Lebensdaten
1937 – 1997
Geburtsort
Łódź (Polen)
Sterbeort
Sieseby (Schleswig-Holstein)
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Drehbuchautor ; Dissident ; Librettist
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118829742 | OGND | VIAF: 29530003
Namensvarianten
  • Be[k]ker, Jerzy
  • seit 1945 amtlich: Becker, Georg
  • Pseudonyme: Lola Ramon; Georg Nikolaus
  • mehr

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Zitierweise

Becker, Jurek, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118829742.html [19.04.2024].

CC0

  • Als literarisches Hauptwerk Jurek Beckers gilt der 1969 veröffentlichte Roman „Jakob der Lügner“, der, in viele Sprachen übersetzt und zweimal verfilmt, internationale Beachtung fand. Bereits in der DDR als Drehbuchautor erfolgreich, setzte Becker diese Tätigkeit nach seiner Übersiedlung aus politischen Gründen in die Bundesrepublik 1977 fort. Hier verfasste er Drehbücher für Spiel- und Fernsehfilme, u. a. für die populäre Fernsehserie „Liebling Kreuzberg“ (1986–1998).

    Lebensdaten

    Geboren am 30. September 1937 (amtlich); nach anderen Angaben: 10. September 1937, wahrscheinliches Geburtsjahr 1938 oder 1939 in Łódź (Polen)
    Gestorben am 14. März 1997 in Sieseby (Schleswig-Holstein)
    Grabstätte Friedhof der evangelischen Kirche in Sieseby
    Konfession jüdisch
    Jurek Becker, Imago Images (InC)
    Jurek Becker, Imago Images (InC)
  • Lebenslauf

    30. September 1937 (amtlich); nach anderen Angaben: 10. September 1937, wahrscheinliches Geburtsjahr 1938 oder 1939 - Łódź (Polen)

    1940 - 1944 - Łódź (Polen)

    Zwangseinquartierung

    Ghetto Litzmannstadt

    1944 - 1945 - Ravensbrück (Brandenburg)

    Deportation

    Konzentrationslager

    1945 - 1946 - Oranienburg (Brandenburg)

    Befreiung; Evakuierung in das Lazarett

    Lager Sachsenhausen

    1946 - 1946 - Berlin (Ost)-Niederschönhausen

    kurzer Aufenthalt

    Kinderheim der jüdischen Gemeinde

    1946 - Berlin-Ost

    Rückkehr zum Vater

    1948 - 1955 - Berlin (Ost)-Prenzlauer Berg

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Grundschule; Käthe-Kollwitz-Oberschule

    1955 - 1957 - Ludwigsfelde (Brandenburg); Berlin-Ost

    freiwillige Dienstjahre

    Kasernierte Volkspolizei

    1955 - Berlin-Ost

    Mitglied

    Freie Deutsche Jugend (FDJ)

    1956 - 1959 - Berlin (Ost)-Prenzlauer Berg, Cantianstraße 22

    Wohngemeinschaft mit Manfred Krug (1937–2016)

    1957 - 1976 - Berlin-Ost

    Mitglied (1976 ausgeschlossen)

    SED

    1957 - 1960 - Berlin-Ost

    Studium der Philosophie und Rechtswissenschaften (ohne Abschluss)

    Humboldt-Universität

    1960 - 1960 - Potsdam-Babelsberg

    Halbjahreskurs für angehende Film- und Fernsehautoren

    Deutsche Hochschule für Filmkunst

    1961 - 1977 - Berlin-Ost

    Drehbuchautor (seit 1962 festangestellt)

    Deutsche Film-AG (DEFA)

    1964 - 1965 - Potsdam-Babelsberg

    Ausbildung zum Szenaristen

    Deutsche Hochschule für Filmkunst

    Ende 1977 - Berlin-West

    Übersiedlung mit DDR-Ausreisevisum (1979 verlängert)

    1978 - 1978 - Oberlin (Ohio, USA)

    Writer in Residence

    Oberlin College

    1978 - 1979 - Essen

    Gastdozent

    Gesamthochschule

    1980 - 1997 - Berlin (West)-Kreuzberg, Hagelberger Str. 10 c; (seit 1994) Berlin-Steglitz

    Übersiedlung

    1987 - 1987 - Austin (Texas, USA)

    Gastprofessor

    University of Texas

    1989 - 1989 - Frankfurt am Main

    Poetikdozent

    Universität

    1990 - 1997 - Sieseby (Schleswig-Holstein)

    zweiter Wohnsitz

    14. März 1997 - Sieseby (Schleswig-Holstein)
  • Genealogie

    Vater Mieczysław Bekker (seit 1945 Max Becker) 1900–1972 (seit 1945 amtliches Geburtsjahr 1906) aus Łódź (Polen) (seit 1945 amtlicher Geburtsort Fürth); Prokurist in der Textilfabrik seines Onkels in Łódź; nach der Deportation in das Ghetto Litzmannstadt im Textilbereich tätig; 1944 in das KZ Auschwitz, 1945 in das KZ Sachsenhausen deportiert; seit 1945 in Berlin-Ost
    Mutter Anette Bekker, geb. Lewin 1902–1945 Näherin in Łódź; nach der Deportation in das Ghetto Litzmannstadt in einem Büro des Judenrats tätig; 1944 in das KZ Ravensbrück deportiert und dort an Unterernährung gestorben
    Lebenspartnerin des Vaters (seit Anfang der 1950er Jahre) Dora Großpietsch
    Geschwister keine
    1. Heirat 1961 in Berlin-Ost
    Ehefrau Erika (Rieke) Becker, geb. Hüttig geb. 1939 Dekorateurin in Berlin-Ost
    Sohn Nikolaus (Nicki, Nick) Becker geb. 1961 Industriefotograf
    weitere Kinder ein weiterer Sohn seit 1982 Ausbildung zum Tischler
    Scheidung 1977
    Lebenspartnerin (1978–1983) Hannah Zinn geb. 1959 Medizinstudentin aus Hayward (Kalifornien, USA)
    2. Heirat 1986 in Berlin-West
    Ehefrau Christine Becker , geb. Harsch-Niemeyer geb. 1960 Lebenspartnerin seit 1983; Verlagsbuchhändlerin in Tübingen; dann Studium der Germanistik
    Schwiegervater Robert Harsch-Niemeyer 1932–2011 Verleger in Tübingen
    Sohn Jonathan Samuel (Johnny) Becker geb. 1990
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Becker, Jurek (1937 – 1997)

    • Vater

      Mieczysław Bekker Max Becker

      1900–1972 (seit 1945 amtliches Geburtsjahr 1906)

      aus Łódź (Polen) (seit 1945 amtlicher Geburtsort Fürth); Prokurist in der Textilfabrik seines Onkels in Łódź; nach der Deportation in das Ghetto Litzmannstadt im Textilbereich tätig; 1944 in das KZ Auschwitz, 1945 in das KZ Sachsenhausen deportiert; seit 1945 in Berlin-Ost

    • Mutter

      Anette Bekker

      1902–1945

      Näherin in Łódź; nach der Deportation in das Ghetto Litzmannstadt in einem Büro des Judenrats tätig; 1944 in das KZ Ravensbrück deportiert und dort an Unterernährung gestorben

    • Lebenspartnerin des Vaters (seit Anfang der 1950er Jahre)

      Dora Großpietsch

    • 1.·Heirat

      in

      Berlin-Ost

      • Ehefrau

        Erika (Rieke) Becker

        geb. 1939

        Dekorateurin in Berlin-Ost

    • 2.·Heirat

      in

      Berlin-West

      • Ehefrau

        Erika (Rieke) Becker

        geb. 1939

        Dekorateurin in Berlin-Ost

  • Biografie

    alternativer text
    Jurek Becker (links), BArch / Bildarchiv (InC)

    Kindheit, Jugend und die frühen Jahre in der DDR (1937–1960)

    Becker wurde im März 1940 nach der deutschen Besetzung Polens mit seinen Eltern in das Ghetto Litzmannstadt deportiert und musste dort durch Arbeit zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Der Vater gab im Ghetto Beckers Alter vermutlich ein bis zwei Jahre höher an, um ihn vor der Deportation in ein Konzentrationslager zu schützen; an das wirkliche Geburtsdatum seines Sohns erinnerte er sich später nicht mehr. 1944 wurde Becker mit seiner Mutter in das Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt; nach der Befreiung und dem Tod der Mutter wurde er im Lazarett des Lagers Sachsenhausen in Oranienburg (Brandenburg) untergebracht.

    Seit 1946 wuchs Becker bei seinem Vater in Berlin-Ost auf. Hier erlernte er die deutsche Sprache und besuchte seit 1948 die Grundschule, später die Oberschule „Käthe Kollwitz“ in Berlin (Ost)-Prenzlauer Berg, an der er 1955 das Abitur ablegte. Obwohl er für das Germanistikstudium an der HU Berlin mit dem Berufsziel „Schriftsteller“ zugelassen worden war, entschied sich Becker, von 1955 bis 1957 freiwilligen Dienst bei der Kasernierten Volkspolizei abzuleisten, dem Vorläufer der Nationalen Volksarmee der DDR.

    Becker trat 1955 der Freien Deutschen Jugend (FDJ), 1957 der SED bei. In dieser Zeit begegnete er dem Schauspieler und späteren Sänger Manfred Krug (1937–2016), mit dem er drei Jahre in einer Wohngemeinschaft in Berlin (Ost)-Prenzlauer Berg lebte und mit dem ihn bis zum Tod eine enge, auch künstlerische Freundschaft verband. Über Krug lernte Becker den Liedermacher Wolf Biermann (geb. 1936) kennen. Sein 1957 aufgenommenes Studium der Philosophie und Rechtswissenschaften an der HU Berlin brach Becker 1960 ab, um einer Relegation zuvorzukommen, die ihm sowohl wegen körperlicher Auseinandersetzungen während seiner Zeit als Erntehelfer als auch aus politischen Gründen drohte. Seit dieser Zeit stand er unter Beobachtung durch das Ministerium für Staatssicherheit, das 1976 unter dem Decknamen „Lügner“ eine Akte über ihn anlegte und seine Überwachung intensivierte.

    Tätigkeit als DEFA-Drehbuchautor und politische Schwierigkeiten in der DDR (1960–1977)

    Während des Studiums schrieb Becker Texte für das Ost-Berliner Kabarett „Die Distel“ (bis 1965) und Kolumnen für die Studentenzeitschrift „Tua res“. 1960 belegte er einen Halbjahreskurs für angehende Drehbuchautoren an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg und wurde hier 1964/65 zum Szenaristen ausgebildet. 1961 entstand sein erstes Drehbuch für den satirischen Kurzfilm „Mit der NATO durch die Wand“, 1964 als Gemeinschaftsarbeit mit Kurt Belicke (1929–1993) das erste für einen DEFA-Spielfilm, die Sittenkomödie „Ohne Paß in fremden Betten“ (1965, Regie: Vladimir Brebera, 1928–1972). Bis 1977 verfasste Becker – teils unter dem Pseudonym Georg Nikolaus – 13 Drehbücher für die DEFA und das DDR-Fernsehen, überwiegend Komödien, aber auch Kinofilme nach Motiven von Heinrich von Kleists (1777–1811) Lustspiel „Der zerbrochne Krug“ („Jungfer, Sie gefällt mir“, 1968, Mitautor und Regie: Günter Reisch, 1927–2014) und mit politischer Thematik („Meine Stunde Null“, 1970, Mitautor und Regie: Joachim Hasler, 1929–1995).

    Nach dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei 1968 sprach sich Becker auf einer Vorstandssitzung des DDR-Schriftstellerverbands, dem er seit diesem Jahr angehörte, offen gegen eine Solidaritätserklärung aus, mit der der Einmarsch gutgeheißen wurde. 1976 setzte er sich für Reiner Kunze (geb. 1933) ein, als dieser aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen wurde. Nachdem er im selben Jahr mit elf weiteren Schriftstellern die offene Resolution an die Führung der DDR gegen die Ausbürgerung Biermanns erstunterzeichnet hatte, wurde Becker aus der SED ausgeschlossen und verlor seinen Sitz im Vorstand des Schriftstellerverbands, aus dem er 1977 austrat.

    Nach Schwierigkeiten bei der Veröffentlichung seines Romans „Schlaflose Tage“, der dann 1978 in der Bundesrepublik erstveröffentlicht wurde, und der DEFA-Komödie „Das Versteck“ (Regie: Frank Beyer, 1932–2006), für die er das Drehbuch geschrieben hatte, übersiedelte Becker Ende 1977 mit einem Ausreisevisum, das für zwei Jahre ausgestellt wurde, in den Westen. 1979 wurde dieses Visum, das zu mehrmaliger Ausreise berechtigte und insofern einen Präzedenzfall für die DDR darstellte, mit ausdrücklichem Einverständnis des Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker (1912–1994), um zehn Jahre verlängert. Bis auf wenige Ausnahmen erschienen Beckers Bücher weiterhin auch in der DDR.

    Jurek Becker als Romanautor (1969–1992)

    Beckers im Westen wie im Osten Deutschlands bei der Kritik erfolgreicher Debütroman „Jakob der Lügner“ (1969) erzählt die Geschichte eines Ghettoinsassen namens Jakob, der vorgibt, verbotenerweise im Besitz eines Radiogeräts zu sein. Mit der Verbreitung fingierter Rundfunkmeldungen spendet er seinen Mitmenschen Trost, die Hoffnung auf baldige Befreiung schöpfen, aber am Ende wie Jakob in ein Konzentrationslager transportiert werden. Jakobs „Lügen“ haben sie nicht retten können, aber das Ghettoleben erträglicher gemacht. Anders als etwa bei Stephan Hermlin (1915–1997) in „Zeit der Gemeinsamkeit“ (1950) und Bruno Apitz (1900–1979) in „Nackt unter Wölfen“ (1958), die auch den Widerstand im Ghetto bzw. Konzentrationslager thematisierten, ist Beckers Hauptfigur als Schelm angelegt, der Widerstand leistet, indem er Nachrichten erfindet. Charakteristisch für den Roman ist ein nüchterner, unpathetischer, ironisch-distanzierter Erzählstil.

    „Jakob der Lügner“ entstand zunächst als Drehbuch für einen Spielfilm (Exposé 1963), der 1966 unter Beyers Regie von der DEFA produziert werden sollte, aber erst 1974 – nach dem Erfolg des Romans und einer neuen Drehbuchfassung – realisiert wurde. Der Film wurde als einziger Spielfilm der DDR-Filmgeschichte im selben Jahr in den USA für den Academy Award „Oscar“ nominiert und bei den West-Berliner Filmfestspielen 1975 mit dem „Silbernen Bären“ in der Kategorie „Bester Darsteller“ ausgezeichnet. 1999 wurde „Jakob der Lügner“ erneut für das Kino verfilmt sowie 1973 und 2002 als Hörspiel bearbeitet.

    „Jakob der Lügner“ bildet mit den Romanen „Der Boxer“ (1976) und „Bronsteins Kinder“ (1986) eine von der Kritik so genannte Holocaust-Trilogie, in der Becker ohne religiöse Fragestellungen das Schicksal von Juden während der NS-Herrschaft und die jüdische Identitätssuche in der DDR-Gesellschaft thematisierte. „Der Boxer“, die Geschichte eines Holocaust-Überlebenden, der sich in der Nachkriegswelt nicht mehr zurechtfindet und zunehmend isoliert, wurde von der zeitgenössischen Kritik überwiegend negativ aufgenommen, die Becker „pädagogischen Drang“ und „gelegentliche Sprachunsicherheit“ vorwarf. In „Bronsteins Kinder“ entdeckt ein Sohn Anfang der 1970er Jahre in Berlin-Ost, dass der Vater mit Freunden einen ehemaligen KZ-Aufseher gefangen hält, um sich an ihm zu rächen. Der auf zwei Zeitebenen spielende und aus verschiedenen Perspektiven erzählte Roman thematisiert die Frage, wie sich die Nachgeborenen mit den Geschehnissen und Folgen des Holocaust auseinandersetzen.

    Auch Beckers weitere Romane spielen in der DDR. Die Folgen politischer Anpassung eines Schriftstellers sind Thema in „Irreführung der Behörden“ (1973). Die Spielräume zivilen Widerstands werden am Beispiel eines aufmüpfigen Lehrers in „Schlaflose Tage“ (1978) sondiert. Sein letzter, zugleich einziger nach der deutschen Wiedervereinigung erschienener Roman „Amanda herzlos“ (1992) kreist um drei Liebesbeziehungen der weiblichen Hauptfigur von den 1970er Jahren bis Ende der 1980er Jahre, die aus der Sichtweise der Männer erzählt werden. Während „Bronsteins Kinder“ von der Kritik eine positive Rezeption erfuhr, fanden „Irreführung der Behörden“ und „Schlaflose Tage“ ein geteiltes Echo. Der beim Publikum erfolgreiche Roman „Amanda herzlos“ wurde sogar überwiegend ablehnend besprochen.

    Tätigkeit als Drehbuchautor in der Bundesrepublik (1986–1997)

    Nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik war Becker weiterhin als Autor für Film und Fernsehen tätig. Zwischen 1986 und 1997 schrieb er Drehbücher für 45 Episoden der erfolgreichen und mehrfach ausgezeichneten Fernsehserie „Liebling Kreuzberg“, in der Krug die Hauptrolle als Anwalt spielte. Becker verfasste auch die Drehbücher für den Spielfilm „Neuner“ (1990), für den auf seiner Erzählung „Die Mauer“ basierenden Fernsehfilm „Wenn alle Deutschen schlafen“ (1994, Regie: Beyer) und für die Fernsehserie „Wir sind auch nur ein Volk“ (1994/95). Als Mitautor war er an den Drehbüchern für den Spielfilm „Der Passagier – Welcome to Germany“ (1988) von Thomas Brasch (1945–2001) und die Fernsehverfilmung seines Romans „Bronsteins Kinder“ (1991, Regie: Jerzy Kawalerowicz, 1922–2007) beteiligt.

  • Auszeichnungen

    1968–1977 Mitglied des Schriftstellerverbands der DDR (Vorstandsmitglied 1973–1976; Austritt 1977)
    1971 Heinrich-Mann-Preis der Deutschen Akademie der Künste der DDR für „Jakob der Lügner“
    1971 Charles-Veillon-Preis der Fondation Charles Veillon, Lausanne (Kanton Waadt) für „Jakob der Lügner“
    1972 Mitglied des PEN-Zentrums der DDR
    1974 Literaturpreis der Freien Hansestadt Bremen für „Irreführung der Behörden“
    1975 Nationalpreis II. Klasse der DDR
    1982 Stadtschreiber von Bergen-Enkheim
    1983 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt
    1987 Adolf-Grimme-Preis in Gold (mit Heinz Schirk und Manfred Krug)
    1988 Adolf-Grimme-Preis in Silber (mit Heinz Schirk und Manfred Krug)
    1988 Telestar-Fernsehpreis von ARD/ZDF
    1988 „Goldener Gong“-Medienpreis der Fernsehzeitschrift „Gong“
    1989 Pressepreis Fernsehen des Deutschen Anwaltvereins
    1990 Hans-Fallada-Preis für sein Lebenswerk
    1990 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin
    1990 Bayerischer Fernsehpreis (mit Werner Masten und Manfred Krug)
    1991 Bundesfilmpreis, Filmband in Gold (Bestes Drehbuch für „Neuner“, Regie: Werner Masten, 1990)
    1992 Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
    2022 Gedenktafel Berlin-Kreuzberg, Hagelberger Str. 10 c (Wohnsitz 1980–1994) (Onlineressource)
  • Quellen

    Nachlass:

    Jurek-Becker-Archiv, Akademie der Künste, Berlin. (seit 2000) (weiterführende Informationen)

  • Werke

    Prosa und Essays:

    Jakob der Lügner, DDR 1969, 21973, Bundesrepublik 1970, 31972, u. ö., Taschenbuchausg. 1971 u. ö., Blindendruck 1981, Kinderbuchfassung v. Georg Wieghaus (Text)/Lukas Ruegenberg (Illustrationen), 2002; schwed. 1972, tschech. 1973, ungar. 1973, 1981, rumän. 1974, niederl. 1975, franz. 1975, 1981, 1988, engl. 1976, 1990, 1996, serbokroat. 1976, ital. 1976, 1996, 2019, span. 1979, 2000, hebr. 1979, estn. 1981, poln. 1983, portug. 1987, 2000, 2011, 2022, japan. 1995, türk. 1997, slowen. 1998, finn. u. griech. 1999, chines. 1999, 2014, katalan. 2000, russ. 2001, 2008, norweg. 2004, makedon. 2016, georg. 2017; – Verfilmungen: Jakob der Lügner, DDR 1974/75, Regie: Frank Beyer, Drehbuch: Jurek Becker; Jakob the Liar, USA/Frankreich/Ungarn 1999, Regie: Peter Kassovitz, Drehbuch: ders./Didier Decoin; – Hörspiel: Jakob der Lügner, Rundfunk der DDR 1973, Regie: Werner Grunow; Jakob der Lügner, Westdeutscher Rundfunk 2002, Regie: Claudia Johanna Leist.

    Irreführung der Behörden, DDR und Bundesrepublik 1973, mehrere Neuaufl., Taschenbuchausg. 1975, 1999, franz. 1974, bulgar. u. poln. 1976, niederl. 1979.

    Der Boxer, DDR und Bundesrepublik 1976 mehrere Neuaufl., Taschenbuchausg. 1979, ungar. 1979, hebr. 1986, russ. 2000, engl. 2002; – Fersehfilm: Der Boxer, Bundesrepublik 1980, Drehbuch und Regie: Karl Fruchtmann.

    Schlaflose Tage, Bundesrepublik 1978, Taschenbuchausg. 1980, niederl. 1978, engl. 1979, 1986, 1989, norweg. 1979, schwed. 1980, hebr. 1983; – Fernsehfilme: Schlaflose Tage, Bundesrepublik 1982, Drehbuch und Regie: Diethard Klante; Schlaflose Tage, Deutschland 1991, Regie: Gabriele Denecke.

    Nach der ersten Zukunft, 1980, Taschenbuchausg. 1983 u. ö.

    Aller Welt Freund, 1982, 41982, 1983,DDR 21986, 2002, Taschenbuchausg. 1985 u. ö., hebr. 1986, franz. 1993.

    Bronsteins Kinder, 1986, ³1986 u. ö., 1987,DDR 21989, Taschenbuchausg. 1988 u. ö., niederl. u. dän. 1987, norweg. 1988, engl. 1988, 1999, franz u. hebr. 1989, russ. 2010, ital. 2003, 2019; – Spielfilm: Bronsteins Kinder, Deutschland 1991, Regie: Jerzy Kawalerowicz, Drehbuch: ders./Jurek Becker.

    Erzählungen, 1986, DDR ²1988.

    Warnung vor dem Schriftsteller, Drei Vorlesungen in Frankfurt, 1990, ²1991, franz. 1993, türk. 2000, 2020.

    Amanda herzlos, 1992, 41992, Taschenbuchausg. 1998 u. ö., schwed. 1993, franz. u. dän. 1994, span. 1995, 1996, poln. 1996, russ. 2004.

    Die beliebteste Familiengeschichte und andere Erzählungen, 1992, Taschenbuchausg. 1995.

    Five Stories, hg. v. David Rock, 1993. (engl.)

    Ende des Größenwahns, Aufsätze, Vorträge, 1996.

    Jurek Becker, hg. v. Colin Riordan, 1998. (Aufsätze in engl. Übers., L)

    Mein Vater, die Deutschen und ich, Aufsätze, Vorträge, Interviews, hg. v. Christine Becker, 2007, engl. 2010, 22021. (P)

    The Wall and Other Stories, hg. v. Christine Becker, 2014. (engl.)

    Die Mauer, 2020. (Erzählungen in georg. Übers.)

    Briefe:

    Jurek Beckers Neuigkeiten an Manfred Krug & Otti, Postkarten an das Ehepaar Krug, hg. v. Manfred Krug, 1997, ²1997, Taschenbuchausg. 1999.

    Briefe, Ausgew. u. hg. v. Christine Becker/Joanna Obruśnik, 2004, Neuausg. u. d. T. Ihr Unvergleichlichen, 2007. (Briefsammlung 1969–1996)

    Lieber Johnny, Jurek Beckers Postkarten an seinen Sohn Jonathan, 2004, Neuausg. 2006; – Vertonung: Miroslav Srnka, Dreizehn Lieder für mittlere Stimme und Klavier nach Postkarte von Jurek Becker an seinen Sohn Jonathan, 2007. (P)

    „Am Strand von Bochum ist allerhand los“, Postkarten, hg. v. Christine Becker, 2018. (Postkarten)

    Drehbücher:

    Das Stacheltier – Mit der NATO durch die Wand, Kurzfilm, DDR 1961, Regie: Peter Ulbrich.

    Jurek Becker/Hans Bergmann, Wenn ein Marquis schon Pläne macht, DDR 1962, Regie: Peter Hagen. (Fernsehfilm)

    Jurek Becker/Kurt Belicke, Ohne Paß in fremden Betten, DDR 1965, Regie: Vladimir Brebera.

    Jungfer, Sie gefällt mir, DDR 1968, Mitautor und Regie: Günter Reisch. (nach Heinrich von Kleists „Der zerbrochne Krug")

    Meine Stunde Null, DDR 1970, Mitautor und Regie: Joachim Hasler.

    Das Versteck, 1976, Regie: Frank Beyer.

    Liebling Kreuzberg, Staffeln 1 bis 3 und 5 (45 Episoden), Bundesrepublik 1986, 1988, 1990, 1997/98. (Fernsehserie)

    Der Passagier – Welcome to Germany, Bundesrepublik 1988, Mitautor und Regie: Thomas Brasch.

    Neuner, 1990, Regie: Werner Masten. (Film-Fernseh-Koproduktion)

    Bronsteins Kinder, 1991, Mitautor und Regie: Jerzy Kawalerowics.

    Wenn alle Deutschen schlafen, 1994, Regie: Frank Beyer. (Fernsehfilm, nach Beckers Erzählung „Die Mauer“)

    Wir sind auch nur ein Volk, 9 Folgen, 1994/95. (Fernsehserie). – Dramatisierungen: bearbeitet v. Tom Kühnel (Staatsschauspiel Dresden UA 2018; bearbeitet von Maik Priebe/Natalie Driemeyer (Hans-Otto-Theater Potsdam, UA 2020)

    Tonträger:

    Jurek Becker liest aus „Jakob der Lügner“, 1975, 1980 (Schallplatte), 1997 (Tonkassette), 2001, 2007 (CD).

    Jurek Beckers Neuigkeiten an Manfred Krug & Otti (gelesen von Manfred Krug, 2 CDs), 2005. (P)

    „Vernarrtsein in Worte, Verliebtsein in Sprache…“, Prosa, Reden und Interviews (1978–97, 4 CDs), 2009, 2012. (P)

    Heinz Ludwig Arnold, Meine Gespräche mit Schriftstellern (3 MP3-CDs), 2011.

    Amanda herzlos, 2015. (Lesung mit Becker, CD)

  • Literatur

    Monografien:

    Brigitte Krüger, Zum Zusammenhang von künstlerisch-ästhetischer Wertung und ethisch-moralischen Wirkungspotenzen im literarischen Kunstwerk als Rezeptionsvorgabe, untersucht an Jurek Becker, „Jakob der Lügner“, Diss. PH Potsdam 1977.

    Susan M. Johnson, The Works of Jurek Becker, A Thematical Analysis, 1988.

    Jurek Becker, hg. v. Irene Heidelberger-Leonard, 1992, ²1997. (P)

    Jurek Becker, hg. v. Heinz Ludwig Arnold, 1992.

    Hannah Liron Frei, Das Selbstbild des Juden, entwickelt am Beispiel von Stefan Heym und Jurek Becker, 1992.

    Claudia Brecheisen, Literatur des Holocaust, Identität und Judentum bei Jakov Lind, Edgar Hilsenrath und Jurek Becker, 1993.

    Thomas Jung, „Widerstandskämpfer oder Schriftsteller sein…“. Jurek Becker – Schreiben zwischen Sozialismus und Judentum, Eine Interpretation der Holocaust-Texte und deren Verfilmungen im Kontext, 1998.

    Karin Kiwus (Hg.), „Wenn ich auf mein bisheriges zurückblicke, dann muß ich leider sagen.“ Jurek Becker 1937–1997. Dokumente zu Leben und Werk aus dem Jurek-Becker-Archiv, 2002.

    Sander L. Gilman, Jurek Becker. Die Biographie, 2002, Taschenbuchausg. 2004, engl. 2003. (P)

    Christina Rühl, Der Mensch ist doch kein Flussbett… Jurek Becker als Roman- und Drehbuchautor, 2005.

    Beate Müller, Stasi – Zensur – Machtdiskurse. Publikationsgeschichten und Materialien zu Jurek Beckers Werk, 2006.

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    Olaf Kutzmutz, Der Grenzgänger. Zu Leben und Werk Jurek Beckers, 2012.

    Aufsätze:

    Thomas Taterka, Lagerliteratur lesen lernen. Zu Jurek Beckers Roman „Jakob der Lügner“, in: Walter Schmitz (Hg.), Erinnerte Shoah, Die Literatur der Überlebenden, 2003, S. 173–185.

    David Rock, Creating Memories in the Search for Identity, The Holocaust Fiction of Jurek Becker, in: C. E. J. Caldicott/Anne Fuchs (Hg.), Cultural Memory. Essays on European Literature and History, 2003, S. 117–128.

    Michael Haase, Warnung vor Gregor Bienek, Jurek Beckers Bildungsroman „Irreführung der Behörden“, in: Werner Jung (Hg.), Wege in und aus der Moderne. Von Jean Paul zu Günter Grass, Herbert Kaiser zum 65. Geburtstag, 2006, S. 237–266.

    Laura Sulzbacher, Jurek Becker. Jakob der Lügner (1969), in: dies., Literarische Zeugnisse, Zur Erinnerung an den Holocaust in der deutschen Nachkriegsliteratur, 2014, S. 217–262.

    Marta Wierzejska, Inszenierungen der Opfer. Erscheinungsweisen der Simulation in Jurek Beckers Roman „Bronsteins Kinder“, in: dies., Simulationsverfahren in der „Väterliteratur“ der 1970er und 80er Jahre. Zur literarischen Verarbeitung der NS-Vergangenheit, 2019, S. 301–340.

    Thomas C. Fox, The Dead Father. Jurek Becker, in: ders., In the Shadow of the Holocaust, Jewish-Communist Writers in East Germany, 2022, S. 150–175.

  • Onlineressourcen

  • Porträts

    Fotografien, 1971–1990, Bildarchiv des Bundesarchivs.

  • Autor/in

    Thomas Diecks (Berlin)

  • Zitierweise

    Diecks, Thomas, „Becker, Jurek“ in: NDB-online, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118829742.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA