Lebensdaten
1828 – 1901
Geburtsort
Neuenhaus (Grafschaft Bentheim)
Sterbeort
Frankfurt/Main
Beruf/Funktion
preußischer Finanzminister
Konfession
reformiert
Normdaten
GND: 11873413X | OGND | VIAF: 72189185
Namensvarianten
  • Miquel, Johannes von
  • Miquel
  • Miquel, Johannes Franz von
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Orte

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Zitierweise

Miquel, Johannes von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11873413X.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Anton (1783–1862, kath.), Hofmedikus, Bgm. v. N., S d. Franz Anton Bernhard (1752–1811), münster. Hptm., Platzmajor v. Münster, u. d. Wilhelmine Tielhen (1767–1837);
    M Lubertha (1790–1860, ref.), T d. Anton Köhler (1758–99), Hausvogt d. Fürsten Bentheim in N. u. Hannover, u. d. Johanna Bosch (1757–1829);
    B Friedrich Anton Wilhelm (1811–71), Dr. med., Prof. d. Botanik an d. Univ. Utrecht (s. L);
    - Hannover 1865 Emma (1837–1915), T d. Carlo Wilhelm Wedekind (1809–81)aus Melle, Großkaufm. u. hann. Konsul in Palermo, gründete 1838 mit seinem Bruder Friedrich Wilhelm d. Bank- u. Handelsfa. C. Wedekind & Co., u. d. Julia Ehmbsen (1817–50) aus Osnabrück;
    3 S, 1 T, u. a. Walther (1869–1945), Reg.präs. in Oppeln, Hans (1871–1917), Botschaftsrat u. Gesandter in Kairo (s. DBJ II, Tl.).

  • Biographie

    Neben seinem rechtswissenschaftlichen Studium 1846-50 in Göttingen und Heidelberg befaßte sich M. mit volkswirtschaftlichen, vor allem agrarhistorischen Fragen. 1848 schloß er sich der republikanischen Bewegung an, 1850-57 stand er in brieflichem Kontakt zu Karl Marx und gehörte dem illegalen Bund der Kommunisten an. Aus dieser Zeit stammt der 1893 von August Bebel in Abschrift veröffentlichte Brief an Marx, in dem sich M. zum Atheismus und Kommunismus bekennt. Nach den juristischen Examina 1850 und 1854 ließ sich M. als Rechtsanwalt in Göttingen nieder. Später wandte er sich vom Kommunismus ab und schlug eine liberale und nationale Richtung ein. Seit 1857 gehörte er der Göttinger Stadtverordnetenversammlung an, 1859 beteiligte er sich an der Gründung des Deutschen Nationalvereins, der eine Einigung Deutschlands unter preuß. Führung anstrebte, 1863 wurde er in die zweite hann. Kammer gewählt. Zusammen mit dem Führer der hann. Liberalen, Rudolf v. Bennigsen, beteiligte er sich nach der Annexion Hannovers 1866 führend an der Eingliederung der neuen Provinz in den preuß. Staatsverband. 1867-82 war er Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses, danach Mitglied des Herrenhauses; seit 1867 (bis 1877, erneut 1887-90) gehörte er dem Reichstag des Norddeutschen Bundes bzw. dem Deutschen Reichstag an.

    Der Schwerpunkt seiner parlamentarischen Tätigkeit, die er durch seine Mitarbeit in der Leitung der Berliner Diskontobank (1870–76) finanzierte, lag auf der Rechtsvereinheitlichung im Deutschen Reich. Als Vorsitzender der Reichsjustizkommission 1874-76 erwarb er sich wesentliche Verdienste um die Schaffung des Gerichtsverfassungsgesetzes sowie der Zivil- und Strafprozeßordnung. 1877 schied er vorübergehend aus dem Reichstag aus und wandte sich der kommunalpolitischen Arbeit zu. Bereits 1865-69 war er Bürgermeister von Osnabrück gewesen, 1876 wurde er in Osnabrück erneut gewählt, 1880 übernahm er das Amt des Oberbürgermeisters von Frankfurt/Main. M.s kommunalpolitische Tätigkeit war durch finanz- und steuerpolitische Weitsicht gekennzeichnet. In Osnabrück machte er sich vor allem auch durch die Förderung des Handwerks einen Namen. Seit Mitte der 1870er Jahre wandte sich M. immer stärker von seinen liberalen wirtschaftspolitischen Anschauungen der 1860er Jahre ab und favorisierte eine den gewerblichen und agrarischen Mittelstand als tragende Stützen der Gesellschaft gezielt fördernde Politik. Unter seiner Führung suchten die Nationalliberalen die Zusammenarbeit mit den Konservativen. Dies schlug sich u. a. in der von ihm ausgearbeiteten und als Programm angenommenen „Heidelberger Erklärung“ von 1884 nieder. Als 1887 die Nationalliberalen und Konservativen ein Wahlbündnis eingingen („Kartell“), kandidierte M. und kehrte in den Reichstag zurück. 1890, nach Bismarcks Sturz, wurde er zum preuß. Finanzminister berufen. Zur Förderung des ländlichen und gewerblichen Mittelstandes gründete er 1895 die Preuß. Zentralgenossenschaftskasse. Seit 1897 stellvertretender preuß. Ministerpräsident, wurde er im Mai 1901 auf Grund von Differenzen mit dem Kaiser in Fragen des Kanalbaus nach dem Scheitern der zweiten Kanalvorlage im preuß. Abgeordnetenhaus entlassen.

    M.s großes Werk war die in Europa vorbildliche Neuordnung des preuß. Steuerwesens 1891–93. Ziele waren die Erlangung von mehr Steuergerechtigkeit – hier lehnte sich|M. an die sozialpolitisch orientierte Schule der deutschen Nationalökonomie, vor allem Adolph Wagner, an – sowie ein klar geregelter Finanzausgleich zwischen Staat und Gemeinden. Kernstücke waren die Einkommensteuer- und die Kommunalsteuerreform. Mit dem Einkommensteuergesetz von 1891 wurden die Deklarationspflicht (statt der bisher üblichen Zuordnung der Steuerpflichtigen durch die Behörden in grobe Steuerklassen) sowie die Progression mit einem Spitzensatz von 4% bei Freilassung eines Existenzminimums eingeführt. Dank erheblicher Mehreinnahmen durch die neue Einkommensteuer gelang es M., auch den zweiten Teil seines Plans durchzusetzen: Die Kommunalsteuerreform von 1893, die auf Grund der mit ihr zusammenhängenden steuerlichen Begünstigung des Großgrundbesitzes höchst kontrovers war, hob die Gebäude-, Grund- und Gewerbesteuer als Staatssteuern auf und überwies sie den Gemeinden direkt. – M. war einer der markantesten Politiker im Jahrzehnt nach Bismarcks Entlassung, auf Grund seiner Entwicklung vom Anhänger Marx' zum nationalliberalen Realpolitiker und schließlich konvervativ-liberalen Sammlungspolitiker aber auch einer der umstrittensten.|

  • Auszeichnungen

    Dr. iur h. c. (Berlin 1877);
    Schwarzer Adlerorden.

  • Werke

    J. v. M.s Reden (1860–1901), hrsg. v. W. Schultze u. F. Thimme, 4 Bde., 1911-14 (P).

  • Literatur

    W. Mommsen, J. M., Bd. 1 (1828-66), 1928;
    ders., Zur Biogr. J. v. M.s, in: HZ 164, 1941, S. 529-52;
    H. Herzfeld, J. v. M., 2 Bde. (1866–84, 1884-1901), 1938 (zahlr. P);
    H. Heffter, in: Die Gr. Deutschen V, 1957, S. 341-52 (P);
    G. Schulz, in: Westfäl. Lb. VIII, 1959, S. 139-58;
    K. Zuhorn, Die westfäl. Vorfahren d. J. v. M., in: Westfalen 37, 1959, S. 29-44;
    R. Lembcke, J. v. M. u. d. Stadt Osnabrück unter bes. Berücksichtigung d. J. 1865–69, 1962;
    A. Pausch, J. v. M., 1964;
    ders., in: Steuer u. Studium 10, 1989, H. 1, S. 7-13;
    H. Führbaum, Die Entwicklung d. Gemeindesteuern in Dtld. (Preußen) bis z. Beginn d. 1. Weltkriegs, 1971;
    Biogr. Hdb. f. d. preuß. Abgeordnetenhaus 1867-1918, bearb. v. B. Mann u. a., 1988;
    Reichstag d. Norddt. Bundes 1867-1870, bearb. v. B. Haunfelder u. K. E. Pollmann, 1989 (P);
    Persönlichkeiten d. Verwaltung 1648-1945, hrsg. v. K. Jeserich u. H. Neuhaus, 1991 (P);
    BJ VI, S. 9-30 (F. Rachfahl);
    HRG. – Zu Friedrich Anton Wilhelm: C. J. Matthes, Levensber. v. F. A. W. M., 1872;
    I. Jahn, R. Löther, K. Senglaub (Hrsg.), Gesch. d. Biol., 1982, S. 49.

  • Porträts

    Ölgem.: Vilma v. Parlaghi-Brachfeld, Fürstin Lwoff, ca. 1897 (Hannover, Niedersächs. Landesgal.);
    F. Hecker, 1901 (Osnabrück, Kulturgeschichtl. Mus);
    F. v. Lenbach, ca. 1901 (Hannover, Niedersächs. Landesgal.), Abb. in: Die Gr. Deutschen V, 1957.

  • Autor/in

    Rita Aldenhoff
  • Zitierweise

    Aldenhoff, Rita, "Miquel, Johannes von" in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 553-554 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11873413X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA