: „Der preußischen Jugend wird durch genügende öffentliche Anstalten das Recht auf allgemeine Volksbildung gewährleistet“, aufgenommen hatte, andererseits die wahren constitutionellen Grundsätze beseitige. Ebenso entschieden tadelte H. das Wahlgesetz vom 6. December, welches die Regierung selbst kurz darauf als staatsgefährlich erkannte. In die erste Kammer gewählt, beeinflußte er im Frühjahr 1849 eine Abänderung dieses Gesetzes in conservativem Sinne und trug so zu dem Wahlgesetze vom 30. Mai bei. Auch erkannte er, ohne sich mit ihm zu vermengen, die Nothwendigkeit der Unterstützung des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel an, arbeitete aus den zum Theil schon angeführten Gründen und weil er sie überhaupt für revolutionär und unausführbar hielt, mit vollen Kräften gegen die Annahme der deutschen Verfassung von Seiten Preußens und schrieb im Frühjahr die zur Zeit stark verbreitete Schrift: „Die deutsche Verfassung vom 28. März 1849“. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, die in Preußen vorhandene günstige Strömung für die Kaiseridee zu unterbrechen und der politische Einfluß Hansemann's gipfelt vielleicht in den Wirkungen dieser Schrift, deren Inhalt durch seine Vorschläge in der ersten Kammer unterstützt wurde. Durch die Zustimmung hervorragender Männer ermuthigt, arbeitete er nunmehr im Mai 1849 selbst den in sechs Abschnitte und 118 Artikel zerfallenden „Entwurf einer von Preußen den mittleren und kleineren Staaten vorzuschlagenden Verfassung zur Begründung eines Bundesstaates“ aus. Dieser Entwurf ist in der bereits erwähnten Schrift: „Das preußische und deutsche Verfassungswerk“ abgedruckt, und leidet, von den bekannten Gebrechen der damaligen Idee eines engeren Bundes abgesehen, daran, daß er weder der berechtigten Rolle Preußens noch den Bestrebungen des deutschen Volkes überhaupt gerecht werden konnte. Seine Entstehungsweise erklärt sich aber vollkommen, theils aus der ganzen liberalconservativen Richtung Hansemann's, theils aus den damals zerrütteten Zuständen, angesichts deren sich zunächst die Nothwendigkeit eines Absperrens der revolutionären Bewegung und der Beseitigung der Deutschland von Außen drohenden Gefahren darstellte. Der Briefwechsel, welchen H. hierüber mit dem damals zum Theil weit volksthümlicher gesinnten General v. Radowitz führte, ist zeitgeschichtlich merkwürdig. Am 22. Mai 1849 schrieb er letzterem unter andern: „habe ich Recht, wenn ich behaupte, daß mit dem allgemeinen Stimmrecht und einem zahlreichen Volkshause, dem verfassungsmäßig die wichtigsten Befugnisse beigelegt sind, ein Staat nicht bestehen kann? Daß selbst mit einem Wahlgesetze, wie es ursprünglich von dem Verfassungsausschusse in Frankfurt vorgelegt wurde, in einem Bundesstaate, mit jenem Volkshause der Bestand einer ordentlichen Regierung unverträglich sein dürfte, daß die Einführung der Grundrechte genügt, die staatliche Ordnung unmöglich zu machen?“ Als darauf der Verfassungsentwurf Preußens am 26. Mai erschien und von der Denkschrift vom 11. Mai erläutert wurde, unterzog H. beide Actenstücke einer einschneidenden, nach Paragraphen geordneten Kritik, die in mehrfacher Beziehung lehrreich ist. Er glaubte in ihr darzuthun, „daß der preußische Entwurf, unter der Mediatisirung der Einzelstaaten (einschließlich Preußens) einen neuen Einheitsstaat bilde“, und wies nach, „daß die Denkschrift Widersprüche enthielt, die entweder etwas sagen was in der Verfassung gar nicht steht, oder gar das Gegentheil von dem ausdrücken, was in derselben bestimmt ist.“ Mit diesen Bestrebungen und Kämpfen endete die eigentliche politische Thätigkeit Hansemann's.|Zum Chef der preußischen Bank ernannt, trat er, als die Reaction übermächtig geworden war, im März 1851 auch aus dieser Stellung und gründete unter dem Namen „Discontogesellschaft“ in Berlin jenes große Bankinstitut, welches sich, späteren Schöpfungen der Art zum Vorbilde dienend, eines außerordentlichen Erfolges erfreute und unter der sicheren Leitung seines seither in den Adelsstand erhobenen Sohnes, in erweiterten Verhältnissen fortbesteht. In den fünfziger Jahren beabsichtigte H. eine ähnliche Bank in St. Petersburg zu gründen, unterhandelte dieserhalb in Paris mit bedeutenden Finanzmännern, ohne indessen das Unternehmen zu Stande zu bringen. Um die Interessen Preußens und Deutschlands machte er sich noch durch eine That verdient, die bisher nur in engeren Kreisen bekannt ist. Oesterreich hatte, kaum wiedererstarkt, Preußens Macht auch im Auslande zu untergraben gesucht und Fürst Schwarzenberg beeinflußte die französische und englische Presse, besonders in der schleswig-holsteinischen Angelegenheit, indem er nicht allein den von ihm abhängenden Legationen besondere Verhaltungsmaßregeln in diesem Sinne ertheilte, sondern auch durch außerordentliche Agenten, namentlich durch Herrn von Lackenbacher, Flugschriften und Zeitungsartikel gegen Preußen verbreiten ließ. Von Paris her angeregt, nahm H., schon während Freiherr v. Schleinitz das auswärtige Ministerium leitete, Veranlassung, die Ernennung eines der preußischen Gesandtschaft in Paris beizugebenden Fachmannes für die auswärtigen Preßangelegenheiten zu veranlassen, und wurde so der Urheber jenes denkwürdigen Commissoriums, durch welches die deutschen Interessen während zwanzig Jahren in der französischen Presse die nachhaltigste Vertheidigung fanden. Das willfährige Verhalten Napoleon's III. gerade in den kritischen Momenten, von der schleswig-holsteinischen Angelegenheit bis zum Frieden von Nicolsburg, wäre geradezu unmöglich gewesen, wenn die Staatsmänner und die öffentliche Meinung in Frankreich überhaupt, nicht durch zahlreiche Veröffentlichungen im Sinne der vollen Berechtigung Deutschlands, sich nach seinen naturgemäßen Verhältnissen zu gestalten, beeinflußt gewesen wären. Es war dies um so nothwendiger, als die französische Nation von den territorialen Plänen des Kaisers zu Gunsten Frankreichs schlechterdings nichts wußte. Hansemann's Gesundheit hatte in Folge angestrengter Arbeit schon seit Jahren gelitten. Er starb am 4. August 1864 in Schlangenbad. Durch eigene Kraft aus beschränkten Verhältnissen emporgestiegen, war er der Typus des vornehmen deutschen Bürgers, von schlichtem Wesen, voll scharfsinniger Beredsamkeit und aufopferungsfähig für das Wohl des Vaterlandes. Mit dem alten deutschen Patricierwesen hatte er auch Gastfreundschaft und Kunstsinnn gemein. Schon in Aachen war sein Haus ein Vereinigungspunkt von Künstlern und Gelehrten. Für Schindler, den Freund Beethoven's, der seine Tochter Bertha zur vollendeten Künstlerin ausbildete, hatte er bei Friedrich Wilhelm IV., gegen die Abtretung seiner jetzt in der Berliner Bibliothek befindlichen Manuscripte und Reliquien Beethoven's, eine lebenslängliche Pension erwirkt. Außer den bereits angeführten Schriften hat man von ihm noch: „Die Eisenbahn und ihre Actionäre“, 1836; „Die Mahl- und Schlachtsteuer in Aachen und Burtscheid": 1846 und „Die politischen Tagesfragen mit Rücksicht auf den rheinischen Landtag“, 1846.

  • Author

    Felix Bamberg.
  • Citation

    Bamberg, Felix, "Hansemann, David" in: Allgemeine Deutsche Biographie 10 (1879), S. 529-535 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11854568X.html#adbcontent

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