Lebensdaten
1827 – 1879
Geburtsort
Wetzikon Kanton Zürich
Sterbeort
Burghölzli bei Zürich
Beruf/Funktion
Dichter
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118727869 | OGND | VIAF: 15040094
Namensvarianten
  • Leuthold, Heinrich
  • Lenthold, Heinrich

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Leuthold, Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118727869.html [17.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hans Heinrich (1793–1853), Landarbeiter. Milchhändler, S d. Bauern Johannes u. d. Anna Hauser;
    M Anna (1801–74), T d. Bauern Johannes Stössel in Berstewil u. d. Maria Graf; ledig.

  • Biographie

    L.s Leben war geprägt durch eine entbehrungsreiche und freudlose Kindheit. Der Vater, 1831 von der Mutter geschieden, starb im Armenhaus; auch eine zweite Ehe der als triebhaft und unbeherrscht geschilderten Mutter hatte keinen Bestand. Trotz der ungünstigen familiären Voraussetzungen gelang es L., nach dem Besuch der Mittelschule in Fribourg seit 1845 an den Universitäten Zürich, Bern und Basel Jura zu studieren und gleichzeitig philosophische und literaturwissenschaftliche Vorlesungen zu hören. Nachlassendes Interesse für Jura, Mangel an Energie und die Überforderung durch die Notwendigkeit, sein Studium hauptsächlich selbst verdienen zu müssen, verhinderten einen Abschluß. Ohne gesicherte wirtschaftliche Existenz, in einige Liebschaften verstrickt, verbrachte L. seit 1850 sieben abenteuerliche Wanderjahre in der franz. Schweiz, in Südfrankreich und Italien. Er nutzte diese Zeit, um Sprachen zu lernen und mehrere franz. Lyriker zu übersetzen. Gleichzeitig inspirierten ihn die südliche Landschaft und der Umgang mit ihrer Literatur zu eigenen Gedichten. 1857 wieder in Zürich, wurde er durch Jacob Burckhardt in seiner literarischen Arbeit bestärkt und an Emanuel Geibel nach München empfohlen. Er trat zu diesem schnell in ein freundschaftliches Verhältnis, wurde Mitglied des literarischen Vereins „Krokodil“ und verkehrte mit Heyse, Bodenstedt, Lingg, Carriere, Schack, Scheffel, Dahn, Grosse und anderen Mitgliedern, die er jedoch bald durch seine sarkastischironische Art befremdete. Seit 1859 bereitete er gemeinsam mit Geibel Übersetzungen franz. Lyrik vor, die 1862 bei Cotta erschienen. Neuere Forschungen (Schneider) haben erwiesen, daß L.s Anteil an diesen „Fünf Büchern franz. Lyrik vom Zeitalter der Revolution bis auf unsere Tage“ größer ist als der Geibels. L.s eigene dichterische Produktivität war, u. a. wohl wegen anhaltender materieller Sorgen, gering. Er verfaßte Gedichte, von denen einige ebenfalls 1862 in das von Geibel herausgegebene „Münchener Dichterbuch“ gelangten, ein Epos „Penthesilea“ (1868) und seine Fragment gebliebenen Rhapsodien „Hannibal“.

    L. bestritt seinen Lebensunterhalt vor allem durch Rezensionen, Theaterkritiken und Artikel. Er stand dem 1859 gegründeten „Nationalverein“ nahe und wurde 1860 in dessen süddeutschem Organ, der „Süddeutschen Zeitung“, Leiter des Feuilletons und bald darauf Chefredakteur. Als die Redaktion nach Frankfurt verlegt wurde, übersiedelte er dorthin. Schon 1862 gab er jedoch seine Tätigkeit auf, war vorübergehend wieder in der Schweiz, gab 1864 ein kurzes Gastspiel als Redakteur an der „Schwäb. Zeitung“ in Stuttgart und lebte seit 1866 zurückgezogen und in ungeordneten Verhältnissen erneut in München. Alkohol und Tuberkulose ließen seine Kräfte mehr und mehr schwinden, eine syphilitische Infektion führte schließlich zu einer progressiven Paralyse. 1877 mußte L. in die Heilanstalt Burghölzli b. Zürich eingewiesen werden, wo er zwei Jahre später starb. Kurz zuvor hatte sein Freund Jakob Baechthold gemeinsam mit Gottfried Keller seine „Gedichte“ herausgegeben.

    Zunächst wurde L. von vielen überschätzt, ja sogar mit Lenau und Hölderlin verglichen, doch erkannten manche Zeitgenossen, daß L.s meist empfindsam-schwermütige Lyrik zwar manches ästhetisch Wertvolle und formal Gekonnte enthält, im ganzen jedoch ohne originales Gepräge bleibt. Von seinen Vorbildern Heine, Platen, Byron und besonders Geibel hebt er sich zu wenig ab. Gottfried Keller urteilte über seine Gedichte: Sie „sind sehr schön, sehr talentvoll, aber sie erinnern mich doch an die Schönheit und Glätte der Porzellanmalerei, Stil ist das nicht“.

  • Werke

    Ges. Dichtungen in drei Bänden, Eingel. u. nach d. Hss. hrsg. v. G. Bohnenblust, 1914 (P).

  • Literatur

    ADB 18;
    A. W. Ernst, H. L., Ein Dichterportrait, 1891;
    ders., Neue Btrr. z. H. L.s Dichterportrait, 1897;
    M. Plüß, L.s Lyrik u. ihre Vorbilder, 1908;
    E. Lauchenauer, H. L.s Leben, 1922;
    R. Weichbrodt, H. L., eine Pathographie, in: Archiv f. Psychiatrie u. Nervenkrankheiten 72, 1924/25, S. 515-24;
    K. E. Hoffmann, Das Leben d. Dichters H. L., 1935;
    H. Schneider, Die freundschaftl. Begegnung H. L.s u. Emanuel Geibels im Münchener Dichterkreis, Ein lit.geschichtl. u. psycholog. Ber. mit bisher ungedr. Briefen u. Dokumenten, 1961;
    R. Luck, in: Bürgerlichkeit u. Unbürgerlichkeit in d. Lit. d. dt. Schweiz, 1978, S. 67-82;
    M. Stern, Zu L.s Wirkung in d. Schweiz: Gottfried Keller u. H. L., in: L.-Forum 11, 1979, S. 19-28;
    K. A. v. Müller, L.s Penthesilea, in: ders., Am Rand d. Gesch., Münchner Begegnungen u. Gestalten, 1957;
    Brümmer;
    Große Schweizer, hrsg. v. M. Huber, 1938, S. 704-07 (P);
    Kosch, Lit.-Lex.;
    - K. Schultheß, Die Ahnen d. Dichters H. L., in: Der Schweizer Fam.forscher 28, 1961, S. 1-7.

  • Porträts

    Gem. v. F. v. Lenbach, 1863, Abb. b. Wilpert, Literatur in Bildern.

  • Autor/in

    Günter Häntzschel
  • Zitierweise

    Häntzschel, Günter, "Leuthold, Heinrich" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 385-386 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118727869.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Leuthold: Heinrich L., geb. am 9. August 1827 in Wetzikon, Kanton Zürich, als Sohn eines Landarbeiters aus der zürcherischen Berggemeinde Schönenberg oberhalb Wädensweil am Zürichsee, zeichnete sich früh durch reiche Geistesgaben aus. Für den Juristenberuf bestimmt, fühlte er sich auf diesem Gebiete nicht heimisch, sein Flug ging höher: der Genius der Dichtkunst lebte in ihm und er konnte sich nicht von ihm trennen, wenngleich das Schicksal Alles gethan hat, ihm den Dienst der Musen zu verleiden. Nachdem er in dem von ihm warm geliebten schweizerischen Vaterlande keine Existenz hatte finden können, begab er sich in die Fremde, lebte als Litterat in München, wo ihn seine hohe dichterische Begabung in den Kreis von Männern wie Geibel, Heyse u. A. einführte und träumte eine Zeit lang unter südlichem Himmel einen schönen Traum der Liebe. Er kehrte nach München zurück, verscherzte aber die Gunst seiner dortigen Freunde, die seine Verirrungen lebhaft bedauerten und schließlich erkrankte er an Gehirnerweichung, die seine Unterbringung in der zürcherischen Irrenanstalt Burghölzli zur Folge hatte, wo er am 1. Juli 1879 starb. L. besaß ein eminentes Dichtertalent und eine Formgewandtheit, die ihm neben Rückert und Geibel seine Stellung im deutschen Dichterwald sichert. Nachdem einzelne Produkte feiner Muse im „Münchener Dichterbuch“ und Uebersetzungen französischer Dichtungen in Gemeinschaft mit Geibel schon früher veröffentlicht worden waren, erschien 1879 im Verlag von J. Huber in Frauenfeld eine von|Freundeshand veranstaltete Gedichtsammlung, die schon nach Jahresfrist eine zweite vermehrte Auflage erlebte. Mögen viele Dichter dem „Apollo“ unter den Schmetterlingen gleichen, der kühn und freudig seine Flügel über die Höhen schwingt, so werden wir doch auch dem unsere Sympathie nicht versagen können, der dem „Trauermantel“ gleich über die Niederungen dahinschwebt. L. hat allerdings auch Heiteres, sogar Ausgelassenes gedichtet; aber von unendlich höherem Werthe sind doch die Lieder ernsten und düsteren Inhalts, und in dieser Beziehung ist er seinem Schicksalsgenossen Lenau verwandt. Uebrigens war er in jeder Dichtungsgattung heimisch: neben den lyrischen Ergüssen, den Sonetten, Ghaselen, Oden und Epigrammen begegnen uns in der Sammlung auch zwei epische Werke von hervorragender Bedeutung. Sein Name wird in der Litteraturgeschichte unseres Jahrhunderts sich eine bleibende Stellung bewahren.

  • Autor/in

    C. Menzel.
  • Zitierweise

    Menzel, C., "Leuthold, Heinrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 18 (1883), S. 497-498 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118727869.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA