Dates of Life
893 – 911
Place of birth
(Alt-)Ötting
Place of death
(Frankfurt?)
Occupation
ostfränkischer König
Religious Denomination
katholisch
Authority Data
GND: 118729462 | OGND | VIAF: 52484571
Alternate Names
  • Ludwig IV.
  • Ludwig IV. das Kind
  • Ludwig
  • more

Relations

Outbound Links from this Person

Genealogical Section (NDB)
Life description (NDB)

The links to other persons were taken from the printed Index of NDB and ADB and additionally extracted by computational analysis and identification. The articles are linked in full-text version where possible. Otherwise the digital image is linked instead.

Places

Map Icons
Marker Geburtsort Place of birth
Marker Wirkungsort Place of activity
Marker Sterbeort Place of death
Marker Begräbnisort Place of interment

Localized places could be overlay each other depending on the zoo m level. In this case the shadow of the symbol is darker and the individual place symbols will fold up by clicking upon. A click on an individual place symbol opens a popup providing a link to search for other references to this place in the database.

Citation

Ludwig das Kind, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118729462.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogy

    Vgl. d. Stammtafel S. 310. - V Kaiser Arnulf ( 899, s. NDB I), S Kg. Karlmanns ( 880, s. NDB XI);
    M Oda (zuletzt erw. 907), wohl aus d. Geschl. d. Konradiner;
    Groß-Ov Kg. Ludwig d. J. ( 882, s. NDB 15), Kaiser Karl III. ( 888, s. NDB XI);
    Halb-B Zwentibold (870/71-900), Kg. in Lothringen; - ledig.

  • Biographical Presentation

    L. war Arnulfs einziger Sohn aus vollgültiger Ehe. Als seine Taufpaten sind EB Hatto I. von Mainz (891–913) und der Bischof Adalbero von Augsburg (887–909) bezeugt, Adalbero auch als Erzieher. Arnulf, der seinen Friedelsohn Zwentibold 895 zum König in|Lothringen eingesetzt hatte, ließ 897, einer freilich späten Nachricht zufolge, wohl im Mai auf der Wormser Reichsversammlung, sich selber und L. „von allen“ einen Treueid leisten. Der Sechsjährige wurde gemäß diesem Willen des Vaters zwei Monate nach dessen Tod am 4.2.900 in Forchheim zum König ausgerufen und gekrönt. Es ist in der ostfränk.-deutschen Geschichte die erste gesicherte, freilich nur summarische Nachricht von einer Krönung. Die Vermutung liegt nahe, daß EB Hatto als Coronator waltete, der damit die Kontinuität des aus Rhein- und Mainfranken, Schwaben, Bayern, Thüringen und Sachsen bestehenden Ostreiches sichern wollte. Jedenfalls war er es, der über diesen Thronwechsel alsbald dem Papst (Johann IX. oder Benedikt IV.) berichtete (GP IV 71 n. 54), anscheinend in der Absicht, dem Sohn Arnulfs auch den Weg zur Kaiserwürde offenzuhalten.

    Fast gleichzeitig brach in Lothringen ein Aufstand gegen Zwentibold aus. L. wurde ins Land gerufen, nahm im März 900 zu Diedenhofen die Huldigung der lothring. Großen entgegen, begab sich im April nach Aachen und erschien im selben Jahr nochmals im Westen, wo der Tod Zwentibolds (13.8.900) den Wirren ein Ende setzte. Somit war, ohne ernstliche Krise, das Ostfränk. Reich wieder in dem Umfang vereinigt, der seit 879 bestandenhatte.

    Daß der König ein Kind war, wurde im einfachen Rechtsdenken der Zeit schlichtweg ignoriert. Eine Regentschaft im rechtlichen Sinne gab es nicht, L. galt als selber regierend, die Reichsversammlungen – Regensburg 901, Forchheim 903, Tribur 906 – galten als von ihm einberufen und geleitet. Person und Hof selbst dieses schwachen Königs stellten immer noch den Angelpunkt der politischen Ordnung dar. Die Urkunden wurden auf seinen Namen ausgestellt und von ihm selber mit dem Vollziehungsstrich versehen. Es sind 78 in der Substanz echte (freilich nicht immer im Text vollständige) Diplome erhalten (dazu 7 spätere Fälschungen und 10 mit hinreichender Sicherheit erschließbare Deperdita). Die Empfänger verteilen sich auf alle Länder von Bayern bis Sachsen und Lothringen, freilich ungleichmäßig, mit besonderen (aber vielleicht nur zufälligen) Schwerpunkten bei Eichstätt und St. Gallen. Die Kanzlei Arnulfs unter der nominellen Aufsicht des Salzburger Erzbischofs als des archicappellanus (Theotmar, 907, dann Pilgrim) blieb weiter tätig, von Anfang 909 an geleitet von dem Bischof Salomon III. von Konstanz (890–919) als cancellarius. Die Diplome für lothring. Empfänger wurden dagegen, wie in Zwentibolds Jahren, weiterhin auf den Namen des EB Ratbod von Trier als des archicancellarius beglaubigt und meist auch in dessen – ebenfalls fortbestehender – Trierer Sonderkanzlei ausgefertigt. Lothringen behielt im übrigen auch politisch eine Sonderstellung. L. nahm nach 900 nur noch dreimal – 902, 906, 908 – jeweils sehr kurzen Aufenthalt in diesem Lande (Metz, Aachen), dessen Große allem Anscheine nach auch ihrerseits nicht an den ostfränkischen Reichsversammlungen teilnahmen. Der Königshof residierte im übrigen nur im Süden, bis 907 besonders in Bayern (Regensburg), dann mit Vorzug in Franken (Frankfurt, Tribur, Ingelheim, Forchheim).

    Von eigener Regierungstätigkeit, an der sich biographische Züge ablesen ließen, kann bei dem jungen, offenbar stets kränkelnden L. keine Rede sein. Den Bischöfen Hatto, Adalbero und Salomon wuchs eine Autorität zu, die einer faktischen Regentschaft oft nahekam, aber neben ihnen und weiteren Bischöfen begegnen am Hofe L.s – nach Ausweis der Urkunden nicht selten in großer Zahl – auch weltliche Große, so daß im ganzen eher von einem Adelsregiment als von einer Regentschaft gesprochen werden muß. Zu dieser Schwäche der Zentralregierung kam eine neue, sprunghaft ansteigende Bedrohung von außen. Die Ungarn suchten seit 899/900 Italien heim, worin wohl auch ein Grund dafür zu sehen ist, daß Kaiserpläne L.s, wenn sie bestanden, vollends unrealisierbar wurden; statt seiner wurde Anfang 901 Ludwig von Niederburgund von Benedikt IV. gekrönt. Die Ungarn beunruhigten seit 900 auch den bayer.-slaw. Südosten. Die Zerschlagung des Großmähr. Reiches (905/06) öffnete ihnen den Weg in die Reichsländer; 906 erschienen ihre berittenen Pfeilschützen erstmals in Sachsen.

    Das Machtvakuum im Innern und die zu rascher militärischer Reaktion zwingende äu-ßere Gefährdung förderten in steter Wechselwirkung den längst (und allenthalben im Frankenreich) im Gang befindlichen Aufstieg landschaftlicher Mittelgewalten, in denen sich die Herzogtümer des deutschen Mittelalters anbahnten. Der Aufstieg der schon von Arnulf geförderten rheinfränk. Konradiner schritt unter L. voran. Sie setzten sich in Hessen durch und standen in Mainfranken den Popponen-Babenbergern gegenüber. In Lothringen wurde der Konradiner Gebhard als Amtsherzog eingesetzt, doch behauptete hier auch der Henne- und Haspengaugraf Reginar|eine starke Stellung. Mit den Babenbergern aber trugen die Konradiner, gestützt auf die Reichsgewalt, von 902 an eine blutige Fehde aus, die 906 zum Tode des älteren Konrad (bei Fritzlar) führte, dann jedoch in Theres am Main mit der Gefangennahme und Hinrichtung des letzten Babenbergers Adalbert endete. Seitdem nahm der jüngere Konrad (L.s Nachfolger als König) in Rhein- und Mainfranken die Vormachtstellung eines dux ein. Am Widerstande innerschwäb. Gegner, aber ohne erkennbare Beteiligung des Königshofes, scheiterte 911 mit dem gewaltsamen Ende des hunfriding. Mgf. Burchard und seines Bruders Adalbert der erste Ansatz zu einer schwäb. Herzogsmacht. In steter Fühlung mit dem Hofe L.s stand dagegen der gleichfalls schon bei Arnulf sehr angesehene bayer. Magnat Liutpold, der mehrere Grenzgrafschaften befehligte und sogar als dux Boemannorum bezeichnet wird. Sein Versuch, der Ungarngefahr offensiv zu begegnen, endete am 5.7.907 bei Preßburg mit einer Katastrophe des bayer. Heerbanns; Liutpold selber und der Erzkaplan Theotmar von Salzburg waren unter den Toten; die karoling. Ostmark an der Donau, für die eben noch (903/06) die Raffelstettener Zollordnung erlassen worden war, brach zusammen. Im gefährdeten Bayern aber festigte und verselbständigte sich eben jetzt die Herzogsgewalt: Mit dem Willen des Stammesadels und sichtlich ohne Beziehung zum Hofe L.s (der seitdem nicht mehr mit Sicherheit in Bayern nachweisbar ist) folgte Liutpolds Sohn Arnulf als faktisch autonomer Herzog. Im Ungarnkampfe fiel am 3.8.908 auch der noch von Arnulf eingesetzte und dem Hofe L.s verbundene thür. Mgf. Burchard. Thüringen kam in den Einflußbereich der Liudolfinger – Ottos und seines Sohnes Heinrich – deren Vorrang in Sachsen längst gefestigt und vom König anerkannt war.

    Die Ungarnwelle erreichte nach diesen Schlägen einen ersten Höhepunkt. Sie ergoß sich 909 nach Schwaben. Trotz eines Abwehrsieges des Hzg. Arnulf an der Rott stießen ihre Raubscharen im nächsten Jahre durch Bayern vor. Wohl im Sommer (12.6.?, 9.8.?) 910 trat ihnen der König an der Spitze eines schwäb.-fränk.-bayer. Heerbanns auf dem Lechfeld bei Augsburg entgegen, aber diese einzige größere eigene Tat L.s führte zu einer neuen schweren Niederlage, bei der mit dem Tode des Konradiners Gebhard das lothring. Amtsherzogtum endete. Offenbar erkannte der Königshof die führende Stellung Reginars jetzt auch formell an: Er konnte am 1.6.911 als comes et missus dominicus urkunden.

    Nach einer glücklosen Regierung erlosch mit L. die ostfränk. Linie der karoling. Dynastie. Die politische Zukunft und damit der Zusammenhalt des Reiches war offen, aber im Jahrzehnt L.s waren wesentliche Vorentscheidungen für die politische Struktur des mittelalterlichen Deutschland gefallen. – Wenige Wochen nach L.s Tod erhoben die ostfränk. Großen den Hzg. Konrad zum König, während sich die Lothringer dem Westreich Karls III. anschlossen.

  • Literature

    ADB 19;
    Regg. Imp. I;
    Chronik d. Abtes Regino v. Prüm (-906) mit Continuatio [Adalbert], hrsg. v. F. Kurze, = MGH SS rer. Germ., 1890, auch (ohne Continuatio) mit Übers. in:
    R. Rau (Hrsg.), Qu. z. karoling. Reichsgesch. III, 1960;
    MGH DD Karol. Germ. IV;
    Capit. II 249-252 (Zollordnung), dazu Löwe Anm. 16 u. Schieffer § 6 Anm. 14 (L);
    MGH Poetae IV 298-306 (Klagelied Salomons v. Konstanz üb. d. Zustand d. Reiches). - Dümmler III, Parisot, Werner, Löwe § 47, Schieffer § 80 a (s. bei Ludwig d. Dt.);
    P. Kehr, Die Kanzlei L.s d. K., 1940;
    Th. Schieffer, Die lothring. Kanzlei um 900, in: DA 14, 1958;
    E. Hlawitschka, Lotharingien u. d. Reich an d. Schwelle d. dt. Gesch., 1968, S. 185-94;
    H. Beumann, Die Einheit d. ostfränk. Reichs u. d. Kaisergedanke bei d. Königserhebung L.s d. K., in: Archiv f. Diplomatik 23, 1977 (L). Die erst seit d. 11. Jh. belegte, aber unwidersprochen gebliebene Nachr. z. Regensburger Grab L.s wird v.
    A. Schmid in: DA 32, 1976, S. 351-58 bezweifelt, kaum zu Recht. - Zu den Anfängen d. Herzogtümer kontrovers:
    H. Stingl, Die Entstehung d. dt. Stammesherzogtümer am Anfang d. 10. Jh., 1974. u.
    H. W. Goetz, „Dux“ u. „ducatus“, 1977; zu beiden
    K. Reindel, in: DA 35, 1979, S. 288-90.

  • Author

    Theodor Schieffer
  • Citation

    Schieffer, Theodor, "Ludwig das Kind" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 329-331 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118729462.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographical Presentation

    Ludwig IV. (das Kind) war, als sein Vater Kaiser Arnolf gegen Ende des Jahres 899 (29. November oder 8. December) starb, etwas über 6 Jahre alt. Schon 897 hatte, wie es scheint, sein Vater auf dem Reichstag in Tribur ihm den Treueid leisten lassen. Als der einzige eheliche Sohn folgte er ihm auf dem Thron. Am 4. Februar 900 erfolgte auf einer Reichsversammlung die Krönung und die Huldigung der Großen; daß hier auch, wie Regino erzählt, eine förmliche Wahl stattgefunden habe, ist nicht wahrscheinlich. Bald fanden sich auch Gesandte der Lothringer ein, denen König Zwentibold, Ludwigs Stiefbruder, „wegen der fortwährenden Plünderungen und Räubereien, die im Reich geschahen, und weil er, mit Weibern und gemeinen Leuten die Regierungsgeschäfte abmachend, alle rechtlicheren und edleren Männer absetzte und ihnen Lehen und Würden nahm, allgemein verhaßt war"; sie führten das königliche Kind in ihr Reich und huldigten ihm im März zu Diedenhofen. Kaum hatte man L. nach kurzem Aufenthalt in Aachen wieder aus dem Lande gebracht, als Zwentibold noch ärger gegen die „Aufrührer“ zu wüthen begann; am 13. August 900 fiel er in einem Gefechte. Wol schon in Forchheim waren Maßregeln über die vormundschaftliche Regierung getroffen worden. Wer mit derselben betraut wurde, ist nicht überliefert. Aus den Urkunden, in denen jetzt förmliche Intervenientenreihen aufzutreten beginnen, lernen wir die Männer kennen, welche|durch ihre „Fürsprache", ihren „Rath“, ihre „Zustimmung“ den größten Einfluß auf die Regierung oder wenigstens die Erledigung einzelner Angelegenheiten ausgeübt haben: es sind dies vor allen die beiden Kirchenfürsten, welche L. aus der Taufe gehoben, der Erzbischof Hatto von Mainz, der durch den Titel „geistlicher Vater“ ausgezeichnet wird, und Bischof Adalbero von Augsburg, der Erzieher des jungen Königs, nach ihnen die beiden Brüder, Salomon, Bischof voll Konstanz und Abt von St. Gallen, und Bischof Waldo von Freising, beide früher Beamte der Kanzlei Karls III., jener seit 909 auch wieder Kanzler, ferner die Bischöfe Erkambold von Eichstätt, Tutto von Regensburg, Zacharias von Seben, Burchard von Passau, der Erzkaplan und Kanzleivorstand Theotmar von Salzburg, also großentheils Bischöfe des bairischen Stammlandes, für lothringische Angelegenheiten endlich der Erzbischof Ratpod von Trier, zugleich Vorstand der von der deutschen getrennten lothringischen Kanzlei. Von den weltlichen Großen sind es namentlich die Häupter der in Franken und Hessen mächtigen Konradiner, Konrad und Gebhard, Verwandte des Königs, nach Konrads Tod dessen gleichnamiger Sohn, der spätere König, Graf Liutbold, ebenfalls ein Verwandter des Königs, der Ahnherr des Grafen von Ebersberg, die Markgrafen Burchard von Thüringen und Burchard von Churwalchen, dann wieder besonders bairische Grafen, wie Gundbold vom Isengau, Iring vom Salzburggau, Isangrim vom Mattiggau, einst Arnolfs Truchseß, Aribo von der Ostmark, Meginward, Sigihard, Pabo u. A. Theilweise handelt es sich allerdings um Angelegenheiten, welche deren Amtssprengel betreffen. Sächsische Intervenienten, Herzog Otto und der Bischof Wicpert von Verden, werden nur in einer Urkunde für Halberstadt genannt. In einer auf dem Reichstag zu Forchheim für St. Gallen erlassenen Urkunde vom 24. Juni 903 wird die Zustimmung der versammelten Großen betont. Die Mehrzahl der Namen derselben findet sich noch in einer Urkunde für Wirzburg vom 9. Juli aus Theres. Der maßgebendste Einfluß blieb der Geistlichkeit vorbehalten: wie sie einen Damm bilden sollte gegen die Unbotmäßigkeit und die Sonderinteressen der weltlichen Großen, so war sie auch auf den Schutz der Krone angewiesen. Aber sie vergaß keineswegs ihren Vortheil; es ist eine verhältnißmäßig ganz stattliche Zahl von Verleihungen, welche, so viel wir noch sehen können, namentlich Salomo und Hatto für ihre Klöster — Hatto erhielt zu Reichenau und Elwangen noch Lorsch und Weißenburg — oder auch für sich auf Kosten des Reichsgutes erwirkten oder vielmehr sich nahmen. Im Sommer 900 zog ein bairisches Heer durch Böhmen nach Mähren und verwüstete drei Wochen lang das Land. Etwa um dieselbe Zeit richteten auch die bairischen Bischöfe ein ausführliches Schreiben an den Papst Johann IX., um gegen die wieder geplante Unabhängigkeit der mährischen Kirche Einsprache zu erheben. Auf dem Reichstag in Regensburg 901 erschienen mährische Gesandte, sie erbaten und erhielten Frieden; Bischof Richar von Passau und Graf Ulrich wurden nach Mähren entsandt, um denselben zu beschwüren. Ein viel gefährlicherer Feind als in dem schon wankenden Reich erstand in den Ungarn. 899 hatten sie plündernd und verheerend Oberitalien durchzogen und auf dem Rückweg Pannonien verwüstet. Bald darauf schickten sie Gesandte nach Baiern, angeblich um einen friedlichen Vergleich abzuschließen, in Wirklichkeit aber, um das Land auszukundschaften, die Vorboten „früher nie gesehenen Unglücks“. Mit einem mächtigen Heer rückten sie 900 über die Ens, weithin sengend und brennend; die anwohnenden Baiern griffen zu den Waffen, doch sie vermochten die rasch zurückeilenden Reiterschaaren nicht einzuholen. Eine Abtheilung des Heeres war verwüstend auf dem linken Donauufer vorgedrungen; Graf Liutbold sammelte Streitkräfte und setzte mit einigen bairischen Großen und dem Bischof von Passau den Feinden nach; mit geringen Verlusten siegte er in einem Treffen,|in dem 1200 Ungarn theils getödtet, theils in die Donau gesprengt worden sein sollen. Die Sieger setzten über den Strom und erbauten zum Schutz dieser Gegenden die Ensburg, welche sich der Bischof von Passau für das seiner Kirche gehörige Kloster St. Florian schenken ließ. Im nächsten Jahr unternahmen die Ungarn einen Beutezug nach Kärnthen, 902 griffen sie das mährische Reich an, 903 schlugen sie sich wieder mit den Baiern, 904 wurde einer ihrer Anführer, Chussal, von den Baiern, die ihn zu einem Gastmahl geladen hatten, mit seinem Gefolge getödtet. Noch waren die Verhältnisse in der Ostmark in ruhigem Geleise: das erweist die um 904 auf Grundlage der Zeugenaussagen über das alte Herkommen aufgezeichnete Zollordnung von Raffelstetten (unweit Ens) für den Handel auf und längs der Donau und mit den Slaven. L. war 901 durch Alamannien nach Franken gekommen „zur Ordnung der Verhältnisse“. Wie schon im Herbst des Vorjahres, so war er auch nach Ausweis der Urkunden im Sommer 902 zu Tribur, während man ihn den größeren Theil des Jahres gewöhnlich in Baiern beließ. Fast gewinnt es den Anschein, daß Hatto, neben dem die Konradiner am häufigsten in den Urkunden für jene Gegenden auftreten, das königliche Kind eine Zeit lang in seiner Nähe zu haben wünschte, um nicht verkürzt zu werden. Vielleicht trug man auch dafür Sorge, daß die Kosten der Hofhaltung sich vertheilten, noch mehr, daß der König auch in den anderen Ländern sich zeigte: so läßt man ihn im October 900 zu Straßburg, im Januar 901 zu Bodman am Bodensee, im Februar 902 wieder zu Straßburg, im September zu Metz, im October zu Aachen Urkunden. Denn immer schlimmer wurde es im Reich, die großen Vasallen begannen ihre Fehden selbst auszufechten. Der Schauplatz der blutigsten derselben wurde Franken. In erbitterter Eifersucht standen sich hier zwei mächtige Familien gegenüber, die Konradiner und Babenberger, die sich nach der Burg Babenberg, dort wo später der Bamberger Dom sich erhob, nannten; jene standen zu der jetzigen Regierung in den nächsten Beziehungen, diese, die Söhne des 886 vor Paris gefallenen Grafen Heinrich, noch mächtig unter Karl III., sahen sich nun von ihren Nebenbuhlern immer mehr zurückgedrängt und in ihren Besitzungen eingeengt. Beide Familien waren zahlreich: Konrad, Graf in Hessen, im fränkischen Gozfeld und Wormsfeld, hatte drei Brüder, Gebhard, Graf im Rheingau und in der Wetterau, Eberhard, Graf des Oberlahngaus, und Rudolf, seit 892 Bischof von Wirzburg; die babenbergischen Brüder Adalbert, Adalhard und Heinrich hatten die Grafschaft Buchoma im Grabfeld, jene im Saalgau. Gozfeld und Volkfeld am oberen Main inne; die Lage dieser Grafschaften im Wirzburger Sprengel mußte zu stetem Zwist mit dem Bischof führen. 902 kam es zu offener Fehde: die Babenberger griffen mit starker Macht die Konradiner Gebhard, Eberhard und Rudolf an, wurden aber geschlagen; Heinrich fiel, Adalhard wurde gefangen und auf Befehl Gebhards enthauptet, aber auch Eberhard erlag den im harten Strauß empfangenen Wunden. Nun schritt die Reichsregierung ein. Gegen Ende Juni 903 trat ein Reichstag zu Forchheim zusammen, am 9. Juli schenkte der Kaiser der Kirche von Wirzburg die Orte Prosselsheim und Frickenhausen aus dem „wegen der großen Verbrechen nach dem Urtheil der Franken, Alamannen, Baiern, Thüringer und Sachsen gesetzlich eingezogenen Besitz“ Adalhards und Heinrichs. Adalbert behauptete sich ungeschwächt im östlichen Franken. Im selben Jahre noch verjagte er den Bischof Rudolf aus Wirzburg, verwüstete gräulich die Besitzungen seiner Kirche und vertrieb Eberhards Witwe und Kinder von ihren Gütern. In den beiden nächsten Jahren verlautet nichts von neuen Kämpfen; man führte den König 904 von Baiern über Ingolstadt, Ulm, Straßburg wieder in die Rheingegend, wo man ihn in Ingelheim, Frankfurt und Tribur Urkunden ließ, und über Bodmann, wo Salomon von Konstanz sich wieder|mit seinen Anliegen einfand, 905 nach Baiern zurück. 906 entbrannte die Fehde heftiger denn zuvor. Konrad hatte seinen Sohn nach Lothringen, wo er mit seinem Bruder, dem in einer Urkunde von 903 als Herzog von Lothringen bezeichneten Gebhard, festen Fuß gefaßt hatte, mit Streitkräften entsandt, um die das schutzlose Land arg beunruhigenden Brüder Gerard, Gemahl von König Zwentibolds Witwe Oda, und Matfrid für die Besitznahme der ihm und Gebhard gehörigen Abteien St. Maximin und Oeren in Trier zu züchtigen; der jüngere Konrad drang, verstärkt durch lothringische Truppen, verwüstend bis in den Bliesgau vor und zwang die beiden Brüder um Frieden zu bitten, der ihnen auf kurze Frist gewährt wurde. Adalbert benützte die günstige Gelegenheit den Kampf wieder aufzunehmen und durch häufige Einfälle die Gegner im Athem zu halten. Zur Abwehr eines neuen Einbruchs gerüstet stand Konrad bei Fritzlar, Gebhard in der Wetterau; Gebhard durch ein Scheinmanöver täuschend, überfiel der Babenberger Konrad und dieser wurde, als er das dritte Treffen, nachdem die beiden ersten geflohen, zum Angriff führte, am 27. Februar 906 im Kampfe getödtet. Adalberts Sieg war ein vollständiger, die Fliehenden wurden niedergehauen, die Gegend durch drei Tage geplündert. Mit reicher Beute kehrte er nach Babenberg zurück. Dieser Friedensbruch an einer dem königlichen Hause so nahe stehenden Familie konnte nicht ungeahndet bleiben. Adalbert wurde auf die im Juli anberaumte Reichsversammlung in Tribut zur Verantwortung vorgeladen. Er erschien nicht. Ein fränkisch-alamannisches Heer wurde aufgeboten, der König an dessen Spitze gestellt und Adalbert in der Burg Theres am Main belagert. Sein Bundesgenosse Graf Egino verließ ihn, hart bedrängt entschloß er sich zu freiwilliger Unterwerfung. Er ließ die Thore der Burg öffnen, kam mit wenigen Begleitern in das Lager und bat den König um Gnade. „Doch da die Hinterlist, auf die er sann, von den Seinen verrathen ward“, wurde er in Fesseln gelegt, dem Heer vorgeführt und nach dessen Urtheilsspruch am 9. September enthauptet. Seine Güter wurden confiscirt und unter die „Vornehmeren“ vertheilt; auch Hatto ließ sich eines derselben, das bis dahin der Verräther Egino zu Lehen gehabt hatte, schenken. Sage und Dichtung haben das Andenken Adalberts verherrlicht und namentlich den Mainzer Erzbischof beschuldigt, daß er ihn durch trügerische Zusage zur Unterwerfung bewogen und dann seinem Schicksal überlassen habe; doch auch eine gleichzeitige Quelle spricht davon, daß Adalbert „durch erlogene Treue getäuscht“ worden sei. Von Franken führte Hatto den König nach Lothringen; auf einem Reichstag in Metz (October 906) wurden Gerard und Matfrid „wegen Infidelität“ geächtet, ihr Besitz eingezogen; mit Gütern aus demselben wurden das Kloster des heiligen Cyriak bei Worms und die Kirche von Lüttich bedacht. Ueber Straßburg, wo er einen Streit zwischen Bischof und Volk schlichtete, zog L. durch Alamannien heimwärts.

    Mit dieser Nachricht verstummt die Chronik des Regino, nur noch dürftige Notizen stehen uns für die folgenden Jahre zu Gebote. Das sich mehrende Elend des Reichs erdrückt auch die Geschichtsschreibung. Ergreifende Klage erhebt selbst einer, welcher der Regierung am nächsten stand, Salomon von Konstanz, über die allgemeine Zwietracht und den allgemeinen Hader, die Mißachtung des Rechtes und Gesetzes, die unablässigen Fehden, denen keine kräftige Hand steuere, die Bedrängniß durch die Ungarn, und erinnert an das Wort, das Wehe über das Land ausruft, dessen König ein Kind ist. Und ein gleichzeitiger Annalist spricht von „Ludwig, unter dem alle Güter friedlos wurden“.

    Unterdeß hatten die Ungarn das mährische Reich zertrümmert und schon 906 streiften ihre Horden zum ersten Mal nach Sachsen. 907 brachen sie wieder gegen Baiern auf; ein bairisches Heer, das der König, der am 17. Juni in|St. Florian bei Ens urkundete, begleitet zu haben scheint, stellte sich ihnen in der Ostmark entgegen, es wurde am 5. oder 6. Juli fast ganz aufgerieben, die Führer Graf Liutbold, der Erzbischof und Erzkaplan Theotmar von Salzburg, die Bischöfe Udo von Freising und Zacharias von Seben fielen, die Ostmark war verloren. Nichts geschah von Seite des Reichs für das gefährdete Baiern, das nun auf Selbsthilfe angewiesen war, wo bald Liutbolds Sohn Arnolf als fast selbständiger „Herzog“ sich an die Spitze stellte. So begnügte sich auch L. dem Bischof von Eichstätt 908 nebst Markt und Münze das Recht, Befestigungen gegen die Einfälle der Heiden anzulegen, zu verleihen. 908 zogen die Ungarn wieder beutegierig gegen Sachsen und vernichteten am 3. August ein fränkischthüringisches Heer; Bischof Rudolf von Wirzburg, Markgraf Burchard, Graf Egino und viele andere wurden im Kampfe getödtet. 909 drangen sie schon bis Alamannien vor; auf dem Rückweg nahmen sie Freising, erlitten aber in der Nähe durch Herzog Arnolf eine Schlappe. Während dieser unheilvollen Zeit kennen wir den Aufenthalt des Königs nur aus den uns erhaltenen Diplomen: im October 907 weilte er in Tribur und Frankfurt, 908 zuerst in Aachen, dann wieder in Frankfurt, Forchheim, Tribur, zu Beginn 909 am Bodensee, ganz kurze Zeit in Baiern und dann wieder, fern der Gefahr, in Ingelheim. 910 endlich erging ein allgemeines Aufgebot gegen die wieder in Baiern einbrechenden Ungarn, der König übernahm selbst die Führung der Streitmacht; das alamannisch-fränkische Heer erlitt unweit Augsburg eine vollständige Niederlage. Ein fränkisch-bairisches Heer stellte sich dem weiteren Vordringen des Feindes entgegen; Graf Gebhard, der letzte der Konradinischen Brüder, fiel in dem für die Franken unglücklichen Treffen, auch der „theilweise“ Sieg der Baiern war nicht von entscheidender Bedeutung und die Ungarn konnten ihre reiche Beute in Sicherheit bringen. Der König ist seit der Schlacht bei Augsburg fast verschollen: im October 910 urkundete er in Forchheim, im Juni 911 in Frankfurt. Am 20. August oder 24. September 911 starb er unvermählt; seine Leiche soll neben der seines Vaters in St. Emmeram bei Regensburg bestattet worden sein. L. ist der letzte Sprößling der deutschen Linie der Karolinger; kläglich endete sie in einem unreifen, kraftlosen Jüngling, noch kläglicher die westfränkische Linie des einst so herrlichen Geschlechts gegen die Wende des Jahrhunderts in einem unfähigen Schwächling, der sich nur den Beinamen „der nichts gethan hat“ erwarb.

    • Literature

      Hauptquelle für die Geschichte Ludwigs bis 906 ist die Chronik des Regino, die von 907 an nur eine spärliche Fortsetzung bietet; die Fuldaer Jahrbücher brechen mit dem Jahr 901 ab; einzelne Nachrichten finden sich in den alamannischen, vereinzelte in anderen deutschen Annalen, bei Hermann von Reichenau und Liutprand. Bearbeitungen von Gatterer, Commentatio hist. de Ludovico IV infante, Gott. 1759, Rintelen in Forschungen zur deutschen Geschichte III, 311 f., die beste in Dümmler's Geschichte des ostfränkischen Reichs, 2. Bd.; Zusammenstellung des Materials in der nächsthin erscheinenden 4. Lieferung der Neubearbeitung von Böhmer's Regesten der Karolinger.

  • Author

    Mühlbacher.
  • Citation

    Mühlbacher, Engelbert, "Ludwig das Kind" in: Allgemeine Deutsche Biographie 19 (1884), S. 451-455 unter Ludwig IV. [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118729462.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA