Lebensdaten
1794 – 1874
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Horchheim Kreis Koblenz
Beruf/Funktion
Geograph
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 116877146 | OGND | VIAF: 77079114
Namensvarianten
  • Mendelssohn, Benjamin (ursprünglich)
  • Mendelssohn, Georg (späterer Taufname, seitdem beide Namen)
  • Mendelssohn, Georg Benjamin
  • mehr

Objekt/Werk(nachweise)

Verknüpfungen

Verknüpfungen auf die Person andernorts

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Mendelssohn, Georg Benjamin, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116877146.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joseph (s. 2);
    Berlin 1827 Rosamunde Richter (1804–83), natürl. T d. preuß. Diplomaten Christian Gf. Haugwitz (1752–1832, s. NDB VIII) u. d. Rosa Richter; 1 Adoptiv-T.

  • Biographie

    Im Frühjahr 1811 immatrikulierte sich M., der älteste Sohn des Gründers des Bankhauses Mendelssohn, an der neugegründeten Univ. Berlin. Als Jude stand ihm damals nur die Medizinische Fakultät offen, doch wandte er sich schon bald auch anderen geistes- und naturwissenschaftlichen Fächern zu. Unter seinen Lehrern nennt er an erster Stelle Friedrich August Wolf, August Boeckh und Schleiermacher, ferner Paul Erman, Fichte und Heinrich Julius Klaproth. Nach Ausbruch der Freiheitskriege meldete er sich als Freiwilliger und kämpfte 1813 als Jäger des 2. Leibhusarenregiments, während er 1815 als freiwilliger Offizier im Hauptquartier Blüchers diente. In der Zwischenzeit setzte er sein Studium in Berlin fort, wobei er sich in der Hauptsache unter Christian Samuel Weiß mit Geologie und Mineralogie beschäftigte. Nach Kriegsende widmete er sich privaten Studien in Berlin, wo er den 1820 als Professor an die Universität berufenen Geographen Carl Ritter kennenlernte, in Kiel, wo sein Studienfreund August Twesten als Professor der Theologie und Philosophie wirkte, unter dessen Einfluß er sich 1821 in Schleswig evangelisch taufen ließ, und vor allem auf dem Weingut seines Vaters in Horchheim bei Koblenz. Von hier aus unternahm er zahlreiche Wanderungen und Reisen durch Deutschland, die Schweiz (1820) und Italien (1824), auf denen er sich zum Geographen heranbildete.

    In Kiel schloß M. sein Studium mit der Dissertation „Observationes geologico-geographicae de naturalibus soli in Germania formis“ ab und wurde im Mai 1828 promoviert. Darauf betrieb er an der Univ. Bonn seine Habilitation für das Fach Geographie. Die Vorlesungen, die er seit Sommer 1829 ankündigte, kamen zum größten Teil nicht zustande, zumal M., ohnehin kein guter Redner, häufig auf Reisen weilte. Er verlegte sich vor allem auf die Ausarbeitung seines Hauptwerkes „Das germanische Europa, Zur geschichtlichen Erdkunde“, das er 1835 (mit der Jahreszahl 1836) veröffentlichte, nachdem der Vorabdruck des Englandkapitels im 2. Band der von Ranke herausgegebenen „Historisch-politischen Zeitschrift“ (1833-35) erschienen war.

    M. wurde daraufhin im Dezember 1835 zum ao. Professor ernannt, wobei die Entscheidung des Ministers eher vorlag als das Gutachten der Fakultät. Dasselbe wiederholte sich bei seiner Ernennung zum Ordinarius für Geographie und Statistik, die im Juli 1847 wohl durch Vermittlung des mit M. befreundeten Kurators der Univ. Bonn, Moritz August v. Bethmann Hollweg, vielleicht auch durch Fürsprache des der Familie Mendelssohn eng verbundenen Alexander v. Humboldt erfolgte. Es kam zum schriftlichen Protest der übergangenen Fakultät, die M. u. a. mangelnde wissenschaftliche Produktivität und ungenügende Lehrtätigkeit vorwarf. Aus der Tatsache, daß er kein Gehalt bezog, folgerte man ein zu geringes Interesse an den Fakultätsangelegenheiten, wobei auch antisemitische Ressentiments mit ins Spiel gekommen sein dürften. M. zog sich daraufhin völlig aus der Fakultät zurück, schränkte seine Vorlesungen noch mehr ein und ließ sich 1857 aus Gesundheitsrücksichten ganz beurlauben. Zu seinem Bonner Freundeskreis gehörten die Professoren Ernst Moritz Arndt, Christian August Brandis, der 1847 in einem Separatvotum für ihn eintrat, Karl Immanuel Nitzsch, Clemens Theodor Perthes, in der Frühzeit auch Barthold Georg Niebuhr und Bethmann Hollweg, an dessen „Preuß. Wochenblatt“ M. in den 50er Jahren mitarbeitete. Als Horchheimer Nachbarn und Freunde sind ferner Joseph Görres mit seinem Sohn Guido zu nennen.

    M.s Interesse richtete sich mit zunehmendem Alter immer stärker auf die Geschichte und die Politik, was auch seine letzte, 1846 erschienene Abhandlung über „Die ständische Institution im monarchischen Staate“ bezeugt. Die romantisch-nationalen Anschauungen der Napoleonischen Zeit schlugen bei ihm in ein konservatives, ja reaktionäres Denken um, das die in Preußen bestehende Ständeeinteilung und die Privilegien der grundbesitzenden Aristokratie festschreiben wollte, was sogar die Kritik seiner adligen Freunde von der Wochenblattpartei hervorrief. 1843-45 gab M. in sieben Bänden die „Gesammelten Schriften“ seines Großvaters Moses Mendelssohn heraus. – Von einer Schule M.s kann nicht gesprochen werden. Zu den Hörern, die ihn schätzten, zählte 1841 jedoch Jacob Burckhardt, mit dem M. als einziger Bonner Dozent auch persönlich in Verbindung trat. Außerdem las er als Ordinarius ein Privatissimum für den preuß. Prinzen Friedrich Wilhelm, den späteren Kaiser Friedrich III.

    M.s Bedeutung als Geograph gründet allein auf seinem „Germanischen Europa“, das zu den Klassikern der Geographie gerechnet wird (Philippson), obwohl es bisher trotz positiver Urteile der Zeitgenossen und späterer Geographen noch keine eingehende wissenschaftsgeschichtliche Würdigung erfahren hat. In der Nachfolge Alexander v. Humboldts, Carl Ritters und Leopold v. Rankes|stellt M. für einen Teil Europas die gegenseitige Bedingtheit der Geographie, d. h. der Natur der Länder oder Landschaftsräume, und ihrer Geschichte dar. A. Hettner bezeichnet das Englandkapitel dieses Werkes, das in der Anwendung des Entwicklungsgedankens über Ritter hinausführt, als „Muster“ für die „geschichtliche Auffassung der geographischen Verhältnisse des Menschen“. Besonderes Lob fanden die prägnante Sprache des Autors und die Schönheit seiner auf eigenen Anschauungen beruhenden Naturschilderungen.

  • Literatur

    P. Kämmerling, G. B. M. u. seine Schilderung d. Riesengebirges, in: Festschr. d. Geograph. Seminars d. Univ. Breslau z. Begrüßung d. 13. Dt. Geographentages, 1901, S. 158-77;
    A. Hettner, Die Geographie d. Menschen, in: Verhh. d. 16. Dt. Geographentages zu Nürnberg, 1907, S. 273-303;
    Gesch. d. Rhein. Friedrich-Wilhelms-Univ. zu Bonn a. Rh. I, 1920: F. Bezold, S. 399 f., II, 1933: A. Philippson, S. 303-08;
    A. Altmann, Moses Mendelssohns ges. Schrr., Neuerschlossene Briefe, Zur Gesch. ihrer Herausgabe, in: Bull. d. Leo Baeck Inst. 11, 1968, Nr. 41, S. 73-115;
    J. Hohmann, G. B. M., 1794-1874, in: Bonner Gelehrte, Btrr. z. Gesch. d. Wiss. in Bonn, Mathematik u. Naturwiss., 1970, S. 185-90;
    Bankiers. Künstler u. Gelehrte, unveröff. Briefe d. Fam. Mendelssohn aus d. 19. Jh., hrsg. u. eingel. v. F. Gilbert, 1975 (darin Briefe von u. an G. B. M., bes. in T. 2, Professorenbriefe, S. 237-79, mit Fam.-bild);
    F. Gilbert, G. B. M. u. Karl Mendelssohn Bartholdy, zwei Professoren aus d. 19. Jh., in: Mendelssohn-Stud. 2, 1975, S. 183-201;
    I. Stolzenberg, G. B. M. im Spiegel seiner Korrespondenz, mit unveröff. Briefen v. A. v. Humboldt, E. M. Arndt u. C. T. Perthes, ebd. 3, 1979, S. 81-161. – Personalakten d. Phil. Fak. mit Lebenslauf im Archiv d. Univ. Bonn;
    Briefteilnachlaß in d. Staatsbihl. Preuß. Kulturbes., Berlin.

  • Autor/in

    Ingeborg Stolzenberg
  • Zitierweise

    Stolzenberg, Ingeborg, "Mendelssohn, Georg Benjamin" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 50-52 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd116877146.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA