Lebensdaten
1889 – 1981
Geburtsort
Magdeburg
Sterbeort
Heidelberg
Beruf/Funktion
Prähistoriker
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Wahle, Ernst Karl Bernhard Hermann
  • Wahle, Ernst
  • Wahle, Ernst Karl Bernhard Hermann
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Zitierweise

Wahle, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz138292.html [28.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hermann (1859–1949), aus Schleusingen, Dir. d. Oberrealschule Delitzsch, S d. Carl Andreas Christian (1823–93), aus Erfurt, Gymn.lehrer, u. d. Johanna Friederike Mathilde Heym (1825–76), aus Keulrod;
    M Anna (1861–1948), aus Suhl, T d. Hermann Julius Härter u. d. Aurora Bornmüller;
    B Hans (1890–1974, Maria Molly Baethgen, 1887–1946, Schwägerin), Lehrer in Berlin;
    Heidelberg 1922 Eva (1897–1967), T d. Friedrich Baethgen (1849–1905), Prof. f. Theol. in Kiel, Halle, Greifswald u. Berlin (s. NDB I) u. d. Molly Luise Schmidt (1862–1947);
    Schwager Friedrich Baethgen (1890–1972), Prof. f. ma. Gesch. in Königsberg, Berlin u. München, Präs. d. MGH u. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (s. DA 29, 1973, S. 1–24; HZ 216, 1973, S. 783–86; Biogr. Hdb. Auswärtiger Dienst; Munzinger; J. Lemberg, Der Hist. ohne Eigenschaften, Eine Problemgesch. d. Mediävisten F. B., 2015).

  • Biographie

    W. legte an der von seinem Vater geleiteten Oberrealschule in Delitzsch, wo die Familie seit 1898 lebte, 1908 das Abitur ab. Im selben Jahr nahm er das Studium der Geschichte und Germanistik in Halle auf, wechselte noch im Wintersemester nach Berlin, wo Gustaf Kossinna (1858–1931) die einzige Professur für Vorgeschichte innehatte. Geographie, Geologie, Anthropologie, Ethnologie und Klassische Archäologie traten als weitere Fächer hinzu. 1913 wurde W. in Heidelberg bei dem Geographen Alfred Hettner (1859–1941) zum Dr. phil. promoviert.

    Zurück aus dem Kriegsdienst, erhielt W. nach seiner Habilitation 1920 zunächst einen Lehrauftrag als Privatdozent, seit 1924 mit dem Titel eines nichtplanmäßigen ao. Professors. Parallel dazu übernahm er 1922 die Stelle eines Oberpflegers für die frühgeschichtlichen Denkmäler des nördl. Baden. 1937 wurde seine Professur in ein planmäßiges Extraordinariat umgewandelt, im folgenden Jahr ließ er sich von seinen Aufgaben in der bad. Bodendenkmalpflege entbinden. 1945 entlassen, kehrte er ein Jahr später wieder auf seine Universitätsstelle zurück, wo er bis 1957 blieb.

    Wie sein Vater im völkischen Milieu des Kaiserreichs verankert, trat W. dem Verein dt. Studenten sowie dem Deutschvölkischen Studentenverband bei, später auch dem Ostmarkenverein und dem Alldeutschen Verband. Seit 1919 gehörte er der DNVP an, die er Mitte der 1920er Jahre wieder verließ. Trotz späterer Distanzierung blieb W. ein nationalkonservativer Gegner der Weimarer Demokratie. 1937 bestimmten v. a. Karriereerwägungen seinen Beitritt zur NSDAP. Ohne sich dem NS-Regime grundsätzlich zu verweigern, geriet er insbesondere mit seinen Ansichten in der Indogermanenfrage in Konflikt mit der herrschenden Ideologie. Seine These eines in den Steppengebieten Osteuropas und Asien beheimateten Volkes von Halbnomaden stand in unübersehbarem Widerspruch zu den Vorstellungen einer bäuerlichen Nordrasse. Ambivalent blieb auch sein Verhältnis zur „Volks- und Kulturbodenforschung“, in der er sich seit den 1920er Jahren engagierte. Verstand W. die Vorgeschichte durchaus als Teil der Nationalgeschichte, entgingen ihm doch nicht deren zeitbedingte Perspektivierung und Instrumentalisierung; nachdrücklich warnte er davor, „Wunschbilder“ der Vergangenheit zu entwerfen.

    Die nachhaltigste, über sein eigenes Fach hinaus ausstrahlende Wirkung erzielte W. mit seiner 1941 veröffentlichten Kritik an der Gleichsetzung archäologischer Kulturgruppen mit Ethnien. Beeinflußt durch Arbeiten von Alfons Dopsch (1868–1953) und Hermann Aubin (1885–1969), wies er nach, daß Kulturwandel nicht zwingend mit einem Wechsel von Ethnien verbunden sein mußte. In dezidierter Abkehr von seinem Lehrer Kossinna stellte W. damit ein bis dahin vorherrschendes Deutungsmodell grundsätzlich in Frage.

    Verstärkt Anerkennung fand in den letzten Jahren W.s Rolle als einer der Pioniere der Siedlungs- und Landschaftsarchäologie, ein Themenbereich, den er bereits in seiner Dissertation und in seiner Habilitation behandelt hatte. Nach wie vor unterschätzt wird W.s Einfluß auf das Verständnis des eigenen Faches als historische Disziplin. In entschiedener Ablehnung evolutionistischer Ansätze einerseits und einer vorwiegend deskriptiven und ordnenden, „antiquarischen“ Forschung andererseits, unternahm er in zwei Monographien 1924 und 1932 den Versuch, die dt. Vorgeschichte in eine nationale Historiographie einzubetten. Dabei orientierte er sich, obwohl selbst an wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Fragen interessiert, v. a. an dem vom Historismus geprägten individualisierenden Modell der politischen Geschichte. Es ist nicht zuletzt W.s Verdienst, die lange als randständig angesehene Prähistorie als akademisch anerkannte Disziplin etabliert zu haben. Die Erkenntnis, dass „sich Geschichte nicht allein aus schriftlichen Quellen schöpfen“ lasse, so Reinhart Koselleck (1923–2006) in einer Würdigung seiner ihn prägenden Gelehrten, verdanke er W.

  • Auszeichnungen

    |E. K. I (1916) u. II (1917);
    Rr.kreuz 2. Kl. d. Ordens v. Zähringer Löwen (1917);
    Ehrenkreuz f. Frontkämpfer (1934);
    BVK 1. Kl. (1960);
    Mitgl. d. Bad. Hist. Komm. (1935) u. d. Komm. f. geschichtl. Landeskde. in Baden-Württ. (1954 Vorstand, 1979 Ehrenmitgl.);
    o. Mitgl. d. Heidelberger Ak. d. Wiss. (1935);
    Ehrenmitgl. d. Royal Irish Ac. in Dublin (1935);
    Mitgl. d. Leopoldina (1944);
    korr. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (1961).

  • Werke

    |u. a. Ostdtld. in jungneolith. Zeit, e. prähist.-geograph. Versuch, 1918;
    Die Besiedelung Südwestdtld.s in vorröm. Zeit n. ihren natürl. Grundlagen, in: Ber. d. Röm.-German. Komm. 12, 1920 (1921), S. 1–75;
    Vorgesch. d. dt. Volkes, Ein Grundriß, 1924;
    Dt. Vorzeit, 1932, ²1952, ³1962;
    Zur ethn. Deutung frühgeschichtl. Kulturprovinzen, Grenzen d. frühgeschichtl. Erkenntnis I., SB d. Heidelberger Ak. d. Wiss., Phil.-hist. Kl., Jg. 1940 / 41, 2. Abh., 1941, ²1952;
    Studien z. Gesch. d. prähist. Forsch., ebd., Jg. 1950, 1. Abh., 1950;
    Gesch. d. prähist. Forsch., in: Anthropos 45, 1950, S. 497–538 u. 46, 1951, S. 49–112;
    Ur- u. Frühgesch. im mitteleurop. Raum, in: Hdb. d. dt. Gesch., begr. v. B. Gebhardt, hg. v. H. Grundmann, Bd. 1, ⁸1954, S. 1–77, ⁹1970, S. 1–89;
    Einheit u. Selbständigkeit d. prähist. Forsch., 1974;
    Aufss.: Tradition u. Auftrag prähist. Forsch., Ausgew. Abhh. als Festgabe z. 75. Geb.tag (…), hg. v. H. Kirchner, 1964;
    (Mit-)Hg.: Volk u. Rasse, 1926–34;
    Zs. f. Rassenkde., 1935–44;
    Homo, 1949–55;
    Autobiogr.: Selbstdarst. [f. d. Leopoldina], Typoskr. Heidelberg 1945 (im Internet: Heidelberger hist. Bestände – digital);
    Heidelberger Ak. d. Wiss. Antrittsreden;
    Und es ging mit ihm seinen Weg, 1980;
    Nachlaß: Univ.bibl. Heidelberg.

  • Literatur

    |H. Kirchner (Hg.), Ur- u. Frühgesch. als hist. Wiss., FS z. 60. Geb.tag, 1950;
    A. Dauber, in: Fundberr. Baden-Württ. 7, 1982, S. 555–59;
    E. Gropengießer, in: ZGORh NF 91, 1982, S. 357–61;
    K. Bittel, in: Jb. d. Heidelberger Ak. d. Wiss., 1982, S. 46–49;
    G. Kossack, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss., 1981, S. 223–34;
    R. Hachmann (Hg.), Studien z. Kulturbegriff in d. Vor- u. Frühgesch.forsch., 1987, S. 183–233, bes. S. 197–205;
    D. Hakelberg, Dt. Vorgesch. als Gesch.wiss., Der Heidelberger Extraordinarius E. W. im Kontext seiner Zeit, in: Eine hervorragend nat. Wiss., hg. v. H. Steuer, 2001, S. 199–319;
    A. Leube, Prähistorie zw. Ks.reich u. wiedervereinigtem Dtld., 100 J. Ur- u. Frühgesch. an d. Berliner Univ. Unter d. Linden, 2010, S. 23–26;
    im Internet: Ch. Gildhoff, E. W. (1889–1981), Vor- u. Frühgesch. in Ks.reich, Diktatur u. Rep., 2010, in: Propylaeum, Fachinformationsdienst Altertumswiss.;
    Drüll, Heidelberger Gelehrtenlex. I;
    Magdeburger Biogr. Lex.;
    Hdb. völk. Wiss.

  • Porträts

    |Vorbilder – Bilder, Gezeichnet v. R. Koselleck, 1983, S. 32.

  • Autor/in

    Christian Gildhoff
  • Zitierweise

    Gildhoff, Christian, "Wahle, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 258-259 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz138292.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA