Lebensdaten
1879 – 1962
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Düsseldorf
Beruf/Funktion
Reichskanzler ; Politiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118575422 | OGND | VIAF: 18014285
Namensvarianten
  • Luther, Hans
  • Luter, Hans

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Zitierweise

Luther, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118575422.html [15.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Otto (1848–1912), Kaufm., Ältester d. Kaufm.-schaft u. Handelsrichter in B., S d. Realschullehrers Karl in Aschersleben u. d. Friederike Dingelstedt;
    M Wilhelmine, T d. Carl Wilhelm Hübner, Holzhändler, Inh. d. Fa. Gebr. Hübner in B., u. d. Minna Mädicke;
    B Friedrich (* 1888), Psychologe (s. Kürschner, Gel.-Kal. 1931);
    - 1) Berlin 1907 Gertrud (1880–1924), T d. Porträtmalers Hermann Wolff u. d. Mathilde Schmidt, 2) 1953 Gertrud verw. Sioli geb. Mautz;
    3 T aus 1).

  • Biographie

    L. studierte nach dem Abitur am Berliner Leibniz-Gymnasium 1897-1901 in Genf, Kiel und Berlin Rechtswissenschaft. Unter seinen akademischen Lehrern waren Otto v. Gierke, Franz v. Liszt, Heinrich Brunner, Gustav Schmoller und vor allem Hugo Preuß. 1904 wurde L. in Berlin mit der Dissertation „Die Zuständigkeit des Bundesrats zur Entscheidung von Thronstreitigkeiten innerhalb des Deutschen Reiches“ zum Dr. iur. promoviert. Nach dem Assessor-Examen 1906 war er in der preuß. Selbstverwaltung tätig: 1906/07 beim Magistrat der Stadt Charlottenburg, 1907 wurde er als Stadtrat in den Magistrat von Magdeburg gewählt. Dieser erste berufliche Erfahrungsbereich hat ihn stark geprägt. Zu seinen Leistungen in Magdeburg zählen die sozialpolitisch wichtige Ausdehnung der städtischen Klein- und Schrebergärten auf das Zehnfache und der „Wasserprozeß“ gegen die Kali-Industrie wegen der von ihr verursachten Verunreinigung des Trinkwassers. Von Februar bis Sommer 1918 war L. geschäftsführendes Mitglied im Vorstand des Deutschen und des Preuß. Städtetages. Hier war er vor allem mit der Durchführung der kriegsbedingten Bewirtschaftungsbestimmungen befaßt. Im Sommer 1918 wurde L. zum Oberbürgermeister von Essen gewählt. In den Revolutionstagen 1918 gelang es ihm, den Arbeiter- und Soldatenrat zur Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und zur Anerkennung der Leitungsbefugnis des Oberbürgermeisters zu bewegen. Aufgrund seines Amtes wurde er 1920 auch Mitglied des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates.

    Ende 1922 wechselte L. aus der Kommunalpolitik in die Reichspolitik über: Bei der Bildung des Kabinetts Cuno (Nov. 1922) wurde ihm das Reichswirtschafts- oder das Reichsinnenministerium zur Wahl angeboten. Er lehnte ab, übernahm aber am 1.12.1922 als Parteiloser das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, nachdem der bisherige Reichsernährungsminister Karl Müller (Zentrum) schon nach 3 Tagen wegen des Vorwurfs der Verbindung zu den rhein. Separatisten hatte zurücktreten müssen. L. blieb in diesem Amt auch im Kabinett Stresemann und bemühte sich vor allem um die Lebensmittelversorgung der von der Inflation am härtesten betroffenen Bevölkerungsgruppen.

    Bei der Umbildung des Kabinetts Stresemann (6.10.1923) übernahm L. das Finanzministerium, das er auch in den beiden Kabinetten Marx (30.11.1923-15.1.1925) behielt. Als Reichsfinanzminister plante und leitete er die Währungsreform, mit der die Inflation beendet und eine neue stabile Währung geschaffen wurde. Schon am 15.10.1923 legte L. dem Kabinett den Entwurf eines Währungsgesetzes vor, in dem er den Währungs-Reformplan des Geldtheoretikers und früheren Staatssekretärs Helfferich mit dem Plan seines Amtsvorgängers Hilferding kombinierte. Aufgrund des Ermächtigungsgesetzes vom 13.10.1923, das der Regierung Stresemann die Verordnungsbefugnis für finanzielle und wirtschaftliche Fragen gab, wurde L.s Gesetzentwurf noch am 15.10.1923 durch Regierungsverordnung in Kraft gesetzt. Aus dem Helfferich-Plan hatte L. den Gedanken einer Sachwährung als Übergangswährung übernommen; an Hilferding knüpfte er insoweit an, als er im Gegensatz zu Helfferich den Grundbesitz tatsächlich belastete. Dekkungsgrundlage der Übergangswährung, der Rentenmark, war der landwirtschaftlich und gewerblich genutzte Boden, der mit insgesamt 3,2 Milliarden Goldmark hypothekarisch belastet wurde, und zwar entsprechend der Vermögensumlage des „Wehrbeitrages“ von 1913. Im Umfang der Grundbesitzbelastung wurden Rentenmark-Noten in Umlauf gebracht. Die entwertete Papiermark wurde im Verhältnis von einer Billion Mark gegen eine Rentenmark umgetauscht. Die Übergangswährung konnte stabil gehalten werden, weil die Reichsbank unter Schacht eine restriktive Kreditpolitik betrieb und weil es L. gelang, das Defizit im Reichshaushalt, die Hauptquelle der Inflation, zu beseitigen. Die Sanierung der Reichsfinanzen erreichte er auf der Einnahmenseite mit 3 Steuernotverordnungen durch Vorverlegung der Steuertermine, Erhöhung der Vorauszahlungen auf Veranlagungssteuern, Erhöhung der Umsatzsteuer, steuerliche Erfassung von Inflationsgewinnen und Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen Reich und Ländern, auf der Ausgabenseite mit einer drastischen Senkung der Personalausgaben durch Personalabbau bei den Reichsbehörden um fast 25 % – innerhalb von 4 Monaten –, Beförderungssperre und Neufestsetzung der Gehälter auf einem niedrigeren Niveau als 1913. Nach der währungs- und finanzpolitischen Stabilisierung, die im wesentlichen das Werk L.s war, konnte Deutschland am 30.8.1924 die Übergangswährung der Rentenmark durch die Reichsmark ablösen und damit zur Goldwährung zurückkehren. Diese Währungsreform wurde im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Dawes-Plans ausgeführt. An der Londoner Konferenz (16.7.-16.8.1924) über die Durchführung des Dawes-Plans nahm L. als Mitglied der deutschen Delegation neben Reichskanzler Marx und Stresemann teil. In seine Kompetenz fiel dabei die Verhandlung über finanztechnische und handelspolitische Fragen.

    Als sich nach der Reichstagswahl vom 7.12.1924 die Parteien, die das Minderheits-Kabinett Marx trugen (Zentrum, Deutsche Volkspartei, Bayer. Volkspartei und Demokratische Partei), nicht darüber einigen konnten, ob durch Erweiterung der Koalition nach rechts (Deutschnationale Volkspartei) oder nach links (SPD) eine Mehrheitsregierung gebildet werden solle, wurde L. am 9.1.1925 vom Reichspräsidenten mit der Regierungsbildung betraut. Am 16.1. bildete er eine Regierung, die die Elemente eines Parteien- und eines Beamtenkabinetts vereinigte: Jede der vier Fraktionen seiner Regierungs-Koalition (Zentrum, Bayerische Volkspartei, Deutsche Volkspartei, Deutschnationale) schickte einen ihr angehörenden Vertrauensmann als Minister in das Kabinett; die anderen Ministerämter wurden mit Beamten besetzt, die einer der vier Regierungsparteien angehörten oder nahestanden. Obwohl die Demokraten an dieser Regierungskoalition nicht teilnahmen, erreichte L., daß der Demokrat Geßler Reichswehrminister blieb. Der Zusammenhalt der Koalition wurde im Frühjahr 1925 durch die Reichspräsidentenwahl nach dem Tode Eberts bedroht. Als im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten die Mehrheit erreicht hatte, stellten die Deutschnationalen für den zweiten Wahlgang Hindenburg als Kandidaten auf, unterstützt von der Deutschen Volkspartei und der Bayerischen Volkspartei, während das Zentrum gemeinsam mit der SPD und den Demokraten Wilhelm Marx nominierte. Angesichts der kritischen Kommentare des westlichen Auslands zur Person Hindenburgs und um einen innenpolitischen Zwiespalt zu|vermeiden, versuchte L., den Reichsgerichtspräsidenten und stellvertretenden Reichspräsidenten Walter Simons dazu zu bewegen, die beiden Kandidaten zum freiwilligen Verzicht aufzufordern und sich selbst als überparteilicher Kandidat zur Wahl zu stellen. Doch Simons lehnte ab. – Das Kabinett L. brachte in kurzer Zeit eine Reihe bedeutender Gesetze und internationaler Verträge zustande: Nachdem die einseitige Meistbegünstigung der Siegermächte im Handel mit Deutschland am 10.1.1925 zu Ende gegangen und Deutschlands handelspolitische Souveränität wiederhergestellt war, wurde mit dem Zollgesetz vom 12.8.1925 ein Schutzzollsystem für Industrie und Landwirtschaft geschaffen, das sich im wesentlichen an den Zollsätzen der Vorkriegszeit orientierte. Danach wurden Handelsverträge mit Großbritannien, Rußland, Frankreich, Spanien und Italien abgeschlossen. Damit war der gesetzliche und vertragliche Rahmen für die deutsche Handelspolitik geschaffen. Gleichzeitig wurde eine Steuerreform mit dem Ziel einer Erleichterung der Steuerlast durchgeführt: Einkommensteuer, Kapitalverkehrssteuern, Grunderwerbssteuer, Wechselsteuer und Umsatzsteuer wurden gesenkt. Das wichtigste außenpolitische Ergebnis war der Locarno-Pakt mit Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien (16.10.1925), der zugleich Deutschlands Aufnahme in den Völkerbund zur Folge hatte (8.9.1926). Aus Protest gegen Locarno verließen die deutschnationalen Minister die Regierung (26.10.1925). Am 20.1.1926 bildete L. ein neues Kabinett ohne die Deutschnationalen. Diese Regierung schloß am 24.4.1926 den Freundschafts- und Neutralitätsvertrag mit der Sowjetunion, der die Rapallo-Politik erweiterte. Nachdem L. die Flaggen-Verordnung des Reichspräsidenten (5.5.1926) veranlaßt hatte, wonach die deutschen diplomatischen und konsularischen Vertretungen im Ausland neben der schwarz-rot-goldenen Reichsflagge die schwarz-weißrote Handelsflagge zu zeigen hatten, wurde seine Regierung durch die Reichstagsmehrheit zum Rücktritt gezwungen (12.5.1926).

    Im Sommer 1926 wurde L. in den Verwaltungsrat der Reichsbahngesellschaft gewählt, aus dem er Ende 1928 ausschied, um einem Vertreter des Landes Preußen Platz zu machen. Im März 1929 trat er in den Vorstand der Gemeinschaftsgruppe deutscher Hypothekenbanken ein. Die Hauptarbeit L.s galt 1928/29 dem „Bund zur Erneuerung des Reiches“, dessen Vorsitz er bei der Gründung im Januar 1928 übernahm. Dieser Bund arbeitete Vorschläge zur Lösung des Reich-Preußen-Problems aus. Danach sollten zwar der Staatsbegriff „Preußen“ und das preuß. Staatseigentum erhalten bleiben, aber die Staats- und verwaltungsrechtlichen Befugnisse auf die Provinzen als „Reichsländer“ übergehen. Die Länderkonferenz zur Reichsreform übernahm diese Vorschläge, scheiterte aber am Widerstand Preußens und Bayerns. Am 11.3.1930 wurde L. nach dem Rücktritt Schachts zum Reichsbankpräsidenten gewählt. Er gab alle anderen Ämter und auch die Mitgliedschaft in der Deutschen Volkspartei, der er Anfang 1929 beigetreten war, auf. Die Deflationspolitik Brünings unterstützte er loyal und aus Überzeugung. In der deutschen Bankenkrise (Juni/Juli 1931) ging er bis an die Grenzen der rechtlichen und materiellen Möglichkeiten der Reichsbank, um den Banken bei der Rückzahlung der gekündigten kurzfristigen Auslandsgelder zu helfen. Die Kritik der Bankiers, deren Verband sogar seinen Rücktritt forderte, daß die Reichsbank die Geschäftsbanken im Stich gelassen habe, war völlig haltlos und diente nur dem Zweck, die Verantwortung für die Folgen der eigenen Fehler abzuwälzen. – Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme trat L. am 16.3.1933 auf Aufforderung Hitlers zurück und übernahm das ihm angebotene Amt des Botschafters in Washington. Gegen die Verschlechterung der deutsch-amerikan. Beziehungen durch die Politik Hitlers war er machtlos. 1937 wurde er in den Ruhestand versetzt. – 1948/49 war L. Treuhänder eines Münchener Privatbankhauses. 1952 wurde er zum Honorarprofessor an der Hochschule für politische Wissenschaften in München ernannt. 1952-55 führte er den Vorsitz im Sachverständigen-Ausschuß für die Neugliederung des Bundesgebiets. 1958 übernahm er den Vorsitz des wiedergegründeten Vereins für das Deutschtum im Ausland.

    L. war mit den Nationalökonomen Edgar Salin und Bernhard Harms befreundet; zu seinem engeren Bekanntenkreis gehörten Oswald Spengler und Hermann Gf. Keyserling. Er zeichnete sich durch umfassende Bildung sowie durch unbestechliche Sachlichkeit und Klarheit aus. Die Parteipolitik und der Umgang mit Parteipolitikern lagen ihm nicht. Seine beiden Memoirenwerke „Politiker ohne Partei“ (1960, über seine Tätigkeit als Kommunalpolitiker und Minister) und „Vor dem Abgrund 1930-1933“ (1964) sind in ihren Informationen sehr zuverlässig.

  • Werke

    Weitere W Feste Mark - Solide Wirtsch., 1924;
    Von Dtld.s eigener Kraft, 1928;
    Die Stabilisierung|d. dt. Währung, in: 10 J. dt. Gesch., 1928;
    Nur scheinbar in eigener Sache, in: Mitt. d. List Ges., Fase. 2, Nr. 2, 1959;
    Das Wahlrecht dem Wähler, 1959;
    Im Dienste d. Städtetages, 1959.

  • Literatur

    K. B. Netzband u. H. P. Widmaier, Währungs- u. Finanzpol. d. Ära Luther 1923-1925, 1964;
    C.-D. Krohn, Stabilisierung u. ökonomische Interessen: Die Finanzpol. d. Dt. Reiches 1923–27, 1974;
    Akten d. Reichskanzlei Weimarer Republik: Die Kabinette Luther I und II, bearb. v. K.-H. Minuth, 2 Bde., 1977;
    K. E. Born, Die dt. Bankenkrise 1931, 1967;
    H. Habedank, Die Reichsbank in d. Weimarer Republik, 1981;
    H. James, The Reichsbank and Public Finance in Germany 1924-1933, 1985.

  • Porträts

    Gem. v. M. Liebermann (Essen, Mus. Folkwang), Abb. in: H. L., Politiker ohne Partei, 1960;
    Phot., Abb. ebd.

  • Autor/in

    Karl Erich Born
  • Zitierweise

    Born, Karl Erich, "Luther, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 544-547 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118575422.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA