Lebensdaten
1714 – 1804
Geburtsort
Tribsees (Vorpommern)
Sterbeort
Charlottenburg bei Berlin
Beruf/Funktion
lutherischer Theologe ; Philosoph
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118751719 | OGND | VIAF: 64189277
Namensvarianten
  • Spalding, Johann Joachim
  • Spalding
  • Spalding, I. I.
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Zitierweise

Spalding, Johann Joachim, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118751719.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    |Aus Fam. mit schott. Herkunft;
    V Johann Georg (1681–1748), Schulrektor, seit 1725 Pfarrer in T., S d. Johann (1633–86), Bgm. in Malchin (Meckl.), u. d. Dorothea Goldschmidt (* 1644);
    M Catharina Ilsabe (um 1694–1723), T d. Joachim Lehment (1652–1725), Pfarrer in T., u. d. Ilsabe Bunge (1673–1754);
    Ur-Gvv Georg Jürgen (1590–1654), Kaufm., wanderte 1624 v. Blair n. Malchin aus;
    1) Stralsund (?) 1751 Wilhelmine Sophie (1734–62), T d. Brandanus Heinrich Gebhardi (1704–84), Pfarrer in Stralsund, u. d. Johanna Friederika Ritter ( 1739), 2) Barth 1764 Maria Dorothea (1739/40–74, wohl E d. Johann v. Sodenstierna (bis 1703 Sodemann, schwed. Adel 1703), schwed. Amtmann in Franzburg, Barth u. T., 3) Berlin 1775 Maria Charlotte (1749–1804), T d. Johann Nathanael Lieberkühn (1711–56), Arzt in B.;
    6 K u. a. Johanna Wilhelmina (1753–1832, Friedrich Samuel Gottfried Sack, 1738–1817, Hof- u. Domprediger, Oberkonsistorialrat in B., S d. August Friedrich Wilhelm Sack, 1703–86, Hofprediger in B., Konsistorialrat, beide s. ADB 37; NDB 22, Fam.art.), Karl August Wilhelm (1760–1830), Jurist, Georg Ludewig (1762–1811), Dr. phil., Altphilol., Gymn.prof. f. griech. u. hebr. Sprache am Grauen Kloster in B., Mitgl. d. Preuß. Ak. d. Wiss. (ao. 1803, o. 1806, Sekr. d. hist.-philol. Kl. 1810/11) (s. ADB 35; Kosch, Lit.-Lex.³);
    E Friedrich Ferdinand Adolf Sack (1788–1842), Hof- u. Domprediger in B. (s. ADB 37), Karl Heinrich Sack (1789–1875), Prof. d. Theol. in Bonn, Oberkonsistorialrat in Magdeburg (s. ADB 30; beide s. NDB 22, Fam.art.), Amalie Sack (1783–1862, Friedrich Eichhorn, 1779–1856, preuß. Kultusmin., s. NDB IV).

  • Biographie

    Nach häuslichem und schulischem Unterricht in Tribsees und Stralsund studierte S. Philosophie und Theologie 1731–33 in Rostock, danach in Greifswald. Nach der Promotion zum Dr. phil. 1736 arbeitete er an verschiedenen Orten als Hauslehrer und als Pfarrgehilfe seines Vaters. Während seiner Tätigkeit als Sekretär der schwed. Gesandtschaft in Berlin 1745–47 pflegte er freundschaftlichen Umgang mit führenden Vertretern der Anakreontik wie Ewald Christian v. Kleist (1715–59) und Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719–1803). 1749 wurde S. Pfarrer im schwed.-vorpomm. Lassan; 1757 ging er als erster Prediger und Präpositus der Synode nach Barth. In diesen Jahren formierte sich bei S. eine eigenständig-moderne, zur Aufklärung durchbrechende Theologie, die Motive und Impulse aus theol. Wolffianismus, phil. Empirismus (David Hume [1711–76], Andreas Rüdiger [1673–1731]), engl. Moralphilosophie, Übergangstheologie (Siegmund Jacob Baumgarten [1706–57]) und beginnender Neologie (August Friedrich Wilhelm Sack) vereinte.

    Seine zwischen 1745 und 1756 erschienenen Übersetzungen einiger Hauptwerke der westeurop. Moral- und Religionsphilosophie konnten deren Rezeption in Deutschland maßgeblich fördern. Mit der Betrachtung über „Die Bestimmung des Menschen“ (1748, 111794, Neudr. 2006) gab S. einer bis in Johann Gottlieb Fichtes (1762–1814) gleichnamige Schrift (1800) fortwirkenden „Basisidee der dt. Aufklärung“ (N. Hinske) literarischen Ausdruck und trug zum Aufstieg der phil. Anthropologie im 18. Jh. maßgeblich bei. Bedeutenden Einfluß erlangten auch S.s „Gedanken über den Werth der Gefühle in dem Christenthum“ (1761,⁵1784, Neudr. 2004), in denen er – vor der Gefährdung des Pietismus, in schwärmerischen Irrationalismus abzugleiten, nachhaltig warnend – eine theol. Kriteriologie des religiösen Gefühls einklagte und zugleich entwarf.

    Nachdem er zweimal eine Professur in Greifswald abgelehnt hatte, wurde S. 1764 Propst und Oberkonsistorialrat sowie erster Pfarrer an der Nicolai- und Marienkirche in Berlin. Schwerpunkte seiner Tätigkeit, die ihn bald zum unbestrittenen Haupt der Berliner Aufklärungstheologie machte, bildeten Seelsorge (u. a. Beichtvater Elisabeth Christines von Preußen) und Gremienarbeit (u. a. tragende Beteiligung an d. aufklärer. Gottesdienst- u. Gesangbuchreform), v. a. aber der als Zentrum seiner kirchlichen Arbeit wahrgenommene Kanzeldienst. Als einer der angesehensten Prediger seiner Zeit verfaßte S. eine apologetisch orientierte homiletische Prinzipienlehre (Ueber d. Nutzbarkeit d. Predigtamtes u. deren Beförderung, 1772, ³1791, Neudr. 2002), welche die neuzeitliche Legitimität des Predigtamtes nachweisen und zu dessen sach- und zeitgemäßer Ausübung anleiten sollte. Das neologische Pfarrerbild, das S. in dieser auf die Kultivierung der religiösen Mündigkeit der Hörer abzielenden pastoralen Dienstanleitung entwarf, erzielte eine breite kirchliche, theologische und auch literarische Wirkung (u. a. auf Friedrich Nicolai, Jakob Michael Reinhold Lenz, Johann Wolfgang v. Goethe).

    Nach dem restriktiven Woellnerschen Religionsedikt 1788 zog sich S. sukzessive ins Privatleben zurück. Sein Alterswerk „Religion, eine Angelegenheit des Menschen“ (1797, ⁴1806, Neudr. 2001) reklamierte, in sinngemäßem Vorgriff auf Friedrich Schleiermacher (1768–1834), für die als autonom gedachte Religion „eine eigne Provinz im Gemüthe“, rechnete ihr aber insofern zugleich ethische Relevanz zu, als sie die Moralität des Menschen in den durch die Gottesbeziehung gestifteten universalen Horizont des Menschseins einbette. Diese sein Lebensthema vermächtnishaft bilanzierende Schrift hat sich als ein wesentliches religionstheoretisches Bindeglied zwischen Spätaufklärung und Frühromantik erwiesen. Heute wird der mit namhaften Zeitgenossen wie Immanuel Kant, Johann Caspar Lavater, Schleiermacher und Wilhelm Abraham Teller freundschaftlich oder respektvoll verbundene „König der Neologen“ (W. Philipp) zunehmend als ein theologischer Bahnbrecher der Moderne wiederentdeckt.

  • Werke

    Weitere W Predigten, 1765, ³1775;
    Neue Predigten, 1768, ³1777;
    Neue Predigten, Zweyter Bd., 1784;
    Vertraute Briefe, die Rel. betreffend, 1784, ³1788, Neudr. 2004;
    Lebensbeschreibung ( . . . ), 1804, Neudr. 2002;
    – Krit. Ausg., hg. v. A. Beutel, 2001 ff.

  • Literatur

    ADB 35;
    F. Schlichtegroll (Hg.), Nekr. d. Teutschen f. d. neunzehnte Jh., V, 1806, S. 99–207;
    K. Beckmann, Berührungen J. J. S.s mit Immanuel Kant in d. Fassung seines Rel.begriffes, Diss. Göttingen 1913;
    H. Nordmann, Leben u. Werke d. J. J. S., in: Bll. f. KGesch. Pommerns 13, 1936, S. 34–70;
    W. Philipp (Hg.), Das Za. d. Aufklärung, 1963, S. 174–81;
    J. Schollmeier, J. J. S., Ein Btr. z. Theol. d. Aufklärung, 1967 (W, L);
    D. Pötschke, in: Berlin. Lb. V, S. 147–59 (P);
    N. Hinske (Hg.), Die Bestimmung d. Menschen, 1999;
    A. Beutel, J. J. S., Populartheol. u. Kirchenreform im Za. d. Aufklärung, in: P. Walter u. M. H. Jung (Hg.), Theologen d. 17. u. 18. Jh., 2003, S. 226–43;
    ders., Reflektierte Rel., Btrr. z. Gesch. d. Protestantismus, 2007;
    Pomm. Lb. IV, 1966, S. 110–22;
    BBKL X (W, L);
    LThK³;
    RGG2–4;
    TRE (W, L);
    Killy;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L).

  • Autor/in

    Albrecht Beutel
  • Zitierweise

    Beutel, Albrecht, "Spalding, Johann Joachim" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 615-617 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118751719.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Spalding: Johann Joachim S., protestantischer Theologe und Moralphilosoph, geboren am 1. November 1714 zu Tribsees in Schwedisch-Pommern, zu Berlin am 22. Mai 1804. Die Vorfahren waren aus Schottland nach Mecklenburg, der Vater von Mecklenburg nach Pommern eingewandert. Letzterer war zur Zeit der Geburt des Sohnes Rector, später Pastor in Tribsees. Im Elternhause, auf dem Gymnasium zu Stralsund und der Universität zu Rostock wurde Spalding im Geiste der alternden Orthodoxie unterwiesen, ohne Befriedigung darin zu finden. Von 1733—1749 hielt er sich theils zu Hause, theils in verschiedenen Hauslehrerstellen seiner Heimath, einmal auch einige Monate als Secretär des schwedischen Gesandten v. Rudenskjöld in Berlin auf. Fleißige Lectüre und der Greifswalder Mag. Peter Ahlwardt machten ihn mit der Wolfschen Philosophie bekannt, mehr noch entzückte ihn das Studium Shaftesbury's, den er im Anfang der vierziger Jahre zu übersetzen begann. Gleichzeitig schrieb er aus diesen Anregungen heraus seine „Bestimmung des Menschen“, die 1748 gedruckt und später noch oftmals aufgelegt wurde. Sein Berliner Aufenthalt machte ihn mit Sack, Chr. E. v. Kleist und Gleim bekannt, mit letzterem stand er bis 1763 in lebhaftem Briefwechsel. 1747—1757 verlebte er als Pastor in Lassan, wo er sich auch mit Wilhelmine Gebhardi aus Stralfund vermählte, besonders glückliche Jahre. 1757—1764 war er als Pastor und Präpositus in Barth. Hier gab er 1761 seine „Gedanken über den Werth der Gefühle im Christenthum“, gegen die namentlich im benachbarten Mecklenburg sich geltend machenden pietistischen Einflüsse gerichtet, heraus. 1762 starb seine Frau, die Mutter Karl August Wilhelm's, des Juristen, und Georg Ludwig's, des Philologen, (s. o.). 1763—1764 hielten sich Lavater, Heinrich Füßli und Felix Heß aus Zürich bei ihm als Gäste auf. 1764 erfolgte, nachdem er mit Maria Dorothea v. Sodenstern seine zweite Ehe geschlossen hatte, seine Versetzung nach Berlin als Propst an St. Nikolai und Oberconsistorialrath. Hier erschien 1772 seine Schrift „Ueber die Nutzbarkeit des Predigtamts und deren Beförderung,“ die Herder's Provinzialblätter als Gegenschrift hervorriefen, und 1784 seine „Vertrauten Briefe, die Religion betreffend“, gegen den wachsenden Materialismus und Atheismus gerichtet. 1774 ward auch seine zweite Ehe durch den Tod getrennt und er schloß 1775 die dritte mit Maria Charlotte Lieberkühn. Das Wöllnersche Religionsedict veranlaßte ihn schon 1788 seine Propststelle niederzulegen. Erst nach 16jährigem Ruhestand ist er verstorben. Spalding's Theologie ist ein milder, vor allen Extremen, aber auch vor jeder Tiefe zurückschreckender Rationalismus mit vorwiegend moralischer Richtung. Religion haben heißt ihm „in dem geglaubten Weltbeherrscher die höchste Tugend verehren, ihr nachstreben und sich zuversichtlich ihres Urbildes freuen“. Sein bestes Buch, das vom Werth der Gefühle, vertritt das Recht der Aufklärung gegenüber der Einseitigkeit des Pietismus, sein bedenklichstes, das von der Nutzbarkeit des Predigtamts, die Einseitigkeit der Aufklärung gegenüber dem biblischen Christenthum. Wegen des weitreichenden Einflusses seiner Predigten wurde er „der Erbauer seiner Zeitgenossen“ genannt.

    • Literatur

      J. J. Spalding's Lebensbeschreibung von ihm selbst aufgesetzt und herausgegeben mit einem Zusatz von dessen Sohn G. L. S., Halle 1804. — Briefe von Herrn Spalding an Herrn Gleim, Frankfurt u. Leipzig 1771. —
      Petrich, Pommersche Lebens- und Landesbilder I, 237—270. — Lavater's Aufenthal bei S., ebenda, S. 324—334.

  • Autor/in

    Hermann Petrich.
  • Zitierweise

    Petrich, Hermann, "Spalding, Johann Joachim" in: Allgemeine Deutsche Biographie 35 (1893), S. 30-31 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118751719.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA