Lebensdaten
1898 – 1945
Geburtsort
Maffersdorf bei Reichenberg
Sterbeort
Pilsen
Beruf/Funktion
Führer der Sudetendeutschen Partei ; Gauleiter und Reichsstatthalter im Reichsgau Sudetenland
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118710435 | OGND | VIAF: 39499430
Namensvarianten
  • Henlein, Konrad
  • Henlein, Conrad

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Zitierweise

Henlein, Konrad, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118710435.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Konrad, Buchhalter, dann selbständiger Kaufmann in Reichenau b. Gablonz;
    M Hedwig, T d. Buchhalters Eduard Dvořáček (tschech. Nationalität) u. d. N. N. Nöhrig;
    Asch Emma Geyer;
    1 S, 4 T.

  • Biographie

    Nach dem Besuch der Handelsakademie in Gablonz trat H. im Frühjahr 1916 in die österreichische Armee ein. Seit März 1917 an der italienischen Front, zuletzt als Fähnrich, geriet er am 18.11.1917 in italienischer Gefangenschaft. Im Gefangenenlager auf der Insel Asinara hat sich H., der, dem Beispiel des Vaters folgend, bereits zuvor im – von Schönerer beeinflußten – völkischen und antisemitischen Turnverein seiner Heimat aktiv gewesen war, erstmals intensiv mit der Geschichte der deutschen Nationalbewegung und des deutschen Turnvereins, vor allem mit Ludwig Jahn, beschäftigt. So festigte er, trotz eines rein tschechischen Großvaters, seinen harten deutschen Nationalismus großdeutscher Observanz, der allerdings noch mit liberalen Elementen verbunden war, die aus der Erinnerung an die Ideen von 1848 stammten. Er war der Überzeugung, die in Vereinsmeierei erstarrten deutschen Turnvereine Böhmens und Mährens müßten wieder straffe nationale Erziehungs- und Kampforganisationen werden; auch die Gespräche mit tschechischen Kameraden, die Mitglieder der tschechischen Turnbewegung Sokol waren, haben stark in diesem Sinne auf ihn gewirkt. Im April 1919 in seine nunmehr zur Tschechoslowak. Republik gehörende Heimat zurückgekehrt und zunächst Bankbeamter in Gablonz, machte er 1925 mit der Übernahme der Turnlehrerstelle beim Turnverein Asch das Turnen zu seinem Beruf, und schon Pfingsten 1931 wurde H., der auffallende organisatorische und pädagogische Fähigkeiten besaß, außerdem als gewinnende und redliche Persönlichkeit erschien, zum Führer des Deutschen Turnverbands, der Dachorganisation aller völkischen Turnvereine in der ČSR, gewählt. Auf Grund der unbefriedigenden politischen und wirtschaftlichen Lage der Sudetendeutschen in der ČSR mehr denn je von der nationalen Erziehungsfunktion des Turnverbands durchdrungen, war H., da die Beteiligung deutscher Parteien an Prager Kabinetten (seit 1926) keine größeren nationalpolitischen Erfolge gebracht hatte, zudem zu der Auffassung gekommen, daß die sudetendeutschen Parteien nicht imstande seien, die nach dem Scheitern der Anschlußbewegung von 1918/19 gebliebenen sudetendeutschen Ziele, Selbstverwaltung und politische Mitbestimmung, in Prag durchzusetzen, daß dies vielmehr nur einer an der Spitze einer nationalen Einheitsfront stehenden politischen Zentralinstanz der ganzen Volksgruppe gelingen könne; so suchte er den Turnverband nun auch als Vorschule und Vorform einer solchen Einheitsfront zu organisieren. Unterstützt und in Grenzen sogar gelenkt wurde H. dabei von einigen jüngeren Freunden (H. Rutha, W. Heinrich und W. Brand), die aus der Jugendbewegung kamen und als Schüler Othmar Spanns freilich bereits die endgültige Ablösung der parlamentarischen Demokratie durch eine ständestaatliche Ordnung anstrebten. 1928 hatten sie mit H. den „Kameradschaftsbund“ (K. B.) gegründet, einen politischen Klub, der das Führerkorps der künftigen Einheitsfront sammeln sollte.

    Zwischen 1930 und 1933 verfiel die Mehrheit der Sudetendeutschen, ebenfalls enttäuscht von den Resultaten der Regierungsbeteiligung und radikalisiert durch die Wirtschaftskrise, dem gleichen pragmatischen Antipluralismus, den H. im Turnverband lehrte und praktizierte. Als H. im Juli 1933 den Turnverband auf einer Kundgebung in Saaz als Modell der jetzt überall geforderten Einheitsfront präsentieren konnte, das heißt als eine zwar disziplinierte und mit einer gemilderten Form des Führerprinzips ausgerüstete, also autoritäre, aber – von der nationalistischen Grundstimmung abgesehen – ideologisch weitgehend indifferente und in erster|Linie auf ein konkretes Ziel, die Selbstverwaltung, gerichtete Organisation, avancierte er fast über Nacht zur politischen Hoffnung einer Majorität der Volksgruppe. Noch im Sommer 1933 mit einem Versuch zum Zusammenschluß der bestehenden nichtsozialistischen Parteien gescheitert, entschloß sich H. im Herbst zur Gründung einer eigenen Partei, nachdem ihm die Prager Regierung mit dem Verbot der Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (DNSAP) und der Auflösung der Deutschnationalen Partei selbst die Chance bot, neben den Mitgliedern des Turnverbands die bisherigen Anhänger dieser beiden Parteien zu gewinnen und der Einheitsfront sogleich eine breitere Basis zu schaffen. Am 1.10.1933 gründete H. in Eger die Sudetendeutsche Heimatfront (SHF).

    Da diese den größten Teil der Wähler und unteren Funktionäre jener Rechtsparteien aufnehmen konnte und überdies etliche Führer der DNSAP und der DNP am Gründungsakt beteiligt gewesen waren, stellte die SHF in gewissem Sinne die Nachfolgeorganisation dieser Parteien dar. Andererseits haben H. selbst und die Mehrzahl der in großer Zahl von anderen Parteien zu ihm stoßenden Sudetendeutschen die SHF zunächst noch als reinen politischen Zweckverband zur Durchsetzung der Autonomie verstanden, als Gefäß eines Faschismus auf Zeit, während die Führer des K. B., die anfänglich die leitenden Stellen der SHF besetzten, in der Einheitsfront eine Vorstufe der ständestaatlichen Ordnung sahen. An eine Anschlußpolitik konnte zwischen 1933 und 1936 ohnehin niemand ernstlich denken, und so war H. durchaus aufrichtig, wenn er in diesen Jahren in Prag versicherte, seine Partei unterscheide sich von der DNSAP wie vom reichsdeutschen Nationalsozialismus und stelle nicht die Grenzen der ČSR in Frage. In Berlin freilich, dessen finanzielle und diplomatische Hilfe H. notwendig schien, betonte er den Nachfolgecharakter der SHF, obgleich er sehr wohl gewillt war, seine Handlungsfreiheit zu behaupten. Als sich Hitler tatsächlich zur Unterstützung der SHF entschloß, vor allem nach dem großen Erfolg der kurz zuvor in Sudetendeutsche Partei (SdP) umbenannten SHF in den Wahlen vom 19.5.1935 (mit 44 Mandaten zweitstärkste Partei der ČSR nach den tschechischen Agrariern), war es jedoch mit der Selbständigkeit bald zu Ende. Der finanziellen Abhängigkeit (das Reich hatte den Wahlkampf bezahlt, und seit dem Frühjahr 1935 flossen regelmäßige Zuwendungen in die Kassen der SdP) folgte die personalpolitische: 1935 und 1936 mußten auf Druck des Reiches ehemalige Führer der verbotenen DNSAP in die Leitung der SdP aufgenommen und profilierte Vertreter des K. B. entfernt werden, Zugleich setzte eine vom Reich und von den in der ČSR verbliebenen DNSAP-Funktionären gelenkte Unterwanderung der unteren Ränge des SdP-Apparats ein. Mit den wirtschaftlichen und außenpolitischen Erfolgen Hitlers wuchs zudem die Anziehungskraft des Reiches, und zwischen 1936 und 1938 kehrte eine Mehrheit der Volksgruppe zur Anschlußstimmung von 1918/19 zurück. H. hat dieser Entwicklung mehr nachgegeben, als daß er sie bewußt gefördert hätte, wenngleich auch er schließlich die großdeutsche Zielsetzung seiner jüngeren Jahre wieder aufnahm. Im Interesse dieser Zielsetzung akzeptierte er um die Jahreswende 1937/38 die endgültige politische und ideologische Kapitulation der SdP vor Hitler. Ohne selbst je völlig zum Nationalsozialisten im genauen Sinn des Wortes zu werden, stellte er in der Sudetenkrise des Jahres 1938 die SdP in den Dienst der von ihm noch nicht recht durchschauten Eroberungspolitik Hitlers, das heißt er nahm eine Haltung ein, die eine autonomistische Lösung der Nationalitätenfrage im Rahmen der ČSR, zu der die Tschechen jetzt bereit waren, verhinderte und so Hitler den Vorwand zur Intervention lieferte. Nach dem Münchener Abkommen mit dem Amt des Gauleiters und Reichsstatthalters im Reichsgau Sudetenland belohnt, ist er jedoch in den folgenden Jahren politisch nicht mehr hervorgetreten. Nach dem 15.3.1939 machte Hitler nicht H., sondern seinen im nationalsozialistischen Sinne zuverlässigeren Stellvertreter Karl Hermann Frank (1898–1946) zum Staatssekretär (seit Ende 1939 Staatsminister) beim Reichsprotektor in Prag. H. hat, das Ergebnis einer Politik vor Augen, zu der auch er einen wichtigen Beitrag geleistet hatte, in der Nacht vom 9. auf 10.5.1945 in Pilsen Selbstmord begangen.

  • Werke

    Reden u. Aufsätze z. völk. Turnbewegung, 1934;
    Sudetendeutschtum u. gesamtdt. Kultur, 1936;
    K. H. spricht, 1937;
    Rede auf d. Tagung d. Sudetendt. Partei v. 24.4.1938 u. Memorandum d. SdP v. 7.6.1938, 1938;
    Heim ins Reich, 1939.

  • Literatur

    E. Tscherne, Das ist K. H., 1938 (P);
    R. Jahn, K. H., 1938 (P);
    K.-A. Deubner, Der Politiker K. H., 1938 (P);
    W. Brand, Die sudetendt. Tragödie, 1949;
    H. Raschhofer, Die Sudetenfrage, 1953;
    B. Celovsky, Das Münchener Abkommen v. 1938, 1958;
    E. Franzel, Sudetendt. Gesch., 1958;
    W. Jaksch, Europas Weg nach Potsdam, 1958;
    H. K. G. Rönnefarth, Die Sudetenkrise in d. internat. Pol., 1961;
    V. Král, Die Deutschen in d. Tschechoslowakei 1933–47, 1964;
    J. W. Brügel, Tschechen u. Deutsche 1918–38, 1967;
    E. Wiskemann, Czechs and Germans, London 1987. - Zu K. H. Frank: D. Brandes, Besatzungspol., Kollaboration u. Widerstand im Protektorat Böhmen u. Mähren bis Heydrichs Tod (1939–42), Diss. München 1968

  • Autor/in

    Hermann Graml
  • Zitierweise

    Graml, Hermann, "Henlein, Konrad" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 532-534 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118710435.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA